Leitsatz (amtlich)
Ein landwirtschaftlicher Unternehmer, der gleichzeitig ein Handwerk betreibt und in dieser Eigenschaft wegen Abschlusses einer Kapitallebensversicherung von der Versicherungspflicht nach dem Handwerkerversorgungsgesetz (HVG § 4) befreit ist, war bis zum 1961-12-31 nicht nach GAL 1957 § 8 Abs 2 beitragsfrei.
Normenkette
GAL § 8 Abs. 2 Fassung: 1961-07-03; HwAVG § 4 Fassung: 1938-12-21
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 1961 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen mit einem Ertragswert von 15.822,- DM. Er ist gleichzeitig selbständiger Metzgermeister und als solcher in die Handwerksrolle eingetragen. Wegen Abschlusses einer Kapitallebensversicherung ist er gemäß § 4 des Gesetzes über eine Altersversorgung für das deutsche Handwerk vom 21. Dezember 1938 - HVG - (RGBl I 1900) von der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz frei.
Die Beklagte nahm ihn als landwirtschaftlichen Unternehmer auf Zahlung von Beiträgen nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in Anspruch. In seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei bereits nach dem HVG versicherungspflichtig und entrichte Beiträge zu Lebensversicherungen; außerdem stelle die Landwirtschaft für ihn nur einen Nebenbetrieb dar. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) hob die Bescheide der Beklagten auf. Auf die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 8 Abs. 1 GAL aF vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063), weil sein Unternehmen eine dauerhafte Existenzgrundlage darstelle; ob die Landwirtschaft einen geringeren Gewinn als die Metzgerei abwerfe, sei unerheblich. Die Befreiungsvorschrift des § 8 Abs. 2 GAL aF greife nicht durch. Denn der Kläger sei nicht versicherungspflichtig in der Altersversorgung für das deutsche Handwerk; vielmehr sei er nach § 4 HVG dort versicherungsfrei. Der Gesetzgeber gewähre nur dann Versicherungsfreiheit nach dem GAL, wenn Ansprüche gegen Sozialversicherungsträger bestünden; dies ergebe sich auch aus § 8 Abs. 4 GAL aF. Das LSG ließ die Revision zu.
Der Kläger legte gegen das am 21. Juli 1961 zugestellte Urteil am 17. August 1961 Revision ein und begründete sie im gleichen Schriftsatz.
Er trägt vor, er sei als selbständiger Handwerker nach den Bestimmungen des HVG zu versichern; er sei demgemäß nach § 8 Abs. 2 GAL als pflichtversicherter Handwerker nicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse beitragspflichtig. Andernfalls liege eine Doppelversicherung vor, die sich insofern zu Ungunsten des Klägers auswirken müßte, als er nie in den vollen Genuß beider Altersrenten kommen könnte, aber die vollen Beiträge leisten müßte. Dies sei ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts München vom 27. Juni 1961 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. September 1959 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die durch die Zulassung statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte Revision ist nicht begründet, weil die Beklagte den Kläger mit Recht als beitragspflichtigen Unternehmer in Anspruch genommen hat.
Zunächst ist der Kläger, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne der §§ 8 Abs. 1, 1 Abs. 4 GAL aF, auch wenn nach seiner Darstellung die Metzgerei und nicht die Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle ist. Denn es genügt, daß die Erträgnisse der Landwirtschaft ausreichen, um die Lebensgrundlage einer bäuerlichen Familie zu bilden, ohne daß es dabei auf Einnahmen aus anderen Tätigkeiten ankommt, wie der Senat in seinem Urteil vom 21. März 1962 - 7/3 RLw 4/59 - bereits entschieden hat. Diese Voraussetzungen sind nach den von der Revision nicht angegriffenen und damit gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden Feststellungen des LSG gegeben.
Der Kläger ist daher beitragspflichtig, wenn nicht ein Befreiungsgrund aus § 8 Abs. 2 ff oder § 26 GAL aF vorliegt. Nach § 26 sind beitragspflichtige landwirtschaftliche Unternehmer auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sie mit einer öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmung einen Versicherungsvertrag abgeschlossen haben, auf Grund dessen sie für den Fall des Todes oder des Erlebens des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Zahlung einer Rente im Erlebensfall von mindestens 50,- DM und im Todesfall von mindestens 30,- DM an den überlebenden Ehegatten haben. Da der Kläger seine Lebensversicherung aber nicht auf Rentenbasis, sondern auf Kapitalzahlung abgeschlossen hat, scheidet eine Anwendung des § 26 GAL aF aus.
Auch § 8 Abs. 2 GAL aF kommt nicht zum Zuge. Hiernach sind landwirtschaftliche Unternehmer, die versicherungspflichtig ... in der Altersversorgung für das Deutsche Handwerk sind, für die Dauer der diese Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung oder Tätigkeit von der Beitragspflicht nach dem GAL frei. Das Gesetz verlangt ausdrücklich eine Versicherungs pflicht nach dem HVG, stellt also die Versicherungsfreiheit auf diesem Gebiet durch Abschluß einer Lebensversicherung (§ 4 HVG) nicht der Pflichtversicherung gleich. Dies entspricht dem Grundgedanken des Gesetzes, nur die in der Rentenversicherung Pflichtversicherten, nicht aber die dort wegen Vorliegens von Befreiungsvorschriften von der Versicherungspflicht Befreiten von der Beitragspflicht nach dem GAL auszunehmen. Maßgebend ist die Überlegung, derjenige bedürfe keiner Alterssicherung nach dem GAL, der bereits in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in ähnlichen Versicherungseinrichtungen pflichtversichert ist. Deshalb bestand kein Anlaß, durch die Auferlegung einer Beitragspflicht nach dem GAL für diese Personen die Voraussetzungen für späteres Altersgeld zu schaffen, wenn bereits durch eine Rente für das Alter vorgesorgt ist. Andere Leistungen genügen dagegen nicht. Es ist dies der gleiche Gedanke, wie er in dem erwähnten § 26 GAL aF zum Ausdruck kommt. Dort genügt zwar unter gewissen Voraussetzungen der Abschluß einer Lebensversicherung, um auf Antrag eine Befreiung von der Beitragspflicht nach dem GAL herbeizuführen. Es muß sich aber um eine Lebensversicherung auf Rentenbasis handeln, später also eine laufende Rente an Stelle des Altersgeldes zur Verfügung stehen. Eine Kapitalversicherung sieht der Gesetzgeber weder in § 26 noch in § 8 Abs. 2 GAL aF als ausreichend an, weil nach dem Sinne des GAL dem Bauern, der sein Unternehmen abgegeben hat, ein laufender Geldbetrag gesichert sein soll. Nach § 8 Abs. 4 GAL aF tritt Befreiung von der Beitragspflicht ebenfalls nur ein, wenn Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus der Altersversorgung für das Deutsche Handwerk bezogen wird oder wenn die in § 1229 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Voraussetzungen erfüllt sind; auch in diesen Fällen sind spätere laufende Bezüge zu erwarten.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes ist zu verneinen. Daß Versicherungspflicht nach dem HVG, nicht aber Versicherungsfreiheit nach § 4 HVG von den Beiträgen zur Landwirtschaftlichen Alterskasse befreit, erklärt sich aus dem unterschiedlichen Sachverhalt.
Auch durch das seit dem 1. Januar 1962 geltende Gesetz zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl I 845) - GAL nF - ist für den Kläger keine Beitragsfreiheit kraft Gesetzes eingetreten. Doch erlaubt § 9 Abs. 2 Buchst. c GAL nF unter gewissen Voraussetzungen, selbständige Handwerker, die in der Handwerksrolle eingetragen sind, auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist aus dem landessozialgerichtlichen Urteil nicht ersichtlich. Es muß daher dem Kläger überlassen bleiben, einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Die Revision ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Fundstellen