Entscheidungsstichwort (Thema)
landwirtschaftliche Zusatzversorgung. Witwenausgleichsleistung. Fälligkeit. Anspruch des Erben
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach dem ZVALG wird erst mit Ablauf des 30. Juni eines laufenden Jahres fällig.
Leitsatz (redaktionell)
1. Da das ZVALG keine Sonderregelungen für die Rechtsnachfolge im Fall des Todes des Berechtigten trifft, sind insoweit die Vorschriften des SGB I heranzuziehen.
2. Bei der Regelung des § 15 Abs. 1 ZVALG, wonach die Ausgleichsleistung für Zeiten vom 01.07. des Vorjahrs bis zum 30.06. des jeweils laufenden Jahrs nachträglich in einer Summe ausgezahlt wird, handelt es sich nicht um eine bloße Auszahlungsregelung. Vielmehr bestimmt sie auch die Fälligkeit der Ausgleichsleistung, so dass der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach dem ZVALG erst mit Ablauf des 30.06. eines laufenden Jahrs fällig wird.
Normenkette
ZVALG § 10 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2008-12-21, §§ 11, § 11ff, § 15 Abs. 1 Fassung: 1985-12-20, Abs. 2; SGB 1 §§ 40-41, 44 Abs. 1, §§ 56, § 56ff, § 58 S. 1, § 59 S. 2; SGB 7 § 73 Abs. 6; SGB 7 § 96 Abs. 1 S. 1; SGB 7 § 218c Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. November 2011 und des Sozialgerichts Landshut vom 25. November 2009 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für alle Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 327,78 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung von Witwenausgleichsleistung, die ihrer verstorbenen Mutter bis zum Todeszeitpunkt zugestanden hat.
Die am 21.3.2009 verstorbene Mutter der Klägerin, Frau M. (Berechtigte), bezog nach dem Tod ihres Ehemannes, J., ab dem 1.3.2003 große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Bescheid der LVA Niederbayern-Oberpfalz vom 8.4.2003). Zusätzlich erhielt sie ab 1.3.2003 von der beklagten Zusatzversorgungskasse eine Ausgleichsleistung in Höhe von monatlich 36,42 Euro (Bescheid vom 20.8.2003), die jeweils im Juli des laufenden Jahres rückwirkend für zwölf Monate in einer Summe ausgezahlt wurde.
Nachdem die Klägerin der Beklagten den Tod der Berechtigten gemeldet hatte, teilte diese der Klägerin durch Schreiben vom 1.4.2009 mit: Nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZVALG) werde die Ausgleichsleistung vom 1.7. des Vorjahres bis zum 30.6. des jeweils laufenden Jahres nachträglich in einer Summe ausgezahlt. Dies habe zur Folge, dass die Leistung erst mit Ablauf des 30.6. eines Jahres fällig werde. Die letzte Zahlung sei im Juli 2008 erfolgt. Da die Berechtigte im März 2009 verstorben sei, sei ein Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der letzten geleisteten Zahlung nicht mehr fällig geworden, sodass weitere Zahlungen nicht erbracht werden könnten. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 6.4., 22.4. und 25.5.2009; dabei bat sie um Erlass eines widerspruchsfähigen Bescheides. Auf eine am 30.7.2009 beim Sozialgericht Landshut (SG) erhobene Untätigkeitsklage erließ die Beklagte am 25.8.2009 sowohl einen ablehnenden Bescheid als auch einen Widerspruchsbescheid unter Beibehaltung ihrer Rechtsauffassung. Die Ausgleichszahlung werde frühestens mit Ablauf des 30.6. des jeweiligen Kalenderjahres fällig, weil das Gesetz die nachträgliche Auszahlung in einer Summe vorschreibe. Dies diene der Verwaltungskostenersparnis in Angleichung an die Systematik der tarifvertraglichen Zusatzversorgung.
Nach Umstellung ihrer Klage in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage und Durchführung eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 20.10.2009 hat das SG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 25.11.2009 entschieden. Es hat den Bescheid der Beklagten vom 25.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die in der Zeit vom 1.7.2008 bis 31.3.2009 entstandenen (Witwen-)Ausgleichsleistungen der verstorbenen Berechtigten M. an die Klägerin auszubezahlen.
Die vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) zugelassene Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil vom 30.11.2011). Das LSG hat die Berufung - unter Zulassung der Revision - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 und des Bescheides vom 25.8.2009 verurteilt wird, Ausgleichsleistungen der verstorbenen Berechtigten M. für den Zeitraum 1.7.2008 bis 31.3.2009 an die Klägerin entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen auszubezahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Tenor des Urteils des SG sei neu zu fassen gewesen, da Streitgegenstand des Verfahrens das als Bescheid zu wertende Schreiben der Beklagten vom 1.4.2009 idF des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 sowie - in entsprechender Anwendung des § 86 SGG - auch der wiederholende Bescheid vom 25.8.2009 sei. Diese Bescheide seien materiell rechtswidrig und daher aufzuheben, da die Klägerin als Alleinerbin der verstorbenen M. nach § 58 SGB I gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung der Witwenausgleichsleistungen für den Zeitraum vom 1.7.2008 bis 31.3.2009 habe. Aufgrund des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 20.8.2003 stehe bindend fest, dass die Verstorbene gemäß §§ 11, 12 ZVALG ab 1.3.2003 einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen zur Witwenrente habe. Dieser Anspruch sei für den streitigen Zeitraum weder nach § 59 S 2 SGB I noch nach § 15 Abs 1 ZVALG erloschen.
Gemäß § 10 Abs 1 ZVALG seien die für die landwirtschaftliche Unfallversicherung geltenden Vorschriften des Ersten, Vierten, Siebten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sowie die aufgrund dieser Gesetze für die landwirtschaftliche Unfallversicherung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit das ZVALG nichts anderes vorschreibe. Insoweit ergebe sich aus § 73 Abs 6 SGB VII, dass Renten bis zum Ende des Kalendermonats geleistet würden, in dem die Berechtigten verstorben seien. Folglich bestehe ein Anspruch auf Ausgleichsleistung bis zum 31.3.2009. Hinsichtlich der Fälligkeit von laufenden Geldleistungen bestimme § 218c Abs 1 SGB VII den Beginn des Monats zum Fälligkeitszeitpunkt, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Dies sei letztmals für den Monat März 2009 der Fall gewesen. § 15 Abs 1 ZVALG stelle insoweit schon aufgrund seines Wortlauts lediglich eine Auszahlungsregelung und nicht eine Regelung der Fälligkeit dar. § 218c Abs 1 SGB VII sowie der für Renten, die nach dem 31.3.2004 begonnen hätten, geltende § 96 Abs 1 SGB VII differenzierten eindeutig zwischen dem Zeitpunkt der Fälligkeit einer laufenden Geldleistung und dem Zeitpunkt ihrer Auszahlung. Diese Zeitpunkte seien nicht identisch. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe diese Differenzierung bei Schaffung der in Rede stehenden Vorschriften nicht gekannt.
Die Neuregelung durch das Dritte Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (3. ASEG) vom 22.12.1985 zum 1.1.1986 sei in Angleichung an die Systematik der tarifvertraglichen Zusatzversorgung zur Verwaltungsvereinfachung und Einsparung von Verwaltungskosten erfolgt. Dieser Regelungszweck werde allein durch die einmal jährliche Auszahlung der Leistung erreicht. Durch die Annahme einer davon unabhängigen monatlichen Fälligkeit würden keine nennenswerten zusätzlichen Verwaltungskosten produziert.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs 2 S 4 ZVALG, wonach für verstorbene Berechtigte der Antrag auf Ausgleichsleistung noch durch die Witwe oder den Witwer gestellt werden könne. Darin liege lediglich eine Besserstellung der Witwe bzw des Witwers insoweit, als diese - anders als sonstige Hinterbliebene - einen Anspruch auf Auszahlung der bis zum Tod des Berechtigten fällig werdenden Ausgleichsleistungen auch dann geltend machen könnten, wenn der Berechtigte selbst keinen Antrag gestellt habe.
Auch aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Aspekt, dass die Ausgleichsleistungen ausschließlich aus Steuermitteln finanziert würden und der Gesetzgeber damit einen größeren Spielraum bei der Frage habe, wem er diese Leistungen zuerkenne und wann er von einem Erlöschen der Ansprüche ausgehe, folge kein anderes Ergebnis. Der Umstand, dass durch die vom Senat getroffene Auslegung des § 15 Abs 1 ZVALG in stärkerem Maße Haushaltsmittel des Bundes beansprucht würden, könne eine andere Auslegung nicht rechtfertigen. Aus dem aktuellen Internetauftritt der Beklagten gehe hervor, dass im Geschäftsjahr 2008 insgesamt 38 500 Personen eine Ausgleichsleistung erhielten und insgesamt 17,7 Mio Euro jährlich ausgezahlt würden. Damit hielten sich die Auswirkungen für den Bundeshaushalt in einem sehr überschaubaren Rahmen.
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 15 Abs 1 ZVALG in der seit dem 1.1.1986 gültigen Fassung des 3. ASEG vom 20.12.1985 (BGBl I 2475). Durch Art 5 Nr 3 Buchst a 3. ASEG sei auch die frühere Fassung des § 14 Abs 1 ZVALG mit folgender Begründung aufgehoben worden (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.6.1985, BT-Drucks 10/3483 S 24): |
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"In § 14 ZVALG wird der Betrag der Ausgleichsleistung unmittelbar festgelegt. Das Genehmigungsverfahren kann entfallen. Die Ausgleichsleistung wird damit nicht mehr erst mit Zugang des Genehmigungsschreibens der beteiligten Bundesministerien bei der Zusatzversorgungskasse und folglich erst gegen Ende des Kalenderjahres fällig, sondern bereits mit Ablauf des 30. Juni des jeweiligen Jahres. Sie wird andererseits aber auch frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig, weil das Gesetz die nachträgliche Auszahlung in einer Summe vorschreibt." |
Die Änderung des § 15 Abs 1 ZVALG habe der Gesetzgeber damit begründet, dass nach dieser Regelung "die Leistung auch künftig nachträglich gezahlt, aber nicht mehr nachträglich festgestellt werden" solle. Hieraus habe die Beklagte bereits in ihrer Stellungnahme zum 3. ASEG (Rundschreiben ZLA Nr 2/86 vom 13.1.1986, Az. ZLA III 2) die Schlussfolgerung gezogen, dass sich mit der Änderung des § 14 ZVALG zugleich der Zeitpunkt der Fälligkeit ändere.
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In Übereinstimmung mit der Begründung zur Änderung des § 14 ZVALG habe auch der damals zuständige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Schreiben vom 8.9.1986 auf entsprechende Nachfrage der Beklagten ausgeführt: |
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"Nach dem Inkrafttreten des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes entfällt ab 1.1.1986 das bis dahin notwendige Genehmigungsverfahren. Die Ausgleichsleistung wird damit nicht mehr erst mit Zugang des Genehmigungsschreibens der beteiligten Bundesministerien bei der Zusatzversorgungskasse und folglich erst gegen Ende des Kalenderjahres fällig, sondern bereits mit Ablauf des 30. Juni des jeweiligen Kalenderjahres. Sie wird andererseits aber auch frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig, weil das Gesetz die nachträgliche Auszahlung in einer Summe vorschreibt. An der in der Begründung zum Gesetzentwurf vertretenen Auffassung wird festgehalten." |
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Diese Auslegung ergebe sich auch aus der Angleichung an die Systematik der tarifvertraglichen Zusatzversorgung, die gleichfalls einmal jährlich nachträglich ausgezahlt werde (§ 12 Abs 2 Tarifvertrag idF vom 28.11.2000), sodass bei Übernahme dieser Verfahrensweise die Verwaltungskosten so niedrig wie möglich gehalten werden könnten. Insoweit sei ergänzend zu berücksichtigen, dass beide Zusatzversorgungen durch die gleiche Stelle ausgezahlt würden. Für eine einheitliche Regelung spreche zudem, dass die tarifvertragliche Beihilfe auf die bundesgesetzliche Ausgleichsleistung angerechnet werde (§ 14 Abs 2 ZVALG) und der Fortbestand der bundesgesetzlichen Zusatzversorgung an den Fortbestand der tarifvertraglichen Regelung gebunden sei. Weiter habe der Bundesminister wörtlich ausgeführt: |
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"Würde die Fälligkeit der Ausgleichsleistung (…) monatlich eintreten, müsste der Bund auch für die gem. § 44 SGB I kraft Gesetzes in jedem Leistungsfall eintretende Verzinsungspflicht einstehen müssen, obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich eine nachträgliche jährliche Zahlung in einer Summe vorschreibt. Eine solch widersprüchliche Regelung kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden." |
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Entsprechend habe auch das Bundesversicherungsamt (BVA) folgende Rechtsauslegung veröffentlicht (Nr 6/1989 vom 7.6.1989, Az. ZLA VII 2b/4): |
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"Grundsätzlich hat der Sozialhilfeträger keinen Anspruch auf Auszahlung der Ausgleichsleistung, wenn der Berechtigte vor Eintritt der Fälligkeit verstorben ist. Dies ergibt sich daraus, dass ein Geldleistungsanspruch, welcher mangels Fälligkeit gem. § 59 SGB I i. V. m. §§ 56, 58 SGB I der Rechtsnachfolge nicht zugänglich ist, mit dem Tode des Berechtigten erlischt. Ansprüche auf Ausgleichsleistung, welche auf die Zeit vom 1. Juli eines Jahres bis zu dem vor dem 1. Juli des Folgejahres liegenden Todeszeitpunkt entfallen, erlöschen deshalb mit dem Tod des Berechtigten. Der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X setzt aber voraus, dass der verstorbene Berechtigte gegen die ZLA einen durchsetzbaren Anspruch hatte. Dies ist gerade nicht der Fall, wenn der Tod des Berechtigten verhindert, dass sein Anwartschaftsrecht zum Vollrecht erstarkt. Ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X kann also nicht entstehen, wenn der Anspruchsberechtigte vor Eintritt der Fälligkeit verstirbt." |
Vor diesem Hintergrund stelle § 15 Abs 1 ZVALG eine den Grundsatz des § 41 SGB I verdrängende Sonderregelung dar. Demnach kämen die von den Vorinstanzen genannten Regelungen des SGB VII nicht über die Verweisung in § 10 Abs 1 ZVALG zur entsprechenden Anwendung. § 15 Abs 1 ZVALG begrenze die Leistungspflicht des Bundes entsprechend der Zweckbestimmung des ZVALG. Denn die hiernach gewährte Ausgleichsleistung solle die Einkommenssituation der land- und forstwirtschaftlichen Rentner verbessern, die im Regelfall nur über eine sehr geringe Rente verfügten. Dieser Zielsetzung könne nicht mehr genügt werden, wenn der Rentner bereits verstorben sei, da die Ausgleichsleistung dann nicht für den laufenden Lebensunterhalt eingesetzt werden könne. Infolge der nachträglichen Zahlung sei es dem Rentner allenfalls möglich, einen künftigen Bedarf zu finanzieren. Folge man der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, so käme die Nachzahlung den antragstellenden Kindern des Verstorbenen zugute, was vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sei. Dies verdeutliche die Regelung des § 15 Abs 2 S 4 ZVALG, die nur dem hinterbliebenen Ehegatten die Möglichkeit einräume, einen Antrag auf erstmalige Feststellung der Ausgleichsleistung für den verstorbenen Berechtigten zu stellen. Hierdurch werde den sozialen Schutz des hinterbliebenen Ehegatten Rechnung getragen, zugleich aber klargestellt, dass eine Erweiterung des Schutzbereichs auf andere Hinterbliebene nicht vorgesehen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 30.11.2011 und des SG Landshut vom 25.11.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen (§ 73 Abs 4 SGG).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Der Senat kann über die Revision der Beklagten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Einverständniserklärung der Klägerin nach § 124 Abs 2 SGG ist auch ohne Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten iS von § 73 Abs 4 S 1 SGG wirksam, weil diese Prozesshandlung nicht dem Vertretungszwang unterliegt (BSG SozR Nr 5 zu § 124 SGG; BSG SozR 1500 § 124 Nr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 73 RdNr 46 und 48 mwN).
Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 160 Abs 1 SGG statthaft, weil sie vom LSG im angefochtenen Urteil zugelassen worden ist. Die Beklagte hat die Revision auch unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Formen und Fristen eingelegt und begründet. Die Revisionsbegründung erfüllt die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.
Die Revision der Beklagten ist auch begründet.
Der Sachentscheidung des Senats steht kein verfahrensrechtliches Hindernis entgegen. Die vor dem SG zunächst erhobene Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) ist wirksam in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Abs 4 SGG) geändert worden (§ 99 Abs 1 und 2 SGG) und als solche zulässig. Insbesondere ist das gemäß § 78 SGG erforderliche Vorverfahren durchgeführt worden. Gegenstand der Anfechtungsklage ist jedenfalls der Verwaltungsakt der Beklagten vom 1.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 (§ 95 SGG), soweit darin ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Witwenausgleichsleistung für die Zeit vom 1.7.2008 bis 31.3.2009 abgelehnt worden ist.
Entgegen der Auffassung des LSG ist das Schreiben der Beklagten vom 1.4.2009 als Verwaltungsakt anzusehen, durch den die Auszahlung der Ausgleichsleistung bis zum Tode der Berechtigten abgelehnt worden ist. Die Auslegung eines Verwaltungsakts gehört zu den Aufgaben eines Revisionsgerichts (vgl BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10). Zwar fehlt dem betreffenden Schreiben - als typisches Merkmal eines Verwaltungsakts - eine Rechtsbehelfsbelehrung. Nach dem objektiven Sinngehalt der darin enthaltenen Erklärung - also aus der Sicht eines verständigen Empfängers - enthält das Schreiben jedoch eine Regelung iS des § 31 S 1 SGB X, indem der Klägerin mitgeteilt wird, dass weitere Zahlungen nicht erbracht werden könnten, da ein Anspruch auf Ausgleichsleistung seit der letzten Zahlung im Juli 2008 nicht mehr fällig geworden sei.
Dementsprechend ist das Schreiben der Klägerin vom 6.4.2009, mit dem sich diese gegen die Auffassung der Beklagten wendet, als Widerspruch zu qualifizieren, wovon auch die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009 ausgegangen ist. Unschädlich ist insoweit, dass die Klägerin in der Folgezeit die Erteilung eines "widerspruchsfähigen" Bescheides verlangt hat (Schreiben vom 22.4. und 25.5.2009), nachdem die Beklagte - anstelle eines Widerspruchsbescheides - ihre Rechtsauffassung zunächst mit Schreiben vom 9.4.2009 wiederholt hatte.
Der Senat lässt offen, ob das Schreiben der Beklagten vom 25.8.2009 - wie das LSG angenommen hat - entsprechend § 86 SGG als Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist. Zwar hat sich die Beklagte dabei der Form eines Verwaltungsakts bedient, insbesondere eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt, inhaltlich hat sie jedoch im Grunde nur den Verfügungssatz des Verwaltungsakts vom 1.4.2009 wiederholt und eine ausführlichere Begründung nachgeschoben. Eine solche wiederholende Verfügung wird von der Rechtsprechung nicht als Verwaltungsakt eingestuft (vgl dazu BSGE 68, 228, 230 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1 S 3 f). Ob die Besonderheiten des vorliegenden Falles (insbesondere die Auslegungsbedürftigkeit des Schreibens der Beklagten vom 1.4.2009) eine andere Beurteilung rechtfertigen können, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da die Klage ohnehin keinen Erfolg hat.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung der Witwenausgleichsleistung, die ihrer verstorbenen Mutter für die Zeit vom 1.7.2008 bis 31.3.2009 zugestanden hat. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig.
Das LSG ist - ebenso wie das SG - auf der Grundlage seiner insoweit nicht angefochtenen und damit für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Alleinerbin der Berechtigten gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung der Witwenausgleichsleistung für die Zeit vom 1.7.2008 bis 31.3.2009 in Höhe von 36,42 Euro monatlich (insgesamt 327,78 Euro) hat. Die Klägerin konnte insoweit einen Anspruch der Berechtigten auf die Ausgleichsleistung nicht erben, weil die betreffenden Leistungsbeträge im Zeitpunkt des Todes der Berechtigten noch nicht fällig waren (§ 58 S 1 SGB I).
Nach § 58 S 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vererbt, wenn sie nicht iS von § 59 S 2 SGB I erloschen sind. Gegen die Anwendung dieser Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang bestehen keine Bedenken. Die Gewährung der Ausgleichsleistung an die Berechtigte beruht auf §§ 11 ff ZVALG vom 31.7.1974 (BGBl I 1660). Dieses Gesetz gilt zwar nicht als besonderer Teil des SGB (vgl § 68 SGB I). Nach § 10 Abs 1 S 1 ZVALG idF vom 21.12.2008 (BGBl I 2940) sind jedoch, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorschreibt, die für die landwirtschaftliche Unfallversicherung geltenden Vorschriften des SGB I, SGB IV, SGB VII und SGB X sowie die aufgrund dieser Gesetze für die landwirtschaftliche Unfallversicherung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden. Die §§ 144 bis 147, 172c bis 219a Abs 2 bis 4 SGB VII gelten allerdings nicht (§ 10 Abs 1 S 2 ZVALG). Da das ZVALG keine Sonderregelungen für die Rechtsnachfolge im Falle des Todes des Berechtigten trifft, sind insoweit die Vorschriften des SGB I heranzuziehen. Nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ist die Klägerin nicht Sonderrechtsnachfolgerin (§§ 56, 57 SGB I) der Berechtigten. Somit gilt hier nach Maßgabe des § 58 S 1 SGB I das Erbrecht des BGB.
Nach den Feststellungen des LSG ist die Klägerin Alleinerbin der Berechtigten (vgl § 1922 BGB). Auch handelt es sich bei der Witwenausgleichsleistung um eine Geldleistung. Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Anspruch der Berechtigten auf Witwenausgleichsleistung mit deren Tod gemäß § 59 S 2 SGB I erloschen ist. Denn er war im Zeitpunkt des Todes bereits festgestellt (Bescheid der Beklagten vom 20.8.2003). Es fehlte jedoch im Zeitpunkt des Todes an der Fälligkeit eines Anspruchs auf die streitigen Leistungsbeträge für die Zeit vom 1.7.2008 bis 31.3.2009.
Nach § 41 SGB I werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuchs keine Regelung enthalten. Diese Vorschrift findet hier keine Anwendung, weil das ZVALG iS des § 10 Abs 1 S 1 ZVALG etwas anderes bestimmt. Maßgebend ist insoweit § 15 Abs 1 ZVALG idF vom 20.12.1985 (BGBl I 2475). Danach wird die Ausgleichsleistung für Zeiten vom 1.7. des Vorjahres bis zum 30.6. des jeweils laufenden Jahres nachträglich in einer Summe ausgezahlt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen handelt es sich dabei nicht um eine bloße Auszahlungsregelung; vielmehr bestimmt sie auch die Fälligkeit der Ausgleichsleistung.
Seinem Wortlaut nach regelt § 15 Abs 1 ZVALG allerdings nur die nachträgliche Auszahlung der gemäß § 14 Abs 1 S 1 ZVALG monatlich zustehenden Ausgleichsleistung. Eine ausdrückliche Bestimmung zur Fälligkeit enthält diese Vorschrift nicht. Es sprechen jedoch bereits die Gesetzesentwicklung und die dazugehörigen Materialien dafür, dass auch die Fälligkeit der Ausgleichsleistung geregelt werden sollte.
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Nach dem ersten Entwurf zum ZVALG sollte die Vorschrift (damals § 16) noch lauten (vgl BR-Drucks 561/73 S 8, 17; BT-Drucks 7/1342 S 6, 10): |
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"Die bis 30. Juni eines jeden Jahres entstandenen Ansprüche auf Ausgleichsleistung werden nachträglich festgestellt und in einer Summe ausgezahlt. Die Auszahlung soll jeweils in dem Haushaltsjahr erfolgen, in dem die Ausgleichsleistung fällig geworden ist." |
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Diese Fassung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens abgeändert und in einen neu gestalteten § 15 einbezogen. Danach sollten die Leistungen nach einer erstmaligen Feststellung in den Folgejahren aus Praktikabilitätsgründen von Amts wegen festgestellt und gezahlt werden, ohne dass es jedes Jahr eines neuen Antrags bedurfte. Es wurde befürchtet, dass andernfalls Berechtigte die jährliche Antragsfrist versäumen und so ihre Ansprüche auf Ausgleichsleistungen verlieren könnten (vgl BT-Drucks 7/2066 S 5 zu § 15; Protokoll der 36. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 24.4.1974, S 16 und 17; Niederschrift über die 333. Sitzung des Agrarausschusses des Bundesrates vom 14.5.1974, S 5). Dementsprechend wurde folgende Fassung des § 15 Abs 1 Gesetz (BGBl I 1974, 1660): |
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"Die Ausgleichsleistung für Zeiten vom 1. Juli des Vorjahres bis zum 30. Juni des jeweils laufenden Jahres wird nachträglich festgestellt und in einer Summe ausgezahlt. Die Auszahlung soll in dem Haushaltsjahr erfolgen, in dem die Ausgleichsleistung festgestellt worden ist." |
Die Höhe der beantragten Leistung und damit ihre nach den allgemeinen Regeln zu bestimmende Fälligkeit (§ 10 Abs 1 S 1 ZVALG iVm §§ 40, 41 SGB I) ergab sich nach dieser Fassung (aF) erst aus ihrer Feststellung gemäß § 14 Abs 1 ZVALG aF zum Jahresende (vgl hierzu BSG Urteil vom 18.8.1983 - 11 RZLw 1/82 - BSGE 55, 250, 253 = SozR 1300 § 50 Nr 3).
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Durch das 3. ASEG vom 20.12.1985 (BGBl I 2475) ist dann mit Wirkung vom 1.1.1986 die jetzt noch geltende Regelung der Auszahlung erfolgt. Gleichzeitig wurde die nachträgliche Feststellung der Ausgleichsleistung iS von § 14 Abs 1 ZVALG aF zur Verwaltungsvereinfachung aufgegeben (BR-Drucks 173/85 S 63 f; BT-Drucks 10/3483 S 24 zu Nr 2 bis 4 ≪§§ 13 bis 15≫). Hierzu wird in der Begründung des Entwurfs (aaO) ausdrücklich ausgeführt: |
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"In § 14 ZVALG wird der Betrag der Ausgleichsleistung unmittelbar festgelegt. Das Genehmigungsverfahren kann entfallen. Die Ausgleichsleistung wird damit nicht mehr erst mit Zugang des Genehmigungsschreibens der beteiligten Bundesministerien bei der Zusatzversorgungskasse und folglich erst gegen Ende des Kalenderjahres fällig, sondern bereits mit Ablauf des 30. Juni des jeweiligen Jahres. Sie wird andererseits aber auch frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig, weil das Gesetz die nachträgliche Auszahlung in einer Summe vorschreibt." |
Diese Begründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber sich bewusst gewesen ist, dass er mit der Anordnung einer nachträglichen Auszahlung der Ausgleichsleistung auch deren Fälligkeit bestimmt hat. Mit der Abschaffung der jährlichen Leistungsfeststellung sollte nicht zugleich auch die kostengünstigere nachträgliche Auszahlung entfallen (vgl dazu BT-Drucks 10/3483 aaO).
In systematischer Hinsicht ist dem LSG zuzustimmen, dass der Fälligkeits- und der gesetzlich angeordnete Auszahlungszeitpunkt nicht identisch sein müssen. Es ist auch richtig, dass das Gesetz - wie die vom LSG herangezogenen Vorschriften (§ 96 Abs 1 S 1, § 218c Abs 1 S 1 SGB VII) zeigen - die Auszahlung einer Leistung vor deren Fälligkeit vorsehen kann. Die Annahme einer Fälligkeit vor dem gesetzlich bestimmten Auszahlungszeitpunkt widerspräche jedoch dem Rechtsbegriff der Fälligkeit. Nach der allgemeinen Rechtslehre liegt Fälligkeit zu dem Zeitpunkt vor, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann und der Schuldner sie leisten muss, in dem also alle gesetzlichen Zahlungsvoraussetzungen gegeben sind (s § 271 BGB; vgl allgemein auch BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1 RdNr 18; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 41 RdNr 6; Seewald in Kasseler Komm, Stand Juni 2012, § 41 SGB I RdNr 3 mwN). Dementsprechend ist eine gesetzliche Auszahlungsregelung - wie in § 15 Abs 1 ZVALG - dahin zu verstehen, dass die Leistung erst mit dem für eine nachträgliche Zahlung vorgesehenen Termin fällig wird (vgl dazu auch Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, Stand Juni 2012, § 41 RdNr 12).
Ein anderes Verständnis von § 15 Abs 1 ZVALG ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs 2 S 4 ZVALG, nach dem für verstorbene Berechtigte der Antrag durch die Witwe oder den Witwer gestellt werden kann. Dieser Satz ist im Zusammenhang mit § 15 Abs 2 S 1 ZVALG zu sehen, der bestimmt, dass die erstmalige Feststellung der Ausgleichsleistungen auf Antrag und durch schriftlichen Verwaltungsakt erfolgt. Danach eröffnet § 15 Abs 2 S 4 ZVALG ausschließlich die Möglichkeit einer erstmaligen Antragstellung noch nach dem Tode eines oder einer Berechtigten. Der Gesetzgeber ist bereits bei Schaffung des § 15 Abs 2 ZVALG davon ausgegangen, dass dieser das Verfahren bei erstmaliger Feststellung der Ausgleichsleistung regelt (BT-Drucks 7/2066 S 5 zu § 15). Auf welche Fallgestaltungen sich die Antragsbefugnis nach § 15 Abs 2 S 4 ZVALG bezieht und ob sich aus dieser Bestimmung schließen lässt, dass eine Witwe oder ein Witwer auch bei bereits zu Lebzeiten des Berechtigten erfolgter Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichsleistung eine Auszahlung für Zeiten vor dessen Tod verlangen kann, ist hier nicht zu entscheiden, da die Klägerin nicht Witwe eines Berechtigten, sondern Erbin einer Witwe ist.
Die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 15 Abs 1 ZVALG berücksichtigt auch die mit einer Fälligkeit der Leistung ggf verbundene Pflicht zur Verzinsung. Nach § 44 Abs 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Würde die Fälligkeit der Ausgleichsleistung, wie von der Klägerin gefordert, monatlich eintreten, träfe die Beklagte grundsätzlich eine entsprechende Verzinsungspflicht, obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich die nachträgliche Zahlung in einer Summe ohne Regelung einer Zinszahlung vorschreibt. Damit würde dem Sinn und Zweck einer Verzinsung nicht ausreichend Rechnung getragen, denn diese soll als akzessorische Nebenleistung die Nachteile einer verspäteten Zahlung ausgleichen (vgl Seewald in Kasseler Komm, Stand Juni 2012, § 44 SGB I RdNr 2 mwN). Im Rahmen des § 15 Abs 1 ZVALG kann eine verspätete Zahlung erst nach dem gesetzlich bestimmten Termin angenommen werden.
Angesichts dieses Auslegungsergebnisses lässt sich auch aus dem Sinn und Zweck des ZVALG keine gegenteilige Beurteilung herleiten.
Diese Auslegung des § 15 Abs 1 ZVALG begegnet zur Überzeugung des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG oder des Sozialstaatsgebots nach Art 20 GG nicht vor (vgl allgemein auch zu § 12 ZVALG BSG SozR 5866 § 12 Nr 2, 3 und 4).
Die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft verfolgt das Ziel, die aufgrund der traditionell niedrigen Löhne gering ausfallenden Rentenansprüche dieses Personenkreises aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Lebensstandardsicherung zu verbessern. Zu diesem Zweck ist von den Tarifvertragsparteien, der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft und den Arbeitgeberverbänden der Land- und Forstwirtschaft, für die im Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft der Tarifvertrag über die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vom 20.11.1973 (vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Wirkung vom 1.7.1974 für allgemeinverbindlich erklärt ≪BAnz Nr 14 vom 22.1.1974 S 1≫) geschlossen worden. Insbesondere für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen tarifvertraglichen Regelung nicht mehr im Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft ist zu demselben Zweck eine Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft eingerichtet worden, die als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts an Berechtigte nach dem ZVALG pauschale Ausgleichsleistungen erbringt, die ausschließlich aus Bundesmitteln finanziert werden (vgl BT-Drucks 7/2066 S 2 zu A I. Allgemeines; vgl hierzu insgesamt: Noell, Die Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft als Sozialleistung sui generis, SdL 1994, 185).
Im Gegensatz zu § 15 ZVALG sieht zwar § 12 Tarifvertrag über die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (idF vom 28.11.2000) in seinem Abs 3 vor, dass Beihilfen vom Beginn des Monats an, in dem ein Anspruch gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung besteht und die Wartezeit erfüllt ist, bis zum Ablauf des Monats gewährt werden, in dem der Berechtigte stirbt oder die Leistungsvoraussetzungen aus anderen Gründen entfallen. Damit werden die Berechtigten nach dem Tarifvertrag - soweit es die Auszahlung von Leistungen bis zum Tode betrifft - zwar besser gestellt als die Berechtigten nach dem ZVALG. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch hinzunehmen, weil der Leistungsgewährung nach dem ZVALG im Unterschied zu der tarifvertraglichen Beihilfe keine Beitragszahlung des jeweiligen Arbeitgebers des Versorgungsempfängers zugrunde liegt. Im Bereich der rein staatlich finanzierten Leistungsgewährung hat der Gesetzgeber einen größeren Spielraum, strengere und im Ergebnis für den Staat kostensparendere Leistungsvoraussetzungen aufzustellen.
Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des LSG haben im Geschäftsjahr 2008 insgesamt noch 38 500 Personen Ausgleichsleistung in Höhe von insgesamt 17,7 Mio Euro jährlich erhalten. Im Hinblick auf die Finanzierung dieser Leistung aus Steuermitteln durfte der Gesetzgeber wegen der niedrigen monatlichen Höhe der pauschalen Ausgleichsleistung zur Kosteneinsparung eine Fälligkeitsregelung der vorliegenden Art treffen mit der Folge, dass erst ab dem 1.7. des jeweiligen Jahres die Sonderrechtsnachfolger (§ 56 SGB I) bzw die Erben eines Berechtigten (§ 58 SGB I) noch nicht erfüllte Ansprüche auf Ausgleichsleistung erwerben können. Mit dem 3. ASEG hat der Gesetzgeber die Feststellung der Ausgleichsleistung weiter vereinfacht (vgl BT-Drucks 10/3483 S 14 zu II.2., S 16 zu II.6. und S 24 zu Artikel 5 Nr 2 bis 4 ≪§§ 13 bis 15≫) und so die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen durch die Berechtigten verbessert. Durch die damit verbundene Vorverlegung des Eintritts der Fälligkeit vom Jahresende hin zur Jahresmitte ist auch die Möglichkeit einer Vererbung bereits ab dem 1.7. des jeweiligen Jahres geschaffen worden.
Es mag zwar unbefriedigend erscheinen, dass aufgrund der Regelung des § 15 Abs 1 ZVALG Leistungsbeträge, die dem Berechtigten bereits zugestanden haben, infolge seines Todes nicht mehr ausgezahlt werden. Dieses Ergebnis ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es folgt aus der an sich sachgerechten Auszahlungsregelung. Der Gesetzgeber durfte den sozialen Schutz des Berechtigten (Art 20 Abs 1 GG) insoweit mit dessen Tod enden lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG und § 52 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 4714789 |
DB 2013, 8 |