Leitsatz (amtlich)
Kommt für einen auf einem Betriebsweg erlittenen Unfall alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit als (Mit-)Ursache in Betracht, so ist die Beweislast iS der Feststellungslast in der Weise verteilt, daß sie in der Regel der Versicherungsträger für das Vorliegen und die (Mit-)Ursächlichkeit von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit trägt, dagegen der Versicherte oder seine Hinterbliebenen für das Vorliegen und die (Mit-)Ursächlichkeit betriebsbezogener Umstände, zu denen auch die mit der Teilnahme am Verkehr verbundenen Gefahren gehören.
Leitsatz (redaktionell)
Unfallversicherungsschutz auf Wegen zu oder von der Arbeitsstätte bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit
1. Fahruntüchtigkeit kann auch bei einer Blutalkoholkonzentration von unter 0,8 Promille vorliegen, wenn dafür entsprechend beweiskräftige Indizien bestehen.
2. Für einen durch einen Verkehrsunfall Verletzten ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Unfallversicherungsschutz gegeben, wenn sich entweder nicht feststellen läßt, daß alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit vorgelegen hat oder ursächlich (mitursächlich) geworden ist oder, wenn dies zwar festgestellt wird, das Vorliegen eines anderen - betriebsbezogenen - Umstandes und seine Ursächlichkeit (Mitursächlichkeit) im Sinne einer wesentlichen Bedingung für den Unfall festgestellt werden kann.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30; SGG § 103 S. 1 Fassung: 1974-07-30, § 128 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 4. Mai 1976 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig sind Hinterbliebenenansprüche der Klägerin nach ihrem tödlich verunglückten Ehemann Johannes S (S.).
S., der infolge eines landwirtschaftlichen Arbeitsunfalles aus dem Jahre 1968 am rechten Arm behindert war, war seit 1972 als gewerblicher Arbeitnehmer tätig. Von seiner Landwirtschaft bewirtschaftete er noch 4,7 ha, vornehmlich Ackerland, und zwar nach Feierabend und samstags. Am Freitag, dem 4. Mai 1973, fuhr er nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit mit seinem Pkw zu dem Landwirt M., um sich für den folgenden Samstag dessen Trecker und Kartoffelpflanzmaschine auszuleihen. Anschließend bestellte er Dünger, der am nächsten Tage ausgeliefert werden sollte. Von 18.30 Uhr bis mindestens 20.30 Uhr hielt er sich in der Gaststätte L. auf, wo er auch Bier zu sich nahm. Gegen 21.15 Uhr verunglückte er mit seinem Pkw auf der Kreisstraße 43; er geriet auf den linken Seitenstreifen der geraden Straße, schleuderte und prallte gegen einen auf der rechten Straßenseite stehenden Baum. Er war sofort tot. Ein Fremdverschulden war nicht festzustellen. Eine Blutprobe wurde nicht entnommen.
Die Beklagte lehnte Unfallentschädigungsleistungen ab, weil S. sich im Zeitpunkt des Unfalles auf einem unversicherten Abweg befunden habe (Bescheid vom 8. August 1973).
Das Sozialgericht (SG) hat festgestellt, der Tod des Ehemanns der Klägerin sei Folge eines Arbeitsunfalles, und hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld zu zahlen. Es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 9. Januar 1975). S. habe sich, als er verunglückte, wahrscheinlich auf dem Wege zu dem Landarbeiter H. befunden, um diesen davon zu benachrichtigen, daß am nächsten Tage Kartoffeln gepflanzt werden sollten. Er habe sich daher auf einer Fahrt befunden, die seinem landwirtschaftlichen Unternehmen gedient habe. Es lasse sich nicht feststellen, daß seine Verkehrstüchtigkeit in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt gewesen sei.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgerichts (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. Mai 1976). Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt, es sei zwar erwiesen, daß S. sich im Unfallzeitpunkt auf einem grundsätzlich versicherten Betriebsweg befunden habe. Gleichwohl stünden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil nicht bewiesen sei, daß der Unfall allein oder wesentlich durch die versicherte Wegegefahr verursacht worden sei. S. habe während des Aufenthalts in der Gastwirtschaft 6 Glas Bier zu 0,2 1 zu sich genommen, die nach einem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Göttingen (Dr. D) einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 0,4 0 / 00 im Unfallzeitpunkt entsprächen. Damit sei er zwar nicht "absolut" fahruntüchtig gewesen, eine "relative" Fahruntüchtigkeit lasse sich aber nicht ausschließen. S. sei von der völlig gerade verlaufenden, 4,40 m breiten und asphaltierten Fahrbahn im spitzen Winkel nach links abgeraten und habe sich 50,5 m weit auf dem linken unbefestigten Seitenstreifen bewegt. Das Abkommen nach links von der Fahrbahn sei eine denkbare und mögliche Folge einer alkoholbedingten Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit. Bei Berücksichtigung dieses Fahrverhaltens kurz vor dem Unfall und einer BAK von mindestens 0,4 0 / 00 lasse sich nicht ausschließen, daß S. alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei. Das gehe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin, so daß hier von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit auszugehen sei. Es lasse sich ferner nicht ausschließen, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S. die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sei, denn betriebsbedingte Wegegefahren, die beim Zustandekommen des Unfalls wesentlich mitgewirkt hätten, seien nicht festzustellen. S. habe eine gerade Straße mit trockener Asphaltdecke befahren. Es sei zwar dunkel, jedoch weder nebelig noch stürmisch gewesen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, daß S. von einem anderen Verkehrsteilnehmer behindert worden oder einem sonstigen Hindernis ausgewichen sei. Schließlich seien auch keine Mängel an dem Fahrzeug des S. festgestellt worden.
Mit der von dem LSG zugelassenen Revision trägt die Klägerin u.a. vor: Das LSG hätte nicht die in BSGE 35, 216 entwickelten Grundsätze der Beweislast bei alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit auf den vorliegenden Fall, bei dem lediglich eine BAK von 0,4 0 / 00 festgestellt worden sei, übertragen dürfen. Die Frage der Bedeutung der Alkoholeinwirkung könne bei lebensnaher Betrachtungsweise nicht durch Einordnung als negatives Tatbestandsmerkmal oder rechtshindernde Tatsache, sondern, insbesondere bei niedrigen Blutalkoholwerten, nur durch die Prüfung der Kausalität auf der Grundlage der nach der allgemeinen Lebenserfahrung überwiegenden Wahrscheinlichkeit gelöst werden. Eine BAK von 0,4 0 / 00 spreche jedoch gegen die Annahme, daß sie Unfallursache gewesen sei. lm übrigen habe sich das LSG ohne ausreichende Begründung in Widerspruch zu dem Gutachten von Dr. D gesetzt, wonach das Abkommen von der Straße nicht charakteristisch genug gewesen sei, um in Anbetracht des verhältnismäßig niedrigen Blutalkoholspiegels zu der Beurteilung zu gelangen, S. sei wahrscheinlich alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen. Damit habe sich das LSG unter Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht auseinandergesetzt. Als eine zwar entfernt mögliche, jedoch unwahrscheinliche Unfallursache hätte daher der Blutalkoholgehalt unberücksichtigt bleiben müssen.
Auch § 103 SGG sei verletzt. Nach den Feststellungen des LSG habe sich S. 50,5 m weit auf dem linken Seitenstreifen bewegt, wogegen das Gutachten von Dr. D unter Bezugnahme auf die Verkehrsunfallskizze lediglich von etwa 20 m spreche. Diesen Widerspruch hätte das LSG nicht ungeklärt lassen dürfen, zumal es seine Annahme der möglichen Fahruntüchtigkeit auch auf die zurückgelegte Strecke von 50,5 m gestützt habe. Gegebenenfalls hätte ein Gutachten eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen eingeholt werden müssen, um die Bedeutung der Fahrweise im Hinblick auf die Fahrtüchtigkeit zu prüfen und zu klären. Das LSG habe es auch zu Unrecht unterlassen zu prüfen, ob bei einer BAK von 0,4 0 / 00 das Abkommen von der Straße nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises nicht dafür spreche, daß der Alkoholgenuß für die Fahrweise nicht ursächlich gewesen sei. Die allgemeine Lebenserfahrung aus der Praxis der Verkehrsstrafrichter zeige, daß alkoholbedingte Verkehrsunfälle nur ganz ausnahmsweise bei einer derart geringen BAK aufträten, daß andererseits Unfälle der vorliegenden Art durchaus häufig auch ohne Alkoholeinwirkung, etwa infolge von Unachtsamkeit am Steuer, Übermüdung, Anzünden einer Zigarette oder Greifen nach einem Gegenstand, vorkämen. Schließlich hätten zumindest Billigkeitserwägungen das LSG zu dem Ergebnis führen müssen, daß der genossene Alkohol im vorliegenden Fall für das Unfallereignis keine wesentliche Ursache gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 4. Mai 1976 abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 9. Januar 1975 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die von dem LSG vertretene Rechtsauffassung wiederspreche nicht lebensnaher Betrachtungsweise. Nur wenn nach Erschöpfung aller Beweismittel eine Aufklärung nicht mehr möglich sei, gehe die Nichterweislichkeit zu Lasten des Anspruchsstellers. Das LSG habe weder sein Recht der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten, noch sei es seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen. Wenn die Gutachterin Dr. D schon ein von ihr unzutreffend angenommenes Fahren von etwa 20 m auf dem Seitenstreifen als mögliches Anzeichen für ein alkoholbedingtes Fehlverhalten angesehen habe, sei nicht erkennbar, welches der Klägerin günstigere Ergebnis denkbar sein solle, wenn die Sachverständige richtigerweise von 50,5 m ausgegangen wäre. Schließlich seien Billigkeitserwägungen als Maßstab der Beweislastverteilung vom Bundessozialgericht (BSG) ausdrücklich als ungeeignet abgelehnt worden.
Entscheidungsgründe
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision der Klägerin ist i.S. der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Nach den nicht angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Ehemann der Klägerin (S.), als er am 4. Mai 1973 gegen 21.15 Uhr mit seinem Personenkraftwagen tödlich verunglückte, auf einem seinem landwirtschaftlichen Unternehmen dienenden Betriebsweg, was auch von der Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten wird. Zutreffend ist das LSG daher davon ausgegangen, daß S. während dieses Weges grundsätzlich unter unter Unfallversicherungsschutz stand (§§ 539 Abs. 1 Nr. 5, 548 Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Das LSG hat die Hinterbliebenenansprüche der Klägerin (§ 589 Abs. 1 RVO) jedoch verneint, weil nicht bewiesen sei, daß der Unfall allein oder wesentlich durch die versicherte Wegegefahr verursacht worden sei; denn es sei nicht auszuschließen, daß S. infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit verunglückt sei.
Zutreffend geht das LSG entsprechend der ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des BSG (vgl. BSGE 12, 242 ff; 35, 216, 217), der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat (BSGE 38, 127, 128), davon aus, daß der Unfallversicherungsschutz entfällt, wenn alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Ursache eines Unfalles war, den ein Kraftfahrer auf einem Betriebsweg erlitten hat. Wie der 2. Senat weiter entschieden hat (BSGE 35, 216 ff), geht, wenn sich nicht klären läßt, ob der tödlich verlaufene Verkehrsunfall eines Versicherten außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, diese Ungewißheit zu Lasten der Hinterbliebenen. Diese tragen mithin die Beweislast dafür, daß solche betriebsbezogenen Umstände vorgelegen und den Unfall (mit)verursacht haben, wobei es hier - wie auch sonst im Recht der Sozialversicherung, insbesondere bei Feststellung des Ursachenzusammenhangs (vgl. BSGE 32, 203, 208 f) - genügt, daß solche Umstände und ihre (Mit)Ursächlichkeit wahrscheinlich sind (vgl. BSGE 12, 242 Leitsatz 1 Satz 2). Im übrigen, d.h. soweit es sich um das Vorliegen von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit und ihre (Mit)Ursächlichkeit für den Unfall handelt, trifft dagegen die Beweislast denjenigen, der daraus eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet, also in der Regel den Versicherungsträger, der ohne die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit für den Unfall entschädigungspflichtig gewesen wäre. Bleibt somit nach Ausschöpfung aller geeigneten und erreichbaren Beweismittel unklärbar, ob der Versicherte infolge von Alkoholgenuß verkehrsuntüchtig war, dann geht dies zu Lasten des Versicherungsträgers, der sich auf eine Verkehrsuntüchtigkeit des Versicherten berufen hat. Eine andere Verteilung der Beweislast würde für den Versicherten oder seine Hinterbliebenen die Verfolgung von Entschädigungsansprüchen gegen den Versicherungsträger häufig schwieriger gestalten als nach der ursprünglichen Rechtsprechung des BSG, nach der zwar bei alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit ein Versicherungsschutz in jedem Falle - ohne Rücksicht auf ihre Ursächlichkeit für den Unfall - entfiel (BSGE 3, 116), die jedoch das Vorliegen von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit als eine rechtshindernde Tatsache angesehen, die Folgen ihrer Nichterweislichkeit mithin dem Versicherungsträger auferlegt hatte (BSGE 7, 249, 254; 13, 9, 12). Daran hat die neuere Rechtsprechung des BSG (BSGE 12, 242), insbesondere die Beweislastentscheidung vom 22. Februar 1973 (BSGE 35, 216), nichts geändert. Diese Entscheidung greift, wie ihr Leitsatz unmißverständlich zum Ausdruck bringt, nur ein, wenn und soweit es sich darum handelt, ob der Unfall des Versicherten "außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit" (deren Vorliegen vorausgesetzt wird und in dem damals entschiedenen Fall bei einer BAK des Verunglückten von über 1,8 0 / 00 festgestellt war) "auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist". Ob dabei das Vorliegen und die (Mit)Ursächlichkeit von betriebsbezogenen Umständen begrifflich als "negative Tatbestandsmerkmale" (BSGE 35, 218) oder aber als Tatsachen anzusehen sind, die ihrerseits die mit der Feststellung von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit und ihrer (Mit)Ursächlichkeit für den Unfall verbundenen Rechtswirkungen (Verlust des Versicherungsschutzes) ausschließen, ist eine Frage von untergeordneter terminologischer Bedeutung. Im Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten, daß in Fällen, in denen für einen auf einem Betriebsweg erlittenen Unfall alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit als (Mit)Ursache in Betracht kommt, die Beweislast i.S. der Feststellungslast in der Weise verteilt ist, daß jeweils derjenige die Beweislast für die Tatsachen trägt, aus denen sich für ihn günstige Rechtsfolgen ergeben, in der Regel also der Versicherungsträger für das Vorliegen und die (Mit)Ursächlichkeit von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit, der Versicherte oder seine Hinterbliebenen für das Vorliegen und die (Mit)Ursächlichkeit betriebsbezogener Umstände, zu denen auch die mit der Teilnahme am Verkehr verbundenen Gefahren gehören. Das bedeutet, daß für einen durch einen Verkehrsunfall verletzten oder getöteten Versicherten bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen der §§ 548, 550 RVO ein Entschädigungsanspruch begründet ist, wenn sich entweder nicht feststellen läßt, daß alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit vorgelegen hat oder (mit)mitursächlich geworden ist, oder aber, wenn dies zwar festzustellen ist, außerdem das Vorliegen eines betriebsbezogenen Umstandes und seine (Mit)Ursächlichkeit im Sinne einer wesentlichen Bedingung für den Unfall festgestellt werden kann.
Da das LSG in dem angefochtenen Urteil von einer anderen Auffassung ausgegangen ist - es hat den Hinterbliebenen des Verunglückten die Beweislast für das Nichtvorliegen von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit des Versicherten auferlegt -, kann seine Entscheidung schon aus diesem Grunde nicht bestehen bleiben. Das LSG wird nunmehr prüfen müssen, ob S. im Zeitpunkt des Unfalles infolge des genossenen Alkohols fahruntüchtig war und, wenn dies unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seines Fahrverhaltens vor dem Unfall, nicht hinreichend wahrscheinlich ist, der Klage stattgeben müssen. Das gleiche gilt, wenn zwar eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit spricht, sie jedoch nicht als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache angesehen werden kann, weil andere betriebsbezogene Umstände wahrscheinlich zum Eintritt des Unfalles wesentlich mitgewirkt haben. Nur wenn auch letzteres nicht der Fall ist, wird die Klage abzuweisen sein.
Daß im übrigen auch bei einer BAK unter 0,8 0 / 00 Fahruntüchtigkeit vorliegen kann, wenn dafür entsprechend beweiskräftige Indizien bestehen, hat das LSG zutreffend angenommen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 8. Auflage, S. 488 e). Je geringer die festgestellte BAK ist, desto höhere Anforderungen werden allerdings an den Beweiswert der sonstigen, für das Vorliegen von Fahruntüchtigkeit sprechenden Umstände zu stellen sein, um das hinsichtlich der BAK bestehende "Beweisdefizit" auszugleichen. Ausgeschlossen ist indessen selbst bei einer BAK von nur 0,4 0 / 00 , wie sie das LSG hier aufgrund der unsicheren Beweislage angenommen hat, eine Feststellung von Fahruntüchtigkeit nicht. Dabei muß es dem LSG überlassen bleiben, wie es das Ergebnis der Beweisaufnahme im einzelnen würdigt, Demgemäß hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen; dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens abschließend entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1651988 |
BSGE, 110 |
NJW 1978, 1212 |