Leitsatz (amtlich)
Wird während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt und wird auf die Revision das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, so ist der "neue" Verwaltungsakt ebenso zu behandeln, wie wenn er während des Berufungsverfahrens erlassen wäre, er ist also Gegenstand des wieder beim Landessozialgericht rechtshängigen Berufungsverfahrens.
Normenkette
SGG § 171 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 153 Fassung: 1953-09-03, § 96 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 11. September 1956 wird aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Durch Bescheid vom 23. Juli 1949 erkannte die Landesversicherungsanstalt O.../H... - Außenstelle O... - nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 als Schädigungsfolgen beim Kläger an: "Bewegungseinschränkung im linken Fußgelenk; Schwäche des linken Beines; Herabsetzung der Hörfähigkeit beiderseits; Narben am linken Unterschenkel und rechten Oberschenkel", sie gewährte wegen dieser Leiden vom 1. August 1947 an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 30 v.H. Durch Bescheid vom 17. November 1950 wurden auf Antrag des Klägers die Schädigungsfolgen näher umschrieben, die Rente wurde vom 1. August 1950 an nach einer MdE. um 40 v.H. gewährt. Durch Bescheid vom 1. Dezember 1951 - Umanerkennung - gewährte das Versorgungsamt Oldenburg nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Rente nach demselben Grad der MdE. weiter; die Schädigungsfolgen wurden bezeichnet mit: "Bewegungseinschränkung im linken Fußgelenk und der Zehen links, Schwäche des linken Beines mit Durchblutungsstörungen, Narben am linken Unterschenkel und rechten Oberschenkel, Herabsetzung der Hörfähigkeit beiderseits ohne Gleichgewichtsstörungen". Ein Krampfaderleiden wurde in allen Bescheiden nicht erwähnt.
Gegen die Bescheide vom 17. November 1950 und 1. Dezember 1951 legte der Kläger Einspruch ein. Der Beschwerdeausschuß wies den Einspruch am 31. Januar 1952 zurück. Der Kläger legte Berufung an das Oberversicherungsamt A... ein. Das Oberversicherungsamt ließ den Kläger im Oktober/November 1952 durch die Medizinische und Neurologische Klinik S... stationär untersuchen, diese zog ein Gutachten des Ohrenarztes Dr. R... bei. Die Gutachter der Klinik S... beobachteten folgende Leiden:
"1. Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenks mit Narbenbildung im Bereich des linken Unterschenkels, narbenbedingter Krampfaderbildung links mit Behinderung des venösen Blutrückstromes sowie Atrophie und Schwäche des linken Beines;
2. beiderseitige kombinierte Schwerhörigkeit, links schweren Grades, rechts mittleren Grades, Labyrinthschädigung (siehe ohrenfachärztliches Gutachten);
3. Halsrippenstummel beiderseits"
und führten weiter aus, das Ohrenleiden sei Wehrdienstfolge, die MdE., die dadurch bedingt werde, betrage 30 v.H.; die Krampfadern, die nur im Bereich der linken Schienbeinkante ausgebildet seien, seien als indirekte Folgen der Verletzung zu werten; die MdE. für alle Verwundungsfolgen am linken Bein betrage 20 v.H.; insgesamt sei die MdE. die durch die Schädigungsfolgen bedingt sei, mit 40 v.H. zu bewerten; die übrigen Leiden seien nicht Folgen des Wehrdienstes. Auf Grund dieser Gutachten wies das Oberversicherungsamt die Berufung am 28. Mai 1953 zurück. Die Krampfadern wurden auch in diesem Urteil nicht erwähnt.
Am 4. Februar 1954 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt O... eine höhere Rente; die Schmerzen am linken Unterschenkel hätten sich infolge der anschwellenden Krampfadern verschlimmert. Der Facharzt für Chirurgie Dr. E... bestätigte am 1. März 1954, daß eine Verödung der linken Vena saphena magna erfolglos versucht worden sei; es sei glaubhaft, daß das linke Bein besonders bei Belastung immer noch anschwelle. Das Versorgungsamt lehnte den Antrag auf Erhöhung der Rente durch Bescheid vom 10. April 1954 ab. Es verwies auf das Urteil des Oberversicherungsamts vom 28. Mai 1953; die Durchblutungsstörungen und Krampfadern am linken Unterschenkel habe die Klinik S... in ihrem Gutachten bereits berücksichtigt. Das Landesversorgungsamt Niedersachsen wies den Widerspruch am 10. November 1954 zurück; die bereits anerkannten Leiden hätten sich nicht verschlimmert, die weiter geltend gemachten Leiden seien nicht Schädigungsfolgen, das Krampfaderleiden sei im wesentlichen auf eine angeborene Bindegewebsschwäche zurückzuführen. Die Klage wies das Sozialgericht Aurich durch Urteil vom 23. Juni 1955 ab, nachdem es als ärztlichen Sachverständigen im Termin noch Dr. I... gehört hatte. Die Berufung wies das Landessozialgericht Celle durch Urteil vom 11. September 1956 zurück: Der Streit gehe - nach dem im Termin gestellten Antrag - nur noch um die Anerkennung verstärkter Kopfschmerzen und des Ohrenrauschens als weiterer Schädigungsfolgen; eine Verschlimmerung des Ohrenleidens sei nach den jetzigen Befunden gegenüber den Feststellungen des Oberversicherungsamts Aurich im Jahre 1953 aber nicht eingetreten; auch bei den übrigen anerkannten Leiden habe sich nichts wesentliches geändert; die Behinderung durch Narben am linken Unterschenkel habe sich nicht verschlimmert; die Krampfadern, auf die Dr. E... besonders abgehoben habe, seien als Schädigungsfolgen nicht anerkannt, und sie könnten auch nicht anerkannt werden, da sie meist anlagebedingt seien und auf Grund einer Bindegewebsschwäche zu entstehen pflegten; die Hinterkopfschmerzen und die Neigung zu Schwindel seien wahrscheinlich vasomotorisch bedingt und nicht Folgen des Wehrdienstes, sie hingen auch mit dem anerkannten Ohrenleiden nicht zusammen; der Zahnverfall und die Sehstörungen seien ebenfalls nicht Folge des Wehrdienstes. Das Urteil wurde dem Kläger am 1. November 1956 zugestellt.
Am 26. November 1956 legte der Kläger Revision ein; er beantragte,
das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß seinem Antrag in der Verhandlung des Landessozialgerichts Celle vom 11. September 1956 zu erkennen;
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Am 18. Dezember 1956 begründete er die Revision mit dem Hinweis auf § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG): Das Landessozialgericht habe bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt; das jetzt anhängige Verfahren sei durch seinen Antrag auf Erhöhung der Rente vom 4. Februar 1954 wegen Verschlimmerung eingeleitet worden; das Landessozialgericht habe hierzu in den Gründen seines Urteils ausgeführt, die Krampfadern seien nicht Schädigungsfolge, aus dem Tatbestand des Urteils ergebe sich aber, daß die Gutachter des Landeskrankenhauses Sanderbusch bereits am 30. Oktober 1952 u.a. "narbenbedingte Krampfaderbildung links mit Behinderung des venösen Blutrückstromes" als Schädigungsfolge angesehen hätten; das Oberversicherungsamt habe auf dieses Gutachten Bezug genommen, damit seien die Krampfadern schon vor dem Antrag des Klägers vom 4. Februar 1954 als Schädigungsfolgen anerkannt gewesen; zwar habe Dr. L... sich dahin geäußert, Oedeme seien zur Zeit am linken Unterschenkel nicht nachweisbar und eine Verschlimmerung sei gegenüber den Gutachten, denen das Oberversicherungsamt gefolgt sei, sonach nicht eingetreten; da aber Dr. E... am 1. März 1954 Oedeme beobachtet und deshalb sogar eine Operation versucht habe, habe das Landessozialgericht zu der Frage, ob sich das Leiden am linken Unterschenkel verschlimmert habe, ein Obergutachten einholen müssen; es habe, wenn es dies nicht getan habe, seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt; das Landessozialgericht habe auch ein Obergutachten zur Klärung der Frage einholen müssen, ob nicht die verstärkten Kopfschmerzen und das beständige Rauschen im Ohr Schädigungsfolgen seien, insoweit seien die Gutachten des Dr. R... und der Klinik S... nicht überzeugend; das Landessozialgericht habe aufklären müssen, ob die Labyrinthschädigung links, die die Gutachter als Schädigungsfolge angesehen hätten, nicht doch den Schwindel und das Ohrensausen verursache; auch bezüglich des ursächlichen Zusammenhanges der Hinterkopfschmerzen mit dem Wehrdienst habe das Landessozialgericht noch eine weitere Aufklärung durch ein ärztliches Gutachten versuchen müssen.
Der Beklagte stellte in dem Schriftsatz vom 12. März 1957 zunächst keinen Antrag und führte aus, die Rügen des Klägers erschienen nicht unbegründet; es wäre eine genaue Prüfung erwünscht gewesen, ob Krampfadern bestehen und - wenn ja - ob sie mit dem Wehrdienst ursächlich zusammenhängen; auch über die Ursache des linksseitigen Ohrensausens bestehe noch Unklarheit. Am 5. Juni 1958 erließ das Versorgungsamt Oldenburg "im Anschluß an den Bescheid vom 1. Dezember 1951" folgenden Bescheid:
"Die mit Ihnen am 23.4. und 13.5.1958 vorgenommenen fachärztlichen Untersuchungen haben ergeben, daß durch die bei Ihnen als Schädigungsfolgen anerkannten Leiden, die nunmehr folgenden Wortlaut haben:
"Bewegungseinschränkung im linken Fußgelenk und der Zehen links.
Narben und Krampfadern am linken Unterschenkel ohne arterielle Durchblutungsstörungen.
Narben am rechten Oberschenkel.
Trommelfellnarben und kombinierte Schwerhörigkeit beiderseits ohne Anhalt für Labyrinthschädigung"
die Minderung Ihrer Erwerbsfähigkeit wie bisher 40 vom Hundert beträgt.
Eine Änderung in der Höhe der laufenden Zahlungen tritt daher nicht ein.
Die in diesem Bescheid eingetretenen Änderungen sind gleichfalls Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens. Dieser Bescheid ist eine Ergänzung des Bescheides vom 1.12.51, welcher nur zusammen mit diesem Bescheid Gültigkeit hat."
Mit Schriftsatz vom 24. September 1958 erklärte der Kläger, auch dieser Bescheid anerkenne die Schädigungsfolgen nur unvollständig und bewerte die MdE. zu niedrig.
Der Beklagte beantragte nunmehr unter Hinweis auf eine Äußerung seines ärztlichen Sachverständigen vom 6. Oktober 1958,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
II.
1. Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft. Der Kläger macht zwar mit der Revision geltend, das Landessozialgericht habe bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges seiner Leiden mit dem Wehrdienst das Gesetz verletzt, er geht also davon aus, die Revision sei nach § 162 Abs. 1 Nr. 3. SGG statthaft; dies trifft nicht zu, weil es sich bei der Frage, ob es wahrscheinlich ist, daß ein Leiden mit dem Wehrdienst zusammenhängt, in der Regel und auch hier um die Feststellung von Tatsachen und nicht um die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen handelt, also nicht um ihre "Beurteilung" im Sinne von § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl. BSG. 7 S. 223 ff.; Urteil vom 3. Juli 1958, SozR. Nr. 106 zu § 162 SGG). Es kommt jedoch nicht darauf an, auf welche Rechtsvorschriften der Kläger sich für die Statthaftigkeit der Revision beruft und ob er den Sachverhalt, aus dem sich nach seiner Meinung die Statthaftigkeit ergibt, rechtlich richtig subsumiert hat. Im vorliegenden Falle ergibt der Sachverhalt, wie er vom Kläger substantiiert und in der durch § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG gebotenen Form vorgetragen wird, daß der Kläger Mängel im Verfahren des Landessozialgerichts bei der Feststellung der Tatsachen und ihrer Würdigung, sonach Verstöße gegen die §§ 103, 128 SGG, rügen will (vgl. BSG. 1 S. 227 ff. [231]; Urteil vom 29.7.1958, SozR. Nr. 38 zu § 164 SGG). Diese Rügen treffen zu.
2. Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht ist der Bescheid vom 10. April 1954 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. November 1954 gewesen. Nur um diesen Verwaltungsakt handelt es sich auch im Revisionsverfahren. Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte den Bescheid vom 5. Juni 1958 erlassen; mit diesem Bescheid hat er - wie sich aus der Überschrift "im Anschluß an den Bescheid vom 1. Dezember 1951" ergibt - den Bescheid vom 1. Dezember 1951 abgeändert, soweit in diesem Bescheid Schädigungsfolgen festgestellt worden sind; es ist nicht ersichtlich, auf welche Bestimmungen der Beklagte den Bescheid vom 5. Juni 1958 stützt, oh er davon ausgegangen ist, daß der Bescheid vom 1. Dezember 1951 schon bei seinem Erlaß teilweise rechtswidrig gewesen oder ob er - etwa durch eine Änderung in dem Gesundheitszustand des Klägers - später rechtswidrig geworden ist, es ist auch nicht erkennbar, von welchem Zeitpunkt an der Bescheid vom 1. Dezember 1951 hat geändert werden sollen, ob mit Rückwirkung auf den 1. Dezember 1951, mit Rückwirkung auf den Beginn des Monats, in dem der Kläger beantragt hat, ihm eine höhere Rente zu gewähren (also 1. Februar 1954) oder mit Wirkung vom Beginn des Monats an, in dem der Bescheid erlassen worden ist (also vom 1. Juni 1958 an). Dies kann aber für das Revisionsverfahren dahingestellt bleiben, weil der Bescheid vom 5. Juni 1958 jedenfalls nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Nach § 171 Abs. 2 SGG wird, anders als dies für das Verfahren vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht geregelt ist (§§ 96, 153 SGG), der neue Verwaltungsakt grundsätzlich nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, er gilt vielmehr als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten, "es sei denn, daß der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird"; diese Ausnahmen treffen im vorliegenden Falle nicht zu. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 5. Juni 1958 nicht klaglos gestellt, weil der Beklagte ihm auch in diesem Bescheid keine höhere Rente bewilligt hat und dem Klagebegehren "zum ersten Verwaltungsakt" - im vorliegenden Fall zu dem Bescheid vom 10. April 1954, in dem auf den Bescheid vom 1. Dezember 1951 Bezug genommen ist - durch das Revisionsgericht nicht genügt werden kann. Für die Entscheidung des Senats kommt es also auf den Bescheid vom 5. Juni 1958 nicht an.
3. Der Kläger hat in dem Antrag vom 4. Februar 1954, in dem eine höhere Rente begehrt ist, u.a. darauf hingewiesen, daß er am linken Unterschenkel jetzt größere Schmerzen habe und daß diese Verschlimmerung auf die Krampfadern zurückzuführen sei. Zwar hat er im Verfahren vor dem Landessozialgericht zuletzt nur noch beantragt, die Kopfschmerzen und das beständige Ohrensausen als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen, das Landessozialgericht ist aber wegen der Einheitlichkeit des Rentenanspruchs verpflichtet gewesen, den Anspruch unabhängig von dem Antrag des Klägers, an dessen Fassung es nicht gebunden gewesen ist (§§ 123, 153 SGG), unter dem Gesichtspunkt aller erkennbar in Betracht kommenden Schädigungsfolgen zu prüfen. Das Landessozialgericht hat dies auch getan; zu der Frage der Verschlimmerung hat es u.a. ausgeführt, die Krampfadern seien als Schädigungsfolgen nicht anerkannt; das ist entgegen der Auffassung des Revisionsklägers, auch richtig. Weder in dem Bescheid vom 23. Juni 1949 noch in den Bescheiden vom 17. November 1950 und vom 1. Dezember 1951 sind Krampfadern als Schädigungsfolgen anerkannt, diese Bescheide sind Gegenstand der Berufung (alten Rechts) an das Oberversicherungsamt A... gewesen, das Oberversicherungsamt hat die Berufung in vollem Umfang zurückgewiesen, es hat also diese Bescheide für zutreffend gehalten. Hieran ändert sich nichts dadurch, daß sich das Oberversicherungsamt in den Gründen seines Urteils u.a. auf das Gutachten der Klinik S... berufen hat, in dem die Krampfadern als indirekte Folgen der Beinverletzung bezeichnet worden sind; abgesehen davon, daß sich das Oberversicherungsamt nur allgemein auf dieses Gutachten bezogen hat, kommt es für die Frage, welche Schädigungsfolgen das Oberversicherungsamt festgestellt hat, nicht auf die Ausführungen in den Gründen des Urteils an (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1958 - 11/9 RV 1148/57), sondern nur darauf, worüber das Oberversicherungsamt nach dem Urteilstenor (wenn auch in Verbindung mit dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen) entschieden hat; die Bescheide vom 17. November 1950 und vom 1. Dezember 1951 hat das Oberversicherungsamt aber nicht geändert; es hat die Frage, ob die Krampfadern am linken Unterschenkel Schädigungsfolgen sind, überhaupt nicht entschieden, sein Urteil hat daher insoweit auch nicht etwa nach § 85 BVG eine bindende Wirkung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs nach dem BVG; das Landessozialgericht hat nicht davon ausgehen dürfen, es stehe rechtsverbindlich fest, daß die Krampfadern nicht Schädigungsfolgen seien. Insoweit handelt es sich aber nicht um einen Mangel im Verfahren des Landessozialgerichts, sondern um einen sachlich-rechtlichen Irrtum. Das Landessozialgericht hat indessen festgestellt, es sei auch nicht wahrscheinlich, daß die Krampfadern am linken Unterschenkel Schädigungsfolgen sind. Gegen diese Feststellung hat der Kläger aber begründete Revisionsrügen geltend gemacht. Das Urteil des Landessozialgerichts läßt nicht erkennen, wie das Landessozialgericht zu dieser Feststellung gekommen ist. Auf das Urteil des Oberversicherungsamts A... hat sich das Landessozialgericht insoweit nicht berufen können, weil das Oberversicherungsamt bezüglich der Krampfadern nichts festgestellt hat; die Gutachter der Klinik S... haben die Krampfadern am linken Unterschenkel als mittelbare Folgen der Verwundung angesehen; auch wenn die Versorgungsärzte der Auffassung gewesen sind, daß Krampfadern in der Regel anlagebedingt sind, hätte das Landessozialgericht sich jedenfalls hier mit der Auffassung der Klinik S... auseinandersetzen, u.U. hätte es ein weiteres fachärztliches Gutachten einholen müssen. Hierzu hat auch deshalb Anlaß bestanden, weil zwischen dem Gutachten von Dr. L... in der Verhandlung vor dem Sozialgericht am 23. Juni 1955 und der Äußerung des Dr. E... der ein Jahr vorher sogar eine operative Verödung der Krampfadern versucht hat, ein deutlicher Widerspruch bestanden hat. Daß der Sachverhalt medizinisch in dieser Hinsicht nicht ausreichend geklärt gewesen ist, ergibt sich ferner daraus, daß der Beklagte in dem Bescheid vom 5. Juni 1958 den ursächlichen Zusammenhang der Krampfadern am linken Unterschenkel mit dem Wehrdienst nunmehr anerkannt hat, dieser Zusammenhang kann sich aber nicht erst nachträglich ergeben, er kann nur vom Auftreten der Krampfadern an bestanden oder nicht bestanden haben. Da der Kläger den Antrag auf Erhöhung der Rente am 4. Februar 1954 gerade mit einer Verschlimmerung auch der Krampfadern begründet hat, hat das Landessozialgericht die Berufung nicht zurückweisen dürfen, ohne diese etwaigen Zusammenhänge ausreichend aufzuklären und zu würdigen. Es hat, wenn es dies trotzdem getan hat, gegen die §§ 103, 128 SGG verstoßen, sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Eine Entscheidung des Senats in der Sache selbst ist untunlich, die Sache ist vielmehr nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat unter diesen Umständen nicht zu entscheiden brauchen, ob der Sachverhalt auch bezüglich des ursächlichen Zusammenhangs der Kopfschmerzen und des Ohrensausens mit dem Wehrdienst ausreichend geklärt ist. Der Kläger ist - falls das Landessozialgericht bei der erneuten Verhandlung nicht von Amts wegen noch weitere Ermittlungen für erforderlich hält - nicht gehindert, nach § 109 SGG noch die Anhörung weiterer Sachverständiger zu beantragen. Das Landessozialgericht hat ferner nach den §§ 96, 153 Abs. 1 SGG nunmehr auch über den Bescheid vom 5. Juni 1958 zu entscheiden. Zwar gilt nach § 171 Abs. 2 SGG der während des Revisionsverfahrens erlassene "neue" Verwaltungsakt als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten; der Kläger soll durch diese Bestimmung davor geschützt werden, daß er im Hinblick auf die Rechtshängigkeit der Sache beim Revisionsgericht möglicherweise die Klagefrist versäumt, es tritt deshalb grundsätzlich automatisch die Rechtshängigkeit beim Sozialgericht ein. Diese Regelung kann aber nicht den Fall betreffen, daß eine Sache, die beim Erlaß des "neuen" Verwaltungsakts nicht mehr beim Landessozialgericht, sondern schon beim Bundessozialgericht rechtshängig gewesen ist, infolge der Zurückverweisung der Sache durch das Bundessozialgericht wieder beim Landessozialgericht rechtshängig wird. In diesem Falle ist der "neue" Verwaltungsakt nicht anders zu behandeln, als wenn er während des Berufungsverfahrens erlassen wäre; es ist also nicht mehr § 171 Abs. 2 SGG anzuwenden, sondern wieder nach §§ 96, 153 SGG zu verfahren, der "neue" Verwaltungsakt ist also von dem Zeitpunkt an, in dem das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen ist, Gegenstand des wieder rechtshängigen Berufungsverfahrens. Das Landessozialgericht hat damit - wie es dem Zweck der §§ 96, 153 SGG entspricht - die Möglichkeit, über den "neuen" und über den "abgeänderten" oder "ersetzten" Verwaltungsakt im selben Verfahren zu entscheiden, es hat als Tatsacheninstanz den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären, als dies für die Beurteilung des "neuen" Verwaltungsaktes erforderlich ist. Im vorliegenden Falle hat es damit auch darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an dieser neue Bescheid die Bescheide vom 17. November 1950, 1. Dezember 1951 und 10. April 1954 abgeändert hat und von wann an gegebenenfalls eine Verschlimmerung des Krampfaderleidens für die Höhe der Rente zu berücksichtigen ist.
Die Entscheidung über die Kosten ist dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2324841 |
BSGE, 78 |