Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG idF vom 22.12.1983. Rechtsänderung im Revisionsverfahren
Orientierungssatz
1. § 112 Abs 5 Nr 3 AFG idF vom 22.12.1983 verstößt nicht gegen das GG; es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Vorschrift auch auf solche nach dem 31.12.1981 entstehende Ansprüche auf Arbeitslosengeld Anwendung findet, die auf vor dem 1.1.1982 zurückgelegte Anwartschaftszeiten gründen.
2. Eine mißbräuchliche Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung droht bei der Beschäftigung von Ehegatten und Verwandten allgemein stärker als bei der Beschäftigung von anderen Personen. Das rechtfertigt es, an die Ehe bzw die Verwandtschaft anknüpfend besondere Regelungen zu treffen, um einem Mißbrauch zu begegnen; Regelungen dieser Art verletzen weder Art 3 noch Art 6 GG (vgl BVerfG 1965-02-16 1 BvL 20/64 = BVerfGE 18, 366).
3. Die Erwartung des Arbeitnehmers, der Gesetzgeber werde die Höhe eines künftig entstehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach Maßgabe bisherigen Rechts weiter bestimmen lassen, ist durch Art 14 GG nicht geschützt.
4. Zur Feststellung des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 5 Nr 3 S 2 AFG.
Normenkette
AFG § 112 Abs 5 Nr 3 S 1 Fassung: 1981-12-22; AFG § 112 Abs 5 Nr 3 S 2 Fassung: 1983-12-22; GG Art 3 Abs 1; GG Art 6 Abs 1; GG Art 14; SGG § 170 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 20.05.1983; Aktenzeichen L 1 Ar 89/82) |
SG Itzehoe (Entscheidung vom 23.08.1982; Aktenzeichen S 2 Ar 51/82) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).
Der 1948 geborene Kläger war bis zum 8. Januar 1982 bei seinem Vater beschäftigt, zuletzt als Heizungsmonteur. Er erzielte im Dezember 1981 ohne Weihnachtsgeld ein Arbeitsentgelt von 4.041,55 DM im Akkord.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger antragsgemäß ab 9. Januar 1982 Alg, und zwar in Höhe von 222,-- DM wöchentlich (Bescheid vom 22. Februar 1982, Widerspruchsbescheid vom 1. April 1982). Der Bemessung legte sie wegen der bisherigen Beschäftigung des Klägers bei seinem Vater gemäß § 112 Abs 5 Nr 3 und Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Arbeitsförderungs -Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) nach dem Tarifvertrag zwischen der Industriegewerkschaft Metall und dem Fachverband Sanitär vom 11. März 1982 den Stundenlohn eines angelernten Heizungsmonteurs von 11,01 DM und eine tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zugrunde. Das ergab ein wöchentliches Arbeitsentgelt von gerundet 440,-- DM, aus dem sich gemäß § 111 AFG und der AFG-Leistungsverordnung 1982 vom 30. Dezember 1981 (BGBl I 1704) für die Leistungsgruppe C ein Leistungssatz von 222,-- DM wöchentlich ableitet.
Die Klage, mit der der Kläger höheres Alg unter Berücksichtigung seines bisher erzielten Arbeitsentgelts begehrte, hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 23. August 1982), die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 20. Mai 1983). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beklagte habe das Bemessungsentgelt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zutreffend gemäß § 112 Abs 5 Nr 3 AFG in der Fassung des AFKG ermittelt. Die seit dem 1. Januar 1982 in Kraft getretene, im Falle des Klägers anwendbare Vorschrift bedeute für ihn zwar eine Verschlechterung; sie sei jedoch verfassungsgemäß. Sie verstoße weder allgemein gegen Art 3 und 6 des Grundgesetzes (GG) noch in den Übergangsfällen gegen Art 14 GG.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Art 3 und 14 GG und bringt hierzu insbesondere vor: Arbeitslosenversicherungsrechtliche Anwartschaften genössen den Schutz der Eigentumsgarantie. Zwar könne der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen; jedoch müsse der Gesetzgeber dabei beachten, ob und inwieweit der Eigentümer durch eigene Leistungen eine unter die Eigentumsgarantie fallende Position erworben habe. Ein Eingriff in bestehende Anwartschaften, die aufgrund eigener Leistung erworben seien, sei nur zulässig, wenn Gründe vorlägen, die den Eingriff legitimierten. Dabei sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Ernsthaftigkeit von Arbeitsverhältnissen unter Familienangehörigen sei, wie das Bundesverfassungsgericht schon entschieden habe, nicht schlechthin anzuzweifeln. Aus diesem Grunde sei ein vollständiger Ausschluß von der Arbeitslosenversicherung nicht möglich. Es sei zwar einzuräumen, daß in diesen Fällen eine Gefahr einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung bestehe. Diesen Gefahren könne der Gesetzgeber jedoch dadurch begegnen, daß er bei der Berechnung des Alg nicht lediglich die letzten drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit heranziehe, sondern den gesamten Versicherungsverlauf. Stelle sich dabei heraus, daß der Arbeitnehmer lediglich kurze Zeit bei einem Elternteil beschäftigt gewesen sei und über ein besonders hohes Arbeitsentgelt verfügte, so spreche dies dafür, daß die Arbeitslosenversicherung mißbräuchlich in Anspruch genommen werden solle. Ein solcher Verdacht sei jedoch auszuschließen, wenn über einen Zeitraum von fast 13 Jahren ein Arbeitsverhältnis zwischen Vater und Sohn bestehe und entsprechend dem Einkommen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt worden seien, wie das hier der Fall sei. Könne der mißbräuchlichen Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung mit einem einfacheren Mittel begegnet werden, sei der vom Gesetzgeber nunmehr vorgesehene Eingriff unverhältnismäßig, da er auch die Arbeitnehmer treffe, die erkennbar nicht mißbräuchlich die Arbeitslosenversicherung in Anspruch nähmen. Da ein gravierender Eingriff in die Eigentumsgarantie vorliege, seien Belastungen der Verwaltung durch eine weitergehende Überprüfung des Einzelfalles hinzunehmen. Der Gesetzgeber habe zudem nicht beachtet, daß er bei einschränkenden Maßnahmen tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen habe. Er müsse alle Fälle, in denen ein Mißbrauch nicht vorliege, gleich behandeln und hiervon abweichend die Fälle, in denen ein Mißbrauch tatsächlich gegeben sei. Wenn ein Arbeitnehmer übertariflich verdiene, sei ihm auf jeden Fall auch ein Arbeitnehmer, der bei einem Familienangehörigen angestellt sei, gleichzustellen, solange diese Anstellung und der höhere Verdienst nicht auf eine mißbräuchliche Ausnutzung der Versicherung hinweise.
Der Kläger beantragt,
die ergangenen Urteile aufzuheben, die ergangenen Bescheide zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 9. Januar 1982 Alg nach einem zuletzt erzielten Stundenlohn von 20,61 DM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf die Anfrage des Senats, ob der Kläger aufgrund des durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) eingefügten Satzes 2 des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG klaglos gestellt werden kann, hat die Beklagte mitgeteilt, daß sich im Falle des Klägers bei Anwendung der Neufassung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG das Bemessungsentgelt nicht ändere. Demgegenüber hat der Kläger mitgeteilt, daß er ein Arbeitsentgelt erzielt habe, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleicher Beschäftigung in der Regel gezahlt werde.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Ob dem Kläger mehr als 222,-- DM Alg wöchentlich zustand, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden.
Das Alg beträgt nach § 111 Abs 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden, hier noch anwendbaren Fassung, die die Vorschrift durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) erhalten hat, 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten (Brutto-)Arbeitsentgelts im Sinne des § 112 AFG. Dieses ist nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Bemessungszeitraum ergibt. Das nach seinem Art 18 am 1. Januar 1982 in Kraft getretene AFKG hat dem Satz 1 des § 112 Abs 2 AFG die Worte "ohne Mehrarbeitszuschläge" eingefügt und die bisherigen Sätze 3 und 4 derart verändert, daß nunmehr sowohl einmalige wie auch wiederkehrende Zuwendungen außer Betracht bleiben. Die Neufassung des § 112 Abs 2 AFG ist nach dem Willen des Gesetzgebers maßgebend, wenn - wie hier - der Anspruch auf Alg nach dem 31. Dezember 1981 entstanden ist; denn die Fortgeltung des bisherigen Rechts sieht die die Änderung des § 112 AFG betreffende Übergangsvorschrift des Art 1 § 2 Nr 11 AFKG nur für den Fall vor, daß der Anspruch auf Alg vor dem 1. Januar 1982 entstanden ist.
Indessen ist abweichend von § 112 Abs 2 AFG nach dem durch das AFKG eingeführten § 112 Abs 5 Nr 3 (Satz 1) AFG für die Zeit einer Beschäftigung bei dem Ehegatten oder bei einem Verwandten gerader Linie, dh ua bei einer Beschäftigung beim Vater, das Arbeitsentgelt nach Abs 7, höchstens das Arbeitsentgelt dieser Beschäftigung zugrundezulegen. Auch diese Vorschrift ist nach dem Willen des AFKG-Gesetzgebers anzuwenden, wenn der Anspruch auf Alg nach dem 31. Dezember 1981 entstanden ist (Art 18, Art 1 § 2 Nr 11 AFKG). Allerdings ist im vorliegenden Falle auch der Satz 2 des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG zu berücksichtigen, den Art 17 Nr 17 des HBegleitG nach Erlaß des angefochtenen Urteils des LSG der Vorschrift angefügt hat. Danach ist für die Zeit einer Beschäftigung bei dem Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie das Arbeitsentgelt nach Abs 7 dann nicht zugrundezulegen, wenn der Arbeitslose für diese Beschäftigung ein Arbeitsentgelt erzielt hat, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt wird. Diese Ergänzung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG erfaßt nach dem Geltungswillen des HBegleitG den Fall des Klägers. Zwar ist das HBegleitG (und damit die mit ihm vorgenommenen Rechtsänderungen - von Ausnahmen abgesehen -) erst am 1. Januar 1984 in Kraft getreten (Art 39 HBegleitG). Indes ist § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG nach dem durch Art 17 Nr 32 HBegleitG eingefügten § 242b Abs 6 AFG auch für Zeiten mit Anspruch auf Alg vor Inkrafttreten des HBegleitG anzuwenden, wenn die Entscheidung über das Alg vor Inkrafttreten des HBegleitG noch nicht unanfechtbar war, wie das hier wegen des Revisionsverfahrens der Fall ist. Der Senat hat diese Änderung des für den Rechtsstreit maßgeblichen materiellen Rechts seiner Entscheidung zugrundezulegen. Das Revisionsgericht entscheidet den Rechtsstreit zwar aufgrund der vom Tatrichter getroffenen Feststellungen, aber nach Maßgabe des im Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung geltenden Rechts; er muß deshalb grundsätzlich auch noch jedes nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangene neue Gesetz berücksichtigen, sofern dieses nach seinem Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt (BSGE 2, 188, 192; 3, 95, 103; 3, 234, 237; 19, 260, 261; 54, 223, 224; BVerwGE 1, 291, 298; 41, 227, 230 f; BGHZ 9, 101, 102; 19, 294, 295; 20, 30, 33; 26, 239, 240; BAGE 2, 226, 227; 7, 197, 206).
In der Fassung, die die Vorschrift durch das HBegleitG gefunden hat, verstößt § 112 Abs 5 Nr 3 AFG nicht gegen das GG; es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Vorschrift auch auf solche nach dem 31. Dezember 1981 entstehende Ansprüche auf Alg Anwendung findet, die auf vor dem 1. Januar 1982 zurückgelegte Anwartschaftszeiten gründen.
Allerdings stellt die Bemessung des Alg von bei einem Ehegatten oder einem Verwandten in gerader Linie beschäftigten Arbeitnehmern nach dem Maßstabe des § 112 Abs 7 AFG eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß sich die Höhe des Alg nach dem in der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit tatsächlich und durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt richten soll, das der Arbeitslose in einem bestimmt festgelegten Zeitraum (Bemessungszeitraum) erzielt hat. Diese Ausnahme ist jedoch sachlich begründet. Der Regelung liegt erklärtermaßen die Erwägung zugrunde, Manipulationen des Bemessungsentgelts entgegenzuwirken (vgl Begründung zu Art 1 § 1 Nr 32 des Entwurfs eines AFKG der Fraktionen der SPD und FDP, BT-Drucks 9/799 S 42 f; Begründung zum Entwurf eines AFKG der Bundesregierung, BT-Drucks 9/846 S 43 f). Zwar mag zweifelhaft sein, ob die Vorschrift in der Fassung des AFKG sich sachlich rechtfertigen ließ; denn die Regelung unterstellte gewissermaßen in jedem Falle einer Beschäftigung bei dem Ehegatten oder bei einem Verwandten in gerader Linie eine Manipulation des Bemessungsentgelts. Nachdem aufgrund des durch das HBegleitG dem § 112 Abs 5 Nr 3 AFG angefügten Satz 2 das Alg nach dem erzielten Arbeitsentgelt zu bemessen ist, wenn der Arbeitslose ein Arbeitsentgelt erzielt hat, das auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt wird, besteht dieses Bedenken nicht mehr. Sinn dieser Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG war es, das Alg von Ehegatten- und Verwandtenarbeitnehmern grundsätzlich wie bei anderen Arbeitnehmern zu bemessen, wenn das erzielte Arbeitsentgelt den für gleichartige Tätigkeiten üblicherweise gezahlten Arbeitsentgelten entspricht (vgl Begründung zu Art 15 Nr 16 des Entwurfs des HBegleitG, BT-Drucks 10/691 S 28). Die ungünstige Bemessung des Alg von Ehegatten- und Verwandtenarbeitnehmern nach § 112 Abs 7 AFG erfolgt im allgemeinen somit nur noch dann, wenn sich nicht nachweisen läßt, daß der Arbeitnehmer das erzielte Arbeitsentgelt auch ohne familienhafte Bindungen erzielt hätte. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, daß in einem jeden solchen Falle das Bemessungsentgelt manipuliert worden ist; jedoch dürfte eine mißbräuchliche Beeinflussung des Bemessungsentgelts vornehmlich in diesen Fällen vorkommen. Das hat zur Folge, daß in diesen Fällen das erzielte Entgelt nicht geeignet ist, der Bemessung zugrunde gelegt zu werden. Es muß daher auf ein anderes Bemessungsentgelt zurückgegriffen werden, wobei sich der Rückgriff auf § 112 Abs 7 AFG anbietet. Erscheint daher die getroffene typisierende Regelung geeignet, einer mißbräuchlichen Beeinflussung des Bemessungsentgelts entgegenzuwirken, ist sie hinzunehmen. Zwar ist die Gefahr des Mißbrauchs nicht auf Ehegattenbeschäftigungen und Beschäftigungen zwischen Verwandten in gerader Linie beschränkt; denn bei jedem Beschäftigungsverhältnis ist eine mißbräuchliche Beeinflussung möglich und eine gewisse Gefahr, insbesondere bei der Beschäftigung von Geschwistern, Schwiegereltern und -kindern sowie Partnern nichtehelicher Gemeinschaften nicht von der Hand zu weisen. Jedoch droht eine mißbräuchliche Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung bei der Beschäftigung von Ehegatten und Verwandten allgemein stärker als bei der Beschäftigung von anderen Personen. Das rechtfertigt es, an die Ehe bzw die Verwandtschaft anknüpfend besondere Regelungen zu treffen, um einem Mißbrauch zu begegnen; Regelungen dieser Art verletzen weder Art 3 noch Art 6 GG (vgl BVerfGE 6, 55, 84; 9, 237, 245; 13, 318, 327; 18, 257, 269 f; 18, 366, 375 f). Soweit die Revision geltend macht, daß entsprechend dem Arbeitseinkommen des Klägers Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt worden seien, übersieht sie, daß der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme von Verfassungs wegen nicht gehalten ist, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen (BVerfGE 51, 115, 124 = SozR 4100 § 112 Nr 10; BVerfGE 33, 313, 328 = § 168 Nr 12).
Auch Art 14, 20 GG sind nicht verletzt, soweit der nach Inkrafttreten des AFKG entstandene Anspruch auf Alg sich auf Anwartschaftszeiten gründet, die der Arbeitslose vor dem 1. Januar 1982 zurückgelegt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar entschieden, daß Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung dem Schutz des Art 14 GG unterliegen (BVerfGE 53, 257 = SozR 7610 § 1587 Nr 1), dagegen offengelassen, ob dies auch für den Anspruch auf Alg gilt (BVerfGE 53, 318, 331 = SozR 4100 § 168 Nr 12). Die Streitfrage bedarf auch angesichts des vorliegenden Falles keiner Entscheidung, weil die Änderung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG durch das AFKG auf entstandene Ansprüche auf Alg keine Anwendung findet und nicht die Anwartschaft des Berechtigten beeinträchtigt, sondern lediglich die Höhe des Alg betrifft. Die Erwartung des Arbeitnehmers, der Gesetzgeber werde die Höhe eines künftig entstehenden Anspruchs auf Alg nach Maßgabe bisherigen Rechts weiterbestimmen lassen, ist durch Art 14 GG nicht geschützt. Der Anspruch auf Alg ist durch seine Einfügung in einen Gesamtzusammenhang geprägt, der auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft beruht. Danach sollen grundsätzlich die Arbeitgeber und die in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer die Mittel aufbringen, die für die von der Beklagten zu tragenden Leistungen der Arbeitsförderung erforderlich sind. Dies hat zur Folge, daß auch dann, wenn der Anspruch auf Alg dem Schutze des Art 14 GG unterliegt, dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt, insbesondere für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Sofern dies einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen. Allerdings hat er zu beachten, was von den Berechtigten aufgrund eigener Leistung erbracht ist (vgl BVerfGE 53, 257, 293; 58, 81, 110). Der letztgenannte Gesichtspunkt spielt beim Alg jedoch keine ausschlaggebende Rolle; denn die Gesamtleistung an Alg steht im Einzelfalle typischerweise nicht in einer Beziehung zur jeweiligen Beitragsleistung. Demnach kann die Herabsetzung des Alg in den Fällen des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG nicht beanstandet werden. Sie ist eine der verschiedenen im AFKG vorgenommenen Leistungseinschränkungen, durch die der Gesetzgeber ua wegen der gestiegenen Zahlen an Arbeitslosen und Teilnehmern an beruflichen Bildungs- und Rehabilitationsmaßnahmen und der zunehmenden Nutzung der Förderungsmöglichkeiten des AFG durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer ständig gestiegenen Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit zu senken suchte, nachdem der Haushalt der Anstalt 1980 ein aus dem Bundeshaushalt zu deckendes Defizit von 2,5 Milliarden DM aufgewiesen hatte und für 1981 ein Defizit von 7,9 Milliarden DM erwartet wurde. Dabei wurden Einsparungen erstrebt, ohne die Leistungsfähigkeit der Arbeitsförderung zu beeinträchtigen; die Arbeitsförderung sollte vielmehr, wie sich aus der Bezeichnung des Gesetzes ergibt, konsolidiert und gesichert werden (vgl Begründung zum AFKG-Entwurf der Fraktionen der SPD und FDP, BT-Drucks 9/799 S 30 ff; Begründung zum AFKG-Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 9/846 S 31 ff; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum AFKG-Entwurf, BT-Drucks 9/966 S 71 ff). Die getroffene Regelung steht auch nicht im Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz. Die Vorschrift will, wie ausgeführt, der mißbräuchlichen Beeinflussung des Bemessungsentgelts entgegenwirken. Kein Staatsbürger aber kann redlicherweise erwarten, daß der Gesetzgeber Mißbrauchsmöglichkeiten beibehält.
Der Bemessung des Alg des Klägers ist daher gemäß § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 AFG das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG, höchstens das Arbeitsentgelt dieser Beschäftigung zugrundezulegen, sofern die Voraussetzungen des § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 2 AFG nicht gegeben sind. Das nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG nach § 112 Abs 7 AFG zutreffend ermittelte wöchentliche Arbeitsentgelt von gerundet 440,-- DM ist daher nur dann nicht maßgebend, wenn das vom Kläger bei seinem Vater erzielte Arbeitsentgelt auch familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt worden ist. Nach dem Sinn der Vorschrift ist dies der Fall, wenn der Vater des Klägers entsprechende Entgelte an familienfremde Arbeitnehmer zahlt; fehlt es an einer gleichartigen Beschäftigung im Betrieb, dürfte es ausreichen, wenn das erzielte Entgelt üblich war, dh, der Arbeitslose das erzielte Entgelt bei gleichartiger Beschäftigung auch bei einem anderen Arbeitgeber hätte erzielen können. Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen, was aufgrund der im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage nicht zu beanstanden ist. Eine Entscheidung, ob das Alg nach § 112 Abs 2 AFG oder nach § 112 Abs 5 Nr 3 Satz 1 und Abs 7 AFG zu bemessen ist, ist dem Senat daher nicht möglich. Auf die Frage, welche Vorschrift anzuwenden ist, kommt es hier jedoch an. Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen, die die Bestimmung der Höhe des Bemessungsentgelts nach § 112 Abs 2 AFG zulassen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß das wöchentliche Arbeitsentgelt gemäß § 112 Abs 2 AFG gerundet mehr als 440,-- DM beträgt, wovon im übrigen der Kläger und das LSG ausgehen. Ist das aber der Fall und das Alg des Klägers gemäß § 112 Abs 2 AFG zu bemessen, stünde ihm nach § 111 AFG und der AFG-Leistungsverordnung 1982 ein Leistungssatz von mehr als 222,-- DM wöchentlich zu. Die Klage wäre dann begründet.
Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 170 Abs 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG
Fundstellen