Leitsatz (amtlich)
Sind die äußeren Erscheinungen einer beruflichen Hauterkrankung, die zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung gezwungen hat, abgeklungen und hat der Erkrankte durch Umschulung neue berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten erworben, mit denen er eine andere dem früheren Beruf gleichwertige Tätigkeit ausübt, so liegt mindestens dann eine wesentliche, die Entziehung der Rente rechtfertigende Änderung der Verhältnisse vor, wenn die Umschulung durch Berufshilfemaßnahmen der BG bewirkt worden und eine genügend lange Zeit vergangen ist, um zuverlässig beurteilen zu können, daß in dem neuen Beruf die Gefahr des Wiederaufflackerns der Hautkrankheit nicht besteht.
Normenkette
RVO § 545 Abs. 1 Fassung: 1942-03-09, § 551 Abs. 3 Fassung: 1963-04-30, § 622 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; BKVO 5 § 1 Fassung: 1957-07-26; BKVO 3 Anl 1 Nr. 19 Fassung: 1957-07-26; BKVO 6 § 1 Fassung: 1961-04-28; BKVO 3 Anl 1 Nr. 46 Fassung: 1961-04-28; BKVO 7 Anl 1 Nr. 46 Fassung: 1968-06-20
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. September 1973 und des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Januar 1972 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 1971 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, dem Kläger die Rente, die sie ihm wegen einer Berufskrankheit gewährt hatte, zu entziehen.
Der 1915 geborene Kläger hat den Beruf eines Bäckers und Konditors erlernt. Mit Unterbrechungen durch Arbeits- und Kriegsdienst, Gefangenschaft und eine vorübergehende andere Tätigkeit war er seit 1932 in diesem Beruf tätig. Seit 1948 ist er Konditormeister und war als solcher seit Oktober 1955 bei einer B Bäckerei und Konditorei tätig. Erstmals 1935 und dann wieder seit 1955 bestanden in wechselnder Stärke rote juckende Hautveränderungen an beiden Händen und Unterschenkeln, die ständig behandlungsbedürftig waren. Anläßlich einer erneuten Verschlimmerung im August 1960 wurden bei einer Testung Reaktionen auf Roggen- und Weizenmehl festgestellt. Nachdem er im August 1960 wiederum arbeitsunfähig geworden war und ein achttägiger Arbeitsversuch erneut zu einer Verschlimmerung der Hauterscheinungen geführt hatte, gab er mit dem 30. August 1960 seine berufliche Beschäftigung als Konditormeister auf. Am 6. März 1961 war das Ekzem abgeheilt (Bl. 65) und am 9. Mai 1961 die Haut völlig frei (Bl. 82). Eingehende Testungen ergaben eine Überempfindlichkeit u.a. gegen Ammoniumpersulfate, Weizenmehl und Roggenmehl (Bl. 30/31 BG-Akte).
Mit ihrem Bescheid vom 20. Juni 1961 (Bl. 99) erkannte die Beklagte "ekzematöse Hautveränderungen besonders an beiden Handrücken und Handflächen infolge Überempfindlichkeit der Haut gegen Berufsstoffe des Bäckerhandwerks" als Folgen einer Berufskrankheit an und gewährte dem Kläger ab 1. März 1961 entsprechend den Schätzungen der medizinischen Sachverständigen eine Unfallteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H.
Am 17. April 1961 begann der Kläger als Altlehrling eine Lehre als Schokoladenmacher. Die Beklagte gewährte ihm Unterhaltsbeihilfen und ermöglichte ihm auf ihre Kosten die Teilnahme an zwei Lehrgängen an der Zentralfachschule der Deutschen Süßwarenwirtschaft in S. Dort legte er Ende März 1963 die Facharbeiterprüfung als Schokoladenmacher ab (Bl. 185). Seit Mai 1963 war der Kläger in diesem Beruf tätig. Die Beklagte stellte zu Ende März 1963 die Zahlung von Unterhaltsbeihilfen ein (Vorbl. 1 der BG-Akte). Im Oktober 1963 siedelte der Kläger nach Bad-S über und arbeitete dort in den S Werken GmbH & Co in der Schokoladen- und Pralinenherstellung. Um sein weiteres berufliches Fortkommen zu fördern, finanzierte die Beklagte dem Kläger drei weitere Lehrgänge an der Fachschule in Solingen, die ihm die Ablegung der Industriemeisterprüfung im Juli 1965 ermöglichten. Der Kläger ist seitdem als Industriemeister bei den S Werken beschäftigt.
Nachuntersuchungen 1964, 1965, 1967, 1969 und zuletzt am 30. April 1971 ergaben kein Ekzem, anfangs nur leichte Veränderungen, die später klinisch nicht mehr festzustellen waren, jedoch unverändert eine Überempfindlichkeit gegen Mehle, die es dem Kläger nicht möglich mache, in seinen alten Beruf als Bäcker oder Konditor zurückzukehren. Eine Überempfindlichkeit gegen Substanzen, mit denen er in seiner neuen Tätigkeit in Berührung kommt, wurden nicht festgestellt, allenfalls eine leichte Reaktion auf Kakaopulver. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die zu der Rentengewährung geführt hatten, nahmen die Gutachter nicht an und bewerteten daher die MdE weiterhin mit 20 v.H.
Mit Bescheid vom 26. Mai 1971 entzog die Beklagte dem Kläger die Unfallrente mit Ablauf des Monats Juni 1971, weil die äußeren Erscheinungen der Hauterkrankung völlig abgeheilt seien, die Alkaliresistenz normal sei und das Arbeitsfeld durch Maßnahmen der Berufshilfe erweitert worden sei, so daß kein Kontakt mehr mit den bisher schädigenden Stoffen bestehe. Außerdem sei Anpassung und Gewöhnung eingetreten (Bl. 376). Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid aufgehoben (Urteil vom 7. Januar 1972), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung mit Urteil vom 28. September 1973 zurückgewiesen und u.a. ausgeführt: Eine wesentliche Änderung im Sinne von § 622 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) liege nicht vor. Zwar lägen die im Leistungsbescheid festgestellten ekzematösen Hautveränderungen nicht mehr vor. Es bestehe aber nach wie vor die beruflich erworbene Empfindlichkeit der Haut gegen Stoffe, die beim Backen Verwendung fänden. Dieser unveränderte Zustand sei für sich allein der tragende Grund, den Anspruch auf Gewährung einer Berufskrankheitsrente zu rechtfertigen. Das versicherungsrechtlich wesentliche Merkmal einer beruflichen Hauterkrankung im Sinne der Nr. 46 der ersten Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) sei darin zu sehen, daß diese den Versicherten zur Aufgabe seiner beruflichen Beschäftigung zwinge. Die Rechtfertigung für die Entschädigung bestehe gerade darin, daß der Versicherte seinen Beruf und alle anderen Tätigkeiten, die ihn mit schädigenden Stoffen in Berührung brächten, ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht mehr ausüben könne. Daher könne von einer wesentlichen Änderung erst dann gesprochen werden, wenn der Grund für die Berufsaufgabe entfallen sei. Eine Änderung durch Anpassung und Gewöhnung liege ebenfalls nicht vor, weil diese nur denkbar sei, wenn der auszugleichende Zustand in Erscheinung träte. Die Ausschaltung schädigender Kontakte erfülle nicht den Tatbestand der wesentlichen Änderung, denn dann würde der Anspruch auf Entschädigung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 46 der 1. Anlage zur BKVO unmittelbar nach seiner Entstehung, nämlich mit der Berufsaufgabe und der mit ihr verbundenen Vermeidung schädlicher Stoffe erlöschen. Auch die Umschulung des Klägers habe keine wesentliche Änderung der Verhältnisse herbeigeführt. Dabei sei es unerheblich, daß der Kläger durch sie eine seinem aufgegebenen Beruf etwa gleichwertige berufliche Stellung erlangt habe. Die Erweiterung des Arbeitsfeldes, die nicht infolge einer Besserung der Unfallfolgen, sondern infolge Erwerbs neuer Kenntnisse und Fähigkeiten eintrete, sei grundsätzlich keine wesentliche Änderung im Sinne des Gesetzes. Eine solche Änderung könnte in diesem Falle nur dann angenommen werden, wenn mit einer Unfallrente ein konkreter Schaden ausgeglichen würde. Nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung herrschenden Grundsatz der sogenannten abstrakten Schadensfeststellung sei jedoch die Einbuße zu entschädigen, die der Versicherte dadurch erleide, daß der Unfall seine Verwendbarkeit auf dem gesamten, ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zugänglichen Arbeitsfeld einschränke, wobei spätere unfallunabhängige Veränderungen in der Person des Verletzten unberücksichtigt blieben. Der Grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversicherungsamtes (RVA) vom 8. April 1938 in AN S. 205, wonach dies nicht gelte, wenn die Erweiterung des Arbeitsfeldes auf einer vom Versicherungsträger gewährten Berufshilfe beruhe, vermöge der Senat nicht zu folgen, denn die Kostentragung für eine Umschulung habe zur MdE keinen begrifflichen Bezug. Selbst wenn man aber der Auffassung des RVA folge, führe das zu keinem anderen Ergebnis, denn auch dann habe die Umschulung keine wesentliche Änderung erbracht, denn sie habe die im Bescheid festgestellte MdE von 20 v.H. nicht um mehr als 5 v.H. herabgesetzt. Zwar habe sie dem Kläger eine berufliche Tätigkeit erschlossen, die ihm vor dem Unfall unzugänglich gewesen sei. Angesichts der Seltenheit des erlernten Berufes gegenüber der Vielzahl der ihm infolge der Krankheit verschlossenen Verwendungsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt fielen diese so wenig ins Gewicht, daß sie sich kaum beziffern ließen, jedenfalls aber nicht mit mehr als 5 v.H.
Die Beklagte hat in rechter Form und Frist die zugelassene Revision eingelegt und zu deren Begründung u.a. ausgeführt: Eine die Rentenentziehung rechtfertigende Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 622 Abs. 1 RVO sei - nach Ablauf von ca. 10 Jahren - darin zu erblicken, daß einerseits die äußeren Hauterscheinungen, die den Kläger zur Aufgabe seiner beruflichen Beschäftigung als Bäcker- und Konditormeister gezwungen hätten, völlig abgeheilt seien und daß andererseits die dem Kläger gewährte Berufshilfe sein Arbeitsfeld erweitert habe und er heute als Industriemeister weit bessere Erwerbsmöglichkeiten habe als zur Zeit seiner Tätigkeit im Bäcker- und Konditorhandwerk. Zwar sei die beruflich erworbene Überempfindlichkeit der Haut gegen im Bäckerhandwerk auftretende Reizstoffe geblieben, durch seine neue Tätigkeit komme der Kläger mit solchen Stoffen jedoch nicht mehr in Berührung, so daß allein die Überempfindlichkeit nicht mehr als Berufskrankheit angesehen werden könne. Insoweit sei die Entziehung der Rente auch unter dem Gesichtspunkt der Gewöhnung und Anpassung gerechtfertigt. Da eine Berufskrankheit nicht nur die Ansprüche auf Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente auslöse, sondern sämtliche Leistungen, so auch die auf Berufshilfe, wobei letztere sogar vorrangig sei, könne daraus nur geschlossen werden, daß bei einem an einer Berufskrankheit erkrankten Versicherten die zunächst erzwungene Aufgabe der beruflichen Beschäftigung durch den im Wege der Berufshilfe ermöglichten Start zu einer neuen Beschäftigung kompensiert werden könne; dadurch trete eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ein. Eine latente Ekzembereitschaft sei keine Krankheit, weder im medizinischen noch im versicherungsrechtlichen Sinne, solange sie keine krankhaften Reaktionen auslöse. Eine Besserung sei daher auch darin zu erblicken, wenn sich nach der Aufgabe des Berufs die Ekzembereitschaft verringert habe. Das sei beim Kläger der Fall, der in seinem neuen Beruf nicht mit den schädigenden Stoffen in Berührung komme. Die MdE könne daher lediglich noch mit 10% bewertet werden. Die Tatsache, daß dem Kläger der Bäckerberuf verschlossen sei, rechtfertige nicht eine MdE von 20 v.H. Bei der Vielfalt des Arbeitsmarktes verblieben ihm noch zahlreiche Erwerbsmöglichkeiten. Könne ein Handwerker wegen einer Berufskrankheit seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben, so habe das nicht zwangsläufig eine über die Grundsätze der abstrakten Schadensbemessung hinausgehende Höherbewertung der MdE zur Folge. Folge man der Rechtsauffassung des LSG, so führe dies im Ergebnis zu einer Beseitigung jeder Berufshilfe in Fällen der vorliegenden Art.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. September 1973 und des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Januar 1972 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 26. Mai 1971 abzuweisen,
hilfsweise, die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist begründet. In den der Rentenbewilligung zugrunde liegenden Verhältnissen ist eine wesentliche die Entziehung der Rente rechtfertigende Änderung eingetreten (§ 622 Abs. 1 RVO).
Der Kläger mußte am 30. August 1960 seine Beschäftigung als Konditormeister vor allem wegen des laufend auftretenden Ekzems an den Händen aufgeben, das auf einer Überempfindlichkeit der Haut gegen im Bäcker- und Konditorgewerbe verwendete Substanzen, insbesondere auf Mehl beruhte. Zwar sind die akuten Hautveränderungen alsbald nach der Aufgabe der Tätigkeit abgeklungen und bei der neuen Beschäftigung des Klägers als Schokoladenmacher und später als Industriemeister in der Schokoladenherstellung nicht wieder aufgetreten, jedoch besteht die frühere Überempfindlichkeit unverändert fort, so daß es dem Kläger nicht möglich ist, in seinen alten Beruf zurückzukehren. Mit seiner neuen Beschäftigung, die ihm die Beklagte durch die Gewährung von Unterhaltshilfe während der Alt-Lehrzeit sowie Finanzierung von fünf Fachlehrgängen bis zum Industriemeister ermöglicht hat, ist dem Kläger jedoch ein neues, seinem früheren Beruf gleichwertiges Arbeitsfeld erschlossen worden, auf dem er gleichwertige Verdienstmöglichkeiten hat. Zu Unrecht hat das LSG bei dieser Sachlage eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 622 Abs. 1 RVO verneint.
Zwar gelten für die Entschädigung von Berufskrankheiten die Grundsätze für die Entschädigung von Arbeitsunfällen nach dem Dritten Buch der RVO entsprechend (§ 3 der 3. bis 6. BKVO, § 551 Abs. 3 RVO nF i.d.F. des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - UVNG - vom 30. April 1963 - BGBl I S. 241 -, vgl. auch den hier an sich maßgebenden § 545 Abs. 1 RVO aF), d.h. die durch die Berufskrankheit verursachte Erwerbsminderung (MdE) ist nach dem Grundsatz der abstrakten Schadensbemessung zu bewerten (BSG 1, 174, 178; 4, 294, 298; 31, 185, 188). Die MdE ist danach grundsätzlich nach dem Umfang der verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Erkrankten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu beurteilen, wobei zur Vermeidung unbilliger Härten seine Ausbildung und sein bisheriger Beruf angemessen zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu auch die Rechtsprechung zu § 581 Abs. 2 RVO nF in BSG 31, 185, 186 - 188 und die dortigen Hinweise auf weitere Fundstellen). Im Gegensatz zu Arbeitsunfällen spielt jedoch u.a. bei Hauterkrankungen im Sinne der Nr. 19 der Anlage der im Zeitpunkt der Erkrankung des Klägers geltenden 5. BKVO vom 26. Juli 1952 (BGBl I S. 895), jetzt Nr. 46 der Anlage zur 6. und zur 7. BKVO vom 28. April 1961 (BGBl I S. 505) bzw. 20. Juni 1968 (BGBl I S. 721), der ausgeübte Beruf insofern eine sehr viel weitergehende Rolle, als nämlich der Wechsel des Berufs bzw. die Aufgabe der beruflichen Beschäftigung (vgl. hierzu BSG 10, 278, 280; 18, 98, 100; Urteil des erkennenden Senats vom 22. August 1974 - 8 RU 224/73 - und Wander in ZfS 1959, 113, 116) u.a. Tatbestandsmerkmal der Berufskrankheit ist. Eine Hauterkrankung als solche, mag sie auch schwer oder wiederholt rückfällig sein, wird erst zur Berufskrankheit, wenn sie den Versicherten zum Wechsel des Berufs (5. BKVO) bzw. zur Aufgabe seiner beruflichen Beschäftigung oder jeglicher Erwerbsarbeit zwingt (6. und 7. BKVO). Das bedeutet allerdings nicht, wie das LSG Hamburg meint (ZfSozialhilfe 1972, S. 214, 216), eine Abwendung von der abstrakten Schadensbemessung, vielmehr ist auch in diesen Fällen zu prüfen, in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit des Erkrankten auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens eingeschränkt ist, d.h. welcher Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes ihm verschlossen ist. Allerdings geht das Gesetz davon aus, daß der Zwang zum Berufswechsel bzw. zur Aufgabe einer beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit eine Einengung des Arbeitsfeldes zur Folge hat, denn nur daraus rechtfertigt sich die Unfallentschädigung von Hauterkrankungen. Über das Ausmaß der Erwerbsminderung ist damit jedoch nichts gesagt. Dieses richtet sich nach der Schwere des akuten Krankheitszustandes und dem Umfang des dem Erkrankten verschlossenen Arbeitsfeldes. Auch nach Abheilen der äußeren Hauterscheinungen kann daher eine MdE weiterbestehen, wenn die Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe andauert, so daß dem Versicherten, obwohl er äußerlich "hautgesund" ist, bestimmte Tätigkeiten, bei denen er mit für ihn schädlichen Allergenen in Berührung kommt und dadurch die Hauterkrankung erneut in ein akutes Stadium treten würde, nicht mehr ausüben kann. Die Entschädigung einer beruflichen Hauterkrankung soll somit die mit einem erzwungenen Berufswechsel oder einer Berufsaufgabe in der Regel verbundene Einbuße an Betätigungs- und damit auch Verdienstmöglichkeiten ausgleichen (RVA in EuM Bd. 43 S. 102, 104; BSG in BG 1960 S. 248 m.w.H.; Urteil des erkennenden Senats vom 29. November 1973 in SozR Nr. 15 zu § 622 RVO). Danach würde die Rechtfertigung der Entschädigung einer beruflichen Hauterkrankung wegfallen, wenn der Erkrankte nicht mehr gegen die schädigenden Stoffe empfindlich ist und deshalb seine frühere berufliche Beschäftigung wieder aufnehmen könnte oder wenn ein Versicherter, der wegen einer Hauterkrankung jede Erwerbstätigkeit hatte aufgeben müssen, ohne vorher eine "berufliche Beschäftigung" im engeren Sinne von Nr. 19 bzw. 46 der Anlage zur 5./6. und 7. BKVO ausgeübt zu haben (vgl. zum Begriff der beruflichen Beschäftigung BSG 10, 278, 280; 18, 98, 100; Urteil des erkennenden Senats vom 22. August 1974 - 8 RU 224/73 -), wieder ungefährdet einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. In diesen Fällen läge ohne Zweifel eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 622 Abs. 1 RVO vor.
Ob daneben die Voraussetzungen dieser Vorschrift bei Hauterkrankungen auch noch in anderen Fällen erfüllt sein können (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 29.11.1973 - SozR Nr. 15 zu § 622 RVO -, wo u.a. ausgeführt worden ist, daß nach Abheilung der jeweiligen Hauterkrankung bei fortbestehender Empfindlichkeit eine gewisse Schonzeit einzuhalten sei, die im allgemeinen etwa ein bis zwei Jahre betrage), kann hier dahinstehen.
Denn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 622 Abs. 1 RVO muß jedenfalls auch in den Fällen angenommen werden, in denen eine Hauterkrankung zwar einen Berufswechsel (Berufsaufgabe) erzwungen hat, dem Erkrankten aber neue Berufs- und Erwerbsmöglichkeiten erschlossen worden sind, die die mit der früheren Berufsaufgabe verbundenen Nachteile ausgleichen. Zumindest gilt dies, wenn die Beseitigung dieser Nachteile durch Berufshilfemaßnahmen des Versicherungsträgers ermöglicht wurde und seit dem Eintritt der Berufserkrankung bzw. der Umschulung eine genügend lange Zeit vergangen ist - hier ca. 10 Jahre -, um die Frage der rückfallfreien Tätigkeit im Umschulungsberuf zuverlässig beurteilen zu können. Zwar stellt der Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten nach einem Arbeitsunfall an sich keine die Herabsetzung oder Entziehung der Unfallrente rechtfertigende wesentliche Änderung der Verhältnisse dar (vgl. die Grundsätzliche Entscheidung des RVA Nr. 5198 in AM 1938 S. 205 ff.), weil bei der Bemessung der MdE die im Zeitpunkt des Unfalles ausgeübte Beschäftigung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist, sondern die Einbuße an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsfeld Wenn das RVA in der letztgenannten Entscheidung, die einen "Betriebsunfall" betraf, meint, der Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten stelle eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar, wenn sie der Versicherte durch eine aus Anlaß des Unfalls vom Unfallversicherungsträger gewährte Berufsfürsorge gewonnen habe, so kann dem allerdings in dieser allgemeinen Form nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Ob diese Auffassung gebilligt werden kann, wenn die MdE ursprünglich unter Berücksichtigung besonderer Verhältnisse des Verletzten - etwa im Sinne des § 581 Abs. 2 RVO - höher bewertet worden war (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 19. September 1974 - 8 RU 94/73 -), kann hier dahinstehen. Eine Herabsetzung der Rente ist jedenfalls im allgemeinen wegen des Grundsatzes der abstrakten Schadensbemessung nur soweit möglich, als sich die Unfallfolgen auf dem gesamten Arbeitsfeld weniger erwerbsmindernd auswirken, wobei im Einzelfalle auch eine Anpassung und Gewöhnung an den regelwidrigen Körperzustand berücksichtigt werden kann.
Etwas anderes muß aber für die Bewertung der MdE bei beruflichen Hauterkrankungen gelten. Stellt es das Gesetz, wie oben ausgeführt, bei derartigen Erkrankungen entscheidend auf den Zwang zum Berufswechsel bzw. zur Aufgabe einer beruflichen Beschäftigung ab und soll die damit verbundene Beeinträchtigung von Betätigungs- und Verdienstmöglichkeiten ausgeglichen und eine Wiedererkrankung vermieden werden und ist deshalb u.U. auch die Rente neben den Übergangsleistungen nach § 5 der 3. bis 6. BKVO bzw. § 3 der 7. BKVO zu zahlen (§ 5 Abs. 2 der 3./6. BKVO; § 3 Abs. 3 der 7. BKVO), so kann eine spätere Erweiterung des Arbeitsfeldes und der Verdienstmöglichkeiten nicht unberücksichtigt bleiben. Im Gegensatz zu dem Verletzten, der einen bleibenden Körperschaden erlitten hat und dessen MdE nach seiner Beeinträchtigung auf dem gesamten Arbeitsfeld bemessen wird, besteht die Schädigung eines "Hauterkrankten", bei dem die äußeren Erscheinungen abgeklungen sind, nur noch in der Gefahr eines erneuten Aufflammens bei Kontakt mit Schadstoffen seiner früheren beruflichen Beschäftigung. Ist ihm jedoch ein neues Arbeitsfeld erschlossen worden, auf dem derartige Kontakte ausgeschlossen sind, und hat er dort der früheren Beschäftigung gleichwertige Erwerbsmöglichkeiten, so ist der mit der früheren Berufsaufgabe verbunden gewesene Verlust an Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten ausgeglichen und die Gefahr einer Wiedererkrankung vermieden. Damit haben sich die Verhältnisse, die für die Berentung der Berufskrankheit maßgebend waren, gegenüber den zur Zeit der Rentenbewilligung bestandenen Verhältnissen, als dem Erkrankten sowohl die frühere als auch gleichwertige berufliche Beschäftigungen verschlossen waren, wesentlich geändert. Zwar kann er seine bisherige berufliche Beschäftigung nicht wieder aufnehmen, jedoch wirkt sich das nunmehr nur noch in erheblich geringerem Maße für ihn aus - wenn es nicht sogar ganz bedeutungslos geworden ist -, weil das ihm neu erschlossene Arbeitsfeld ihm nicht nur gleichwertige Betätigungs- und Erwerbsmöglichkeiten bietet, sondern ihn auch vor einem Wiederaufflackern der äußeren Hauterscheinungen bewahrt. Dabei kann es nicht entscheidend sein, ob die neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in einem weitverbreiteten oder verhältnismäßig seltenen Beruf verwertbar sind. Wesentlich ist die Änderung in den der Rentenbewilligung zugrunde liegenden Verhältnissen vielmehr dann, wenn dem Betroffenen ein gleichwertiges Arbeitsfeld eröffnet worden ist, das nicht nur den Charakter einer Aushilfs-, Not- oder Verlegenheitslösung trägt, sondern auf Dauer angelegt ist. Diese wesentliche Änderung bewirkt gleichzeitig, daß mit der Erlangung einer solchen gleichwertigen Erwerbsmöglichkeit auch eine wirtschaftlich meßbare MdE grundsätzlich nicht mehr besteht (vgl. auch BSG 6, 267, 268).
Das war beim Kläger im Zeitpunkt der Rentenentziehung der Fall. Seine neue, ihn nicht mehr gefährdende Beschäftigung als Industriemeister in der Schokoladenherstellung, die ihm durch berufsfördernde Maßnahmen der Beklagten ermöglicht worden ist, bietet ihm im wesentlichen gleichwertige Betätigungs- und Verdienstmöglichkeiten, wie er sie im Zeitpunkt der erzwungenen Berufsaufgabe mit seiner damals ausgeübten Beschäftigung als abhängiger Bäcker bzw. Konditormeister hatte. Daß er sich 1960 bereits in einem verhältnismäßig fortgeschrittenen Lebensalter befand, ist dabei nicht entscheidend. Das Lebensalter könnte nur dann eine Rolle spielen, wenn dem Erkrankten deshalb eine Umschulung nicht mehr möglich oder zumutbar wäre. Etwaige Chancen eines durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verhinderten weiteren Berufsaufstieges können bei der Bewertung der unfall-(krankheits-)bedingten MdE im übrigen nicht berücksichtigt werden. Zu vergleichen ist insoweit vielmehr die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen vor und nach dem Unfall (der beruflichen Erkrankung) auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Im übrigen besteht über das medizinische Ausmaß der verbliebenen Hautempfindlichkeit kein Streit. Schon im Gutachten vom 22. April 1969 hieß es, daß eine epidermale Sensibilisierung gegenüber berufseigenen Noxen nicht mehr gegeben sei (außer Roggenmehlen für Bäcker- und Konditoreiberuf). Auch Dr. ... konnte am 28. September 1973 keinen spezifischen pathologischen Befund erheben. Es kam sonach hier nur auf die Rechtsfrage an, ob unter den unstreitig gegebenen Verhältnissen eine wesentliche Änderung im Sinne des Gesetzes (§ 622 Abs. 1 RVO) anzunehmen ist. Dies war aus den obigen Gründen zu bejahen. Gleicher Auffassung sind im Grundsatz: LSG Hamburg in Zeitschrift für Sozialhilfe 1972, 214, 216; ferner unter Hinweis auf AN 1938, 205; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand Sept. 1974, Anm. 2 c/cc zu § 622 RVO S. 624/1 mit Zitaten; des weiteren in ähnlichem Sinne: LSG Niedersachsen in Breithaupt 1967, 925. Auch Ruhrmann (BG 1963, 208, 210) hält es für ungerechtfertigt, wenn ein an einer Berufsdermatose Leidender auch dann noch eine Rente bezieht, wenn er durch berufsfürsorgerische Maßnahmen einen gleichwertigen oder gar besseren Beruf erlangt hat (in gleichem Sinne: Schieke, BG 1961, 482, 484, ebenso Wander in ZfS 1959, 113, 117, der betont, daß die durch berufsfürsorgerische Maßnahmen entstandene Erweiterung des Arbeitsfeldes eine wesentliche Änderung im Sinne des § 608 - jetzt § 622 Abs. 1 - RVO sein könne).
Nach alledem hat die Beklagte dem Kläger zu Recht die Rente entzogen, so daß die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben waren und die Klage gegen den angefochtenen Entziehungsbescheid abgewiesen werden mußte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen