Leitsatz (amtlich)

FRG § 23 Abs 1 ist auch anwendbar, wenn zwar die Höhe des Gesamtbeitrags zur Sozialversicherung, nicht aber die Höhe des Anteils zur Rentenversicherung nachgewiesen ist.

 

Normenkette

FRG § 23 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. März 1972 insoweit aufgehoben, als es die Zuordnung der Klägerin in die Leistungsgruppen der Anlage 1 zu § 22 des Fremdrentengesetzes für die Jahre 1951 bis 1953 und 1955 bis Juni 1956 betrifft; in diesem Umfang wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

In diesem Rechtsstreit geht es - jetzt noch - darum, wie Versicherungszeiten einer pflichtversicherten Selbständigen, die sie von 1951 bis zum 30. Juni 1956 im Ostsektor von B zurückgelegt hat, bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

Die 1906 geborene Klägerin, die als Stenotypistin, Kontoristin und Buchhalterin beschäftigt gewesen war, arbeitete von 1932 bis 1942 als Bilanzbuchhalterin in der Praxis ihres Ehemannes (Helfer in Steuersachen). Seit Oktober 1942 war sie selbständige Helferin in Steuersachen in B (Ost); am 13. Mai 1959 siedelte sie nach West-B über. Beitragsleistungen für die gesamte streitige Zeit sind durch den Versicherungsausweis nachgewiesen.

Die Klägerin bezieht von der Beklagten seit März 1971 Altersruhegeld (Bescheid vom 17. Februar 1971). Bei der Rentenberechnung legte die Beklagte für die selbständige Tätigkeit der Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 1949 bis 12. Mai 1959 die Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 Abschnitt B zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG) zugrunde. Die Klägerin begehrte statt dessen auf Grund ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung und der Tätigkeitsmerkmale ihre Einstufung in die Leistungsgruppe B 2. Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab. Das Landessozialgericht (LSG) änderte das erstinstanzliche Urteil und verurteilte die Beklagte, bei der Rentenberechnung für die Jahre 1951 bis 1953 und 1955 bis Mai 1959 die Leistungsgruppe B 2 zugrunde zu legen.

Nach der Ansicht des LSG ist die Klägerin mit einer unselbständig beschäftigten berufserfahrenen Buchhalterin zu vergleichen, der andere Angestellte unterstellt sind. Nach den Merkmalen ihrer Tätigkeit seien die Voraussetzungen zur Einstufung in die Leistungsgruppe 2 erfüllt. Bei Berücksichtigung der Beitragsleistung (§ 23 Abs. 1 FRG) müsse insoweit eine Korrektur nach unten vorgenommen werden, als die Beiträge der Höhe nach nicht den durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelten dieser Leistungsgruppe entsprächen. Da das Einkommen der Klägerin (in DM-Ost) in den Jahren 1949, 1950 und 1954 den Werten der Leistungsgruppe 3 (der Anlage 11 zu § 22 FRG) entsprochen habe, sei mithin für diese Jahre die Leistungsgruppe 3 gerechtfertigt; für die Jahre 1951 bis 1953 dagegen sowie für 1955 bis Mai 1959 entspräche auch das beitragspflichtige Einkommen (in DM-Ost) den Werten der Leistungsgruppe 2. Obgleich bei den versicherungspflichtigen Selbständigen die Beitragssätze nur 10 % ihres Gewinns ausgemacht hätten (§ 68 Abs. 2 der Satzung der VAB-Ost), seien doch die Selbständigen den Unselbständigen im Ergebnis gleichgestellt gewesen, weil diese nur die Hälfte der in Höhe von 20 % des Entgelts zu entrichtenden Beiträge selbst hätten tragen müssen. Das LSG hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, wie bei Selbständigen die Beitragsleistung zu berücksichtigen ist (Urteil vom 15. März 1972).

Die Beklagte hat rechtzeitig Revision eingelegt und sich in ihrer Revisionsbegründung bereit erklärt, für die Zeit ab 1. Juli 1956 die Einstufung der Klägerin in die Leistungsgruppe 2 anzuerkennen; sie hat dementsprechend das Altersruhegeld der Klägerin durch Bescheid vom 4. November 1972 neu berechnet. Hinsichtlich der Zeiten von 1951 bis 1953 und von 1955 bis 30. Juni 1956 rügt die Beklagte eine Verletzung des § 23 Abs. 1 FRG. Das LSG habe zu Unrecht einen Einkommensvergleich vorgenommen und dabei überdies nicht beachtet, daß eine rein numerische Gegenüberstellung von Einkommen in DM-Ost und DM-West wegen der unterschiedlichen Lohn- und Gehaltsstruktur keine Rückschlüsse zulasse. Statt dessen hätte das LSG die Beitragsleistungen der Klägerin mit denen einer Buchhalterin vergleichen müssen. Dabei hätte sich ergeben, daß die Beitragsleistungen der Klägerin erheblich geringer gewesen seien.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es nicht rechtskräftig geworden sei, und auch insoweit die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur neuen Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten; sie hat sich jedoch ebenso wie die Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als der Rechtsstreit unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Das angefochtene Urteil ist rechtskräftig, soweit das LSG für die Jahre 1949 bis 1950 sowie für 1954 die Einstufung der Klägerin in eine höhere Leistungsgruppe als die der Gruppe 3 verneint hat. Für die Zeit vom 1. Juli 1956 bis Mai 1959 ist die Klägerin auf Grund des während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheids der Beklagten vom 4. November 1972 klaglos gestellt. Streitig ist somit allein ihre Einstufung für die Jahre 1951 bis 1953 und 1955 bis 30. Juni 1956.

Das LSG hat für diese Zeit die Zuordnung der Klägerin zur Leistungsgruppe 2 für angemessen gehalten. Dabei ist es von § 23 Abs. 1 FRG ausgegangen, wonach (bei pflichtversicherten Selbständigen) § 22 FRG unter Berücksichtigung der Beitragsleistung entsprechend anzuwenden ist. Es ist jedoch zweifelhaft, ob § 23 Abs. 1 FRG wirklich für die gesamte noch streitige Zeit maßgebend ist. Abs. 2 Satz 1 des § 23 FRG gibt nämlich andere Richtlinien, wenn die Höhe der Beitragsleistung nicht nachgewiesen ist (dann sind anstelle der Beitragsleistung die Berufstätigkeit und die Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen). In dem Versicherungsausweis der Klägerin sind die Beiträge ihrer Höhe nach nur bis März 1952 eingetragen. Für die folgende Zeit finden sich im Versicherungsausweis nur Eintragungen über das beitragspflichtige Einkommen (Gewinn). Wenn sich daraus die Höhe der Beiträge errechnen läßt, wäre sie allerdings auch dann noch "nachgewiesen" und damit § 23 Abs. 1 FRG auch für die Zeit nach März 1952 maßgebend. Die Beklagte hat in der Revisionsbegründung versucht, die Höhe der Beitragsleistung ab März 1952 aus dem bescheinigten Einkommen zu errechnen. Sie ist dabei auf die Schwierigkeit gestoßen, daß sie zwar einen Gesamtbeitrag ermitteln, davon aber nur einen Anteil zur Arbeitslosenversicherung ausklammern konnte. Nach § 23 FRG kommt es jedoch auf die Beiträge zur Rentenversicherung an. Der Senat ist indessen mit der Beklagten der Meinung, daß bei Unmöglichkeit einer Ausgliederung der Anteile zur Rentenversicherung die Beitragsleistung als Gesamtbeitragsleistung berücksichtigt werden darf und muß. Ist die Höhe von Gesamtbeiträgen nachgewiesen, dann bildet somit § 23 Abs. 1 FRG gleichfalls die Grundlage für die Zuordnung der Tabellenwerte (Einstufung in Leistungsgruppen).

Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 23 Abs. 1 FRG (BSG 24, 99 ff; SozR Nr. 3 zu § 23 FRG) ist in erster Linie ein nach Berufstätigkeit vergleichbarer unselbständiger Beschäftigter zu ermitteln. Als solche Vergleichsperson hat das LSG eine abhängig beschäftigte berufserfahrene Buchhalterin angenommen. Es ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin danach für die jetzt noch streitige Zeit allein auf Grund ihrer Tätigkeitsmerkmale der Leistungsgruppe 2 zuzuordnen sei. Das weitere Vorgehen des LSG entspricht jedoch nicht dem Gesetz.

Das LSG hat zwar die grundsätzliche Bedeutung der Frage, wie bei pflichtversicherten Selbständigen die Beitragsleistung zu berücksichtigen ist, nicht verkannt; es hat jedoch nicht genügend beachtet, daß bei ihnen die Beitragsleistung deshalb von besonderer Bedeutung ist, weil ihr Versicherungsschutz regelmäßig von der Höhe der Beiträge abhängt. Die Revision beanstandet deshalb zu Recht, daß das LSG nicht auf das von der Klägerin in Berlin-Ost erzielte beitragspflichtige Einkommen hätte abstellen und dieses nicht mit den Werten der Anlage 11 zu § 22 FRG hätte vergleichen dürfen; denn nicht auf die Einkommensverhältnisse der in § 23 Abs. 1 FRG genannten Personengruppen kommt es an (sie sind ohnedies sehr unterschiedlich und entsprechen oft nicht der Höhe der Beiträge); das Gesetz verlangt vielmehr in diesen Fällen die Berücksichtigung der Beitragsleistung. Nach der angeführten Rechtsprechung des BSG hätte das LSG deshalb prüfen müssen, ob sich die Beitragsleistung der Klägerin im Rahmen der Beitragsleistungen hält, welche die der Leistungsgruppe 2 zuzuordnenden Vergleichspersonen im Herkunftsland erbracht haben. Dabei war die Höhe der jeweiligen Beiträge miteinander zu vergleichen ohne Rücksicht darauf, inwieweit die Versicherten an ihrem Aufkommen beteiligt waren. Insoweit aber, d. h. über die Höhe der zu vergleichenden Beitragsleistungen in der DDR, enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen. Der Senat kann deshalb auch nicht beurteilen, ob die Rechnungsweise der Beklagten richtig ist, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, daß die Klägerin während der streitigen Zeit zwischen 27 % und 45 % weniger an Beiträgen entrichtet habe als die Vergleichsperson.

Da die somit noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen, muß das angefochtene Urteil in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zu neuer Entscheidung zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes).

Das LSG wird bei seiner neuen Entscheidung auch zu beachten haben, daß die Berücksichtigung der Beitragsleistung dann zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen könnte, wenn ein pflichtversicherter Selbständiger nach dem Recht des Herkunftslandes trotz geringerer Beitragsleistung als die Vergleichsperson im Ergebnis doch den gleichen oder annähernd gleichen Versicherungsschutz erworben hat wie diese. Möglicherweise ist hier ein solcher Fall gegeben. Die Beklagte hat in der Revisionsbegründung ausgeführt, daß Selbständige, die nicht der Arbeitslosenversicherung unterlagen, mit ihren Beitragsleistungen von etwa 10 % der Art nach den gleichen Versicherungsschutz erwarben wie abhängig Beschäftigte mit dem Satz von 18 % ihres Entgelts. Träfe dies zu, dann könnte ein überzeugender Grund dafür fehlen, den pflichtversicherten Selbständigen trotz gleicher Tätigkeitsmerkmale allein wegen geringerer Beitragsleistung einer geringeren Leistungsgruppe zuzuordnen; denn dann wäre es nach dem Grundgedanken des § 23 Abs. 1 FRG, wonach pflichtversicherte Selbständige einem vergleichbar abhängig Beschäftigten im Herkunftsland gleichgestellt werden sollen, wohl kaum gerechtfertigt, nur auf Grund der geringeren Beitragsleistung die nach den Tätigkeitsmerkmalen in Betracht kommende Leistungsgruppe zu korrigieren.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten, wobei zu berücksichtigen sein wird, daß die Klägerin hinsichtlich der Zeit von 1949 bis 1950 und für 1954 mit ihrem Begehren unterlegen ist, dagegen für die Zeit vom 1. Juli 1956 bis Mai 1959 inzwischen in der Leistungsgruppe 2 eingestuft worden ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646535

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