Leitsatz (amtlich)
1. Mitglieder und Angestellte des Hessischen Bauernverbandes gehören nicht zu den in SGG § 166 Abs 2 vor dem BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten; er ist keine Vereinigung von Arbeitgebern, sondern ein berufsständischer Zusammenschluß, der auch andere Mitglieder aufnimmt.
2. Die rechtsirrige Bewilligung von Altersgeld an einen ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer hat keine Bindungswirkung für den Anspruch seiner Witwe auf Altersgeld (GAL § 25 Abs 1 und 4 aF). Vielmehr sind dessen Voraussetzungen ohne Rücksicht auf die frühere Bewilligung selbständig zu prüfen.
Leitsatz (redaktionell)
Nach GAL § 8 Abs 7 aF von der Beitragspflicht befreiter Unternehmer:
Auch ein nach GAL § 8 Abs 7 aF von der Beitragspflicht befreiter Unternehmer ist deshalb kein beitragspflichtiger Unternehmer iS des GAL § 25 Abs 1 und 4 aF. Die Rechtslage hat sich jedoch vom 1.1.1962 an geändert.
Normenkette
SGG § 77 Fassung: 1953-09-03, § 166 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; GAL § 25 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27, Abs. 4 Fassung: 1957-07-27, § 8 Abs. 7 Fassung: 1957-07-27
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Juli 1961 und des Sozialgerichts Fulda vom 21. November 1960 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen, soweit es sich um die Ansprüche auf Witwenaltersgeld für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis zum 31. Dezember 1961 handelt.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der ... 1960 verstorbene Ehemann der Klägerin hätte im Juni 1958 die Beklagte um Übersendung eines Antragsformulars für die Gewährung von Altersgeld gebeten und dabei mitgeteilt, sein Sohn sei noch keine 24 Jahre alt. Durch notariellen Vertrag vom 1. März 1959 übergab er dann sein 6,86 ha großes landwirtschaftliches Unternehmen seinem Sohn. Anschließend beantragte er die Gewährung von Altersgeld. Durch "Mitteilung" vom 18. März 1959 gab die Beklagte diesem Antrag statt. Nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin hob die Beklagte am 6. Mai 1960 die Bewilligung des Altersgeldes wieder auf, weil der Verstorbene infolge jugendlichen Alters des Hoferben gemäß § 8 Abs. 7 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) -GAL aF- beitragsfrei gewesen sei und deshalb keinen Anspruch auf Altersgeld gehabt habe (§ 25 GAL aF); die Zahlung des Altersgeldes müsse deshalb vom 1. März 1960 an eingestellt und das gezahlte Altersgeld zurückgefordert werden. Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Mannes und beantragte gleichzeitig die Bewilligung von Altersgeld für ihre Person. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 1960 mit der gleichen Begründung wie im Bescheid vom 6. Mai 1960 ab.
Auf die Klage hin hob das Sozialgericht (SG) den Bescheid vom 23. Mai 1960 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin für die Monate März und April ein Altersgeld von 60,-- DM und vom 1. Mai 1960 an ein solches von 40,-- DM monatlich zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie nahm sie später zurück, soweit sie zur Zahlung von Altersgeld für die Monate März und April an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes verurteilt worden war. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten zurück (Urteil vom 18. Juli 1961). Zur Begründung führte es aus, durch die Teilrücknahme der Berufung bezüglich des Altersgeldes für die Monate März und April 1960 sei das Urteil des SG insoweit rechtskräftig geworden; es stehe damit fest, daß der Ehemann der Klägerin Anspruch auf Altersgeld bis zu seinem Tode hatte. Die Bindung des Bescheides vom 18. März 1959 und die Rechtskraft des sozialgerichtlichen Urteils bedeuteten, daß die Frage, ob der Ehemann der Klägerin anspruchsberechtigt nach § 25 GAL aF gewesen sei, nicht mehr anders entschieden werden könne; das gelte auch für den Anspruch auf Witwenaltersgeld. Voraussetzung für einen abgeleiteten Anspruch auf Witwenaltersgeld nach § 3 GAL aF, der im Rahmen des § 25 GAL aF anwendbar sei, wäre, daß der verstorbene Ehegatte Anspruch auf Altersgeld hatte und die Ehe vor Vollendung des 65. Lebensjahres geschlossen worden sei. Da somit alle Voraussetzungen des § 3 GAL aF erfüllt seien, stehe der Klägerin ein Anspruch auf Witwenaltersgeld zu. Las LSG ließ die Revision zu.
Die Beklagte legte gegen das am 4. August 1961 zugestellte Urteil am 24. August 1961 Revision ein und begründete sie im gleichen Schriftsatz.
Sie trägt vor, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe auf Grund der Bindungswirkung des Bescheides vom 18. März 1959 Anspruch auf Altersgeld gehabt, obwohl dieser Anspruch auf einer materiell unzutreffenden Entscheidung der Beklagten beruhe. Denn der Ehemann der Klägerin sei gemäß § 8 Abs. 7 GAL aF von der Beitragspflicht befreit gewesen und habe deshalb keinen Anspruch auf Altersgeld gehabt (§ 25 Abs. 1 GAL aF). Auf diese Bindungswirkung könne sich die Klägerin jedoch nicht berufen. Denn bei dem Anspruch der Witwe handele es sich um einen selbständigen Anspruch, über den auf den Antrag hin nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen entschieden werden müsse. Die dem Ehemann der Klägerin gegenüber ergangene Entscheidung habe keine bindende Wirkung für das Verfahren über die Hinterbliebenenrente. Ein Anspruch auf Altersgeld der Klägerin könne deshalb nicht damit begründet werden, daß ihr verstorbener Ehemann Altersgeld bezogen habe. Ihr stünde Altersgeld nur zu, wenn sie die Witwe eines nach dem GAL beitragspflichtigen Unternehmers gewesen wäre; dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil ihr Ehemann nach § 8 Abs. 7 GAL aF von der Beitragspflicht befreit gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen LSG vom 18. Juli 1961 und des SG Fulda vom 21. November 1960 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit es sich um die Zeit vom 1. Juni 1960 an handelt.
Die Klägerin ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten gewesen.
II.
Bevollmächtigter der Klägerin ist Dr. B... vom Hessischen Bauernverband, Frankfurt/Main. Dieser Verband ist jedoch keine Vereinigung von Arbeitgebern im Sinne des § 166 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach § 4 der Satzung sind Mitglieder des Hessischen Bauernverbandes die Kreisbauernverbände des Landes Hessen. Sonstige Vereine, Organisationen und Unternehmen oder deren Inhaber, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Landwirtschaft stehen, sowie Förderer des landwirtschaftlichen Berufsstandes können die Mitgliedschaft erwerben. Hiernach ist der Hessische Bauernverband nicht auf Arbeitgeber beschränkt, sondern eine berufsständische Organisation, die auch andere Mitglieder aufnimmt (vgl. hierzu auch Beschluß des BSG vom 19. Dezember 1956 - 10 RV 873/56 - und Beschluß vom 22. Juli 1958 - 2 RU 153/56 -; Breithaupt 1959, 175).
Der Hessische Bauernverband kann zur Prozeßvertretung auch nicht unter dem Gesichtspunkt zugelassen werden, es handele sich um eine Lücke im Gesetz, weil nach Einführung einer Alterssicherung für Landwirte auch den betreffenden Interessenorganisationen die Befugnis zur Prozeßführung gegeben werden müßte und das schon früher erlassene SGG dies nicht habe berücksichtigen können. § 166 SGG führt bewußt nur bestimmte Organisationen als zugelassen auf, nämlich Gewerkschaften, selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, Vereinigungen von Arbeitgebern und Vereinigungen von Kriegsopfern. Hätte der Gesetzgeber diese Regelung ändern wollen, so hätte er dazu mehrfach Gelegenheit gehabt. Er hat davon aber keinen Gebrauch gemacht, obwohl inzwischen das SGG und das GAL geändert worden sind. Auch eine Zulassung des Hessischen Bauernverbandes nur für das Gebiet des GAL erscheint nicht möglich, da § 166 Abs. 2 SGG nur eine allgemeine Zulassung, aber keine solche für bestimmte Gebiete des SGG kennt.
Die Klägerin ist mithin vor dem BSG nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten, so daß ihre Anträge unbeachtlich sind.
Was die Revision selbst betrifft, so ist sie durch die Zulassung statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet, weil das LSG zu Unrecht angenommen hat, die Bewilligung von Altersgeld an den Ehemann der Klägerin habe Bindungswirkung auch für das Witwengeld der Klägerin.
Nach § 141 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Vorschrift ist hier anwendbar, weil durch die Rücknahme der Berufung das Urteil des SG bezüglich der Rente des Ehemanns für die Monate März und April 1960 rechtskräftig geworden ist. Im übrigen beruht die Bindungswirkung des Bewilligungsbescheides vom 18. März 1959 auf § 77 SGG: Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Hie Bindungswirkung erstreckt sich auch hier nur auf die Beteiligten, nicht aber für weitergehende Ansprüche. In dem gleichen Sinne hat das BSG schon in einem Urteil vom 16. Dezember 1958 (SozR SGG § 128 Nr. 41) ausgeführt, wenn der Versicherungsträger in einem rechtskräftig gewordenen Bescheid ein Leiden als Berufskrankheit anerkannt habe und der Versicherte an diesem Leiden sterbe, so habe der Bescheid keine bindende Wirkung hinsichtlich der Ansprüche der Hinterbliebenen. Weiter hat das BSG in BSG 14, 99 ausgesprochen, die Verwaltungsbehörde sei durch ein rechtskräftiges Urteil, mit dem bei Anerkennung des Todes als Schädigungsfolge ein Sterbegeld zuerkannt worden sei, nicht gehindert, die Frage des ursächlichen Zusammenhangs erneut zu prüfen, wenn nachträglich auch ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung geltend gemacht werde.
Diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn es sich um Witwenaltersgeld nach dem GAL handelt, da das GAL in dieser Beziehung keine abweichenden Bestimmungen enthält. Nach § 3 Abs. 1 Buchst. a GAL aF erhält die Witwe eines landwirtschaftlichen Unternehmers Altersgeld, wenn der verstorbene Ehemann Anspruch auf Altersgeld hatte und die Ehe vor Vollendung des 65. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Fassung könnte den Schluß zulassen, die erstere Voraussetzung sei im vorliegenden Fall gegeben, weil dem Ehemann der Klägerin durch den Bescheid vom 18. März 1959 und durch das Urteil des SG Altersgeld zugebilligt worden ist; es dürfe deshalb bei Bewilligung des Witwengeldes nicht mehr geprüft werden, ob das Altersgeld dem Ehemann zu Recht zugesprochen worden sei. Diese Schlußfolgerung würde aber über die Rechtskraft, wie sie in § 141 SGG niedergelegt ist, hinausgehen. Das Gesetz hat mit seinem Wortlaut den Normalfall im Auge, daß der Landwirt sein Altersgeld zu Recht bezogen hat. Damit wird jedoch eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit bei Gewährung des Witwengeldes nicht ausgeschlossen. Denn der Anspruch auf Altersgeld ist nur gegenüber dem Ehemann, nicht aber gegenüber der Witwe rechtskräftig festgestellt. Es muß daher jeweils untersucht werden, ob dem Ehemann auch tatsächlich ein Anspruch auf Altersgeld zugestanden hat, wenn er, wie hier, nach dem Inkrafttreten des GAL verstorben ist.
Da der Ehemann der Klägerin im Jahre 1959 den landwirtschaftlichen Betrieb übergeben hat und im Jahre 1960 verstorben ist, hätte er nach § 25 Abs. 1 GAL aF nur dann Anspruch auf Altersgeld gehabt, wenn er ein beitragspflichtiger Unternehmer gewesen wäre. Dies war er aber nicht. Denn er hatte beim Inkrafttreten des GAL aF, am 1. Oktober 1957, das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet und sein am 22. November 1934 geborener Sohn war damals noch nicht 25 Jahre alt. Der Ehemann der Klägerin war deshalb nach § 8 Abs. 7 GAL aF von der Beitragspflicht befreit und somit kein beitragspflichtiger Unternehmer, wie ihn § 25 GAL aF verlangt (vgl. BSG 12, 85). In dieser Entscheidung ist zwar offengelassen, ob ein nach § 8 Abs. 7 GAL aF von der Beitragspflicht Befreiter als beitragspflichtiger Unternehmer angesehen werden könne. Dieser Fall darf jedoch nicht anders beurteilt werden wie die anderen Befreiungstatbestände des § 8 GAL aF. Denn der Gesetzgeber hat die Folgen dieser Beitragsbefreiung nicht abweichend geregelt. Dies ergibt sich vor allem aus der amtlichen Begründung zum GAL nF (vgl. 3. Bundestag, Drucks. Nr. 1110 unter Nr. 8 ff). Hier ist ausdrücklich zur Begründung der Aufhebung des § 8 Abs. 7 GAL aF ausgeführt, diese Beitragsbefreiung habe die unerwünschte Folge gehabt, daß diese Unternehmer vielfach von dem Altersgeldbezug ausgeschlossen gewesen seien. Auch ein nach § 8 Abs. 7 GAL aF von der Beitragspflicht befreiter Unternehmer ist deshalb kein beitragspflichtiger Unternehmer im Sinne des § 25 Abs. 1 und 4 GAL aF, so daß der Klägerin nach dem bis zum 31. Dezember 1961 geltenden Recht kein Anspruch auf Witwenaltersgeld zusteht. Insoweit muß daher die Klage abgewiesen werden.
Die Rechtslage hat sich jedoch vom 1. Januar 1962 an geändert. Nach Art. 2 § 8 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl I 845) -GAL nF- erhalten Personen, die gemäß § 8 Abs. 7 GAL aF von der Beitragspflicht befreit waren, Altersgeld nach Maßgabe des Art. 1 § 27 auch dann, wenn sie für die Zeit bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes die Voraussetzungen des Art. 1 § 7 Abs. 1 Buchst. c nicht erfüllt haben; sie brauchen also für die Zeit nach dem 1. Oktober 1957 keine Beiträge entrichtet zu haben. Der Wortlaut des Art. 2 § 8 umfaßt an sich nur die Beitragspflichtigen selbst. Für die Witwen, die selbst nicht landwirtschaftliche Unternehmer sind, bestimmt § 27 Abs. 5 GAL nF, daß sie Altersgeld erhalten, wenn die Voraussetzungen des § 3 Buchst. a GAL nF gegeben sind (der verstorbene Ehemann hatte Anspruch auf Altersgeld, die Ehe war vor Vollendung seines 65. Lebensjahres geschlossen) oder wenn die Witwe das 60. Lebensjahr vollendet hat und der verstorbene Ehemann während der 25 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, mindestens 180 Kalendermonate Unternehmer gewesen ist und für die Zeit, die er nach dem 1. Oktober 1957 landwirtschaftlicher Unternehmer war, Beiträge entrichtet hat. Da aber in Art. 2 § 8 eine Beitragsentrichtung für die Fälle des bisherigen § 8 Abs. 7 GAL aF nicht verlangt wird, muß dies euch entsprechend für den Anspruch der Witwe gelten.
Die Klägerin könnte daher vom 1. Januar 1962 an Altersgeld erhalten, wenn ihr Ehemann während der 25 Jahre vor der Abgabe mindestens 180 Kalendermonate landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist (vgl. § 27 Abs. 5 b, Abs. 1 b, § 26 Abs. 1 c GAL nF). Hierüber fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen.
Das Urteil des LSG muß daher insoweit aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG überlassen.
Fundstellen