Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtsgrundlage eines Verwaltungsaktes kann im Laufe des Verfahrens durch Nachschieben einer anderen rechtlichen Begründung grundsätzlich dann geändert werden, wenn der Verwaltungsakt hierdurch in seinem Wesen nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Versorgungsberechtigten nicht beeinträchtigt wird (Anschluß BSG 1958-02-12 11/9 RV 948/ 55 = BSGE 7, 8). 2. Die Erklärung in einem ohne ärztliche Untersuchung ergangenen Umanerkennungsbescheid, daß eine ärztliche Untersuchung nicht mehr beabsichtigt sei, ist ein den Versorgungsberechtigten begünstigender Verwaltungsakt; eine Neufeststellung nach BVG § 86 Abs 3 ist in einem solchen Falle auch dann nicht mehr zulässig, wenn eine Nachuntersuchung innerhalb der in dieser Vorschrift festgesetzten Frist ergibt, daß die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in dem Umanerkennungsbescheid nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht (vergleiche BSG 1957-12-10 11/9 RV 1076/56 = BSGE 6, 175). Dagegen wird durch eine solche Erklärung eine Neufeststellung wegen Änderung der Verhältnisse im Sinne des BVG § 62 nicht ausgeschlossen.

3. Sind in einem Umanerkennungsbescheid nach dem BVG Schädigungsfolgen und Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ohne ärztliche Untersuchung nach BVG § 86 Abs 3 aus einem nach dem KBLG BW ergangenen Bescheid übernommen worden, so richtet sich die Frage, ob und seit wann eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne des BVG § 62 eingetreten ist, nach dem Zeitpunkt, zu dem der nach dem KBLG BW erteilte Bescheid ergangen ist.

 

Normenkette

SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; BVG § 62 Fassung: 1950-12-20, § 86 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20; KBLG WB

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 26. Februar 1958 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Kosten haben die Parteien einander nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger leistete vom 26. August 1939 bis zum 7. April 1945 Wehrdienst und war anschließend bis zum 13. April 1948 in französischer Kriegsgefangenschaft. Während des Wehrdienstes erlitt er eine Granatsplitterverletzung.

Nach ärztlicher Untersuchung (Gutachten vom 26.8.1948) erkannte die Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 20. November 1948 "Falschgelenkbildung an der linken Speiche und Schädigung des Mittelnervs am linken Unterarm nach Schußbruch, Narbe im Bereich der rechten Hüfte mit Knochenverlust am Darmbeinkamm" nach dem Leistungsgesetz für Körperbeschädigte (KBLG) als Schädigungsfolgen an und gewährte hierfür Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 40 v.H. Die Umanerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erfolgte mit Bescheid vom 22. Oktober 1951 ohne erneute ärztliche Untersuchung; dabei wurden Leidensbezeichnung und Grad der MdE. unverändert übernommen. Der Bescheid enthält außerdem den Vermerk "Eine weitere ärztliche Untersuchung ist bei Ihnen nicht mehr beabsichtigt".

Die Versorgungsverwaltung ließ den Kläger dennoch am 2. April 1954 durch den Facharzt für Chirurgie, Dr. Sch untersuchen, der zu dem Ergebnis kam, daß die MdE. nicht mehr 25 v.H. erreiche. Es bestehe keine Falschgelenkbildung an der linken Speiche mehr und die Schädigung des Mittelhandnervs habe sich weitgehend gebessert. Daraufhin erteilte die Versorgungsverwaltung unter Bezugnahme auf § 86 Abs. 3 BVG einen neuen Bescheid vom 12. April 1954, in dem die Schädigungsfolgen nunmehr mit "Narben und Verkrümmung des linken Unterarms nach Schußbruch, Narbe im Bereich der rechten Hüfte mit Knochenverlust am Darmbeinkamm" bezeichnet wurden. Eine MdE. im gesetzlichen Mindestgrade von 25 v.H. werde nicht mehr erreicht und die Rente deshalb mit Wirkung vom 1. Juni 1954 entzogen. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde durch Entscheidung vom 18. Juli 1954 zurückgewiesen. Nunmehr hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG.) Stuttgart Klage erhoben. Nach Einholung weiterer Gutachten hat das SG. den Beklagten durch Urteil vom 4. Oktober 1956 verurteilt, "Restschädigung des Mittelhandnervs, mäßige Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk und Gefühlsstörungen der Finger 1 - 3 der linken Hand im Sinne der Hervorrufung" als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und dem Kläger vom 1. Juni 1954 an Rente nach einer MdE. um 25 v.H. zu bewilligen: Die Versorgungsverwaltung habe nach § 86 Abs. 3 BVG eine Neufeststellung auch ohne Nachweis einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG vornehmen können; nach den ärztlichen Gutachten sei die Erwerbsfähigkeit aber noch um 25 v.H. gemindert.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG.) Baden-Württemberg in Stuttgart durch Urteil vom 26. Februar 1958 die Entscheidung des SG. insoweit abgeändert, als sie dem Kläger wegen der anerkannten Schädigungsfolgen Rente nach einer MdE. um 25 v.H. zuerkannt hat und insoweit die Klage abgewiesen: Der Vermerk, eine ärztliche Untersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, schließe nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG, nicht aber eine Neufeststellung wegen veränderter Verhältnisse nach § 62 Abs. 1 BVG aus. Zwar habe der Beklagte seinen Bescheid auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt; es sei aber eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG möglich. Der Bescheid erfülle auch die in dieser Vorschrift geforderten Voraussetzungen einer Neufeststellung. Die Schonfrist sei eingehalten; es sei ferner dargelegt, daß eine wesentliche Änderung (Wegfall der Falschgelenkbildung und Rückgang der Medinuslähmung ) eingetreten sei. Die MdE. betrage nunmehr 20 v.H.; ein besonderes berufliches Betroffensein könne nicht anerkannt werden, da keine stichhaltigen Beweise hierfür vorlägen, der Kläger vielmehr in seinem erlernten Beruf in einem Ausmaße tätig sei, das kein besonderes Betroffensein befürchten lasse.

Gegen dieses am 5. Mai 1958 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 14. Mai 1958 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Februar 1958 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Oktober 1956 zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

In der am 13. Juni 1958 beim BSG. eingegangenen Revisionsbegründung rügt der Kläger die Verletzung von Vorschriften des BVG, insbesondere der §§ 1, 29, 30, 62 und 86: Der Beklagte habe den Bescheid ausdrücklich nur auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 BVG vorliegen würden, so könne das Berufungsgericht nicht von sich aus diese rechtliche Grundlage durch § 62 BVG ersetzen. Auch der Beklagte könne keine neue Rechtsgrundlage nachschieben. Selbst wenn hierdurch der Verwaltungsakt weder in seinem Wesen noch in seinem Ausspruch verändert werde, so werde der Kläger zumindest in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt. Ihm werde die Möglichkeit genommen, die Anwendung des § 62 BVG von der dazu berufenen Widerspruchsstelle nachprüfen zu lassen. Schließlich sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse entgegen der Auffassung des LSG. überhaupt nicht eingetreten.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er trägt vor, den Ausführungen des LSG. sei noch ergänzend hinzuzufügen, daß es für die Gültigkeit des Bescheides unerheblich sei, ob die als Begründung angeführte Rechtsnorm zutreffe oder nicht. Entscheidend sei allein, ob der Bescheid überhaupt im BVG eine rechtliche Stütze finde.

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist aber nicht begründet, denn der Entscheidung des LSG. über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides ist im Ergebnis zuzustimmen.

Der Beklagte gibt nunmehr selbst zu, daß er sich zur Rechtfertigung des angefochtenen Bescheides in Anbetracht des in dem Bescheid vom 22. Oktober 1951 enthaltenen Vermerks, eine ärztliche Untersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, nicht auf § 86 Abs. 3 BVG berufen kann. Mit der rechtlichen Bedeutung dieser Erklärung hat sich das BSG. in seinem Urteil vom 10. Dezember 1957 (BSG. 6 S. 175 ff.) eingehend befaßt. Die Erklärung solle - so hat das BSG. ausgeführt - zum Ausdruck bringen, daß die Verwaltung sich entschlossen habe, von ihrem Ermessen, im Zusammenhang mit der Umanerkennung eine Untersuchung vorzunehmen, keinen Gebrauch zu machen; sie werde also, wenn sich die Verhältnisse nicht wesentlich ändern (§ 62 Abs. 1 BVG), keine Maßnahmen einleiten, die möglicherweise zu einer anderen ärztlichen Beurteilung und damit zu einer Neufeststellung der Versorgungsbezüge führen könnten. Der Erklärung komme eine unmittelbar rechtliche Bedeutung zu; sie schließe mit gestaltender Wirkung in einem bestimmten Rahmen die Möglichkeit aus, das zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Berechtigten bestehende Rechtsverhältnis durch Nachuntersuchung und daraus abzuleitende Folgerungen zu ändern. Die Erklärung sei somit ein gestaltender, den Betroffenen begünstigender Verwaltungsakt, durch den die Möglichkeit einer Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG auch dann entfalle, wenn später eine ärztliche Nachuntersuchung ergebe, daß die frühere Bewertung der MdE. den tatsächlichen Verhältnissen und den Grundsätzen des BVG nicht entspreche. Dieser Auslegung stimmt der erkennende Senat zu.

Die Revision beanstandet, daß das LSG. den angefochtenen Bescheid nachträglich mit § 62 BVG gerechtfertigt hat. Bei dieser sogenannten Umdeutung handelt es sich in Wirklichkeit um das Nachschieben einer anderen rechtlichen Begründung. Die Zulässigkeit eines solchen Nachschiebens - seitens der Behörde und auch seitens des Gerichts (vgl. hierzu BSG. 7 S. 8 (12); Bundesverwaltungsgericht in DVBl. 1958 S. 757; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 175; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 54 Anm. 2 Buchst. e aa) - wird in der Rechtsprechung sowohl des BSG. als auch des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich bejaht; sie wird jedoch dahin eingeschränkt, daß der Bescheid hierdurch in seinem Wesen nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. BSG. 3 S. 209 (216); 7 S. 8 (12) mit weiteren Hinweisen). Auch die Revision verkennt die grundsätzliche Möglichkeit, einem Verwaltungsakt nachträglich eine andere rechtliche Begründung zu geben, nicht. Sie wendet sich aber gegen die Auffassung, daß ein Bescheid, der zunächst auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt sei, nachträglich auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt werden könne.

Diese nachträgliche Änderung der Rechtsgrundlage begegnet jedoch im vorliegenden Falle keinen Bedenken, da der angefochtene Bescheid hierdurch in seinem Wesen, insbesondere in seinem Ausspruch, nicht geändert worden ist. Bei beiden Vorschriften handelt es sich um die rechtliche Grundlage einer Neufeststellung mit Wirkung nur für die Zukunft, d.h. der gleichen Maßnahme. Im Falle des § 62 Abs. 1 BVG wird die Neufeststellung damit begründet, daß sich die Verhältnisse, die für die bisherige Feststellung maßgebend gewesen sind, inzwischen wesentlich geändert haben. Im Falle des § 86 Abs. 3 BVG kann die Neufeststellung auch erfolgen, wenn eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist oder sich nicht nachweisen läßt; d.h. gerade dieser Grund braucht nicht vorzuliegen, er kann aber vorliegen. Es ist durchaus möglich, daß die gleiche Maßnahme sowohl von der einen als auch von der anderen Vorschrift getragen wird (z.B. in den Fällen, in denen seit der ohne ärztliche Untersuchung erfolgten Umanerkennung innerhalb der in § 86 Abs. 3 BVG bestimmten Frist eine wesentliche Änderung in den Schädigungsfolgen eingetreten ist). Der Bescheid - ob nun auf § 86 Abs. 3 BVG oder auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt - hat die völlig gleiche Maßnahme zum Inhalt und für den Kläger die gleichen Rechtswirkungen. Unter diesen Umständen kann von einer Änderung des Bescheides in seinem Wesensgehalt, insbesondere von einer wesentlichen Verschiedenheit in der Wirkung nicht gesprochen werden. Das gilt im vorliegenden Falle um so mehr, als schon in dem Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 1954 zur Begründung auf eine wesentliche Besserung hingewiesen wurde, wenn auch mit dem Zusatz, daß die Versorgungsverwaltung eine solche wegen § 86 Abs. 3 BVG nicht nachzuweisen brauche (vgl. auch das Urteil des 11. Senats vom 22.4.1959 - 11/8 RV 295/57 -, das den umgekehrten Fall - Änderung der Begründung von § 62 Abs. 1 BVG auf § 86 Abs. 3 BVG - zum Gegenstand hat).

Durch das Nachschieben der neuen Begründung wird auch die Rechtsverteidigung des Klägers nicht erschwert; denn die nachgeschobene Vorschrift stellt größere Anforderungen an die Neufeststellung, da im Gegensatz zu § 86 Abs. 3 BVG eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachgewiesen werden muß. Insoweit bedeutet die neue Begründung für den Beklagten eine Erschwerung, für den Kläger aber eine Erleichterung seiner Rechtsverteidigung. Eine in diesem Zusammenhang in Betracht kommende Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung liegt auch nicht schon darin, daß der Kläger nicht mehr die Möglichkeit hat, die Anwendung des § 62 Abs. 1 BVG von der Widerspruchsstelle nachprüfen zu lassen. Einmal ist im Widerspruchsbescheid ausdrücklich auf eine wesentliche Besserung hingewiesen, also die Voraussetzung, durch die sich § 62 Abs. 1 BVG von § 86 Abs. 3 BVG unterscheidet - wenn auch nur hilfsweise -, behandelt worden. Ferner hatte die Widerspruchsstelle im vorliegenden Falle lediglich die Funktion einer Rechtskontrolle; diese war aber dem Kläger auch durch den weiteren Instanzenzug gewährleistet. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen wäre (vgl. z.B. den in BSG. 3 S. 209 entschiedenen Fall). Für eine solche ist jedoch hier kein Raum; insbesondere lag es auch nicht im Ermessen der Verwaltung, ob sie beim Versagen der ursprünglichen Begründung die neue Begründung nachschieben wollte. Die Versorgungsverwaltung ist vielmehr stets zur Durchführung einer Neufeststellung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Das LSG. hat daher nicht, wie die Revision meint, in das Ermessen der Verwaltung eingegriffen.

Die Voraussetzungen, unter denen nach § 62 Abs. 1 BVG eine Neufeststellung vorzunehmen ist, liegen auch vor. Zunächst ist festzustellen, daß durch den Vermerk, eine Nachuntersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nicht ausgeschlossen ist. Diese Erklärung bezieht sich nur auf die durch § 86 Abs. 3 BVG gewährte Möglichkeit. Das BSG. hat dies zwar in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1957 (vgl. BSG. a.a.O.) nicht ausdrücklich entschieden. Es ergibt sich jedoch aus der dort vorgenommenen und vorstehend wiedergegebenen Auslegung der Erklärung, der Versorgungsberechtigte solle durch diesen Vermerk wissen, daß die Versorgungsverwaltung von ihrem Ermessen, im Zusammenhang mit der Umanerkennung eine Nachuntersuchung anzuordnen, keinen Gebrauch machen werde, daß sie also, wenn die Verhältnisse sich nicht wesentlich ändern (§ 62 Abs. 1 BVG), keine Maßnahmen einleiten werde, die zu einer Neufeststellung führen könnten. Es läßt sich auch nicht einwenden, die Beschränkung des Vermerks auf Nachuntersuchungen im Sinne des § 86 Abs. 3 BVG komme in dem Wortlaut der Erklärung nicht hinreichend zum Ausdruck und die Versorgungsverwaltung müsse sie so gegen sich gelten lassen, wie der Beschädigte sie - ohne sie willkürlich oder unvernünftig zu seinen Gunsten auszulegen - verstanden habe. Die Erklärung ist in dem Umanerkennungsbescheid enthalten und kann deshalb nur auf eine Untersuchung im Zusammenhang mit der Umanerkennung - also im Rahmen des § 86 Abs. 3 BVG - bezogen werden.

Hinsichtlich der Frage, ob in den Verhältnissen, die für die frühere Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, hat das LSG. unter Hinweis auf den Widerspruchsbescheid festgestellt, daß eine solche durch den Wegfall der Falschgelenkbildung und Rückgang der Medinuslähmung eingetreten ist. Es hat sich damit insoweit die Ausführungen des Widerspruchsbescheides zu eigen gemacht. In diesem Bescheid werden der im Jahre 1954 bestehende Gesundheitszustand und der Zustand verglichen, der sich aus dem Gutachten vom Jahre 1948 ergibt; im Vergleich zu diesem Zustand wird eine wesentliche Änderung festgestellt. Das LSG. hat sich nicht dazu geäußert, seit wann eine zur Neufeststellung berechtigende wesentliche Änderung eingetreten sein muß - ob seit dem auf dem Gutachten vom 26. August 1948 beruhenden KBLG-Bescheid oder seit dem Umanerkennungsbescheid. Es ist aber offenbar davon ausgegangen, daß in den Fällen, in denen die Umanerkennung ohne ärztliche Untersuchung erfolgt ist, auf den dem Umanerkennungsbescheid unmittelbar vorausgehenden letzten Bescheid nach früherem Recht - also den KBLG-Bescheid - abzustellen ist. Dem ist zuzustimmen.

Zwar hat das BSG. an anderer Stelle (vgl. BSG. 7 S. 8 (11 f.) und das o.a. Urteil vom 22.4.1959) ausgesprochen, daß § 62 Abs. 1 BVG lediglich die Rücknahme solcher Verwaltungsakte ermöglichen solle, die bei ihrem Erlaß rechtmäßig gewesen und erst - durch Änderung der Sach- oder Rechtslage - nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden seien.

Auf den vorliegenden Fall angewandt würde das bedeuten, daß der Umanerkennungsbescheid auf Grund des § 62 Abs. 1 BVG nur dann zurückgenommen werden kann, wenn er durch eine Änderung, die nach seinem Erlaß eingetreten ist, fehlerhaft geworden ist. Der oben angeführten Rechtsprechung des BSG. ist grundsätzlich zuzustimmen. Wenn es sich aber bei dem zurückzunehmenden Verwaltungsakt um einen Umanerkennungsbescheid handelt, der nach § 86 Abs. 3 BVG ohne ärztliche Untersuchung ergangen ist und in dem Leidenszustand und Grad der MdE. aus dem vorhergehenden, nach früherem Recht erteilten Bescheid übernommen sind, so muß unter diesen ganz besonderen Umständen für die Frage, ob und seit wann eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der frühere Bescheid, also der dem Umanerkennungsbescheid vorhergehende Bescheid nach altem Recht, erlassen worden ist. Das Reichsversorgungsgericht (RVGer.) hat sich bei der Auslegung des § 57 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG), der dem § 62 Abs. 1 BVG entsprechenden Vorschrift des RVG, schon auf den gleichen Standpunkt gestellt (vgl. RVGerE . 5 S. 24 (27); 6 S. 117). Es hat dort ausgeführt, daß bei den nach § 2 des Gesetzes über die Versorgung der vor dem 1. August 1914 aus der Wehrmacht ausgeschiedenen Militärpersonen und ihrer Hinterbliebenen - Altrentnergesetz - (RGBl. I 1923 S. 542) ohne Nachuntersuchung erlassenen Umanerkennungsbescheiden nach dem RVG bei einer Neufeststellung der Versorgungsbezüge nicht der z.Zt. der Umanerkennung vorhandene, sondern derjenige Leidenszustand zum Vergleich herangezogen werden müsse, der für den letzten auf Grund der vor dem Mannschaftsversorgungsgesetz gültigen Gesetze ergangenen Bescheid maßgebend gewesen sei. Die Begründung des RVGer., der letzte unter der Herrschaft der bisherigen Versorgungsgesetze ergangene Bescheid und der Umanerkennungsbescheid seien dergestalt zu einer "Einheit" verschmolzen, daß das frühere Untersuchungsergebnis und seine Bewertung auch die Unterlage für die Bemessung der Rente nach dem Altrentnergesetz bilde, trifft sinngemäß im wesentlichen auch auf den vorliegenden Fall zu. Zwar hat das RVGer. die Verschmelzung auch damit begründen können, daß § 2 des Altrentnergesetzes im einzelnen bestimmt, wie bei einer Neufeststellung ohne Nachuntersuchung die bisherige Bewertung zu übernehmen sei. Diese ausdrückliche Regelung war aber seinerzeit im wesentlichen durch eine verschiedene Terminologie in der Bewertung der Schädigungsfolgen bedingt. Für eine entsprechende Regelung im BVG bestand kein Anlaß, so daß aus ihrem Fehlen kein besonderer Schluß gezogen werden kann. Die vom erkennenden Senat in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des RVGer. vertretene Ansicht steht nicht in Widerspruch zu der oben angeführten Rechtsprechung des BSG., insbesondere nicht zu dem Urteil des 11. Senats vom 22. April 1959. Dort handelte es sich nicht - wie im vorliegenden Falle - um eine Umanerkennung, sondern um eine Erstanerkennung, da die vorhergehende Entscheidung nach früherem Recht - ein OVA.-Urteil - keine Anerkennung einer Schädigungsfolge enthielt, sondern lediglich die Verurteilung zur Zahlung einer Rente nach einer MdE. um 30 v.H..

Die Feststellung des LSG., daß im vorliegenden Falle eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist und die durch Schädigungsfolgen bedingte MdE. nunmehr nur noch 20 v.H. beträgt, ist für das BSG. bindend (§ 163 SGG). Die Revision hat zwar ausgeführt, daß eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht eingetreten sei. In diesem Vorbringen könnte unter Umständen - auch wenn der Kläger die Verletzung formellen Rechts nicht ausdrücklich gerügt hat - eine Verfahrensrüge erblickt werden, die jedoch nicht ordnungsgemäß erhoben ist. Das Vorbringen läßt nicht einmal erkennen, welche Verfahrensmängel der Kläger rügen will - ob eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht oder eine Überschreitung des Rechts auf freie Beweiswürdigung oder beides. Zur Begründung hat sich die Revision lediglich auf das gesamte bisherige Vorbringen und die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils bezogen. Diese Begründung reicht aber nicht aus; aus ihr ist weder mit genügender Deutlichkeit zu entnehmen, welche verfahrensrechtliche Norm als verletzt angesehen wird, noch enthält sie eine substantiierte Darlegung, wodurch eine Verfahrensnorm im einzelnen verletzt sein soll.

Da somit die von der Revision erhobenen Rügen nicht durchgreifen und das angefochtene Urteil materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2325582

BSGE, 236

NJW 1960, 1125

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