Leitsatz (redaktionell)
Der Abs 1 des KOV-VfG § 47 bildet keine selbständige Grundlage für einen Rückerstattungsanspruch der Versorgungsverwaltung. Er legt nur eine der Voraussetzungen für die Rückforderung fest, nämlich die, daß Leistungen zu Unrecht empfangen sein müssen. Bei den Abs 4 und 7 des KOV-VfG § 47 handelt es sich um allgemein für Erstattungsansprüche gegen Versorgungsberechtigte geltende Regelungen, die nicht auf die nach KOV-VfG § 47 Abs 2 und 3 gestützten Rückerstattungsansprüche beschränkt sind. Es besteht nämlich ein allgemeiner Grundsatz, daß auf eine öffentlich-rechtliche Forderung verzichtet werden kann, wenn ihre Einziehung für den Verpflichteten eine besondere Härte bedeutet, und daß von der Weiterverfolgung der Rückforderung einstweilen oder dauernd abgesehen werden kann bzw abzusehen ist, wenn die Forderung vorübergehend oder dauernd nicht einziehbar ist. Der Versorgungsbehörde ist es zu überlassen, ob sie die Prüfung nach Abs 4 und 7 schon bei Erlaß des Rückforderungsbescheides oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen will.
Orientierungssatz
Hatte ein Versorgungsberechtigter auf Grund eines noch nicht rechtskräftigen Urteils des SG gemäß SGG § 154 Abs 2 Leistungen erlangt, die er bei Aufhebung dieses Urteils durch das LSG zu seinen Lebzeiten entsprechend der Vorschrift des ZPO § 717 Abs 2 hätte zurückerstatten müssen, so ist dieser Rückforderungsanspruch aus dem Versorgungsverhältnis öffentlich- rechtlicher Natur und hat seinen Charakter nicht durch den Tod des Versorgungsempfängers geändert; vielmehr ist das Vermögen des Erblassers mit dieser öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit belastet. Über den Rückforderungsanspruch haben daher nicht die Zivilgerichte, sondern die gemäß SGG § 51 Abs 1 zuständigen SG zu entscheiden.
Normenkette
SGG § 154 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 717 Abs. 2; SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02, Abs. 2 Fassung: 1955-05-02, Abs. 3 Fassung: 1955-05-02, Abs. 4 Fassung: 1955-05-02, Abs. 7 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 3. Mai 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des am 22. Oktober 1959 verstorbenen Beschädigten.
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hatte mit Urteil vom 15. Februar 1956 den Beklagten verurteilt, dem Beschädigten Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v. H. zu gewähren. Dieses Urteil hatte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 19. Mai 1959 - unter Abweisung der Klage - aufgehoben; die hiergegen eingelegte Revision hatte keinen Erfolg gehabt (Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 12. Oktober 1959).
In Ausführung des Urteils des SG vom 15. Februar 1956 hatte das Versorgungsamt (VersorgA) mit Bescheid vom 19. Juni 1956 für die Zeit vom 1. Februar 1956 an dem Beschädigten Rente nach einer MdE von 60 v. H. "vorbehaltlich der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren" gewährt.
Im Hinblick auf die Abweisung der Klage im Rechtszuge forderte die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 23. November 1959 von der Klägerin als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes die unter Vorbehalt geleisteten Bezüge von 3.349,77 DM zurück. Im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1960). Das SG Hildesheim hat mit Urteil vom 21. Februar 1963 die Verwaltungsbescheide aufgehoben; es hat die Rückforderung der an den Ehemann der Klägerin gewährten Versorgungsbezüge und Versorgungsleistungen für unzulässig angesehen, weil zwischen den Beteiligten kein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis bestehe und die Klägerin dem Beklagten nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts hafte.
Das LSG Niedersachsen hat mit Urteil vom 3. Mai 1965 dieses Urteil des SG Hildesheim und damit die Verwaltungsbescheide dahin abgeändert, daß der Rückforderungsanspruch des Beklagten 3.256,36 DM beträgt; es hat die weitergehende Klage abgewiesen, der Klägerin die Beschränkung der Erbenhaftung vorbehalten und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Der Rückforderungsanspruch des Beklagten sei auch nach dem Erbfall noch öffentlich-rechtlicher Natur (geblieben), so daß der Nachlaß - im Zeitpunkt des Erbfalles - als mit einer öffentlich-rechtlichen Forderung belastet anzusehen sei. Der Charakter öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeiten - dazu seien auch Rückerstattungsansprüche zu rechnen - könne sich durch den Übergang im Erbwege nicht ändern und bleibe einer Regelung durch einen Verwaltungsakt zugänglich. Der Beklagte habe somit seinen Rückforderungsanspruch grundsätzlich durch Verwaltungsakt zu Recht geltend gemacht. Lediglich der Verwaltungskostenanteil in Höhe von 93,41 DM könne nicht zurückgefordert werden; denn er sei keine "Versorgungsleistung" im Sinne des § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Soweit die Klägerin neben ihrer Anfechtungsklage auch noch eine Feststellungsklage erhoben habe, sei diese im übrigen unzulässig. Wegen ihrer Haftung als Erbin sei der Klägerin auf ihren Antrag die beschränkte Erbenhaftung nach §§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 780, 305 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), 2059 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorzubehalten gewesen.
Gegen dieses ihr am 28. Mai 1965 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 4. Juni 1965 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage die zugelassene Revision eingelegt. Mit der - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 28. August 1965 - am 25. August 1965 eingegangenen Revisionsbegründung vom 24. August 1965 rügt sie die Verletzung des § 47 VerwVG und trägt vor, das LSG sei unzulässigerweise von einer Entscheidung des BSG (vgl. BSG 15, 14) abgewichen, nach der zu Unrecht gezahlte Renten von den Erben eines Versorgungsberechtigten dann nicht durch Verwaltungsakt zurückverlangt werden könnten, wenn der Versorgungsberechtigte vor Ablauf des Zeitraumes, für den Rente gezahlt worden sei, gestorben sei. Zwar decke sich der vom 11. Senat des BSG entschiedene Fall in tatsächlicher Hinsicht nicht völlig mit dem der Klägerin; auf diesen seien aber die dort entwickelten Grundsätze anzuwenden. Dies müsse schon deshalb gelten, weil die Versorgungsbehörde den Vorbehalt im Ausführungsbescheid vom 19. Juni 1956 erst dann geltend gemacht und die entsprechende Überzahlung an Versorgungsbezügen erst dann zurückgefordert habe, als der versorgungsberechtigte Ehemann der Klägerin bereits gestorben gewesen sei. Durch dessen Tod sei das bis dahin bestehende "öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis" erloschen und habe deshalb gar nicht mehr auf die Klägerin übergehen können. Im übrigen habe die Versorgungsbehörde die Rückforderung auch geltend gemacht, ohne vorher zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 4 (Verzicht auf Rückerstattung wegen besonderer Härte) und Abs. 6 bzw. 7 VerwVG nF (dauernde oder vorüber gehende Nichteinziehbarkeit einer Forderung) gegeben gewesen seien. Auch das LSG habe sich mit dieser Frage befassen und bei hinreichender Würdigung der Sach- und Rechtslage (§ 128 Abs. 1 SGG) sowie bei hinreichender Sachaufklärung (§ 103 SGG) feststellen müssen, daß die Klägerin praktisch nichts geerbt habe und in dürftigen Verhältnissen lebe.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und deshalb zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin auf Grund des damals noch nicht rechtskräftigen Urteils des SG vom 15. Februar 1956 gemäß § 154 Abs. 2 SGG in der Zeit vom 1. Februar 1956 bis 31. Mai 1959 Versorgungsleistungen erhalten, die ihm nach dem rechtskräftig gewordenen Urteil des LSG vom 19. Mai 1959 nicht zugestanden haben. Das bedeutet, daß der Verstorbene zur Rückzahlung verpflichtet gewesen wäre, wenn er nicht gestorben wäre. Zu entscheiden ist die Frage, ob der Beklagte den noch streitigen Betrag von 3.256,46 DM von der Klägerin als Erbin ihres Ehemannes zurückfordern und dies mit einem Verwaltungsakt oder nur im Wege einer Zivilklage geltend machen kann.
Wie auch das LSG zutreffend entschieden hat, sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Denn der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist ein Verwaltungsakt. Der Beklagte hat diesen Bescheid auf § 47 VerwVG, also auf eine Vorschrift öffentlichen Rechts gestützt und damit erkennbar einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts regeln wollen. Die Klage gegen diesen Verwaltungsakt ist somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Kriegsopferversorgung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG, über die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden haben, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Verwaltung befugt war, eine Streitigkeit durch einen Verwaltungsakt zu regeln oder nicht. Denn selbst dann, wenn sie eine hoheitliche Regelung für einen Einzelfall trifft, mit der sie in private Rechte und Rechtsverhältnisse eingreift, liegt ein - wenn auch rechtswidriger - Verwaltungsakt vor. Für die Nachprüfung eines solchen Verwaltungsakts sind aber ausschließlich die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, hier gemäß § 51 Abs. 1 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, berufen. Zu prüfen bleibt daher allein, ob die Verwaltung mit ihrem Rückforderungsbescheid an die Klägerin in ein privates Rechtsverhältnis eingegriffen oder ob sie ein öffentliches Rechtsverhältnis gestaltet hat und daher befugt gewesen ist, die Verpflichtung zur Rückerstattung der oben bezeichneten Versorgungsleistungen durch einen Verwaltungsakt zu regeln (vgl. erkennender Senat in BSG 24, 190, 191; vgl. auch BSG 15, 14, 15).
Dabei ist von folgenden, mit der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin hat ein Versorgungsrechtsverhältnis bestanden, das dem öffentlichen Recht angehört hat, einmal durch die Anerkennung von Schädigungsfolgen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) (ohne rentenberechtigenden Grad der MdE) gemäß Bescheid vom 8. Mai 1951, und weiter durch Gewährung von Versorgungsleistungen für die Zeit vom 1. Februar 1956 bis 31. Mai 1959 auf Grund des Ausführungsbescheides vom 19. Juni 1956. Diese Versorgungsleistungen, ohnehin "vorbehaltlich der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren" gewährt, standen dem Verstorbenen aber nicht mehr zu, nachdem das dem Ausführungsbescheid vom 19. Juni 1956 zugrunde liegende Urteil des SG durch Urteil des LSG und Beschluß des BSG aufgehoben und damit der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides in vollem Umfang bindend geworden waren. Sind aber nicht zustehende Versorgungsleistungen erbracht worden, so sind sie nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder nach ausdrücklichen Vorschriften grundsätzlich zu erstatten. Dieser Erstattungsanspruch gegen den Rentenempfänger ist öffentlich-rechtlicher Natur. Er verändert seinen Charakter auch nicht durch den Tod des Versorgungsempfängers, wie die Klägerin meint. Der 11. Senat des BSG hat zwar in BSG 15, 14 einen öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch in einem Falle verneint, in dem der Versorgungsberechtigte die Leistung für den folgenden Monat zu Lebzeiten zu Recht gemäß § 66 Abs. 1 BVG erhalten hatte, aber vor Beginn des Zeitraums verstorben war, für den die Rente ausgezahlt worden war. Da dieser Fall aber sachlich und nach Auffassung des 11. Senats auch rechtlich anders gelagert ist, bedarf es keines näheren Eingehens auf diese Entscheidung (vgl. BSG 24, 190, 191).
Nach allem hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der materiell-rechtlichen Frage ab, ob der Erstattungsanspruch des Beklagten (gegen den Verstorbenen) als öffentlich-rechtlicher Anspruch zum Nachlaß (des Verstorbenen) gehört. Hierzu hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 17. Dezember 1965 (BSG 24, 190, 192) ausgeführt:
Ist diese Frage zu bejahen, so ändert sich die öffentlich-rechtliche Natur des Erstattungsanspruchs auch nicht dadurch, daß das Vermögen des Erblassers mit dieser öffentlich-rechtlichen Belastung im Wege der Erbfolge auf die Klägerin als Erbin übergegangen ist. Bei der Beantwortung der Frage, ob das Vermögen eines Erblassers mit einer öffentlich-rechtlichen Forderung belastet war, ist zu beachten, daß die Leistung für den Versorgungsberechtigten bestimmt war, und daß diese Leistung ihre öffentlich-rechtliche Natur nicht dadurch verloren hat, daß sie - rückschauend betrachtet - nicht zustand. Der Rechtsübergang aus Anlaß eines Erbfalles ändert an der Rechtsnatur der öffentlich-rechtlichen Leistung nichts. Denn der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist das Gegenstück der öffentlich-rechtlichen Leistung. Unbestritten kann der Erbe eine im Erbwege übergegangene Rentenforderung im Verwaltungsrechtsweg geltend machen ohne Rücksicht darauf, ob die Rente dem Erblasser bereits durch einen bindend gewordenen Bescheid zuerkannt worden war oder nicht. Dies muß dann auch für die Rückforderung gelten. Auch diese betrifft eine öffentlich-rechtliche Leistung, die sich in eine öffentlich-rechtliche Schuld verwandelt hat. Diese öffentlich-rechtliche Natur der Schuld ändert sich nicht, wenn der Inhaber der Verpflichtung wechselt. Denn bei der Entscheidung, ob der Rückerstattungsanspruch dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen ist, kommt es nicht auf die Person des Verpflichteten, sondern auf die Rechtsnatur der Leistung an. Gehörte diese dem öffentlichen Recht an, so ändert sie sich auch nicht durch den Tod des Empfängers. Die Verwaltung ist daher grundsätzlich berechtigt, Rückforderungsansprüche gegen Erben im Wege eines Verwaltungsakts durchzusetzen.
Dem steht im übrigen nicht entgegen, daß der zunächst für den Ehemann der Klägerin bestimmte "Ausführungs- und Rückforderungsbescheid" vom 23. November 1959 diesem nicht mehr zu Lebzeiten zugestellt worden ist. Denn der Senat hat bereits entschieden (BSG 7, 103), daß beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde auch dann noch einen belastenden Verwaltungsakt erlassen kann, wenn der auf Grund eines fehlerhaften Bescheides Versorgungsberechtigte bereits verstorben ist. Die dabei ausgesprochenen Grundsätze zu Art. 30 des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) müssen aber für die ordnungsgemäße Beseitigung aller fehlerhaften oder fehlerhaft gewordenen Bescheide gelten, gleichgültig, ob es sich um die Anwendung des § 41 VerwVG, des § 62 BVG oder auch darum handelt, daß aus irgendwelchen Gründen nicht zustehende und trotzdem gezahlte Versorgungsleistungen zurückgefordert werden müssen. Gerade auch in letzterem Falle ist der belastende Verwaltungsakt dazu bestimmt, das Versorgungsrechtsverhältnis mit der wahren und richtigen Sach- und Rechtslage von Anfang an wieder in Übereinstimmung zu bringen. Daraus folgt, daß der Rückforderungsanspruch auf den Zeitpunkt zurückgeht, von dem an die Leistungen gewährt worden sind. Daraus folgt weiter, daß in Fällen, in denen der Empfänger einer ihm nicht zustehenden Versorgungsleistung als an sich Erstattungspflichtiger nicht mehr lebt, die Erstattungspflicht auf den Rechtsnachfolger als öffentlich-rechtliche Verpflichtung übergeht. Die mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch belastete öffentlich-rechtliche Leistung ist mit dieser Belastung in das Vermögen des Erstattungspflichtigen übergegangen und gelangt so bei seinem Tode auch in seinen Nachlaß (so auch der erkennende Senat in BSG 24, 190, 193). Der Senat hat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt:
Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, der Erbgang sei ein privat-rechtlicher Vorgang. Für den Fall nämlich, daß ein Leistungsberechtigter einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch an einen Dritten abtritt, hat das BSG für die Rentenversicherung und das Versorgungsrecht in BSG 10, 160; 11, 60 entschieden, daß der Rechtsübergang dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist und die Vorschriften der §§ 398 ff BGB nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anzuwenden sind. Genauso wie mit dem Übergang von Rechten verhält es sich aber auch mit dem Übergang von Verpflichtungen. Gehören diese dem öffentlichen Recht an, so gehen sie in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1967 BGB beim Erbgang auch als öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten auf den Erben über. Zu dieser Frage hat das LSG zutreffend auch noch auf § 8 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes hingewiesen, nach dem bei einer Gesamtrechtsnachfolge die Steuerschulden des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger übergehen. Erben haften für die aus dem Nachlaß zu entrichtenden Steuern "wie" für Nachlaßverbindlichkeiten nach bürgerlichem Recht. § 8 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes enthält danach einen allgemeinen, für das gesamte öffentliche Recht geltenden Rechtsgrundsatz, nach dem alle öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten grundsätzlich auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Dieser - vorliegend die Klägerin als Erbin - tritt daher voll in die Stellung seines Rechtsvorgängers in verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht ein (vgl. ua auch Bettermann in DVBl 1961, 921 ff).
Das alles hat zur Folge, daß die Klägerin hinsichtlich des gegen sie geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs nicht anders behandelt werden kann als - im Erlebensfalle - ihr verstorbener Ehemann, der Versorgungsleistungen in Höhe von 3.256,36 DM erhalten hat, obwohl sie ihm mit der Rechtskraft des Urteils des LSG vom 19. Mai 1959 zweifelsfrei nicht zugestanden hatten. Da hiernach die Klägerin bei der Frage des Rückerstattungsanspruchs als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes mit diesem notwendig gleichgesetzt werden muß, hat das LSG im Ergebnis zutreffend auch entschieden, daß dem Rückerstattungsanspruch stattgegeben werden muß. Dabei kann entgegen der Auffassung des LSG der Beklagte allerdings seinen Anspruch auf Rückzahlung der 3.256,36 DM nicht auf § 47 Abs. 1 VerwVG stützen.
Denn wie der erkennende Senat - in Anschließung an das Urteil des 10. Senats des BSG vom 12. August 1966 (SozR VerwVG § 47 Nr. 19) - bereits entschieden hat (Urteil vom 22. Juni 1967 - 8 RV 389/64), bildet der Absatz 1 des § 47 VerwVG, der einleitend von der Rückerstattungspflicht zu Unrecht empfangener Leistungen spricht, keine selbständige Grundlage für einen Rückerstattungsanspruch der Versorgungsverwaltung; vielmehr kann diese zu Unrecht gezahlte Leistungen nur unter den in den Abs. 2 und 3 des § 47 VerwVG näher bezeichneten besonderen, im Falle der Klägerin nicht gegebenen Voraussetzungen vom Empfänger zurückfordern.
Der Erstattungsanspruch des Beklagten ist jedoch aus anderen, dem Prozeßrecht zu entnehmenden Gründen gerechtfertigt, und zwar gemäß §§ 154 Abs. 2, 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG, 717 Abs. 2 ZPO. In seinem Urteil vom 15. August 1967 - 10 RV 927/65 - (SozR ZPO § 717 Nr. 2) hat der 10. Senat des BSG dazu ausgeführt:
"Nach § 154 Abs. 2 SGG bewirkt die Berufung eines Landes (in der Kriegsopferversorgung) Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlaß des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit nach Erlaß des Urteils zu zahlen sind, ist das Urteil gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG vollstreckbar und das Land zur Gewährung der Versorgungsleistungen aus dem Urteil verpflichtet, um insoweit eine Vollstreckung abzuwenden. Wird zur Erfüllung dieser Verpflichtung und in Ausführung des Urteils des SG ein Bescheid erteilt, so handelt es sich nur um eine vorläufige Regelung des Versorgungsrechtsverhältnisses (BSG 9, 169), die noch nichts über die endgültige Gestaltung des zwischen den streitenden Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses besagt. Der aus dem Urteil des SG versorgungsberechtigte Kläger wird mithin so gestellt, als wenn er im Zivilprozeß ein vorläufig vollstreckbares Urteil erwirkt hätte, nach welchem ihm Leistungen vom Urteilserlaß an zu gewähren sind. Werden solche Leistungen gewährt, so handelt es sich - ebenso wie bei der Befriedigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung im Zivilprozeß - um "die vorläufige Regelung des Streitverhältnisses zugunsten des Berechtigten, aber unter voller Wahrung der Rechte des Verpflichteten" (BSG 9, 169, 170). Über die Rechtsfolgen, die dann eintreten, wenn auf das noch nicht rechtskräftige, aber vollstreckbare Urteil von der Versorgungsbehörde im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 154 Abs. 2 SGG Leistungen gewährt worden sind, das Urteil aber später aufgehoben oder abgeändert wird, ist im SGG selbst nichts gesagt. In der ZPO jedoch ist eine besondere Regelung für den Fall getroffen worden, daß ein Kläger aus einem noch nicht rechtskräftigen, aber für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil, das später aufgehoben oder abgeändert wird, Leistungen erlangt hat. Dazu ist im § 717 Abs. 2 ZPO bestimmt, daß der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Diese Vorschrift muß auch im sozialgerichtlichen Verfahren in den entsprechenden Fällen, in denen ein Kläger auf Grund eines noch nicht rechtskräftigen Urteils gem. § 154 Abs. 2 SGG Leistungen erhält, das Urteil aber später aufgehoben oder abgeändert wird, entsprechende Anwendung finden. Dem steht nicht etwa der § 198 Abs. 2 SGG entgegen, wonach die Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit in der ZPO nicht anzuwenden sind. Der § 717 Abs. 2 ZPO ist nämlich keine "Vorschrift über die vorläufige Vollstreckbarkeit" i. S. des § 198 Abs. 2 SGG. Er gibt vielmehr unter bestimmten prozeßrechtlichen Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch; es handelt sich also nicht um eine Vollstreckungsvorschrift, sondern um eine in der ZPO besonders ausgestaltete materiell-rechtliche Regelung eines Schadensersatzanspruchs. .. Wenn sonach der § 717 Abs. 2 ZPO nicht die "vorläufige Vollstreckbarkeit" eines Urteils betrifft, so steht auch der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren nicht der § 198 Abs. 2 SGG entgegen."
Dabei könne, so hat der 10. Senat weiter ausgeführt, dahinstehen, ob § 717 Abs. 2 ZPO unmittelbar über § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden sei; denn zumindest müsse - mangels Regelung im SGG - die im § 717 Abs. 2 ZPO enthaltene Regelung im Wege der Lückenausfüllung Geltung haben. Im Hinblick auf die auf anderen Rechtsgebieten (Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit) "getroffene Regelung über die Folgen einer Bewirkung von Leistungen aus einem noch nicht rechtskräftigen, aber vollstreckbaren Urteil, das später aufgehoben und abgeändert worden sei (§ 62 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, § 151 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung, § 167 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung), müsse gefolgert werden, daß im SGG eine entsprechende Regelung für einen solchen Fall nur versehentlich unterblieben sei". Der erkennende Senat macht sich diese Auffassung zu eigen und schließt sich ihr im vollen Umfange an. Die vorhandene Lücke im Gesetz kann aber nur dahin geschlossen werden, daß auch im sozialgerichtlichen Verfahren § 717 Abs. 2 ZPO entsprechend angewandt werden muß. Daraus folgt, daß die Entgegennahme einer Leistung ebenso wie die Vollstreckung zur Erzwingung einer Leistung auf Grund eines noch nicht rechtskräftigen, aber vollstreckbaren Urteils auf Gefahr des Empfängers der Leistung geht. Wird also das Urteil der ersten Instanz, auf dem diese Leistung beruht, aufgehoben, so muß der Empfänger nach dem Grundsatz des § 717 Abs. 2 ZPO mindestens das erstatten, was er aus dem Urteil erlangt hat. Voraussetzung hierfür ist auch nicht etwa, daß ein in Ausführung des noch nicht rechtskräftigen Urteils erlassener Bescheid noch besonders aufgehoben wird (BSG 9, 169, 170). Da im vorliegenden Fall der Ehemann der Klägerin aus dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des SG vom 15. Februar 1956 im Rahmen des § 154 Abs. 2 SGG Leistungen erhalten hat und dieses Urteil auf die Berufung des Beklagten vom LSG mit Urteil vom 19. Mai 1959 aufgehoben worden ist, muß die Klägerin als Erbin somit diese Leistungen gemäß dem entsprechend anwendbaren § 717 Abs. 2 ZPO an den Beklagten zurückzahlen.
Im übrigen muß der Revision der Erfolg auch insoweit versagt bleiben, als sie vorbringt, das LSG habe unter Verletzung der §§ 103, 128 Abs. 1 SGG zu Unrecht nicht festgestellt, daß die Voraussetzungen der Abs. 4 und 6 (7 nF) des § 47 VerwVG für die Klägerin gegeben seien. Dabei ist zuzugeben, daß es sich bei diesen Vorschriften um allgemein für Erstattungsansprüche gegen Versorgungsberechtigte geltende Regelungen handelt, die nicht auf die nach § 47 Abs. 2 und 3 VerwVG gestützten Rückerstattungsansprüche beschränkt sind, so daß der Anwendung dieser Vorschriften nicht im Wege stand, daß im vorliegenden Fall die Rückerstattungspflicht nicht auf § 47 VerwVG gestützt werden kann. Es besteht nämlich ein allgemeiner Grundsatz, daß auf eine öffentlich-rechtliche Forderung verzichtet werden kann, wenn ihre Einziehung für den Verpflichteten eine besondere Härte bedeutet, und daß von der Weiterverfolgung der Rückforderung einstweilen oder dauernd abgesehen werden kann bzw. abzusehen ist, wenn die Forderung vorübergehend oder dauernd nicht einziehbar ist. Das LSG hat aber zutreffend entschieden, daß ihm im Falle der Klägerin eine Nachprüfung in diesem Sinn verwehrt sei. Denn eine Überprüfung nach Abs. 4 und 6 (7 nF) des § 47 VerwVG setzt in jedem Falle voraus, daß ein Rückforderungsanspruch festgestellt ist, wobei es der Verwaltungsbehörde überlassen bleiben muß, ob sie diese Überprüfung schon beim Erlaß des Rückforderungsbescheides oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen will. Darüber hinaus handelt es sich insbesondere beim Absatz 4 des § 47 VerwVG um eine sogenannte Kannvorschrift, bei der nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG von den Gerichten nur nachgeprüft werden kann, ob die Versorgungsbehörde das in ihr eingeräumte Ermessen überschritten hat. Wie aus dem eingangs dargelegten Sachverhalt hervorgeht, hat aber die Versorgungsbehörde eine Entscheidung nach Abs. 4 und 6 (7 nF) des § 47 VerwVG noch gar nicht getroffen, so daß auch für eine Entscheidung des Berufungsgerichts hierzu kein Raum war.
Nach allem konnte die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben; sie war deshalb, wie geschehen, als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen