Leitsatz (amtlich)
Schränkt der Arbeitslose die ihm nach seiner körperlichen Verfassung zumutbare Arbeitszeit aufgrund seelischer Störungen, die er aus eigener Kraft nicht überwinden kann, ein, schließt dies nicht die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung wegen fehlender Arbeitsbereitschaft aus.
Normenkette
AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 1 Fassung: 1979-07-23; AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 2 Fassung: 1979-07-23
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 30.05.1986; Aktenzeichen L 4 Ar 70/82-W 86) |
SG Berlin (Entscheidung vom 24.08.1982; Aktenzeichen S 65 Ar 984/80) |
Tatbestand
Die Klägerin, die zuletzt als Hausgehilfin tätig war, wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung des ihr mit Bescheid vom 7. September 1979 ab 25. Juni 1979 für 268 Wochentage gewährten Arbeitslosengeldes (Alg). Hierbei legte die Beklagte bei der Feststellung des Arbeitsentgelts den Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zugrunde.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1980, geändert durch Bescheid vom 29. April 1980, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1980, hob die Beklagte die Bewilligung des Alg mit Wirkung vom 17. Januar 1980 auf, weil die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe, da sie entgegen einem ärztlichen Gutachten darauf beharrte, nur noch höchstens 26 Stunden wöchentlich arbeiten zu können.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24. August 1982 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem Urteil vom 30. Mai 1986 im wesentlichen aufgrund des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr. H. vom 21. November 1983 festgestellt, daß die Klägerin wegen ihres Krankheitszustandes nicht die Willensfreiheit besessen habe, durch eigenverantwortliche Entscheidung ihre subjektive Vorstellung von ihrem eingeschränkten Leistungsvermögen den objektiven Gegebenheiten ihres körperlichen Gesundheitszustandes und dem daraus resultierenden objektiven Leistungsvermögen anzupassen. Die Klägerin sei somit aus objektiven medizinischen Gründen gehindert, ihre subjektive Vorstellung über ihre Einsatzfähigkeit objektiven Gegebenheiten anzupassen. Eine solche durch objektive Gründe verursachte Einschränkung der Entscheidungsfreiheit müsse im Rahmen der Verfügbarkeit berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hinderten Einschränkungen der Arbeitsbereitschaft hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit die Verfügbarkeit nur dann nicht, wenn Gründe vorlägen, aus denen sich ergebe, daß der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung für eine längere Dauer anbieten könne. So gesehen habe die Klägerin aus objektiven Gründen nicht mehr als eine Arbeitsleistung von 26 Stunden Dauer in der Woche anbieten können, wenn sie auch scheinbar objektiv in der Lage gewesen sei, ganztägig zu arbeiten. Die Klägerin habe jedenfalls ihre Leistungsbereitschaft nicht willkürlich, also in freier Willensentscheidung, eingeschränkt. Sie habe vielmehr gar nicht anders handeln können. Wenn die Einschränkung der Verfügbarkeit aber nicht willkürlich erfolgt sei, dann sei die Klägerin auch objektiv gehindert gewesen, ganztags zu arbeiten.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 103 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Ihrer Auffassung nach hat die Schlußfolgerung des LSG, eine Arbeitszeit von 25 Wochenstunden stelle die für die Klägerin gezogene objektive Grenze dar, keine Grundlage. Sie beruhe auf einer rein subjektiven Einschätzung. Die ärztlichen Gutachten, auf die sich das LSG stütze, besagten lediglich, daß die Klägerin an zwangsneurotischen Vorstellungen leide und deshalb ohne ärztliche Hilfe nicht in der Lage sei, diese Einengung ihrer Vorstellung zu überwinden. Ihnen könne allenfalls entnommen werden, daß die Klägerin hinsichtlich der ihr möglichen Arbeitsdauer innerhalb der sich aus dem Gesetz ergebenden relevanten Spanne von 19 bis 40 Wochenstunden nicht in der Lage gewesen sei, die richtige, dem objektiven Leistungsvermögen entsprechende Zahl von Wochenstunden dem Arbeitsamt mitzuteilen. Die Gutachten besagten aber nicht, daß gerade die Benennung von 25 Wochenstunden objektiv medizinisch bedingt gewesen sei. Das LSG hätte bei Berücksichtigung derselben medizinischen Gutachten nicht anders entschieden, wenn die Klägerin die ihr noch mögliche Arbeitszeit beispielsweise mit 35 Wochenstunden angegeben hätte. Auch diese Erwägung zeige, daß von einer objektiv gezogenen Grenze unterhalb der Vollschichtigkeit nicht die Rede sein könne.
Im übrigen habe das LSG § 103 AFG nicht zutreffend ausgelegt. Für die Frage, ob die für den Leistungsanspruch erforderliche Arbeitsbereitschaft vorliege, müsse auf die Erklärungen des Arbeitslosen abgestellt werden. Liege hiernach eine Einschränkung der Arbeitsbereitschaft vor, so sei bei der Frage, welche leistungsrechtlichen Konsequenzen hieraus zu ziehen seien, nur auf objektive Gesichtspunkte abzustellen. Eine objektive Betrachtung erlaube im vorliegenden Fall jedoch keine Einschränkung der Verfügbarkeit auf eine Arbeitszeit unterhalb der Vollschichtigkeit. Wie bereits das LSG Niedersachsen in seinem Urteil vom 27. Januar 1961 - L 7 Ar 120/60 - (DBlR Nr 706 AVAVG § 76) ausgeführt habe, stehe ein Arbeitsloser, der sich aufgrund einer seelischen Fehlhaltung nicht für imstande halte, seinem objektiven Leistungsvermögen entsprechende körperliche Arbeiten zu verrichten, der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Darauf, ob diese Fehlhaltung einen solchen Grad erreicht habe, daß sich der Arbeitslose von ihr durch eigene Willensanpassung nicht mehr lösen könne, oder ob sie nur das bewußte Ausweichen von der ihm nicht zusagenden körperlichen Arbeit darstelle, komme es nicht an.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat zur Sache keine Anträge gestellt und auch hierzu nichts vorgetragen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide der Beklagten vom 18. Februar und 29. April 1980, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1980 (§ 95 SGG). Mit dem Bescheid vom 18. Februar 1980 ist die Bewilligung des der Klägerin mit Bescheid vom 7. September 1979 gewährten Alg ab 17. Januar 1980 aufgehoben und außerdem das für die Zeit vom 17. bis 26. Januar 1980 gezahlte Arbeitslosengeld zurückgefordert worden. Hinsichtlich der Rückforderung hat die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin durch Bescheid vom 29. April 1980 stattgegeben, jedoch an der Aufhebung der Bewilligung ab 17. Januar 1980 festgehalten. Die Klägerin wendet sich gegen diese Bescheide zu Recht mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG. Die begehrte Aufhebung der angefochtenen Bescheide hätte ohne weiteres zur Folge, daß der Bescheid vom 7. September 1979, mit dem der Klägerin zuvor das Alg bewilligt worden war, in seiner ursprünglichen Fassung wieder hergestellt würde und die Beklagte zur Weiterzahlung des Alg in der bisherigen Höhe verpflichtet wäre (BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19).
Das Anfechtungsbegehren der Klägerin ist allerdings nur zum Teil begründet. Die Beklagte war nicht berechtigt, den Bewilligungsbescheid in vollem Umfang aufzuheben. Die Aufhebung ist lediglich insoweit rechtmäßig, als der Klägerin Alg nach einem Arbeitsentgelt bewilligt worden war, für dessen Feststellung von einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 26 Stunden ausgegangen worden ist.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 151 Abs 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung. Hiernach sind Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Der § 151 Abs 1 AFG ist in dieser Fassung im vorliegenden Falle anwendbar geblieben, da er durch das Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 (BGBl I 1469 -SGB 10-) erst mit Wirkung vom 1. Januar 1981 aufgehoben worden ist und die an seine Stelle getretenen §§ 45 und 48 SGB 10 nach dessen Art II § 40 Abs 2 Satz 1 erstmals anzuwenden sind, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Dies hat zur Folge, daß die Rechtmäßigkeit einer vor dem 1. Januar 1981 erfolgten Aufhebung einer Leistungsbewilligung im Rahmen einer Anfechtungsklage nach dem bisherigen Recht zu beurteilen ist (BSG SozR 1300 § 45 Nr 1; SozR 5866 § 12 Nr 6; siehe auch die Urteile des Senats vom 14. Juni 1983 - 7 RAr 62/82 - und 22. August 1984 - 7 RAr 46/84 -). Die Beklagte wäre daher zur Aufhebung der Alg- Bewilligung in vollem Umfang dann berechtigt gewesen, wenn die Klägerin, wie die Beklagte meint, seit 17. Januar 1980 nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hätte. Dann würde eine der Voraussetzungen, die gemäß § 100 Abs 1 AFG für den Anspruch auf Alg erforderlich sind, nicht mehr vorliegen. Das war jedoch nicht der Fall.
Nach § 103 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFGÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer 1) eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2) bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie 3) das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Nr 1) gilt nicht hinsichtlich der Arbeitszeit; Lage und Verteilung der Arbeitszeit müssen jedoch den Bedingungen entsprechen, zu denen Beschäftigungen der in Betracht kommenden Art üblicherweise ausgeübt werden. Hiernach sieht das AFG für das Merkmal "Dauer der Arbeitszeit" eine Ausnahme von den Üblichkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur in bezug auf solche Arbeitslose vor, die objektiv die übliche Arbeitszeitdauer nicht erbringen können oder dürfen. In bezug auf die Arbeitsbereitschaft (§ 103 Abs 1 Nr 2 AFG) gilt, wie der Senat bereits entschieden hat, diese Ausnahme nicht (BSGE 47, 40, 42 = SozR 4100 § 103 Nr 18). Das folgt aus dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes, der dahin geht, daß Leistungen der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich nur derjenige Arbeitslose erhalten soll, der allein deshalb nicht in eine Arbeit vermittelt werden kann, weil Arbeitsplätze, für die er in Betracht kommt, nicht frei sind. Deshalb muß die Arbeitsbereitschaft grundsätzlich alle der objektiven Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen umfassen, damit der Versicherungsanspruch erhalten bleibt. Andererseits stehen aber Einschränkungen der Arbeitsbereitschaft hinsichtlich der Arbeitszeitdauer der Verfügbarkeit dann nicht entgegen, wenn Gründe vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Arbeitslose keine Arbeitsleistung für eine längere Dauer anbieten kann oder ihm eine in diesem Rahmen in Betracht kommende Arbeit nicht zuzumuten ist (BSGE 47, 40, 44 = SozR 4100 § 103 Nr 18, BSG SozR 4100 § 103 Nrn 6 und 8). Das erstere war hier der Fall.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Klägerin ihre Arbeitsbereitschaft hinsichtlich der Arbeitszeitdauer auf 26 Stunden in der Woche eingeschränkt und nicht, wie die Beklagte meint, auf 25 Stunden. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 163 SGG gebunden, da in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe von der Beklagten nicht vorgebracht worden sind. Die Klägerin war auch befugt, ihre Arbeitsbereitschaft in diesem Rahmen anzubieten. Ihr fehlte objektiv die Fähigkeit, die übliche Vollzeitarbeit zu erbringen. Dies folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG in seinem Urteil vom 15. Juni 1984, das der Senat wegen des Fehlens einer notwendigen Beiladung aufgehoben hatte und auf die sich das LSG in seiner jetzt angegriffenen Entscheidung bezogen hat. Hiernach hat die Klägerin an "zwangsneurotischen" Vorstellungen gelitten, erneut einen Herzinfarkt zu erleiden. Sie war deshalb ohne ärztliche Hilfe (Psychotherapie) nicht in der Lage, diese Einengung ihrer Vorstellung zu überwinden. Sie besaß im medizinischen Sinne nicht die Freiheit, durch eigenverantwortliche Entscheidung ihre subjektive Vorstellung von ihrem eingeschränkten Leistungsvermögen den tatsächlichen objektiven Gegebenheiten ihres körperlichen Gesundheitszustandes und dem daraus resultierenden objektiven Leistungsvermögen anzupassen.
Das bedeutet zunächst, daß die Klägerin meinte, sie könne nur 26 Stunden in der Woche arbeiten. Insoweit ist es richtig, daß die von ihr erklärte Einschränkung nicht mit ihrem tatsächlichen körperlichen Leistungsvermögen im Einklang stand. Das könnte der Verfügbarkeit entgegenstehen, wenn es sich insoweit lediglich um subjektive Vorstellungen gehandelt hätte (BSGE 47, 40, 43 = SozR 4100 § 103 Nr 18). Das LSG hat aber nicht festgestellt, daß die Vorstellung der Klägerin über das Vorliegen einer krankhaft bedingten Einschränkung ihrer Belastbarkeit auf rein subjektiven Maßstäben iS des § 103 AFG beruhte. Vielmehr waren dafür nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, objektive Gründe maßgeblich, nämlich seelische Störungen, die die Klägerin aus eigener Kraft nicht überwinden konnte.
Soweit die Beklagte geltend macht, das LSG habe die ärztlichen Gutachten unzutreffend gewürdigt, rügt sie eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 3 SGG). Diese Rüge kann nicht durchgreifen. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Die Beklagte hat die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, nicht aufgezeigt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung liegt vor, wenn das Tatsachengericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt und wenn sein Urteil auf diesem Mangel beruhen kann. Daß und warum dies der Fall ist, muß dargelegt werden. Eine Verfahrensrüge wegen einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist nicht formgerecht erhoben, wenn der Revisionskläger lediglich seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt. Dem Revisionsgericht ist es nicht erlaubt, unter mehreren möglichen Beweiswürdigungen eine ihm genehme zu wählen oder diese Beweiswürdigungen zu werten. Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen die Denkgesetze nur dann vorliegen, wenn die Gedankenführung des Gerichts nur eine Folgerung zuläßt, jede andere nicht denkbar ist und das Tatsachengericht die allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Mit der Rüge, das LSG habe die ärztlichen Gutachten unzutreffend gewürdigt, nimmt die Beklagte lediglich eine andere, ihr genehme Würdigung des Sachverhalts vor. Daß und inwieweit das LSG bei seiner Würdigung der ärztlichen Gutachten gegen Denkgesetze verstoßen hat, hat die Revision nicht aufgezeigt.
In tatsächlicher Hinsicht ist daher davon auszugehen, daß der Zustand der Klägerin über eine bloße subjektive Krankheitsvorstellung hinausging, was die Beklagte verkennt. Seelische Störungen, die die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit in einer vom Betroffenen selbst nicht zu steuernden Weise einschränken, sind nach der Rechtsprechung des BSG eine Krankheit im Sinne des Rentenversicherungsrechts und der Krankenversicherung (vgl BSGE 21, 189, 190; 31, 279, 281). Es bestehen keine Bedenken, eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch eine derartige Störung auch bei der Frage der Verfügbarkeit zu berücksichtigen; denn seelische Störungen, die eine Krankheit sind, beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit des Versicherten objektiv in gleichem Maße wie körperliche und geistige Gesundheitsstörungen. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 27. Januar 1961 (L 7 Ar 120/60). Diesem Urteil lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. In jenem Fall hielt sich der Arbeitslose nicht für imstande, überhaupt körperliche Arbeiten zu verrichten, und stand schon deshalb der Arbeitsvermittlung gemäß § 76 Abs 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung nicht zur Verfügung.
Somit ist davon auszugehen, daß die Klägerin auch nach ihrer Erklärung über die zeitliche Einschränkung ihres Arbeitsvermögens gemäß § 103 Abs 1 AFG der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Daß Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die zu leisten die Klägerin sich imstande erklärt hat, den Bedingungen entsprachen, zu denen Beschäftigungen der in Betracht kommenden Art und Dauer üblicherweise ausgeübt werden, ist nicht zweifelhaft. Die Klägerin kann auch nicht nur kurzzeitige Beschäftigungen iSv § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AFG idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (5. AFGÄndG) ausüben. Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit kann und darf sie 26 Stunden in der Woche arbeiten. Kurzzeitig ist gemäß § 102 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Dezember 1970 (BGBl I 3845) aber eine Beschäftigung, die weniger als zwanzig Stunden in der Woche dauert. Die Beklagte war somit nicht befugt, die Bewilligung des Alg wegen fehlender Verfügbarkeit aufzuheben, was die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben. Indes haben sie übersehen, daß die berechtigte Einschränkung der Dauer der Arbeitszeit durch die Klägerin auf weniger als vollschichtig die Beklagte zur teilweisen Aufhebung der Bewilligung berechtigte.
Nach § 112 Abs 8 AFG in der hier maßgeblichen Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) ist nämlich dann, wenn der Arbeitslose ua infolge einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr die Zahl der Arbeitsstunden leisten kann, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt, bei der Feststellung des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 2 AFG für die Zeit, während der die Minderung der Leistungsfähigkeit vorliegt, statt des Durchschnitts der tariflichen wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit die Zahl von Arbeitsstunden zugrunde zu legen, die der Arbeitslose wöchentlich zu leisten imstande ist. Das sind hier anstelle von bisher 40 nunmehr 26 Stunden. Das führt zu einem entsprechend niedrigeren Alg; denn dessen Höhe hängt von der Höhe des Arbeitsentgelts ab (§ 111 Abs 1 AFG). Dieses wiederum ist abhängig von der Zahl der in der Woche geleisteten Arbeitsstunden. Je höher diese Zahl ist, um so höher ist auch das Alg. Eine Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit führt also umgekehrt zu einem niedrigeren Alg. Die für die Klägerin günstigere Regelung des § 112 Abs 8 Satz 2 AFG idF von Art II § 2 Nr 10 SGB 10, wonach eine Begrenzung der durchschnittlichen Zahl von Arbeitsstunden infolge einer Minderung der Leistungsfähigkeit unberücksichtigt bleibt, kann hier nicht angewandt werden. Die Regelung ist erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten (Art II § 40 SGB 10). Deshalb erweisen sich die angefochtenen Bescheide zum Teil als rechtmäßig.
Die Revision der Beklagten muß insoweit Erfolg haben. Im übrigen ist sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen