Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzung für den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 - "nicht zu den in RVO § 165 Abs 1 Nr 3 bezeichneten Personen gehören" - war auch bei denjenigen Rentner erfüllt, die zwar die Vorversicherungszeit nach RVO § 165 Abs 1 Nr 3 aF erfüllten, aber nicht nach dieser Vorschrift versichert waren, weil sie gemäß RVO § 173 Abs 1 von der Versicherungspflicht befreit waren (Ergänzung zu BSG 1965-07-29 3 RK 93/64 = BSGE 23, 211 = SozR Nr 7 zu § 381 RVO ).

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelung des RVO § 1288 Abs 2 (AVG § 65 Abs 2) über die Fortsetzung des Rentenverfahrens nach dem Tode des Versicherten gilt für den Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers nach RVO § 381 Abs 4 sinngemäß.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1956-06-12, § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1956-06-12, § 173 Abs. 1 Fassung: 1945-03-17

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1) (K St.) werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Juni 1963, das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 3. Mai 1962 und der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 1961 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) vom 1. März 1959 an einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu zahlen. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Gründe

I

Oberlokomotivführer S. befand sich seit dem 1. Februar 1955 im Ruhestand. Seit diesem Zeitpunkt bezog er neben seinem Ruhegeld von der Deutschen Bundesbahn eine Invalidenrente von der Landesversicherungsanstalt (LVA). Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) G war er als Rentner gegen Krankheit pflichtversichert (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO - idF vor dem Finanzänderungsgesetz vom 21.12.1967 - BGBl. I, 1259 -). Durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 11. Oktober 1960 wurde rechtskräftig entschieden, daß er seit dem 28. Februar 1959 nicht mehr Mitglied der AOK ist, weil sein erklärter Austritt aus dieser Krankenkasse als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zu deuten sei und die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 RVO vorlägen. Mit Rücksicht auf seine freiwillige Mitgliedschaft bei der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten verlangte er von der beklagten LVA einen Zuschuß zur Rentner-Krankenversicherung nach § 381 Abs. 4 RVO. Die LVA lehnte dies durch Bescheid vom 3. Januar 1961 ab. Daraufhin erhob S. Klage. Das Sozialgericht (SG) verurteilte die LVA, nachdem diese sich geweigert hatte, ein Vorverfahren durchzuführen, binnen eines Monats einen Widerspruchsbescheid zu erlassen (Urteil vom 3. Mai 1962). Gegen dieses Urteil legte die LVA mit der Begründung Berufung ein, Streitigkeiten über die Gewährung von Beitragszuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung der Rentner seien keine Angelegenheiten der Krankenversicherung i.S. des § 80 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen. S. legte Anschlußberufung ein und beantragte, das Urteil des SG Braunschweig vom 3. Mai 1962 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 1961 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. März 1959 einen Beitragszuschuß in gesetzlicher Höhe zur Rentner-Krankenversicherung zu zahlen.

Durch Urteil vom 28. Juni 1963 hob das LSG auf die Berufung der LVA das Urteil des SG auf und wies die Klage gegen den Bescheid der LVA vom 3. Januar 1961 ab. Zur Begründung führte es unter Hinweis auf BSG 14, 112 aus: Eines Vorverfahrens bedürfe es nicht; die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 381 Abs. 4 RVO seien nicht erfüllt; S. gehöre zum Personenkreis des § 165 Abs.1 Nr. 3 RVO aF, weil er die Vorversicherungsbedingungen erfülle, für ihn bestehe keine Krankenversicherung auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften; denn die Bundesbahnbeamten-Krankenversorgung sei keine gesetzliche, sondern eine private Krankenversicherung. Daß S. sich nach § 173 Abs. 1 RVO von der Versicherungspflicht bei der AOK habe befreien lassen, ändere nichts an dem Umstand, daß er grundsätzlich zum Personenkreis des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF gehöre. Wer zu diesem Personenkreis gehöre, aber von dem ihm gebotenen gesetzlichen Versicherungsschutz keinen Gebrauch mache, sondern seine freiwillige Versicherung anderweit fortsetze, solle nicht durch § 381 Abs. 4 RVO geschützt werden.

Gegen dieses Urteil hat S. die zugelassene Revision eingelegt und sie wie folgt begründet: Mit der Beendigung seiner Pflichtmitgliedschaft bei der AOK sei seine Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF entfallen. Es komme nicht darauf an, ob er grundsätzlich zum Personenkreis des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF gehöre, sondern es seien die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, und es stehe fest, daß er infolge der Befreiung nicht mehr dem in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF angesprochenen Personenkreis zugerechnet werden könne.

S. ist am 23. Januar 1964 verstorben. Das Verfahren ist von seinen gesetzlichen Erben, nämlich von seiner Witwe und seinem Sohn, aufgenommen worden.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Braunschweig vom 3. Mai 1962 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 1961 aufzuheben und diese zu verurteilen, an sie als Rechtsnachfolger vom 1. März 1959 bis 31. Januar 1964 einen Beitragszuschuß in gesetzlicher Höhe zur Rentner-Krankenversicherung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die Revision ist begründet.

Das Revisionsverfahren, in dem es darum geht, ob die beklagte LVA den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO einem bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit Versicherten zu zahlen hat, der sich von der Rentner-Pflichtversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO) als Ruhegehaltsbezieher (§ 173 Abs. 1 RVO) hatte befreien lassen, mußte allein mit der Witwe des verstorbenen Klägers - als seiner Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 1288 Abs. 2 RVO - und nicht mit seinen bürgerlich-rechtlichen Erben, nämlich der Witwe und dem Sohn, fortgesetzt werden (BSG SozR Nr. 3 zu § 1288 RVO).

Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (BSG 14, 112, 113).

Nach § 381 Abs. 4 RVO - in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967-erhalten Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter erfüllen, aber nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Personen gehören, auf ihren Antrag von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung einen Beitragszuschuß. S. erfüllte - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die Vorversicherungsvoraussetzungen des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF. Zu Unrecht folgert die beklagte LVA jedoch hieraus, daß er allein deshalb "zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 ... bezeichneten Personen" im Sinne des § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO gehörte. Wie der Senat in BSG 23, 211, 212 näher dargelegt hat, erscheint es entgegen der Wortfassung allein sinngemäß, unter "den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten Personen" nur diejenigen zu verstehen, die tatsächlich nach der genannten Vorschrift versichert sind. Der Senat hat hieraus geschlossen, daß der Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - auch denjenigen zusteht, die zwar die Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF erfüllen, aber trotzdem nicht nach dieser Vorschrift versichert sind, weil § 165 Abs. 6 RVO Platz greift.

Im vorliegenden Fall ist der Befreiungsgrund zwar ein anderer. S. war seiner Versicherungspflicht als Rentenbezieher nicht über § 165 Abs. 6 RVO, sondern nach § 173 Abs. 1 RVO ledig geworden. Der tragende Grundgedanke der Entscheidung in BSG 23, 211, daß nicht schon das bloße Vorliegen der Voraussetzungen nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO, sondern nur das tatsächliche Versichertsein nach dieser Vorschrift den Anspruch auf den Beitragszuschuß ausschließt, bleibt aber auch in diesem Falle voll gewahrt. Nach dem Zweck des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner vom 12. Juni 1956 (KVdR), jedem Rentenempfänger einen Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen, sei es völlig auf Kosten, sei es wenigstens unter Beteiligung des Rentenversicherungsträgers (vgl. BSG aaO S. 212), ist es unerheblich, warum die Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers nach §§ 381 Abs. 2, 385 Abs. 2 RVO entfällt und an ihre Stelle die Beitragszuschußpflicht nach § 381 Abs. 4 RVO tritt.

Demnach gehörte S. nicht "zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten Personen" im Sinne des § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO. Auch die weitere Voraussetzung für den Beitragszuschuß, daß er bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert war (§ 381 Abs. 4 Satz 2 RVO), war erfüllt: Die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten ist ein solches Unternehmen (BSG 14, 116, 118).

Nach allem waren die Vorentscheidungen aufzuheben und die beklagte LVA zu verurteilen, an die Witwe des verstorbenen Klägers als Sonderrechtsnachfolgerin ab 1. März 1959 einen Beitragszuschuß in gesetzlicher Höhe gemäß § 381 Abs. 4 RVO zu zahlen. Da der Sohn des verstorbenen Klägers zwar nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften erbberechtigt ist, die Sonderrechtsnachfolge nach § 1288 Abs. 2 RVO aber vorgeht, mußte bezüglich seiner Person die Revision zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284702

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