Leitsatz (redaktionell)
Ein nach KOV-VfG § 40 auf Grund sachlicher Nachprüfung ergangener Bescheid muß vom Gericht sachlich wie ein Erstbescheid in vollem Umfang nachgeprüft werden.
Normenkette
KOVVfG § 40 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Oktober 1962 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der im Jahre 1892 geborene Kläger wurde im April 1945 bei einem Bombenangriff englischer Flugzeuge auf seinem Fischdampfer schwer verwundet, so daß ihm der Fuß amputiert werden mußte. Das Versorgungsamt (VersorgA) Bremen erkannte durch Bescheid vom 30. Januar 1946 als auf Kriegseinwirkung zurückzuführenden Körperschaden nach der Personenschädenverordnung (PSchVO) vom 10. November 1940 "Verlust des rechten Unterschenkels" an und gewährte ein Versehrtengeld nach Stufe II. Am 3./6. September 1947 erging eine Benachrichtigung über die Festsetzung einer Kriegsbeschädigtenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Die Schädigungsfolgen wurden wie bisher bezeichnet und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 50 v. H. festgestellt. Bei einer Nachuntersuchung erstattete der frühere Schiffsarzt Dr. med. W (Städt. Krankenhaus Bremerhaven-Lehe) am 5. Februar 1948 ein fachärztliches Gutachten, wonach der Verletzte wegen des Verlustes eines Fußes als Fischdampferkapitän nicht mehr berufsfähig sei.
Am 20. Februar 1952 erkannte das VersorgA die Beschädigtenbezüge nach § 86 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aF ohne ärztliche Nachuntersuchung um, übernahm die anerkannten Schädigungsfolgen und setzte die MdE mit 50 v. H. fest. Es hatte im Hinblick auf die Verwaltungsvorschriften zu §§ 29, 30 BVG vorgesehen, die Höhe der MdE durch den ärztlichen Dienst nachprüfen zu lassen. Das ist unterblieben. Es blieb somit bei der Bewertung der Schädigungsfolge, bis der Kläger im Februar 1956 unter Hinweis auf § 30 Abs. 1 BVG die Festsetzung eines höheren MdE-Grades beantragte, weil er in seinem erlernten und bis zur Beschädigung ausgeübten Beruf als Fischdampferkapitän nicht mehr tätig sein könne. Zum Nachweis der wirtschaftlichen Schädigung fügte er eine Verdienstbescheinigung der Hochseefischerei S KG bei, wonach sein jährlicher Durchschnittsverdienst in den Jahren 1939/1945 brutto 11800 RM betragen habe, und wonach sein heutiger Jahresarbeitsverdienst (d. i. 1956) mindestens 35000 DM betragen würde. Demgegenüber betrage sein Jahresarbeitsverdienst 1955 als Wachtmann nur brutto 3225 DM. Darauf erließ das Versorgungsamt am 28. September 1956 einen Neufeststellungsbescheid - nach § 62 Abs. 1 BVG -, wonach wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung maßgebend gewesen seien, und unter Berücksichtigung des vor der Schädigung ausgeübten Berufs vom Antragsmonat (Februar 1956) an eine Rente nach einer MdE um 60 v. H. gezahlt werde. Der Widerspruch des Klägers richtete sich gegen die Höhe der MdE, die seinem wirtschaftlichen Abstieg nicht entspreche. Da der Versorgungsarzt Dr. L die festgesetzte MdE für völlig ausreichend hielt, wies das Landesversorgungsamt durch Bescheid vom 18. Januar 1957 den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid geändert und den Beklagten verurteilt, vom 1. Februar 1956 an dem Kläger für seine Schädigungsfolgen Rente nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen und ihm seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Es hat die Berufung zugelassen. In den Urteilsgründen hat das SG ausgeführt: Nach § 62 Abs. 1 BVG seien die Versorgungsbezüge neu festzusetzen, wenn die für die Festsetzung maßgebenden Verhältnisse sich wesentlich geändert hätten. Die versorgungsrechtliche Anerkennung müsse mit den tatsächlich vorliegenden schädigungsbedingten Verhältnissen einhergehen. Das habe das Versorgungsamt als erfüllt angesehen und deshalb die schädigungsbedingte MdE von 50 v. H. auf 60 v. H. erhöht, denn der Kläger sei als Schiffskapitän berufsunfähig geworden. Da er früher 11800 RM verdient habe, so würde sein jetziger Jahresverdienst entsprechend den früheren Fangergebnissen 35000 DM betragen. Er hätte ohne die Schädigung auch höhere Leistungen für die Angestelltenversicherung erbringen können, um mit 65 Jahren eine höhere Rente zu erhalten. Da keine Ausgleichs- und Ausweichmöglichkeit bestanden habe, sei sein finanzieller Schaden derartig, daß ihm eine Rente nach einer MdE um 100 v. H. zugesprochen werden müsse.
Mit der Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, der Bescheid vom 28. September 1956 könne nicht auf § 62 BVG gestützt werden, weil sich die Verhältnisse in beruflicher Hinsicht nicht geändert hätten. Der Bescheid sei vielmehr ein "Zugunstenbescheid" im Sinne des § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) vom 2. Mai 1955, der nach § 54 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nur daraufhin nachprüfbar sei, ob das VersorgA sein Ermessen mißbraucht habe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 15. Oktober 1962 das Urteil des SG vom 15. Januar 1959 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, die für den Erlaß des Umanerkennungsbescheides vom 20. Februar 1952 maßgebend gewesenen Verhältnisse hätten sich bis zum Erlaß des Bescheides vom 28. September 1956 nicht geändert. Daher sei die Versorgungsverwaltung auch nicht verpflichtet gewesen, einen Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG aF zu erteilen. Wenn das VersorgA im Bescheid vom 28. September 1956 dennoch die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG angeführt habe, so beruhe das darauf, daß es ohne sachlichen Anlaß irrtümlich den für Fälle tatsächlicher wesentlicher Änderung bereitgehaltenen Vordruck verwendet habe. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liege auch nicht in der Neufassung des § 30 Abs. 1 BVG, die am 1. April 1956 - vor Erteilung des Bescheids vom 28. September 1956 - in Kraft getreten sei (Ges. z. Änd. u. Erg. d. BVG v. 6.6.1956), denn das Änderungsgesetz habe nur eine textliche Neufassung insofern gebracht, als die bis dahin geltenden Auslegungsvorschriften der Verwaltung in den Gesetzestext übernommen worden seien. Die Aufgabe der Tätigkeit als Wächter sei ebensowenig eine wesentliche Änderung der Verhältnisse. Die Verbindlichkeit des Umanerkennungsbescheides vom 20. Februar 1952 hindere den Beklagten aber nicht, zugunsten des Klägers auf dessen Erhöhungsantrag die Rechtmäßigkeit des Umanerkennungsbescheides unter den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VerwVG in der Kriegsopferversorgung vom 2. Mai 1955 zu prüfen, ob nämlich Umstände, die im Bescheid vom 20. Februar 1952 noch nicht berücksichtigt gewesen seien, eine höhere Rente rechtfertigten. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VerwVG könne die Verwaltungsbehörde jederzeit einen Zugunstenbescheid erteilen. Die Verwaltungsbehörde habe erneut sachlich geprüft und in Erwägung der Ergebnisse dieser Prüfung die Rente durch den Zweitbescheid (Zugunstenbescheid) vom 28. September 1956 auf den sich nach einer MdE um 60 v. H. ergebenden Betrag erhöht. Dieser Zweitbescheid könne von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ebenso nachgeprüft werden wie ein Erstbescheid, d. h. ein Bescheid, in dem das Versorgungsverhältnis erstmalig festgestellt werde (das LSG verweist auf die Entscheidung in BSG 10, 248 ff). In der Kriegsopferversorgung sei der Zweitbescheid im vorstehenden Sinne jedoch ein Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VerwVG, der - wie aus dem Wort "kann" der Vorschrift hervorgehe - nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werde. Die von der Versorgungsverwaltung getroffene Regelung dürfe - weil sie Ermessensentscheidung sei - von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur darauf nachgeprüft werden, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder ob sie von diesem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe (BSG 15, 10, 12). Der Senat habe jedoch keinen Ermessensfehler feststellen können. Die MdE des Klägers sei für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG aF und seitdem nach § 30 Abs. 2 BVG nF zu beurteilen. Wenn der Kläger seinen Beruf als Fischdampferkapitän nicht ausfüllen könne, so gebe es aber doch noch Stellen, die dem Kläger übertragen werden könnten. Die Risiken des Arbeitsmarktes seien versorgungsrechtlich nicht geschützt. Die Versorgungsverwaltung habe nicht aus sach- oder zweckfremden Erwägungen oder aus Willkür die Anerkennung einer höheren MdE als 60 v. H. versagt. Der Kläger sei nicht erwerbsunfähig, er könne auch keinen Berufsschadensausgleich verlangen (§ 30 Abs. 3 BVG nF). Die Versorgungsverwaltung hätte schon bei ihrer ersten Entscheidung nach dem BVG, beim Erlaß des Umanerkennungsbescheids vom 20. Februar 1952, die besondere berufliche Betroffenheit berücksichtigen müssen, und es sei davon auszugehen, daß sie dies auch getan habe. Der Kläger habe diesen Bescheid auch nicht mit der Begründung angegriffen, seine berufliche Betroffenheit sei nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Bescheid sei daher rechtsverbindlich geworden. Dennoch habe sich die Versorgungsverwaltung nicht auf diese Verbindlichkeit berufen, sondern einen "Zugunstenbescheid" erlassen. Bei Berücksichtigung aller zu beachtenden Umstände sei die Versorgungsverwaltung nicht gehalten gewesen, dem Kläger Versorgungsbezüge nach einer MdE um mehr als 60 v. H. zuzubilligen. Das LSG hat gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Mit der Revision beantragt der Kläger,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger rügt, das LSG habe materielles und formelles Recht verletzt (§§ 9, 30, 62 BVG, 40 VerwVG, 54 Abs. 2 SGG). Das angefochtene Urteil enthalte einen Widerspruch, wenn es einerseits - durchaus zutreffend - darlege, Zweitbescheide könnten ebenso wie Erstbescheide gerichtlich nachgeprüft werden, andererseits aber die Ansicht vertrete, der Zweitbescheid vom 28. September 1956 könne nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur daraufhin nachgeprüft werden, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten und ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Im übrigen sei der angefochtene Bescheid kein "Zugunstenbescheid" im Sinne des § 40 VerwVG, sondern enthalte eine Erstfeststellung über berufliches Betroffensein nach § 30 Abs. 1 BVG aF; es handele sich daher um einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 Abs. 1 BVG. Der Kläger begründet diese Auffassung näher und ist der Meinung, das LSG habe das sachlich zutreffende Urteil des SG zu Unrecht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Aus § 30 Abs. 1 BVG aF ergebe sich nicht, daß der Zuschlag für Berufsbetroffenheit sich in bestimmten Grenzen (10 oder 20 v. H.) halten müsse. Überdies sei vorliegend bei der Schwere des beruflichen Betroffenseins eine Begrenzung ein Ermessensfehlgebrauch.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das LSG habe zutreffend entschieden. In der Bewertung der MdE nach § 30 BVG sei kein Ermessensmißbrauch zu sehen.
Die durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) statthafte Revision ist rechtzeitig und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig; sie ist auch begründet.
Streitig ist, ob der auf Antrag des Klägers erlassene Bescheid vom 28. September 1956, der die MdE gemäß § 30 Abs. 1 BVG aF höher bewertet hat, ein solcher nach § 62 Abs. 1 BVG ist, wonach die Versorgungsbezüge neu festzustellen sind, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt, oder ob es sich um einen Zweitbescheid nach § 40 VerwVG handelt, wonach zugunsten des Berechtigten die Verwaltungsbehörde jederzeit einen neuen Bescheid erteilen kann. Bei der Entscheidung darüber, ob eine "Änderung der Verhältnisse" eingetreten ist, ob also die Voraussetzungen des § 62 BVG gegeben sind, sind die Verhältnisse zugrunde zu legen, die bei Erlaß des Bescheides in Wirklichkeit (objektiv) vorgelegen haben. Es kommt nicht darauf an, wie die Verwaltung die Sachlage (subjektiv) beurteilt hat. Sie darf einen Bescheid nicht nach § 62 BVG zurücknehmen, wenn sie nachträglich erkennt, daß ihr bei der Beurteilung des Sachverhalts Fehler unterlaufen sind (BSG 7, 8, 12; 13, 89, 90). Hier war der Umanerkennungsbescheid ohne ärztliche Untersuchung erteilt. Die Versorgungsbehörde hatte von ihrem Recht nach § 86 Abs. 3 BVG aF keinen Gebrauch gemacht.
Da es für die Feststellung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf die "Verhältnisse" ankommt, die bei Erlaß des Bescheides nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften vorgelegen haben (BSG Urt. vom 24.4.1963 - 11 RV 804/62 -), ist von den Verhältnissen vom September 1947 (Benachrichtigung nach der SVD Nr. 27 vom 3./6. September 1947) auszugehen. Diese Vorschrift kannte berufliche Betroffenheit noch nicht als Anspruchselement. Der Krankenhausarzt Dr. W hat zwar in einem späteren ärztlichen Gutachten vom 5. Februar 1948 dargelegt, der Kläger sei als Fischdampferkapitän infolge seiner Verwundung und Amputation berufsunfähig. Diese Meinungsäußerung des Arztes konnte aber schon aus zeitlichen Gründen weder im Bescheid vom 30. Januar 1946 noch im Bescheid nach der SVD Nr. 27 vom 3. September 1947 berücksichtigt werden. Sie hat auch im Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 20. Februar 1962 keinen Ausdruck gefunden. Da hiernach vor dem Bescheid vom 28. September 1956 die berufliche Betroffenheit weder nach altem Recht - dieses hatte sie als Merkmal für die Bewertung der Schädigungsfolgen noch nicht vorgesehen - noch nach dem BVG geprüft worden ist, lag auch keine "Änderung der Verhältnisse" vor, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind. Das LSG hat daher zutreffend festgestellt, daß es sich bei dem Bescheid vom 28. September 1956 nicht um einen Neufeststellungsbescheid gemäß § 62 BVG gehandelt hat.
Der Antrag des Klägers im Verwaltungsverfahren - Februar 1956 -, die Rente gemäß § 30 Abs. 1 BVG aF zu erhöhen, weil die Versorgungsbehörde bei Erlaß des Umanerkennungsbescheides nicht berücksichtigt habe, daß er durch die Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten Beruf besonders und hart getroffen sei, gab dieser Anlaß zu der Prüfung, ob der Umanerkennungsbescheid wegen Unterlassens dieser Prüfung von Anfang an - vom Erlaß des Umanerkennungsbescheides an - unrichtig gewesen sei und darum der Erlaß eines Bescheides zugunsten des Klägers in Betracht komme. Die Versorgungsverwaltung hat daraufhin einen Bescheid nach § 40 VerwVG erlassen.
Dieses Verfahren der Verwaltungsbehörde ist nicht zu beanstanden. Sie ist nicht etwa dadurch, daß ein Erstbescheid bindend geworden ist (vgl. §§ 77 SGG, 24 VerwVG), daran gehindert, in eine neue Sachprüfung einzutreten und hierbei neue Ermittlungsergebnisse oder bisher nicht erörterte Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die nicht auf einer Änderung des Sachverhalts beruhen und nur der vollständigen Aufklärung und Würdigung des alten Sachverhalts dienen. Sie kann solche Umstände zur Grundlage eines Zweitbescheides machen und darf eine Neuregelung treffen, sofern diese den Berechtigten nicht in höherem Grade beschwert als der frühere Bescheid. Es kann den Behörden nicht verwehrt werden, ihre Bescheide nachträglich in Einklang mit dem materiellen Recht (§ 30 BVG) zu bringen, zumal diese Befugnis sich ausdrücklich aus § 40 VerwVG Abs. 1 ergibt (s. dazu BSG 10, 248 ff; 13, 48 ff; Haueisen in NJW 1959, 2137 ff; und ders. in DVBl 1960, 913 ff und in JZ 1961, 428). Hat die Verwaltungsbehörde einen solchen Verwaltungsakt auf Grund erneuter Sachprüfung erlassen, so ist die Rechtslage jedenfalls nicht anders zu beurteilen als in dem Fall, in dem die Verwaltungsbehörde sich auf ein verspätet eingelegtes Rechtsmittel dennoch zur Sache einläßt und eine "weitere" Sachentscheidung trifft, die darum den Rechtsmittelzug erneut eröffnet (so BSG, Urteil vom 13. Dezember 1962 - 8 RV 837/60 -). Vorliegend hat das LSG den Zweitbescheid zutreffend als einen Bescheid nach § 40 VerwVG angesehen. Die daraus gezogenen Folgerungen sind jedoch rechtsirrtümlich. Während das Berufungsgericht zunächst unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG in BSG 10, 248 ff zutreffend ausführt, daß der Zweitbescheid (Zugunstenbescheid) vom 28. September 1956 von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nachgeprüft werden kann wie ein Erstbescheid, d. h. ein Bescheid, in dem das Versorgungsverhältnis erstmalig festgestellt wird, führt es dann - im Widerspruch zu seiner zunächst dargelegten Auffassung - aus, die Versorgungsverwaltung sei durch das Wort "kann" in § 40 Abs. 1 Satz 1 VerwVG ermächtigt, bei Erteilung eines "Zugunstenbescheides" nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen zu handeln. Die in ihr getroffene Regelung dürfe - weil Ermessensentscheidung - von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur darauf nachgeprüft werden, ob die Verwaltung mit dieser Regelung die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von diesem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Es beruft sich hierbei auf BSG 15, 10 ff. Das LSG hat hierbei übersehen, daß die Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Sinne des § 40 Abs. 1 VerwVG nur insofern eine Ermessensentscheidung darstellt, als es sich um die Frage handelt, ob ein neuer Bescheid erlassen werden soll oder nicht. Hat die Verwaltungsbehörde aber auf Grund der Ermächtigung des § 40 Abs. 1 Satz 1 VerwVG den Sachverhalt neu geprüft und einen neuen Verwaltungsakt erlassen, so hat sie einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts neu geregelt. Dieser Verwaltungsakt ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wie ein "Erstbescheid" in vollem Umfange nachzuprüfen (BSG 10, 248 ff; 13, 48 ff; Urteil des erkennenden Senats vom 13. Dezember 1962 - 8 RV 837/60 -). Bei der Entscheidung in BSG 15, 10, 12 handelte es sich um die Frage, ob überhaupt ein neuer Verwaltungsakt erlassen werden sollte; sie steht nach den Darlegungen über die Frage, wann es sich im Falle des § 40 VerwVG um eine Ermessensentscheidung handelt, daher der für diesen Fall vertretenen Rechtsauffassung nicht entgegen.
Das LSG hat dadurch, daß es die Entscheidung der Versorgungsverwaltung nur auf Ermessensfehler bei der Beurteilung des Grades der beruflichen Betroffenheit und damit des Grades der MdE nachgeprüft und solche Ermessensfehler verneint hat, § 54 SGG verletzt. Es hätte, da die Bindung an den Bescheid vom 20. Februar 1952 durch die neue Regelung im Bescheid vom 28. September 1956 weggefallen und durch diesen der Bescheid von 1952 ersetzt worden war, gemäß § 54 Abs. 4 SGG in vollem Umfang entscheiden müssen. Dabei hätte das LSG selbst sodann den Grad beruflicher Betroffenheit und ihrer Auswirkung auf den Grad der MdE prüfen und beurteilen müssen.
Das LSG hat das - von seiner nicht zu billigenden Rechtsauffassung aus - nicht getan. Es fehlen daher genügend klare eigene Feststellungen über das Einkommen und das mögliche Einkommen des Klägers, wenn er nicht verwundet worden wäre. Ebenso fehlen substantiierte Feststellungen darüber, welchen Beruf vergleichbarer Größenordnung der Kläger hätte ausüben können, damit seine berufliche Betroffenheit gemildert oder soweit ausgeglichen worden wäre, daß der soziale Abstieg nach dem Zweck des § 30 BVG mit einer MdE um 60 v. H. zutreffend festgestellt worden wäre. Das LSG wird daher zu berücksichtigen haben, daß der Kläger einen solchen Beruf nach der bisherigen Sachlage nicht hat finden können. Im übrigen ist - entgegen der Auffassung des LSG - nicht erkennbar, daß die Versorgungsverwaltung bei der Übernahme der Schädigungsfolgen und der Höhe der MdE nach altem Recht im Bescheide vom 20. Februar 1952 auch die Folge des besonderen beruflichen Betroffenseins berücksichtigt hat. Da somit das LSG keine hinreichenden eigenen Feststellungen zur beruflichen Betroffenheit getroffen hat, die der Beurteilung im Revisionsverfahren nach § 163 SGG hätten zugrunde gelegt werden können, ist es dem Revisionsgericht nicht möglich, selbst zu entscheiden. Das Urteil des LSG beruht auf unrichtiger Anwendung der §§ 54 SGG, 40 VerwVG; es ist nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Schlußurteil vorbehalten (§ 193 Abs. 1 SGG).
Fundstellen