Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 9. November 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger verletzte sich am 27. November 1968 bei seiner Tätigkeit als Kranführer das linke Kniegelenk. Er übte jedoch in der Folgezeit seinen Beruf weiter aus. Nachdem die Schmerzen im Kniegelenk zunahmen, wurde am 23. April 1969 der linke innere mediale Meniskus operativ entfernt. Der Kläger befand sich bis 10. Mai 1969 in stationärer Krankenhausbehandlung; Arbeitsunfähigkeit lag noch bis zum 29. Juni 1969 vor.
Der Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. G. vertrat im Gutachten vom 8. Oktober 1969 die Ansicht, daß es durch den Unfall zu einer Verletzung des Innenmeniskus und zu einer Innenbandverletzung des linken Kniegelenks gekommen sei und auch nach der Operation, bei einer Schädigung der Bänder des linken Kniegelenks sowie einer Schwäche des linken Beines, noch eine gewisse Instabilität mit glaubhaften Beschwerden bestehe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Unfallfolgen schätzte er auf 15 v.H.; er empfahl eine Nachuntersuchung in einem Jahr.
Daraufhin sah die Beklagte im Bescheid vom 29. Januar 1970 zwar Unfallfolgen als vorliegend an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil durch die Folgen des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Klägers um weniger als 20 v.H. gemindert sei.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) für das Saarland durch Urteil vom 16. Februar 1971 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides verurteilt, dem Kläger vom Ende der Arbeitsunfähigkeit an Unfallrente von 20 v.H. der Vollrente zu gewähren, weil der von ihm gehörte ärztliche Sachverständige, der Chefarzt der Chirurgischen Klinik Neunkirchen, Dr. Sch., im Gutachten vom 8. Februar 1971 die Gelenkschäden in ihrer Wirkung für die Gebrauchsfähigkeit des Knies als erheblich angesehen und die MdE auf 20 v.H. geschätzt habe. Der Empfehlung der Beklagten, die Sache zu vertagen, weil der Kläger inzwischen geltend gemacht habe, er habe auch im Jahre 1961 einen Arbeitsunfall erlitten, und möglicherweise ein Anspruch auf eine kleine Rente bestehe, brauche somit nicht gefolgt zu werden.
Die Gewährung einer Stützrente nach dem Arbeitsunfall vom 30. September 1961 lehnte die Beklagte nach ihren Schreiben vom 10. September 1973 durch – bindend gewordenen – Bescheid vom 18. Februar 1971 mit der Begründung ab, daß eine MdE von 10 v.H. durch die Unfall folgen nicht mehr bedingt werde. Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 28. Oktober 1958 erhält der Kläger hiernach ebenfalls keine Rente, weil dieser keine erwerbsmindernden Folgen hinterlassen habe. Insoweit ist vom Kläger nichts Gegenteiliges vorgetragen worden.
Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat durch Urteil vom 9. November 1971 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG für das Saarland vom 16. Februar 1971 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Bei der vom SG zuerkannten Rente handele es sich um eine vorläufige Rente; diese sei mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall nach § 622 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zur Dauerrente geworden. Es handele sich insoweit um selbständige prozessuale Ansprüche. Dies habe zur Folge, daß die Berufung nach § 145 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen sei, soweit die vorläufige Rente streitig sei; ein wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne von § 150 Nr. 2 SGG sei nicht gerügt worden. Die somit nur hinsichtlich der Dauerrente zulässige Berufung sei nicht begründet. Die Schätzung des Grades der MdE durch das SG weiche zwar um nur 5 v.H. von der der Beklagten ab. Das Bundessozialgericht (BSG) vertrete jetzt, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, die Auffassung, daß Ausnahmen von dem Grundsatz, Abweichungen in der Bewertung der MdE um 5 v.H. durch die Rechtsmittelinstanzen seien nicht statthaft, nun nicht mehr anerkannt würden; dieser Grundsatz also ohne Einschränkungen zu gelten habe (BSG 32, 245). Diese geänderte Rechtsprechung betreffe aber bereits festgestellte Dauerrenten, die nach § 622 Abs. 1 RVO neu festzustellen seien, und beziehe sich auf die insoweit maßgebliche Frage, wann eine Änderung der Verhältnisse als „wesentlich” anzusehen sei. In der vorliegenden Sache handele es sich jedoch um die erste Feststellung der Dauerrente. Hier könne die MdE unabhängig von dem der vorläufigen Rente zugrunde gelegten MdE-Grad und ohne daß eine Änderung der Verhältnisse vorzuliegen brauche neu geschätzt werden. Insoweit bestehe somit keine Bindung an die vom SG – für die vorläufige Rente – vorgenommene Bewertung der MdE, aber auch keine Notwendigkeit, davon abzuweichen, weil der von Dr. Sch. vorgenommenen Schätzung zu folgen sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und es im wesentlichen wie folgt begründet: Sie habe im angefochtenen Bescheid nicht nur das Begehren des Klägers auf vorläufige, sondern zugleich auch auf Dauerrente abgelehnt. Da der Rechtsstreit somit einen einheitlichen Rentenanspruch des Klägers betreffe, sei die Berufung in vollem Umfang zulässig gewesen und hätte vom LSG nicht in einen unzulässigen und in einen zulässigen Teil aufgespalten werden dürfen. Das Berufungsgericht habe überdies in der Urteilsformel die Berufung auch nur zurückgewiesen und lediglich in den Entscheidungsgründen die Berufung teils als zulässig, teils als unzulässig angesehen; schon wegen dieser Divergenz könne das angefochtene Urteil nicht aufrechterhalten werden. Das LSG habe ferner – ebenso wie das SG – den seit jeher angewendeten Grundsatz nicht beachtet, daß Abweichungen in der Beurteilung der MdE um nur 5 v.H. nicht zulässig seien; dieser Grundsatz habe nach der geänderten Rechtsprechung des BSG nunmehr uneingeschränkt Geltung.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Urteil des SG ergebe sich nicht, ob es eine vorläufige oder eine Dauerrente zugesprochen habe. In diesem Fall sei die Berufung wohl insgesamt zulässig, doch lasse sich diese Ansicht nur schwer mit § 622 RVO vereinbaren. Somit treffe die Auffassung des LSG zu, daß die Berufung nur teilweise zulässig sei. Die geänderte Rechtsprechung des BSG wirke sich nur auf Rentenänderungen nach § 622 Abs. 1 RVO, somit nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit aus, in dem es sich um die erste Feststellung der Dauerrente handele. Diese setze eine Änderung der Verhältnisse nicht voraus.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist nicht begründet.
Im Ergebnis zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß ihre Berufung auch nicht teilweise unzulässig gewesen ist. Diese Frage ist, da die Revision zugelassen ist, von Amts wegen zu prüfen (BSG 2, 225, 226/7; 2, 245, 246).
Durch ihre Ablehnung des Rentenanspruchs mangels einer MdE in rentenberechtigendem Grad (20 v.H.) ist nicht nur die vorläufige, sondern auch die Dauerrente abgelehnt worden (RVA, AN 1914, 479; 1914, 757/8; 1917, 368; 1921, 352 354/5). Das dem Versicherungsträger nach § 1585 Abs. 1 Satz 1 RVO zustehende Wahlrecht, die Rente als vorläufige oder als Dauerrente festzustellen, ist nach Klageerhebung gemäß § 1585 Abs. 1 Satz 3 RVO auf das Gericht übergegangen. Dieses kann auch zur Gewährung einer vorläufigen Rente verurteilen, solange die Voraussetzungen des § 1585 Abs. 1 Satz 1 RVO gegeben sind (RVA, AN 1921, 354; 1917, 368). Ist – wie hier – das angefochtene Urteil allerdings zu einem Zeitpunkt ergangen, der länger als zwei Jahre nach dem Unfall liegt, darf grundsätzlich nur noch die Dauerrente festgestellt werden (RVA, AN 1919, 306; 1921, 352, 354; 1924, 72 Nr. 3160). Fehlt im Urteil der Vermerk, daß es sich um eine vorläufige Rente handele, so ist zur Gewährung einer Dauerrente verurteilt worden (RVA, AN 1914, 798; 1915, 330; 1915, 407). Das SG hat die Beklagte verpflichtet, „eine Unfallrente” zu gewähren. In dem somit allein den Anspruch auf eine Dauerrente betreffenden Rechtsstreit ist die Berufung, da von dem Streitpunkt um die Höhe der MdE die Gewährung der Rente abhängt, weder nach der Nr. 3 noch der Nr. 4 des § 145 SGG ausgeschlossen gewesen. Das LSG hätte deshalb für den genannten strittigen Zeitraum in der Sache entscheiden müssen. Die Formel des angefochtenen Urteils, die dahin lautet, daß die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wird, und die Entscheidungsgründe, in denen ausgeführt wird, daß die Berufung nur teilweise zulässig sei, widersprechen insofern einander. Da aber die tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffen sind, sich auf den ganzen hier streitigen Zeitraum beziehen – das LSG ist dem Sachverständigen Dr. Sch. gefolgt, der „anstelle” der von Prof. Dr. G. geschätzten MdE von 15 v.H. eine solche von 20 v.H. angenommen hat (vgl. Gutachten Seite 4) –, ist der erkennende Senat an einer rechtlichen Überprüfung des gesamten Streitstoffs nicht gehindert. Diese Prüfung ergibt, daß die Urteilsformel in der angefochtenen Entscheidung und damit diese selbst – jedenfalls im Ergebnis – nicht zu beanstanden ist.
Bei der Beurteilung der MdE, die in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Kenntnisse des Verletzten und etwaiger Besonderheiten vorzunehmen ist, handelt es sich um eine Schätzung, denn der Grad der durch einen Unfall verursachten MdE ist erfahrungsgemäß nicht völlig genau feststellbar (RVA, AN 1908, 579; BSG 4, 147, 149; 31, 185, 186). Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) hat deshalb, wenn der Rechtsstreit wegen des Grades der MdE durch Unfallfolgen, deren Ausmaß unstreitig war, geführt worden ist, Abweichungen in der Bewertung der MdE um nur 5 v.H. als rechtlich nicht bedeutsam, sondern als innerhalb einer natürlichen Fehlergrenze liegend angesehen. Es hat deshalb die Änderung einer vom Versicherungsträger festgestellten Rente durch das Gericht nur als Rechtens erachtet, wenn die Ergebnisse der Schätzungen des Versicherungsträgers und der Gerichte sich wesentlich unterschieden; dies hat es bei einer unterschiedlichen Bewertung von nur 5 v.H. grundsätzlich verneint (AN 1891, 221 ff; 1897, 267; 1906, 420; EuM 22, 220, 221). Von dieser Rechtsübung hat das RVA allerdings Ausnahmen für notwendig gehalten, worauf schon in der Entscheidung vom 13. Oktober 1905 (AN 1906, 420) hingewiesen wurde (ebenso EuM 22, 221, 222, und insbesondere EuM 22, 325, 327, wo die Erhöhung um 5 v.H. ausdrücklich gebilligt wurde). Demgemäß hat das RVA eine Abweichung um nur 5 v. H. in einem Fall zugelassen, in dem von der Beurteilung der MdE die Gewährung der Rente abhängig war (EuM 43, 117); dabei hat das RVA die abweichende Auffassung in EuM 39, 397 nicht aufrechterhalten. Die letztere Entscheidung hatte sich überdies zu Unrecht auf die Entscheidung in EuM 33, 157 gestützt, denn dort ist die – niedrigere – Teilrente von 15 v.H., die das Oberversicherungsamt (OVA) auf 20 v.H. erhöht hatte, als „eine ausreichende Entschädigung angesehen” worden (aaO S. 158). An dieser alten und neueren Rechtsprechung hat das BSG zunächst festgehalten. Es hat im Urteil vom 28. Juni 1957, in dem über die erste Feststellung einer Dauerrente (in Höhe von 25 v.H.) zu befinden war, einerseits ausgesprochen, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht befugt seien, die Feststellung der MdE um nur 5 v.H. zu ändern (BSG 5, 222, 229 – unter Hinweis auf SozR Nr. 3 zu § 559 a RVO aF). Es hat andererseits auch die vom RVA zugelassenen Ausnahmen von dieser Rechtsübung gebilligt und insoweit Ausnahmen für Rechtens gehalten (BSG 5, 222, 229; SozR Nr. 8 zu § 608 RVO aF) und diese sogar noch erweitert (SozR Nr. 13 zu § 608 RVO aF). Diese Rechtsprechung hat der 2. Senat des BSG inzwischen geändert und in mehreren am 2. März 1971 gefällten Entscheidungen (BSG 32, 245; s. ferner die unveröffentlichten Urteile 2 RU 186/68 und 2 RU 300/68 – dieses teilweise zitiert in Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl. Kenn-Nr. 520, S. 5/6) dahin erkannt, daß eine Besserung oder Verschlimmerung von Unfallfolgen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 622 Abs. 1 RVO – ausnahmslos – nur bedeute, wenn hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 v.H. sinke oder sich erhöhe. Ob dieser Rechtsprechung zuzustimmen ist, kann hier – zumal kein Fall des § 622 Abs. 1 RVO gegeben ist – dahinstehen; ebenfalls kann unentschieden bleiben, ob die zu § 622 Abs. 1 RVO ergangene Rechtsprechung auch für die erstmalige Feststellung der Dauerrente gilt (so LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1973, 891–893, das allerdings – bei einem Streit, ob die MdE 35 oder 40 v.H. beträgt – nicht nur die an sich wohl unumstrittene Einschränkung macht, daß dieser Grundsatz dann nicht anwendbar sei, wenn sich die Schätzungen nicht auf die gleichen Gesundheitsstörungen beziehen, sondern etwas anderes auch dann gelten lassen will, wenn die der Schätzung zugrunde liegenden Gutachten keine ausreichende Beweisgrundlage darstellen). Diese Gesichtspunkte – wie auch die gegen die neuere Rechtsprechung des 2. Senats vorgebrachten Bedenken – vgl. Urteil des LSG Bremen vom 5. Oktober 1973 – L 2 U 21/72, das unter Hinweis auf Schimanski (Die Sozialversicherung 1973, 239, 241) für die Fälle des § 1585 Abs. 2 RVO nach wie vor eine Ausnahme zulassen will – bedürfen hier keiner Erörterung, weil sich der Anspruch schon aus einem anderen Grunde als begründet erweist.
Die Unzulässigkeit einer Abweichung um nur 5 v.H. bei der Beurteilung der MdE setzt – wie früher so auch nach der neueren Rechtsprechung des 2. Senats des BSG – voraus, daß zuvor eine „Feststellung der MdE” stattgefunden hat (BSG 5, 229) bzw. daß „der vorher festgestellte MdE-Grad” nur um 5 v.H. geringer gewesen ist (BSG 32, 245, 246).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Januar 1970 jedoch keine MdE festgestellt, vielmehr „die Gewährung einer Rente … abgelehnt”. Der entscheidende Teil, der Verfügungssatz, dieses Bescheides (vgl. BSG 12, 25, 26) lautet also – anders als in BSG 32, 245, wo der Versicherungsträger eine Dauerrente nach einer MdE von 25 v.H. festgesetzt hatte – dahin, daß dem Kläger keinerlei Rente zusteht. Auf diesen Teil erstreckt sich die Bindung des Verwaltungsaktes (BSG 12, 26), die z. B. bei einem Bescheid über die Bewilligung einer Rente für den Versicherungsträger bereits mit dem Zeitpunkt eintritt, in dem er dem Berechtigten zugeht (BSG in SozR Nr. 24 zu § 77 SGG).
Allerdings hat die Beklagte die Ablehnung damit begründet, daß der Arbeitsunfall nur eine MdE von „unter 20 v.H. … hinterlassen” habe. Grundsätzlich erstreckt sich jedoch die Bindungswirkung eines Bescheids im Sinne des § 77 SGG nicht auf die Gründe – etwa für die Rentenberechnung – (vgl. BSG in SozR Nr. 1 zu § 570 RVO; Nr. 24 zu § 77 SGG; BSG 26, 266, 269), sie bezieht sich weder auf die rechtliche Beurteilung von Vorfragen noch auf die dem Bescheid zugrunde gelegten Erwägungen und insbesondere nicht auf die Berechnungsfaktoren – z. B. einer zugebilligten Rente – (BSG in SozR Nr. 64 zu § 77 SGG). Dem steht nicht entgegen, daß Gegenstand und Umfang der Bindung (wie auch der Rechtskraft von Urteilen) erforderlichenfalls durch Auslegung aus dem ganzen Urteil (dem ganzen Bescheid) ermittelt werden müssen. Denn die Gründe sind für den Umfang der Bindung (Rechtskraft) nur insoweit bedeutsam, als sie vom Verfügungssatz (der Urteilsformel) erfaßt werden (BSG 14, 99, 102). Deshalb nimmt regelmäßig nur bei der Bewilligung einer Verletztenrente der Jahresarbeitsverdienst und „das Maß der MdE” als unentbehrliche Grundlagen für die Rentenberechnung an der Bindung teil (Urteil des 2. Senats des BSG in SozR Nr. 1 zu § 570 RVO). Solche für eine Renten- oder Leistungsberechnung unerläßliche Berechnungsgrundlagen können aber jedenfalls dann grundsätzlich nicht zum Verfügungssatz des Bescheides gerechnet werden, wenn eine Leistung abgelehnt worden ist. Demgemäß hat der erkennende Senat im Urteil vom 27. März 1969 (vgl. SozR Nr. 38 zu § 30 BVG) ausgesprochen, daß z. B. die „Eingruppierung” in die Leistungsgruppe, die der Beklagte zur Ermittlung des Einkommensverlustes in der Kriegsopferversorgung (KOV) vorgenommen hat, keine „selbständige Regelung”, „kein Verfügungssatz” sei, sie gehöre nicht zu dem entscheidenden Teil des Verwaltungsaktes. Dieser beschränke sich vielmehr auf die Ablehnung des Anspruchs auf die Leistung. Die Eingruppierung zur Ermittlung des Einkommensverlustes gehöre zu den für die Ablehnung des Leistungsanspruchs maßgebend gewesenen Erwägungen, die dem Bescheid als Begründung beigegeben worden seien (SozR aaO Ca 40 Rücks.). Der erkennende Senat hat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt, mit der Ablehnung der Leistung auf einen Berufsschadensausgleich habe die Verwaltung den Antragsteller „vollständig” beschieden. Jedenfalls insoweit rechtfertige das von der Verwaltung zugrunde gelegte Ermittlungsergebnis über die Eingruppierung keinen Vertrauensschutz auf eine „positive Bestandskraft”. Damit liege jedenfalls insoweit kein (selbständiger) feststellender, begünstigender Verwaltungsakt vor (SozR aaO Ca 41). Würde man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall anwenden, so stünde schon aus diesem Grunde einer anderweitigen Festsetzung der MdE durch das SG kein „vorher festgestellter MdE-Grad” entgegen.
Der Senat konnte aber diese Frage im vorliegenden Fall unentschieden lassen. Denn der Feststellung einer MdE von 20 v.H. durch das SG, die das LSG im Ergebnis unangetastet gelassen hat, steht unabhängig von den obigen Erwägungen die neuere Rechtsprechung des 2. Senats des BSG zumindest deshalb nicht entgegen, weil im angefochtenen Bescheid auch in der Begründung zum Verfügungssatz des Bescheides kein bestimmter MdE-Grad – etwa ein solcher von 15 v.H. – festgesetzt worden ist. Denn der Wortlaut der Begründung, daß der Arbeitsunfall nur eine MdE von „unter 20 v.H. … hinterlassen” habe, umfaßt alle MdE-Sätze, die unter 20 v.H. liegen, also sowohl einen MdE-Satz von 15 v.H., als die MdE-Sätze „10 v.H.” und „unter 10 v.H.”. Daran ändert der Umstand nichts, daß Prof. Dr. G. im Verwaltungsverfahren die MdE auf 15 v.H. geschätzt hat. Denn die Beklagte hat sich im angefochtenen Bescheid weder auf dessen MdE-Schätzung bezogen noch sonst zum Ausdruck gebracht, daß sie sich dessen Beurteilung der MdE zu eigen gemacht hat. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BSG in der KOV bei unklarer Bezeichnung der zum Verfügungssatz gehörenden „anerkannten Schädigungsfolgen” (vgl. SozR Nr. 19 zu § 77 SGG) auf Gutachten zurückgegriffen werden, um die Tragweite einer bindenden Anerkennung zu ermitteln (BSG 3, 45, 49; 11, 57, 58). Dies gilt zwar auch für den Bereich der Unfallversicherung, wenn es um die nähere Bestimmung und Ermittlung der vom Unfallversicherungsträger als Unfallfolge anerkannten Erkrankung geht (BSG 24, 162, 164); ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Denn hier liegt weder ein unklarer Verfügungssatz (Ablehnung von Rente) vor noch ist ein MdE-Satz bindend „anerkannt”, d. h. festgestellt. Darüber hinaus hat es weder früher einen Rechtssatz gegeben, wonach das Gericht von der MdE-Schätzung eines Gutachters in gewissen Fällen nicht um 5 v.H. abweichen dürfe, noch gibt es ihn heute; die ständige Rechtsprechung des BSG geht im Gegenteil dahin, daß für die Entscheidung der Gradfrage die ärztliche Auffassung nicht mehr als einen Anhalt bietet (BSG 6, 267, 268).
Da es die Beklagte im vorliegenden Fall hat dahingestellt sein lassen, welchen genauen MdE-Grad sie für die Unfallfolgen festsetzen will, verstößt die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Unfallrente von 20 v. H. der Vollrente schon deshalb nicht gegen den Grundsatz, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu einer Änderung der MdE-Festsetzung um nur 5 v.H. nicht befugt seien, weil es an einer um 5. v.H. geringeren Feststellung der Beklagten hier fehlt. Bei dieser Sachlage kam es nicht darauf an, ob dem Kläger aus anderen Unfällen etwa eine Stützrente zusteht.
Nach alledem konnte die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Maisch, Thomas, Schroeder-Printzen
Fundstellen