Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung mangelhafter Ausführungen der zahnprothetischen Versorgung im Gutachterverfahren
Leitsatz (amtlich)
Auch bei mangelhafter Ausführung zahnprothetischer Leistungen obliegt die Schadensfeststellung nach § 24 BMV-Zahnärzte nur solchen Prüfungseinrichtungen, die den Anforderungen des § 368n Abs 5 RVO entsprechen.
Orientierungssatz
Zur Feststellung mangelhafter Ausführungen der zahnprothetischen Versorgung im Gutachterverfahren:
Eine im Anschluß an die Leistung erfolgende Beurteilung ihrer mangelfreien Ausführungen schließt das Gutachterverfahren nicht aus und beläßt damit Raum für die Schadensfeststellung nach § 24 ZÄBMV; es muß außerdem auch nachträglich überprüfbar bleiben, ob der Kassenarzt bei Ausführungen der Behandlung das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet hat.
Normenkette
BMV-Z §§ 24, 3 Anl 12; RVO § 368n Abs 5; BMV-Z Anl 12 § 2 Abs 3; RVO § 368e Fassung: 1975-08-28
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.11.1987; Aktenzeichen L 5 Ka 16/86) |
SG Hannover (Entscheidung vom 24.04.1985; Aktenzeichen S 21 Ka 106/83) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht darüber Streit, ob der von der klagenden Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von DM 4.629,35 durch Aufrechnung der beklagten Krankenkasse mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch erloschen ist.
Der als Kassenzahnarzt tätig gewesene Beigeladene gliederte am 29. September 1981 bei dem Versicherten E. und am 30. September 1981 bei dem Versicherten B. Zahnersatz ein. In beiden Fällen ergaben die von der Beklagten veranlaßten Begutachtungen nach Anlage 12 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z), daß der Zahnersatz mangelhaft war. Wegen Praxisaufgabe des Beigeladenen wurden die Mängel von anderen Zahnärzten behoben. Die auf § 24 BMV-Z gestützte Schadensersatzforderung der Beklagten wies die Klägerin zurück, weil sie bis zum 31. Dezember 1981 keine Gläubiger- bzw Schuldnerstellung gehabt habe. Daraufhin setzte die Beklagte im Wege der Aufrechnung den strittigen Betrag von der Zahnersatzabrechnung für August 1982 ab.
Das Sozialgericht (SG) hat der Leistungsklage der KZÄV stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Nach Auffassung des LSG habe der Beklagten kein Anspruch gegen die Klägerin zugestanden, mit dem sie hätte aufrechnen können. Nach § 24 Satz 1 BMV-Z habe die KZÄV der betreffenden Krankenkasse nur den Schaden zu ersetzen, der durch die Prüfungseinrichtungen festgestellt worden sei. Es erscheine zwar sachgerecht, den Prothetik-Einigungsausschuß den Prüfungseinrichtungen gleichzustellen. Eine analoge Anwendung des § 24 BMV-Z auf den nach § 5 der Anlage 12 zum BMV-Z bestellten Gutachter scheide jedoch aus. Ansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen seien ausgeschlossen, soweit der Anwendungsbereich des § 24 BMV-Z reiche (BSG vom 21. November 1986 - 6 RKa 5/86 -). Es habe an der Beklagten gelegen, den nach den Vertragsbestimmungen gegebenen Weg für die Geltendmachung von Mängelansprüchen einzuschlagen.
Mit der Revision rügt die Beklagte, die Rechtsauffassung des LSG stehe nicht im Einklang mit der Vertragslage und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). In § 2 Abs 3 BMV-Z sei vereinbart worden, daß sich die Krankenkassen eines Gutachterverfahrens bedienen können. Zu Unrecht nehme das LSG an, daß nur der Prothetik-Einigungsausschuß den Wirtschaftlichkeitsprüfungseinrichtungen gleichzustellen sei. Die Feststellung eines Mängelanspruchs stelle in der vereinbarten Form keine Prüfungseinrichtung iS des § 368n Abs 5 durch ihn sei nicht direkt unter § 24 Satz 1 BMV-Z zu subsumieren. Er stelle in der vereinbarten Form keine Prüfungseinrichtung iS des § 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) dar. Von den Vertragspartnern des BMV-Z sei in erster Linie dem Gutachter die Aufgabe zugewiesen worden, Leistungsstörungen und Streitigkeiten beizulegen; seine Stellungnahme sei entscheidend. Erst bei Meinungsverschiedenheiten dürfe der Prothetik-Einigungsausschuß tätig werden. Die unwidersprochenen Feststellungen des Gutachters seien entweder als Feststellungen iS des § 24 Satz 1 BMV-Z zu werten oder rechtfertigten zumindest die analoge Anwendung dieser Norm. Sie (die Beklagte) habe gar nicht die Möglichkeit gehabt, den Prothetik-Einigungsausschuß anzurufen, da sie durch die Gutachten nicht beschwert gewesen sei; ihr Einspruch wäre also unzulässig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. November 1987 - L 5 Ka 16/86 - und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. April 1985 - S 21 Ka 106/83 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Klägerin hat, worüber kein Streit besteht, den hier eingeklagten Zahlungsanspruch erworben. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Anspruch nicht durch Aufrechnung erloschen. Der Beklagten stand, wie das LSG zutreffend entschieden hat, die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht zu.
Die Beklagte verlangt von der Klägerin Ersatz des Schadens, der ihr durch mangelhafte zahnprothetische Leistungen eines Kassenzahnarztes entstanden sei. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt allein § 24 BMV-Z in Betracht. Diese Vorschrift regelt die Ersatzpflicht der KZÄV für den Fall, daß ein Kassenzahnarzt oder eine Person, für die er haftet, bei der Erfüllung der kassenzahnärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Gegenstand dieser Ersatzpflicht ist der durch die Nichterfüllung der kassenzahnärztlichen Pflichten entstandene und durch die Prüfungseinrichtungen festgestellte Schaden. Prüfungseinrichtungen sind die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse, denen die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung obliegt (§ 20 Abs 1 BMV-Z, § 368n Abs 5 iVm § 368 Abs 1 Satz 4 RVO).
Eine Schadensersatzpflicht der Klägerin nach § 24 BMV-Z besteht schon deshalb nicht, weil es an der vorausgesetzten Schadensfeststellung durch eine Prüfungseinrichtung fehlt. In den beiden streitbefangenen Behandlungsfällen wurden lediglich Begutachtungen nach § 3 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z durchgeführt. Dabei handelt es sich nicht um Schadensfeststellungen iS des § 24 BMV-Z. Nach § 2 Abs 3 BMV-Z können sich die Krankenkassen in bestimmten Leistungsbereichen eines Gutachterverfahrens bedienen, das in Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern geregelt wird. Für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen gilt die als Anlage 12 zum BMV-Z getroffene Vereinbarung. Aus § 2 Abs 3 BMV-Z ergibt sich, daß das Gutachterverfahren lediglich den Krankenkassen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung steht. Das Gutachterverfahren dient nicht der unmittelbaren Regelung von Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse, KZÄV und Kassenzahnarzt. Dem entspricht auch die Vereinbarung in Anlage 12 zum BMV-Z, soweit sie sich auf das Gutachterverfahren bezieht. Nach § 3 Abs 5 der Anlage 12 zum BMV-Z hat der Gutachter nur zum Heil- und Kostenplan bzw zu den ausgeführten Leistungen Stellung zu nehmen. Eine Entscheidungsbefugnis steht ihm nicht zu. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die dem Prothetik-Einigungsausschuß in Anlage 12 zum BMV-Z eingeräumten Entscheidungsbefugnisse mit übergeordnetem Recht vereinbar sind. Im vorliegenden Fall liegt keine Entscheidung eines Prothetik-Einigungsausschusses vor.
Der Auffassung der Beklagten, die unwidersprochene Feststellung eines Gutachters rechtfertige die analoge Anwendung des § 24 BMV-Z, kann nicht beigetreten werden. Der Gutachter trifft keine der KZÄV gegenüber verbindliche Entscheidung. Er gibt, wie dargelegt, nur eine Stellungnahme ab. Zwar hat der Prothetik-Einigungsausschuß über einen Einspruch des Kassenzahnarztes oder der Krankenkasse gegen die Stellungnahme eines Gutachters zu entscheiden (§ 4 Abs 3 der Anlage 12 zum BMV-Z). Das ändert aber nichts daran, daß es sich um die Stellungnahme eines Gutachters handelt. Die aus einer solchen Stellungnahme sich ergebenden Rechte werden erst durch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde rechtswirksam (zB durch die Entscheidung der Krankenkasse über den Heil- und Kostenplan). Der von der Beklagten angestellte Vergleich mit dem Prothetik-Einigungsausschuß führt zu keinem anderen Ergebnis. Diesem Ausschuß ist ausdrücklich die Entscheidung über Mängelansprüche übertragen (§ 4 Abs 1 der Anlage 12 zum BMV-Z). Die Vertragspartner gingen dabei offenbar davon aus, daß die Entscheidung des Prothetik-Einigungsausschusses über Mängelansprüche unmittelbare Rechtswirkung nach außen hat, denn sie befassen sich auch mit der Durchsetzung der Entscheidung (§ 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z). Der Senat hatte deshalb dem Prothetik-Einigungsausschuß die Beteiligtenfähigkeit zuerkannt (SozR 1500 § 70 SGG Nr 3). Er hat damit aber nicht entschieden, daß dem Prothetik-Einigungsausschuß stets die Schadensfeststellungskompetenz iS des § 24 BMV-Z zusteht. Es ist denkbar, diesen Ausschuß als eine besondere Prüfungseinrichtung für den Bereich der zahnprothetischen Versorgung anzusehen. Seine Entscheidungen können aber als rechtmäßige Entscheidungen iS des § 24 BMV-Z nur anerkannt werden, wenn die Zusammensetzung des Ausschusses dem § 368n Abs 5 RVO entspricht und die Anrufung eines Beschwerdeausschusses möglich ist.
§ 24 BMV-Z findet auf Schadensfälle der vorliegenden Art Anwendung. Wie der Senat zu entsprechenden Vorschriften der kassenärztlichen Versorgung entschieden hat, sind die Partner des Bundesmantelvertrages nach § 368g Abs 1 und 3 RVO berechtigt, den Prüfungsgremien eine innerhalb des Rechtszwecks der "Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Kranken" liegende Schadensfeststellungskompetenz zuzuweisen (SozR 5540 § 34 BMV-Ärzte Nr 1; SozR 2200 § 368n RVO Nr 26). Der Senat hat demzufolge die von den Partnern des Bundesmantelvertrages vereinbarte Schadensfeststellungskompetenz insbesondere für den Fall bejaht, daß ein Kassenarzt durch Verletzung der Regeln der ärztlichen Kunst einer Kasse Vermögensnachteile zugefügt hat (aaO). Die in § 24 BMV-Z vereinbarte Schadensfeststellungskompetenz der Prüfungsgremien erstreckt sich deshalb auch auf mangelhafte zahnprothetische Leistungen.
Die Anwendung des § 24 BMV-Z ist bei mangelhaft ausgeführter zahnprothetischer Behandlung nicht durch § 2 Abs 3 der Anlage 12 zum BMV-Z ausgeschlossen. Diese Vorschrift scheint zwar ihrem Wortlaut nach für einen solchen Ausschluß zu sprechen, er wäre aber nicht mit ihrem Sinn und Zweck und auch nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen. Die vereinbarte Regelung, daß Behandlungen, für die die Krankenkasse aufgrund eines Heil- und Kostenplans die Kosten übernommen oder einen Zuschuß gewährt hat, nicht mehr der Prüfung auf Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit unterliegen, bezieht sich offenbar auf Art und Umfang der Behandlung und die durch sie bedingten Kosten, nicht dagegen auf die Ausführung der Behandlung. Alle Regelungen in § 2 der Anlage 12 zum BMV-Z befassen sich mit der vom Kassenzahnarzt für notwendig und zweckmäßig gehaltenen Behandlung und ihren Kosten. Darüber erstellt der Kassenzahnarzt einen Heil- und Kostenplan. Die Kasse entscheidet über diesen Plan. Gegenstand der Entscheidung ist die Frage der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der geplanten Behandlungsmaßnahme. Über diese Frage kann daher nach Abschluß der Behandlung nicht erneut entschieden werden. Dem trägt § 2 Abs 3 der Anlage 12 zum BMV-Z Rechnung. Über das Ergebnis der Behandlung, also darüber, ob die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst oder mangelhaft ausgeführt worden ist, kann dagegen erst nach Abschluß der Behandlung entschieden werden. Eine darauf gerichtete Prüfung kann nicht durch eine vertragliche Regelung der Partner des Bundesmantelvertrages ausgeschlossen werden. Der Kassenzahnarzt hat auch bei Ausführung der Behandlung das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 368e RVO zu beachten. Ob er dieser gesetzlichen Verpflichtung gerecht geworden ist, muß überprüfbar bleiben.
Die zahnprothetische Versorgung war in der streitbefangenen Zeit (September 1981) nicht deshalb aus der Schadensfeststellungskompetenz der Prüfungsgremien herausgenommen, weil es sich bei ihr nicht um eine Sachleistung der Krankenkasse gehandelt hatte, sondern für sie nur Zuschüsse vorgesehen waren (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst d iVm § 182c RVO in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden und durch das Gesetz vom 27. Juni 1977 -BGBl I 1069- geänderten Fassung des Gesetzes vom 7. August 1974 -BGBl I 1881-). Die Vergütung zahnprothetischer Leistungen war schon damals in die der Krankenkasse gegenüber der KZÄV obliegenden Zahlungsverpflichtung einbezogen, soweit die Krankenkasse Zuschüsse zu gewähren hatte (§ 26 Abs 1 Satz 2 BMV-Z). Daraus folgt, daß diesbezüglich auch die Regelungen über die Kürzung oder Rückerstattung von Vergütungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise des Kassenzahnarztes Anwendung fanden.
Auf eine andere Rechtsgrundlage, die eine unmittelbare Inanspruchnahme der KZÄV gestattet, kann sich die Beklagte nicht stützen. Insbesondere kann sie sich nicht auf die Entscheidungen des Senats vom 21. November 1986 - 6 RKa 5/86 - (BSGE 61, 19 = SozR 2200 § 368f Nr 11) und vom 2. Juni 1987 - 6 RKa 22/86 - berufen. Gegenstand dieser Entscheidungen waren Rückforderungen von Gesamtvergütungen. Dazu war die KZÄV unmittelbar verpflichtet, weil sie eine Gesamtvergütung erhalten hatte, die ihr nicht bzw nicht in der gewährten Höhe zustand. Eine solche unmittelbare Verpflichtung besteht grundsätzlich nicht, wenn die Krankenkasse eine unwirtschaftliche bzw mangelhafte Behandlung eines Kassenzahnarztes geltend macht. Für die auf ein solches Vorbringen beruhende Forderung ist die Feststellungskompetenz der Prüfungsgremien gegeben.
Schließlich ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten kein Anhaltspunkt dafür, daß ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen eigener Pflichtverletzung begründet ist (vgl hierzu Urteil des Senats vom 5. Mai 1988 - 6 RKa 18/87 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, daß der Beigeladene nicht am Revisionsverfahren teilgenommen hat.
Fundstellen