Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung - Krankenhausbehandlung - Nichtvorliegen einer Kombinationsleistung iS des Sonderentgelts 21.02 - Linksherzkatheteruntersuchung - Ballon-Dilatation - Auslegung von Vergütungsregelungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kombinationsleistung iS des Sonderentgelts 21.02 liegt nicht vor, wenn die Herzkatheteruntersuchung und die Erweiterung der Herzkranzgefäße (Ballon-Dilatation) während eines stationären Aufenthalts an verschiedenen Tagen durchgeführt werden.
2. Die Krankenhausbehandlung ist in solchen Fällen nach den Sonderentgelten 21.01 und 20.02 abzurechnen.
Normenkette
KHG § 17 Abs. 2a, § 16 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1997-06-23; BPflV 1994 § 14 Abs. 6 S. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2, § 11 Abs. 2, 2 Anlage 2
Beteiligte
DIE BKK POST –Hauptverwaltung– |
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. Februar 2001 und des Sozialgerichts Gotha vom 31. August 2000 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 670,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 15. März 1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
I
Es ist streitig, ob der Klägerin ein weiterer Vergütungsanspruch für Krankenhausleistungen in Höhe von 1.311,51 DM (jetzt: 670,56 Euro) zusteht.
Die Klägerin betreibt die Klinik B. die in den Krankenhausplan des Landes Thüringen aufgenommen ist und der Krankenhausgesellschaft Thüringen angehört. Das Mitglied der Beklagten E. (Versicherter) befand sich dort in der Zeit vom 25. Januar bis zum 1. Februar 1999 wegen Herz- und Kreislaufbeschwerden in stationärer Behandlung. Am 26. Januar 1999 erfolgte eine Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie und am 29. Januar 1999 eine koronare Ballon-Dilatation (PTCA).
Die Klägerin stellte mit Schreiben vom 11. Februar 1999 neben den Abteilungs- und Basispflegesätzen für die Linksherzkatheteruntersuchung das Sonderentgelt 21.01 (1.651,97 DM) und für die Ballon-Dilatation das Sonderentgelt 20.02 (6.696,30 DM) in Rechnung. Die Beklagte zahlte neben den Pflegesätzen an Stelle der Sonderentgelte 21.01 und 20.02 das Sonderentgelt 21.02 (7.036,76 DM), mithin einen um 1.311,51 DM reduzierten Betrag (Klageforderung). Sie vertrat die Ansicht, wenn während eines stationären Aufenthalts neben einer Linksherzkatheteruntersuchung eine koronare Ballon-Dilatation durchgeführt werde, komme nach den Bestimmungen der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) insgesamt nur eine Vergütung nach dem Sonderentgelt 21.02 in Betracht. Dies gelte unabhängig davon, ob beide Maßnahmen gleichzeitig (ein Eingriff) oder an verschiedenen Tagen (zwei Eingriffe) durchgeführt werden. Die Klägerin meint hingegen, die Sonderentgelte 21.01 und 20.02 seien dann nebeneinander abrechenbar, wenn – wie hier – beide Maßnahmen nicht gleichzeitig durchgeführt worden sind und dies aus medizinischen Gründen geboten gewesen sei. Die Beklagte hat das Vorliegen solcher Gründe vorsorglich bestritten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. August 2000), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 28. Februar 2001). Beide Gerichte sind der Rechtsauffassung der Beklagten gefolgt, das Sonderentgelt 21.02 umfasse auch die getrennte Durchführung beider Maßnahmen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Auslegung der Sonderentgelt-Bestimmungen durch das LSG als Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs 1 Nr 1 iVm § 14 Abs 3 BPflV). Bei medizinisch gebotener getrennter Durchführung beider Maßnahmen habe die Vergütung nach den Sonderentgelten 21.01 und 20.02 zu erfolgen. Das Sonderentgelt 21.02 sei nur einschlägig, wenn beide Maßnahmen während des gleichen Eingriffs durchgeführt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Thüringer LSG vom 28. Februar 2001 und des SG Gotha vom 31. August 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 670,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. März 1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1, 165 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie hat zutreffend die Vergütung nach den Sonderentgelten 21.01 und 20.02 berechnet. Die Beklagte hat deshalb über den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 10.228,69 DM hinaus weitere 1.311,51 DM (jetzt: 670,56 Euro) zu vergüten.
Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass bereits durch die Inanspruchnahme der Krankenhausbehandlung als Sachleistung durch den Versicherten (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V iVm § 39 Abs 1 SGB V) in dem nach § 108 Nr 2 SGB V zugelassenen Krankenhaus (Plankrankenhaus) unmittelbar eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin begründet worden ist (vgl hierzu Urteil des Senats vom 21. November 1991 – 3 RK 32/89 – BSGE 70, 20, 22 = SozR 3-2500 § 39 Nr 1; Hess in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: August 2000, § 109 SGB V RdNr 8). Die Krankenhausbehandlung war notwendig. Ein Vertragsarzt hatte die Erforderlichkeit der stationären Behandlung mittels Verordnung (vgl §§ 73 Abs 2 Nr 7, Abs 4; 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V) bescheinigt; das Behandlungsziel konnte nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V).
Den Rechtsausführungen der Vorinstanzen zur Höhe des Vergütungsanspruchs vermag der Senat aber nicht zu folgen. Grundlage des Vergütungsanspruchs sind die nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der BPflV getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 26. April 2001 – B 3 KR 16/00 R – SozR 3-5565 § 14 Nr 1). Nach § 16 Satz 1 Nr 1 KHG in der hier maßgeblichen Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1997 (BGBl I S 1520) erlässt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften über die Krankenhauspflegesätze, die grundsätzlich die Vergütung nach der Anzahl der Behandlungstage bemessen und für alle Benutzer einheitlich zu berechnen sind (§ 17 Abs 1 Satz 1, Abs 2 KHG). Nach § 17 Abs 2a KHG sind für die Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen schrittweise Fallpauschalen und Sonderentgelte einzuführen (Satz 1), die bis zum 31. Dezember 1997 in der Rechtsverordnung nach § 16 Satz 1 Nr 1 KHG bestimmt wurden (Satz 2). Erstmals für den – der Leistungszeit (25. Januar bis 1. Februar 1999) unmittelbar vorausgehenden – Pflegesatzzeitraum 1998 sollten die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung vereinbaren (Satz 3). Die Entgeltkataloge sind für diejenigen Krankenhausträger unmittelbar verbindlich, die Mitglieder einer Landeskrankenhausgesellschaft sind; andernfalls sind die Entgeltkataloge der Pflegesatzvereinbarung zu Grunde zu legen (Satz 6). Die in der Rechtsverordnung bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte gelten ab 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart (Satz 7). Die Vereinbarung weiterer Fallpauschalen und pauschalierter Sonderentgelte durch die in Satz 3 genannten Träger der Selbstverwaltung ist möglich (Satz 9). Mit den Fallpauschalen werden die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet (Satz 10). Zur Vergütung der Leistungen des Krankenhauses, die nicht durch Fallpauschalen oder Sonderentgelte erfasst werden, sind tagesgleiche Abteilungspflegesätze als Entgelt für ärztliche und pflegerische Leistungen und ein für das Krankenhaus einheitlicher Basispflegesatz als Entgelt für sonstige Leistungen vorzusehen (Satz 12).
Die auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung des § 16 Satz 1 KHG erlassene BPflV vom 26. September 1994 (BGBl I S 2750) hat diese gesetzlichen Vorgaben unter teilweiser Wiederholung präzisiert. Sonderentgelte, um die es hier allein geht, sind nach § 10 Abs 1 iVm § 11 Abs 2 BPflV neben den Fallpauschalen (§ 11 Abs 1 BPflV), dem Gesamtbetrag (Budget, § 12 BPflV) und tagesgleichen Pflegesätzen (§ 13 BPflV) ein Element der Vergütung allgemeiner Krankenhausleistungen iS des § 2 Abs 2 BPflV. Zur Konkretisierung der Fallpauschalen und Sonderentgelte legte die Bundesregierung als Verordnungsgeber zum 1. Januar 1995 gemäß den Anlagen zu § 11 BPflV Entgeltkataloge und differenzierte Punktzahlen fest, die bis zum 31. Dezember 1997 zwingenden Rechtsnormcharakter hatten (vgl Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Stand: Dezember 2000, § 15 BPflV Anm 2.1). Seit dem 1. Januar 1998 gelten die Fallpauschalen und Sonderentgelte nach § 17 Abs 2a Satz 7 KHG idF vom 23. Juni 1997 als zwischen den Trägern der Selbstverwaltung (§ 17 Abs 2a Satz 3 und 6 KHG) vertraglich vereinbart. Die Entgelt-Kataloge sind seit diesem Zeitpunkt nicht mehr rechtlicher Bestandteil der BPflV; Gleiches gilt für die – nunmehr den Entgelt-Katalogen vorangestellten – Abrechnungsbestimmungen. Beide Komplexe sind der Selbstverwaltung auf Bundesebene zur eigenverantwortlichen Weiterentwicklung übertragen worden (vgl Tuschen, Krankenhaus Umschau 1997, 877, 878 sowie Tuschen/Quaas, BPflV, 5. Aufl 2001, S 337). Der Begriff „Sonderentgelt-Katalog” (Anlage 2 zu § 11 Abs 2 BPflV) wurde zeitgleich ersetzt durch den Begriff „Bundesweiter Sonderentgelt-Katalog für Krankenhäuser”. Nach § 11 Abs 2 BPflV idF der ebenfalls zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen 5. Änderungsverordnung zur BPflV vom 9. Dezember 1997 (BGBl I S 2874) wird mit den Sonderentgelten ein Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen für einen in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs 1 Nr 1 oder § 16 Abs 2 BPflV bestimmten Leistungskomplex eines Behandlungsfalles vergütet. Nach § 15 Abs 1 Nr 1 BPflV ist es den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene überlassen, mit Wirkung für die Vertragsparteien in dem jeweiligen Bundesland die bundesweit geltenden Entgeltkataloge für Fallpauschalen und Sonderentgelte nach § 17 Abs 2a KHG und deren Weiterentwicklung einschließlich der Abrechnungsbestimmungen zu vereinbaren.
Sonderentgelte werden nach Nr 1 der – dem Sonderentgelt-Katalog vorangestellten – Abrechnungsbestimmungen für die im Entgeltkatalog bestimmten Leistungskomplexe berechnet. Nach Nr 2 Satz 1 der Abrechnungsbestimmungen ist maßgeblich für die Zuordnung eines Patienten zu einem Sonderentgelt und damit für die Abrechenbarkeit des Entgelts der im Entgeltkatalog ausgewiesene Leistungskomplex. Dabei gilt gemäß Nr 2 Satz 2 für die Bestimmung des maßgebenden Sonderentgelts (Spalte 1) folgende Rangfolge der Definitionen:
- der Operationenschlüssel nach dem OPS-301 (Spalte 4);
- der Diagnosenschlüssel nach der ICD (Spalte 3), soweit ein solcher vorgegeben ist, um Sonderentgelte voneinander abzugrenzen, für die in Spalte 4 dieselbe operative Leistung ausgewiesen ist;
- die Textdefinition (Spalte 2); sie ist maßgeblich, soweit eine nähere Definition der Sonderentgelte mit den Schlüsseln nach Spalte 4 und 3 nicht dargestellt werden kann und somit nur aus der Textfassung hervorgeht.
Der Sonderentgelt-Katalog in der für das Leistungsjahr 1999 maßgebenden Fassung sieht ua folgende Sonderentgelte vor:
Das Sonderentgelt 20.02 (Kapitel II Sonstige therapeutische Maßnahmen, Gruppe 20: Maßnahmen für den Blutkreislauf) betrifft nach OPS-301 (Spalte 4) die Leistung 8-837.0 (Angioplastie, Ballon) mit folgender Definition (Spalte 2):
„Dilatation eines oder mehrerer koronarer Gefäße (PTCA): Perkutane, transluminale Dilatation und Rekanalisation von Koronararterien, einschließlich der Kontrastmitteleinbringung und Durchleuchtungen während des Eingriffs bei Ein- und Mehrgefäßerkrankungen, ggf auch mehrfach während des stationären Aufenthalts, einschließlich erforderlicher Kontrollangiographien und Reinterventionen.”
Das Sonderentgelt 21.01 (Kapitel III Diagnostische Maßnahmen, Gruppe 21: Untersuchungen der Körpersysteme) betrifft nach OPS-301 die Leistungen 1-275.0 bis 2 (1-275.0 Koronarangiographie, Druckmessung und Ventrikulographie; 1-275.1 Koronarangiographie, Druckmessung in der Aorta und Aortenbogendarstellung; 1-275.2 Koronarangiographie, Druckmessung in der Aorta) und wird wie folgt definiert:
„Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie, ggf mit Anlage eines temporären Schrittmachers, einschließlich der Kontrastmitteleinbringung und Durchleuchtungen während des Eingriffs, ggf auch mehrfach während des stationären Aufenthalts, soweit nicht während des gleichen Eingriffs eine Dilatation durchgeführt wird.”
Das Sonderentgelt 21.02 (Kapitel III Diagnostische Maßnahmen, Gruppe 21: Untersuchungen der Körpersysteme) betrifft nach OPS-301 ebenfalls die Leistungen 1-275.0 bis 2, jedoch kombiniert mit der Leistung 8-837.0; es wird definiert als:
„Linksherzkatheteruntersuchung bei Ein- und Mehrgefäßerkrankungen mit Koronarangiographie und Dilatation eines oder mehrerer koronarer Gefäße (PTCA), ggf mit Anlage eines temporären Schrittmachers, einschließlich der Kontrastmitteleinbringung und Durchleuchtungen während des Eingriffs, ggf auch mehrfach während des stationären Aufenthalts, nicht zusätzlich abrechenbar zu den Sonderentgelten 20.02 und 21.01.”
Die Spalte 3 (Diagnosenschlüssel nach der ICD) enthält jeweils keine Eintragungen.
Gegen die Verbindlichkeit der genannten Sonderentgelte und Abrechnungsbestimmungen für die Beteiligten bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken. Mit der bereits erwähnten 5. Änderungsverordnung zur BPflV ist das Ziel gesetzt worden, den Fallpauschalenkatalog und die Abrechnungsbestimmungen der Selbstverwaltung (durch die Spitzenverbände der Krankenkassen, den Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft) „zu übertragen und somit aus der Verordnung herauszunehmen” (BR-Drucks 802/97, S 60, zu Nr 20). Mit der gesetzlichen Anweisung in § 17 Abs 2a Satz 7 KHG, dass die in der BPflV bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte ab 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart zu gelten haben, hat der Gesetzgeber deren Fortgeltung bis zu einer vertraglichen Änderung angeordnet. Die Selbstverwaltung hat aber die einschlägigen Sonderentgelt-Regelungen und Abrechnungsbestimmungen bis zu dem hier betroffenen Zeitraum nicht geändert.
Die Klägerin hat die erbrachten Krankenhausleistungen zu Recht nach den Sonderentgelten 20.02 und 21.01 berechnet. Das Sonderentgelt 21.02 betrifft nur Fälle der gleichzeitigen Durchführung der Linksherzkatheteruntersuchung und der Ballon-Dilatation. Dies ergibt sich aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang der Vergütungsregelung.
Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach systematischem Zusammenhang, auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (so bereits Urteil des Senats vom 13. Dezember 2001 – B 3 KR 1/01 R – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sofern sich in der Praxis erweist, dass es dabei zu Bewertungsunstimmigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten kommt, ist es Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, dies durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen- bzw Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben (§ 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BPflV). Kommt es dabei zu keiner Einigung, ist zunächst die Schiedsstelle nach § 18a Abs 6 KHG anzurufen (§ 15 Abs 4 BPflV), bevor sich die Gerichte mit Fragen der Angemessenheit von Vergütungen befassen können. Dabei sind die Entscheidungen der Schiedsstelle nur beschränkt überprüfbar (vgl BSGE 20, 73, 76 ff = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1). Dies entspricht auch der Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Auslegung von Abrechnungsbestimmungen im vertragsärztlichen Bereich (vgl BSG SozR 3-5533 Nr 7103 Nr 1 mwN).
Die – vorrangig heranzuziehenden – Abrechnungsbestimmungen des Sonderentgelt-Katalogs enthalten zu der hier relevanten Abrechnungsfrage keine Regelung. Zu den Sonderentgelten der Kapitel II (Gruppe 20) und III (Gruppe 21) sind in Nr 5 der Abrechnungsbestimmungen zwar zahlreiche Konstellationen bezüglich der Sonderentgelte 20.01, 20.02, 21.01 und 21.02 aufgeführt, die ausdrücklich als abrechnungsfähig oder ausdrücklich als nicht abrechnungsfähig erklärt worden sind („konsentierte Abrechnungskonstellationen”). Zu der hier interessierenden Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Sonderentgelte 20.02 und 21.01 nebeneinander abrechnungsfähig sind, ist dort jedoch keine Regelung getroffen worden. Ebenso wenig enthalten die Abrechnungsbestimmungen eine Vorschrift, dass bei Durchführung der Leistungen 1-275.0 bis 2 sowie 8-837.0 während eines stationären Aufenthalts stets nur das Sonderentgelt 21.02 abrechnungsfähig ist. Es finden sich dort lediglich Bestimmungen, nach denen die Sonderentgelte 20.02 einerseits und 21.01 andererseits jeweils nicht mit dem Sonderentgelt 21.02 parallel abgerechnet werden können. Darum geht es hier aber nicht.
Die Frage der parallelen Abrechnung der Sonderentgelte 21.01 und 20.02 ist von den Trägern der Selbstverwaltung in den Abrechnungsbestimmungen bewusst offen gelassen worden. In der Sitzung des Koordinierungsausschusses am 17. September 1998 haben die Vertreter der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes der privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft keine Einigung über den auf Arbeitsebene vorbereiteten Beschlussvorschlag erzielen können, nach dem die Parallelabrechnung möglich sein sollte, „wenn zunächst die Leistung nach 21.01 und in einem erneuten Eingriff die Leistung nach 20.02 erbracht wird” (vgl Nachweis bei Vollmer/Vollmer, BPflV, Stand April 1999, Bundesregelungen, Ordnungsnummer 1015 S 30, 31).
Lediglich in einem Bundesland, nämlich in Baden-Württemberg, scheint die Frage geklärt zu sein. Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft, die Verbände der Krankenkassen des Landes Baden-Württemberg und der Landesausschuss des Verbandes der privaten Krankenversicherung haben sich am 18. Januar 2000 in einer „Gemeinsamen Absprache III” für die Zeit ab dem Jahr 2000 darauf verständigt, die parallele Abrechnung der Sonderentgelte 21.01 und 20.02 nicht zuzulassen (vgl Schaubild zu den Abrechnungsregeln im Teil F der Gemeinsamen Absprache III, abgedruckt bei Dietz/Bofinger, aaO, S 651). Die Träger der Selbstverwaltung in Baden-Württemberg verstehen den Begriff der „kombinierten” Durchführung der Maßnahmen 1-275.0 bis 2 und 8-837.0 offenbar – ebenso wie die Beklagte und Teile des Schrifttums (Strehlau-Schwoll, Handbuch zur Abrechnung von Krankenhausleistungen, Stand Dezember 1999, Teil III RdNr 2 zu SE 21.02) – in dem Sinne, dass es nicht darauf ankommt, ob beide Maßnahmen während eines stationären Aufenthalts des Versicherten gleichzeitig (in einem Eingriff) oder an verschiedenen Tagen (in zwei Eingriffen) vorgenommen werden. Nur so lässt sich das Verbot der parallelen Abrechnung der Sonderentgelte 21.01 und 20.02 gemäß den vereinbarten Abrechnungsregeln des Schaubildes aus der ausdrücklichen Vereinbarung ableiten, bei „kombinierter” Erbringung der Leistungen 20.02 und 21.01 werde das Sonderentgelt 21.02 abgerechnet, jedoch nur einmal während eines Krankenhausaufenthalts (vgl Nachweis bei Dietz/Bofinger aaO). Inhaltlich widerspricht diese Auslegung des Begriffs der „kombinierten” Durchführung beider Maßnahmen den Vorgaben des Sonderentgelt-Katalogs, wie noch auszuführen sein wird. Die Frage, ob die „Gemeinsame Absprache” der Träger der Selbstverwaltung in Baden-Württemberg insoweit dennoch wirksam ist, insbesondere ob sie den Anforderungen des § 16 BPflV („Vereinbarungen auf Landesebene”) genügt, braucht indes nicht entschieden zu werden, weil sie nicht in den fünfzehn anderen Bundesländern gilt. Sie ist also auch nicht für das hier betroffene Land Thüringen maßgebend.
Der parallelen Abrechnung der Sonderentgelte 21.01 und 20.02 steht nicht die Bestimmung des § 14 Abs 6 Satz 2 Nr 1 BPflV entgegen, nach der zusätzlich zu einem Sonderentgelt ein weiteres Sonderentgelt nur in den Fällen berechnet werden darf, in denen dies in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs 1 Nr 1 und § 16 Abs 2 BPflV zugelassen ist, sowie bei der Behandlung von Blutern (§ 11 Abs 2 Satz 3 BPflV). Bei rein wörtlichem Verständnis dieser Vorschrift wäre die parallele Abrechnung der Sonderentgelte 21.01 und 20.02 allerdings nur zulässig, wenn dies im Sonderentgelt-Katalog selbst oder in den vorangestellten Abrechnungsbestimmungen ausdrücklich zugelassen worden wäre. Eine solche Auslegung wäre jedoch verfehlt; die lückenlose Auflistung aller überhaupt vorstellbaren Fälle der Verwirklichung zweier oder mehrerer Leistungskomplexe während einer stationären Behandlung ist mit der Regelung offenkundig nicht bezweckt. Nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinnzusammenhang betrifft die mit der 5. Änderungsverordnung zur BPflV geschaffene Regelung des § 14 Abs 6 Satz 2 Nr 1 BPflV nur die Frage der doppelten Abrechnung desselben Sonderentgelts bei Wiederholung einer medizinischen Maßnahme sowie die Frage der Abrechnung zweier verschiedener Sonderentgelte im Falle der gleichzeitigen, also in einem Eingriff zusammengefassten Durchführung zweier Maßnahmen (vgl hierzu Tuschen, Krankenhaus Umschau 1997, 877, 879). Dementsprechend heißt es in Nr 3 der Abrechnungsbestimmungen, zusätzlich zu einer Fallpauschale (§ 14 Abs 6 Satz 1 Nr 1 BPflV) oder zu einem Sonderentgelt (§ 14 Abs 6 Satz 2 Nr 1 BPflV) für Operationen (Kapitel I des Sonderentgelt-Katalogs) dürfe ein weiteres Sonderentgelt nur berechnet werden bei einer Operation an einem anderen Operationstermin, bei einer Operation an demselben Operationstermin, wenn der Eingriff in einem anderen Operationsgebiet über einen gesonderten Operationszugang vorgenommen wird (zB Operation eines beidseitigen Leistenbruchs), bei einer Rezidiv-Operation (Wiederkehren der ursprünglichen Erkrankung; nicht bei Komplikationen) während desselben Krankenhausaufenthalts sowie bei Leistungen, bei denen dies aus der Leistungsdefinition hervorgeht (so genannter Positiv-Katalog, vgl Tuschen/Quaas aaO S 338). Soweit Sonderentgelte für Leistungskomplexe vorgesehen sind, die inhaltlich klar voneinander zu trennen sind, sich nicht überschneiden und die – wie hier – nicht gleichzeitig ausgeführt werden, ist die ausdrückliche Anordnung der parallelen Abrechenbarkeit der in Betracht kommenden Sonderentgelte nicht erforderlich; die Vorschrift des § 14 Abs 6 Satz 2 Nr 1 BPflV ist in diesem Sinne einengend auszulegen.
Nach der Rangfolge der Definitionen gemäß Nr 2 der Abrechnungsbestimmungen ist bei Fehlen ausdrücklicher Sonderregelungen in der BPflV und den Abrechnungsbestimmungen zunächst der OPS-301 (Spalte 4) maßgebend. Dabei „kombiniert” das Sonderentgelt 21.02 nach dem Operationenschlüssel die Leistungen 1-275.0 bis 2 (Linksherzkatheteruntersuchung) mit der Leistung 8-837.0 (Ballon-Dilatation), die sonst als Einzelleistungen bzw separate Leistungskomplexe in den Sonderentgelten 20.02 und 21.01 genannt sind. Weitere textliche Hinweise zum Begriff „Kombination” gibt es nicht. Damit bleibt nach dem reinen Wortsinn offen, ob die Einzelleistungen gleichzeitig erbracht werden müssen oder ob es ausreicht, dass sie während eines stationären Aufenthalts erbracht werden. Der Begriff „kombiniert” schließt – isoliert betrachtet – beide Möglichkeiten ein, auch wenn ein Verständnis im Sinne eines zeitlichen Zusammenfallens näher liegen mag.
Der Wortgebrauch spricht jedoch im systematischen Zusammenhang entscheidend dafür, dass der Begriff „kombiniert” nur die gleichzeitige Durchführung beider Maßnahmen, also die Zusammenfassung in einem Eingriff, meint, nicht aber (auch) die getrennte Durchführung in zwei Eingriffen während eines stationären Aufenthalts. Der Begriff „kombiniert” wird in der Spalte 4 bei zahlreichen Sonderentgelten zu operativen Maßnahmen verwendet. Er bedeutet dort ausnahmslos, dass zwei oder mehrere Einzelmaßnahmen gleichzeitig ausgeführt, also in einem Eingriff zusammengefasst werden. Dementsprechend ist nach Nr 3 der Abrechnungsbestimmungen die Abrechnung eines weiteren Sonderentgelts grundsätzlich untersagt, wenn neben einer durch eine Fallpauschale oder ein Sonderentgelt abgegoltenen Maßnahme während des gleichen Operationstermins eine zusätzliche Maßnahme ausgeführt wird. Ein derartiger Zusatzaufwand ist von vornherein in die Bewertungsrelationen der Entgeltkataloge einkalkuliert worden (Tuschen, Krankenhaus Umschau 1997, 877, 880). Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Verordnungsgeber habe den Begriff „kombiniert” beim Sonderentgelt 21.02 anders verstanden als bei den Sonderentgelten für die Operationen.
Bestätigt wird diese am Operationenschlüssel der Spalte 4 orientierte Auslegung der Vergütungsregelung durch die – nach Nr 2 der Abrechnungsbestimmungen bei etwaigen Zweifeln in einem nächsten Schritt heranzuziehenden – Entgeltdefinitionen der Spalte 2. Hieraus ergibt sich ebenfalls, dass die Sonderentgelte 20.02 und 21.01 nebeneinander abgerechnet werden können, wenn beide Maßnahmen getrennt voneinander durchgeführt worden sind, während das Sonderentgelt 21.02 nur die gleichzeitige Durchführung beider Maßnahmen betrifft.
Dafür spricht vor allem die Textdefinition zum Sonderentgelt 21.01, wonach die Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie nicht nach diesem Entgelt zu vergüten ist, wenn „während des gleichen Eingriffs” eine Dilatation durchgeführt wird. Ist dies der Fall, wird das Sonderentgelt 21.02 fällig. Abgestellt wird somit allein auf die Gleichzeitigkeit der Dilatation, nicht aber darauf, dass diese noch während des gleichen stationären Aufenthalts vorgenommen wird. Die Entgeltdefinitionen unterscheiden deutlich zwischen den Eingriffen und dem stationären Aufenthalt. Auch die Überlegungen zur Neufassung der Entgeltkataloge halten an der gleichzeitigen bzw getrennten Durchführung medizinischer Maßnahmen als maßgeblichem Differenzierungskriterium fest (vgl Gutachten zur Weiterentwicklung der Fallpauschalen und Sonderentgelte nach der BPflV, Bd 93 der Schriftenreihe des BMG, Stand September 1997, S I-81 ff, S II-36 ff).
Weiterhin spricht die Textdefinition des Sonderentgelts 21.02 selbst für die Abrechnung nach den Sonderentgelten 20.02 und 21.01 bei getrennten Eingriffen. Der Hinweis, das Sonderentgelt 21.02 sei „nicht zusätzlich abrechenbar zu den Sonderentgelten 20.02 und 21.01”, legt nahe, dass die Sonderentgelte 20.02 und 21.01 nebeneinander abgerechnet werden können. Denn nur dann ergibt der Hinweis einen Sinn. Da das Sonderentgelt 21.02 höher ist als die einzelnen Sonderentgelte 20.02 und 21.01, aber niedriger als die Summe der Entgelte 20.02 und 21.01, kann kaum gemeint sein, dass das höhere Sonderentgelt 21.02 „nicht zusätzlich abrechenbar” ist zu dem jeweils niedrigeren Sonderentgelt 20.02 und 21.01, sondern es entfällt bei paralleler Abrechnung der insgesamt höheren Sonderentgelte 20.02 und 21.01. Der umgekehrte Fall, nämlich das Verbot der parallelen Abrechnung der jeweiligen Sonderentgelte 20.02 und 21.01 neben dem Sonderentgelt 21.02, ergibt sich bereits unmittelbar aus den Abrechnungsbestimmungen (Nr 5).
Der parallele Ansatz der Sonderentgelte 20.02 und 21.01 ist demnach rechtlich möglich. Die getrennte Durchführung der Maßnahmen war auch medizinisch notwendig. Die Klägerin hat in ihren Schriftsätzen an das SG vom 8. August 2000 und an das LSG vom 12. Oktober 2000 vorgetragen, die gleichzeitige Durchführung beider Maßnahmen sei hier „nicht angezeigt” gewesen. Sie hat dazu zwar nur allgemein Faktoren aufgezählt, die für die Entscheidung des behandelnden Krankenhausarztes von Bedeutung sein können. Dies reicht hier aber aus. Die Entscheidung des behandelnden Krankenhausarztes begründet („prima facie”) den Beweis des ersten Anscheins, dass die getrennte Durchführung beider Maßnahmen nach den Gegebenheiten des Falles medizinisch angezeigt gewesen ist (vgl Urteil des Senats vom 13. Dezember 2001 – B 3 KR 11/01 R – zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Eine solche Vermutung kann nur durch substantiierte Ausführungen erschüttert werden, nach denen die Entscheidung des Krankenhausarztes schon aus damaliger Sicht, also nicht erst im Nachhinein, medizinisch unvertretbar gewesen sein könnte. An solchen substantiierten Darlegungen der Beklagten fehlt es hier. Die Beklagte hat lediglich das Fehlen konkreter Angaben der Klägerin, und zwar erst mit ihrem Schriftsatz vom 5. Dezember 2000, bemängelt und „vorsorglich” bestritten, dass die Trennung beider Eingriffe medizinisch geboten gewesen sei. Dies reicht zu einer Erschütterung der für die Klägerin sprechenden Vermutung der medizinischen Angemessenheit des Vorgehens des Krankenhausarztes nicht aus.
Der Zinsanspruch folgt aus § 18 Abs 1 und 3 des Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs 2 Nr 1 SGB V) für das Land Thüringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 725964 |
SozR 3-5565 § 15, Nr. 1 |