Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsschriftsatz. Formerfordernis
Orientierungssatz
1. Der Berufungsschriftsatz als ein für das Verfahren bestimmender Schriftsatz genügt nur dann dem Formerfordernis der Schriftform, wenn er eigenhändig unterzeichnet ist (vgl BSG 1958-09-04 11/10 RV 99/57 = BSGE 8, 142).
2. Der Berufungsschriftsatz muß durch eine eigenhändige Unterschrift des Verantwortlichen erkennen lassen, daß nicht nur die Einlegung der Berufung, sondern auch der Inhalt des Schriftsatzes von ihm in vollem Umfang gedeckt wird.
Normenkette
SGG § 151 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 25.04.1956) |
SG Marburg (Entscheidung vom 24.08.1954) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27 . April 1956 wird aufgehoben . Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24 , August 1954 wird als unzulässig verworfen . Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten .
Von Rechts wegen .
Gründe
I
Der Kläger beansprucht von der Beklagten Entschädigung für die Folgen eines Unfalls vom 8 . Juli 1937 . Der Kläger nahm damals als Blockwalter der NSV an einem Kursus in der damaligen W ... Schule in Z ... teil . Er erhielt am 8 . Juli 1937 den Auftrag , Lebensmittel für die Schule in F ... einzukaufen . Auf der Fahrt nach dort verunglückte er mit dem Motorrad . Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege gewährte ihm eine Rente in Höhe von 25 v . H . der Vollrente . Mit Wirkung vom 1 . Januar 1942 übernahm die Eigenunfallversicherung der NSDAP die Weiterzahlung der Rente .
Im Jahre 1949 wies auf Antrag des Klägers der Hessische Minister für Arbeit und Wohlfahrt die Hessische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung an , die Rentenzahlung als vorläufige Fürsorge (§ 1735 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) wieder aufzunehmen . Die Ausführungsbehörde erteilte dem Kläger am 24 . Juni 1949 einen Bescheid , machte jedoch ausdrücklich den Vorbehalt , daß dadurch eine rechtliche Verpflichtung der Ausführungsbehörde nicht begründet werde .
Nach dem Inkrafttreten des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7 . August 1953 (BGBl . I 848) stellte die Hess . Ausführungsbehörde die Weiterzahlung der Rente ein . Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 17 . Januar 1954 die Rentenzahlung mit der Begründung ab , daß der Kläger während der Fahrt nach Fritzlar nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden habe , weil es sich dabei nicht um eine unmittelbar wohlfahrtspflegerische Tätigkeit gehandelt habe .
Das Sozialgericht (SG) Marburg hat durch Urteil vom 24 . August 1954 die Beklagte verurteilt , dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v . H . zu gewähren .
Den Empfang dieses Urteils hat die Beklagte unter dem 7 . Dezember 1954 bestätigt . Sie hat mit einem beim Hessischen Landessozialgericht (LSG) am 18 . Dezember 1954 eingegangenen Schriftsatz vom 16 . Dezember 1954 gegen das Urteil Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 20 . Januar 1955 beim LSG eingegangenen Schriftsatz vom 17 . Januar 1955 begründet . Beide Schriftsätze tragen keine Unterschrift , sondern sind in Maschinenschrift unterzeichnet "I . V . gez . Linke" . Darunter befindet sich neben dem Dienstsiegel der Beklagten ein Gummistempel mit dem Wortlaut:
"Für die Richtigkeit:
Angestellte" ,
in den mit Bleistift oder Tintenstift ein Namenszug handschriftlich eingefügt ist .
Das LSG hat durch Urteil vom 27 . April 1956 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17 . Januar 1954 abgewiesen .
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden .
Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 15 . Mai 1956 zugestellt worden . Der Kläger hat am 25 . Mai 1956 beim Bundessozialgericht (BSG) Revision eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15 . August 1956 an diesem Tage begründet . Er beantragt ,
das angefochtene Urteil und den Bescheid der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen , dem Kläger vom 1 . Januar 1954 an eine Unfallrente nach einer MdE um 25 v . H . zu gewähren ,
hilfsweise ,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen .
Die Beklagte beantragt ,
die Revision zurückzuweisen .
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt . Der Senat hat von der dadurch eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht , ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§ 124 Abs . 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) .
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden und somit zulässig . Sie hatte auch aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg .
Bei einer zugelassenen Revision ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen , ob die Berufung gegen das Urteil des SG , wie das LSG ohne nähere Begründung angenommen hat , zulässig war , denn die Zulässigkeit der Berufung ist eine der Prozeßvoraussetzungen für das weitere Verfahren .
Die Berufungsschrift der Beklagten vom 16 . Dezember 1954 gegen das Urteil des SG Marburg ist zwar innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs . 1 SGG beim LSG eingegangen . Sie entspricht jedoch nicht den Erfordernissen der Schriftform , da sie nicht die Unterschrift eines zur Vertretung der Beklagten befugten Beamten oder Angestellten trägt .
Das BSG hat wiederholt entschieden , daß der Berufungsschriftsatz als ein für das Verfahren bestimmender Schriftsatz nur dann dem Formerfordernis der Schriftform genügt , wenn er eigenhändig unterzeichnet ist (vgl . BSG 1 , 243; 5 , 110; 8 , 142) . Auch der erkennende Senat hat sieh dieser Rechtsprechung angeschlossen und zB in den Beschlüssen vom 25 . August 1959 -2 RU 69/58 , 70/58 , 71/58- , die Fälle betreffen , in denen der Berufungsschriftsatz nur mit einem Faksimile-Stempel unterzeichnet ist , mit näherer Begründung ausgeführt , daß der Berufungsschriftsatz durch eine eigenhändige Unterschrift des Verantwortlichen erkennen lassen müsse , daß nicht nur die Einlegung der Berufung , sondern auch der Inhalt des Schriftsatzes von ihm in vollem Umfang gedeckt werde . Im vorliegenden Fall ist beim LSG jedoch lediglich ein Schriftstück eingegangen , das eine Abschrift eines Schriftstückes aus den Akten der Beklagten darstellt , und die Angestellte , von der dieses Schriftstück unterzeichnet ist , hat mit ihrer Unterschrift lediglich bestätigt , daß diese Abschrift dem Original in den Akten der Beklagten entspricht .
Der vorliegende Fall bietet dem erkennenden Senat keine Veranlassung , seinen mit der ständigen Rechtsprechung des BSG in Übereinstimmung stehenden Rechtsstandpunkt aufzugeben .
Da hiernach die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Marburg nicht in der gesetzlichen Form eingelegt ist , war sie unzulässig (§ 158 Abs . 1 SGG) . Auf die Revision des Klägers mußte deshalb das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Marburg als unzulässig verworfen werden .
Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund von § 193 SGG .
Fundstellen