Entscheidungsstichwort (Thema)
Schädigung. Kausalität. Internierung
Orientierungssatz
Der Schädigungstatbestand des § 5 Abs 1 Buchst c BVG ist auch dann erfüllt, wenn die Erkrankung erst in der Internierung zum Ausbruch gekommen ist, eine wesentliche Bedingung für den Tod aber in den Verhältnissen zu erblicken ist, die in den Umständen vor der Internierung bestanden; denn auch in diesem Fall ist der Tod auf Einwirkungen zurückzuführen, denen der Verstorbene durch die besonderen Umstände der Flucht ausgesetzt war.
Normenkette
BVG § 5 Abs. 1 Buchst. c
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 13.02.1964) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. Februar 1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin (F.) ist am 12. Mai 1945 in dem Luftwaffenlazarett A (Dänemark) gestorben. Der Klägerin wurde, bevor sie im Juli 1960 Nachricht von dem Tode ihres Ehemannes erhielt, Witwenrente wegen Verschollenheit des F. bewilligt. Durch Umanerkennungsbescheid vom 25. Januar 1952 wurde ihr vom 1. Oktober 1950 an Hinterbliebenenversorgung nach § 52 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt. Das 1961 beigezogene Krankenblatt ergab, daß F. an einem fieberhaften Infekt ungeklärter Ursache verstorben war. Mit dem auf § 42 Abs. 1 Nr. 9 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) gestützten Bescheid vom 24. November 1961 hob das Versorgungsamt die früheren Bewilligungsbescheide, den Umanerkennungsbescheid sowie die auf dem Umanerkennungsbescheid beruhenden Bescheide auf und entzog die Rente mit Ablauf des Monats Dezember 1961, weil ein ursächlicher Zusammenhang des Todes des F. mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG nicht wahrscheinlich sei. Der Widerspruch war erfolglos. Das Sozialgericht (SG) hörte als medizinischen Sachverständigen Dr. I, hob durch Urteil vom 4. Februar 1963 den Bescheid vom 24. November 1961 und den Widerspruchsbescheid vom 12. März 1962 auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin einen neuen Bescheid mit der Maßgabe zu erteilen, daß ab 1. Januar 1962 Witwenrente gezahlt werde. Das Landessozialgericht (LSG) holte von den Internisten Prof. Dr. V und Dr. Dr. H Gutachten ein, vernahm die Zeugen H R, Käthe P (K. P.), Grete P (Gr. P.) und ließ die betagte Frau A P (A. P.) eidesstattlich bestimmte Fragen beantworten. Mit Urteil vom 13. Februar 1964 wies das LSG die Berufung des Beklagten zurück. F. habe sich von einer im November 1944 durchgemachten Magenoperation soweit erholt, daß er wieder voll arbeitsfähig geworden war. Am 25. Januar 1945 habe er sich mit seinen Angehörigen auf die Flucht begeben. Anfang April 1945 sei es den Treckzugehörigen gelungen, auf einen Transportfrachter zu kommen. F. sei, weil er dem Volkssturm angehörte, vom Schiff heruntergeholt worden. Bis dahin sei er voll einsatzfähig gewesen. Wann er nach Dänemark gelangt sei, stehe nicht fest; durch die Aussagen der Zeuginnen Gr. P. und A. P. sei jedoch bewiesen, daß F. bis Ende April/Anfang Mai 1945 in einer Sportschule in K war. Die dort untergebrachten Deutschen seien unmittelbar nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Gefangenschaft genommen worden. Die Schule sei demgemäß von bewaffneten Dänen bewacht worden. Die Verpflegung dort sei für einen Mann völlig unzureichend gewesen. F. habe mehrfach über Hunger geklagt, er habe aus den Abfallkübeln Eßbares herauszuholen versucht. In der Schule seien täglich bis zu acht Personen verstorben. Auch das Lager T, in das F. mit allen Männern aus der Sportschule verlegt wurde, sei mit Stacheldraht umgeben und von Dänen bewacht worden. Die Zeugin P - richtig P - habe die Ernährungsverhältnisse in diesem Lager zwar als ausreichend bezeichnet, aber auch bekundet, daß es wenig Kartoffeln gegeben habe und daß viele Insassen an Durchfall erkrankt seien. Am 11. Mai 1945 sei F. von einem Truppenarzt wegen Verdachts eines Magengeschwürs in das frühere Luftwaffenlazarett A eingewiesen worden. Hier sei sein Allgemeinzustand als schlecht und reduziert befunden worden. Die Haut und die sichtbaren Schleimhäute seien schlecht durchblutet gewesen, er habe zyanotische Erscheinungen gezeigt. Im Rachen sei eine Eiterstraße nach Renitis vorhanden gewesen und der ganze Leib habe eine mittelmäßige Abwehrspannung gezeigt. Am linken Zeigefinger sei eine kleine, leicht entzündete Schnittwunde sichtbar gewesen, von der eine Lymphangiitis des linken Armes ausging. F. habe bei der Einweisung 40 Grad Fieber gehabt, in beiden Waden hätten starke Schmerzen bestanden. Der bei der Einlieferung noch relativ gute Kreislauf habe sich zusehends verschlechtert. Trotz Verabreichung von kreislaufstärkenden Mitteln sei er am 12. Mai 1945 verstorben. Eine Klärung der Diagnose "fieberhafter Infekt" sei nicht möglich gewesen. Prof. Dr. V habe ausgeführt, daß eine allgemeine Sepsis nach Fingerverletzung wahrscheinlich sei. Die tödliche Entwicklung der Krankheit wäre möglicherweise aufzuhalten gewesen, wenn F. zu Beginn des Fiebers in das Lazarett eingewiesen worden wäre. Dr. H habe dieses Gutachten als zutreffend bezeichnet und darauf hingewiesen, daß der Allgemeinzustand des F. durch die Verhältnisse in den dänischen Lagern so nachteilig beeinträchtigt worden sei, daß er nur noch über geringe Widerstandskräfte verfügt habe. Auch der von der Zeugin Gr. P. erwähnte Salzmangel sei sehr bedeutsam, weil er die für die Infektabwehr wichtige Funktion der Nebennieren beeinträchtigt haben müsse.
Es sei erwiesen, daß F. infolge der nachteiligen Umstände, die unmittelbar vor und nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht für deutsche Flüchtlinge in Dänemark eingetreten sind, mindestens um ein Jahr vorzeitig verstorben sei. Spätestens mit der Kapitulation seien die Insassen der Lager in Dänemark interniert worden. Die Lager, in denen F. untergebracht war, seien mit Stacheldraht umzäunt und von bewaffneten Dänen bewacht worden. In dem Lager T seien die Verhältnisse für Kranke so ungünstig gewesen, daß ein dänischer Arzt die Einweisung in das frühere Luftwaffenlazarett angeordnet habe. Selbst wenn dort die Ärzte über Sulfanomide verfügt hätten, wären diese nach Auffassung des Dr. H nicht mehr erfolgreich anzuwenden gewesen. Hiernach sei F. infolge von Umständen verstorben, die mit den besonderen Verhältnissen unmittelbar nach der Kapitulation verbunden waren. Die unzulängliche und für einen Magenkranken ungeeignete Ernährung, die mangelhafte Pflege und fehlende ärztliche Betreuung des fieberhaft Erkrankten im Lager und die verspätete Einweisung ins Lazarett sowie der unterbliebene Versuch, die von einer Schnittverletzung sichtbar ausgehende Blutvergiftung energisch zu behandeln, stellten die wesentlichen Ursachen für den vorzeitigen Tod des F. dar.
Es könne dahingestellt bleiben, ob F. zur Zeit seines Todes noch dem Volkssturm angehört habe oder ob er im Krankenblatt zutreffend als Flüchtling bezeichnet sei, denn er sei während der wesentlichen Zeit vor und während seiner septischen Erkrankung interniert im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG gewesen. Außerdem seien die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG anzunehmen, denn die gekennzeichneten ungünstigen Umstände seien nur unter den besonders negativen Voraussetzungen zu verstehen, die mit der Kapitulation zusammenhingen. Das SG habe den Beklagten mit Recht zur Zahlung der Versorgungswitwenrente verurteilt.
Gegen das am 27. April 1964 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 27. Mai 1964 Revision eingelegt und diese, nachdem die Revisionsbegründungsfrist bis zum 27. Juli 1964 verlängert worden war, mit einem am 28. Juli 1964 eingegangenen Schriftsatz begründet. Durch Beschluß des Senats vom 31. Juli 1964 wurde die Revision als unzulässig verworfen, weil die Frist zur Begründung der Revision nicht eingehalten wurde. Dieser Beschluß ist dem Beklagten gemäß § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes am 15. August 1964 zugestellt worden. Am 18. August 1964 beantragte der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil die Revisionsbegründungsschrift schon am 24. Juli 1964 zur Post gegeben wurde und deshalb deren verspäteter Eingang von ihm nicht zu vertreten sei. Der Beklagte legte eine Erklärung seiner Bediensteten E K darüber vor, daß sie die fragliche Sendung am 24. Juli 1964 in den bei dem Bahnhof Neumünster befindlichen Postkasten geworfen habe. Außerdem übergab der Beklagte eine eidesstattliche Versicherung des Regierungsdirektors K, wonach dieser am 24. Juli 1964 Frau K beauftragt habe, die Sendung persönlich noch am gleichen Nachmittag bei der Post aufzugeben und sie ihm die Ausführung dieses Auftrags bestätigt habe.
Mit der nicht zugelassenen Revision rügt der Beklagte als Verfahrensmängel Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe infolge unzulänglicher Würdigung des Beweisergebnisses verkannt, daß die ungünstigen Verhältnisse, denen F. ausgesetzt war, ganz überwiegend in die Zeit deutscher Besetzung und nur zu einem geringen Teil in die Zeit fielen, in der die Dänen die Gewalt wiedererlangten und zu Internierungsmaßnahmen in der Lage waren. Die Ausführungen des Urteils seien insofern widerspruchsvoll und unklar, als Umstände, die vor der Kapitulation bestanden haben, nicht in die Internierungszeit fallen könnten; insoweit habe der Anspruch nicht auf § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG gestützt werden dürfen. Als Internierungszeit wäre höchstens die Zeit vom 8. bis 12. Mai 1945 in Betracht gekommen. Daher sei die Feststellung in dem Urteil, daß die Insassen der Lager "spätestens" mit der Kapitulation interniert worden seien, nicht verständlich; es hätte statt dessen "frühestens" heißen müssen. Der schlechte Allgemeinzustand des F. müsse zu seiner Entwicklung längere Zeit gebraucht haben. Hierzu genügten nicht die drei Tage, in denen F. sich in dänischer Gefangenschaft befunden habe. Die akute Erkrankung sei etwa eine Woche vor der Einlieferung in das Lazarett eingetreten, etwa am 4. Mai 1945, also zu einem vor der Kapitulation liegenden Zeitpunkt. Bei der Würdigung der Verhältnisse im Lager Tirstrup habe das LSG verkannt, daß die Zeugin P erst nach der Kapitulation in dieses Lager gekommen sei, also zu einer Zeit, als F. schon im Lazarett war. Auch bei der Begründung des Anspruchs aus § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG durch das LSG habe nur die kurze Zeit berücksichtigt werden dürfen, in der sich F. in dänischem Gewahrsam befand. Die Einwirkungen, denen F. vor der Inbesitznahme der Lager durch die Dänen ausgesetzt war, seien versorgungsrechtlich ohne Bedeutung und erfüllten auch nicht den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG.
Der Beklagte beantragt zur Sache, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 13. Februar 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen. Mit dem Aufenthalt in den Lagern sei der Fluchtweg nicht beendet gewesen. Deshalb sei Versorgung nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG zu gewähren.
Dem Antrag des Beklagten, ihm gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, war stattzugeben, weil der Beklagte ausreichend dargetan hat, daß er die Revisionsbegründung am 24. Juli 1964 und damit so rechtzeitig zur Post aufgegeben hat, daß die Sendung bei normaler Beförderung vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 27. Juli 1964 beim Bundessozialgericht eingehen mußte (BSG 1, 227). Der Beklagte war somit ohne Verschulden verhindert, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht nicht entgegen, daß die Revision bereits wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen worden ist (BSG in SozR Nr. 6 zu § 67 SGG).
Die nicht zugelassene Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft, weil der Beklagte zu Recht rügt, das LSG habe § 128 SGG dadurch verletzt, daß das Urteil in tatsächlicher Hinsicht Unklarheiten enthalte und der zugrunde gelegte Sachverhalt durch das Beweisergebnis nicht gerechtfertigt werde. Es ist nicht hinreichend erkennbar, wann nach Auffassung des LSG die Internierung begonnen hat.
Das LSG hat festgestellt, daß F. infolge der nachteiligen Umstände, die unmittelbar vor und nach der Kapitulation eingetreten sind, mindestens um ein Jahr vorzeitig verstorben ist. Anschließend ist ausgeführt, spätestens mit der Kapitulation seien die Insassen der Lager in Dänemark interniert worden, und an anderer Stelle, daß F. infolge von Umständen verstorben ist, die mit den besonderen Verhältnissen unmittelbar nach der Kapitulation verbunden waren. Abschließend ist dargelegt, F. habe sich während der wesentlichen Zeit vor und während seiner septischen Erkrankung in Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG befunden. Da das LSG zu dem Ergebnis gelangt ist, daß F. vor der Einweisung in das Luftwaffenlazarett am 11. Mai 1945 schon eine Woche lang mit höherem Fieber bettlägerig krank gewesen war, mußte die tödliche Erkrankung etwa am 4. Mai 1945 begonnen haben. Nach den Feststellungen des LSG war F. in der Sportschule in K nur bis Ende April/Anfang Mai 1945 untergebracht gewesen; er mußte sich somit am 4. Mai 1945 bereits im Lager T befunden haben. Das LSG stützt sich nicht auf ausreichende Beweisunterlagen, aus denen sich ergibt, daß F. zu diesem Zeitpunkt bereits interniert worden war. Die einzige Zeugin, die über die Verhältnisse im Lager Tirstrup Auskunft geben konnte, war die Zeugin K. P. Nur sie war in diesem Lager gewesen, ist aber erst nach der Kapitulation dorthin gekommen. Ihre Angabe, daß dieses Lager mit Stacheldraht umzäunt und von bewaffneten Dänen bewacht war, bezog sich nur auf die Zeit nach ihrer Einweisung. Auf diese vom LSG irrtümlich P genannte Zeugin konnte sich das LSG somit nicht für die Feststellung stützen, daß die deutschen Flüchtlinge schon vor der Kapitulation interniert worden waren. Auch der Bekundung der Zeugin Gr. P. läßt sich zur Internierung der in der Sportschule untergebrachten Flüchtlinge nur entnehmen, daß nach der Kapitulation zuerst die Engländer erschienen und unmittelbar danach bewaffnete Dänen aufzogen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben der A. P., die nur die Frage, ob die Schule nach der Kapitulation von bewaffneten Posten bewacht war, bejaht hat. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, daß die Flüchtlingslager in Dänemark schon vor dem 8. Mai 1945, möglicherweise schon am 4. Mai 1945, von Dänen besetzt wurden, weil am 4. Mai 1945 die deutschen Streitkräfte in Nordwestdeutschland, Dänemark und Holland kapitulierten und an diesem Tage eine Kapitulationsurkunde unterzeichnet wurde (vgl. Dokumente der Deutschen Politik und Geschichte, Bd. 8 S. 373, Michael Freund, Deutsche Geschichte, S. 750, Winston Churchill, Memoiren, Band VI 2. Buch S. 223, William L. Shirer, Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, S. 1040). Damit würde allerdings nicht feststehen, daß in Dänemark schon am 4. Mai 1945 in allen Lagern auch die Macht von dänischen Truppen übernommen wurde. Das LSG hat den Zeitpunkt für den Beginn der Internierung in Dänemark auch nicht auf historisch erwiesene Tatsachen, sondern auf das Ergebnis des Verfahrens gestützt, ohne hierfür ausreichende Unterlagen anzugeben. Da es auf die Zeit etwa seit dem 4. Mai 1945 ankam, hätte das LSG den Zeitraum der Internierung genau abgrenzen müssen, um zu der Feststellung gelangen zu können, daß F. durch die Umstände der Internierung zu Tode gekommen war. Außerdem bleibt unklar, ob das LSG Zeiten, in denen F. auch nach seiner Auffassung nicht interniert war, der Internierungszeit gleichgestellt hat. Die Rüge der Revision, das LSG habe mit seinen Feststellungen über die Zeit der Internierung § 128 SGG verletzt, trifft somit zu.
Die damit nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthafte Revision ist jedoch nicht begründet. Die von der Revision mit Erfolg angegriffenen Feststellungen des LSG rechtfertigten zwar nicht die Folgerung, daß der Tod des F. durch die Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG herbeigeführt wurde. Die übrigen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), lassen aber die Feststellung zu, daß F. durch Einwirkungen zu Tode gekommen ist, denen er - neben etwaigen Folgen einer Internierung - durch die besonderen Umstände der Flucht vor einer aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG ausgesetzt war. Der Senat konnte daher nach § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG in der Sache selbst entscheiden.
Der Schädigungstatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG ist auch dann erfüllt, wenn die Erkrankung erst in der Internierung zum Ausbruch gekommen wäre, eine wesentliche Bedingung für den Tod des F. aber in den Verhältnissen zu erblicken ist, die in der Sportschule vor der Internierung bestanden; denn auch in diesem Fall ist der Tod auf Einwirkungen zurückzuführen, denen F. durch die besonderen Umstände der Flucht ausgesetzt war. Diese erhöhten Gefahren gehören zu der durch § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG versorgungsrechtlich geschützten Gefahrenquelle, weil die Flucht mit der Unterbringung dort nicht beendet war. Es kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen nach längerem Aufenthalt in einem Flüchtlingslager die von diesem ausgehende Gefahr nicht mehr als Fluchtfolge anerkannt werden kann und ob insbesondere ein Anspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG stets zu verneinen ist, sobald der Flüchtling nach einer Übergangszeit schließlich eine menschenwürdige Lagerunterkunft mit ausreichender Ernährung und angemessener sanitärer und ärztlicher Versorgung gefunden hat. Im vorliegenden Fall endete der Fluchtweg jedenfalls nicht mit der Unterbringung des F. in der Sportschule, weil ihm unter den dort obwaltenden Verhältnissen ein längeres Verweilen nicht zugemutet werden konnte (BSG 3, 263, 265). Das LSG hat festgestellt, daß F. bis zur Trennung von seiner Familie Anfang April 1945 voll einsatzfähig war, daß er in der Sportschule den Zeugen P gegenüber immer über Hunger klagte und versuchte, Eßbares aus den Abfallkübeln herauszuholen. Aufgrund der Aufzeichnungen in dem Krankenblatt des Luftwaffenlazaretts Aarhus steht fest, daß F. zwar von dänischen Ärzten untersucht, aber erst am 11. Mai 1945 in schlechtem, reduziertem Allgemeinzustand von einem dem Lager T benachbarten Truppenarzt in das Lazarett eingewiesen wurde. Dr. V, auf dessen Gutachten sich das LSG gestützt hat, war der Auffassung, daß möglicherweise durch die damals verfügbaren Mittel ( Sulfanomide ) der tödliche Ausgang bei rechtzeitiger Einweisung in das Lazarett (das ist etwa 4 bis 5 Tage früher) aufzuhalten gewesen wäre. Er hat aber auch auf die medizinische Erfahrung hingewiesen, daß in Flüchtlingslagern untergebrachte unterernährte und in ihrer Widerstandskraft geschwächte Menschen sich gegenüber akquirierten Krankheiten atypisch verhielten und daß die Krankheiten wegen der ungenügenden reaktiven Abwehr des Organismus bei relativer Armut an kennzeichnenden Symptomen insgesamt schwer und vielfach tödlich verliefen; analoges sei in dem vorliegenden Fall anzunehmen. Dr. H ist den Ausführungen dieses Sachverständigen gefolgt; auch er war der Meinung, daß eine Sepsis vorgelegen hat; er hat auf die wesentliche Bedeutung des Ernährungszustandes für die Abwehrlage des Patienten hingewiesen. Die Fabrikation der Serumglobuline sei nur möglich, solange ein genügender Eiweißvorrat im Organismus vorhanden ist, weil sich an die Serumglobuline sämtliche Abwehrkörper und Abwehrstoffe anheften. Ohne diese Anheftung seien auch Medikamente praktisch nutzlos. Auch durch den Ausfall des Kochsalzes sei F. in seiner Infektabwehr erheblich beeinträchtigt gewesen. Das LSG hat sich diesen Gutachten angeschlossen und ausgeführt, daß der Allgemeinzustand des F. unter den Verhältnissen in den dänischen Lagern so nachteilig beeinflußt wurde, daß er nur noch über geringe Widerstandskräfte verfügte und daß hierfür auch der von der Zeugin Gr. P. erwähnte Salzmangel sehr bedeutsam gewesen sei. Wenn das LSG angenommen hat, daß F. infolge dieser nachteiligen Umstände mindestens um ein Jahr vorzeitig verstorben ist, so kommt dieser Feststellung für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Tod und Einwirkung der Flucht dieselbe Bedeutung zu wie für die von dem LSG bejahte Internierung als Ursache des Todes. Solche für den vorzeitigen Tod des F. wesentlichen Umstände der Flucht, denen die übrige Zivilbevölkerung mindestens nicht in demselben Umfang ausgesetzt war, sind nach den Feststellungen des LSG die unzulängliche und für einen Magenkranken ungeeignete Ernährung, die mangelhafte Pflege und fehlende ärztliche Versorgung des fieberhaft Erkrankten im Lager, seine verspätete Einweisung in das Lazarett und der unterbliebene Versuch, die von einer Schnittverletzung am Finger sichtbar ausgehende Sepsis energisch zu behandeln. Soweit diese Umstände im Lager Tirstrup , insbesondere nach der Internierung, fortbestanden haben und auf sie als wesentliche Bedingungen der Tod des F. zurückzuführen ist, war auch die Internierung - allein oder gemeinsam mit den Umständen der Flucht (vgl. BSG 13, 51) - als Schädigungstatbestand anzuerkennen.
Da F. somit an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG bzw. § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG gestorben ist, hat die Klägerin Anspruch auf Versorgung nach § 38 BVG. Das LSG hat im Ergebnis mit Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Deshalb war die Revision des Beklagten nach § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen