Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanpassung des Auffüllbetrages. Teilzulassung der Revision
Leitsatz (amtlich)
1. Der Auffüllbetrag nach § 315a SGB VI ist eine im Rentenüberleitungsrecht vorgesehene, nicht dynamisierbare Zusatzleistung.
2. Die Zulassung der Revision kann in den Urteilsgründen auf die Entscheidung über den im Rahmen einer Rente begehrten Auffüllbetrag als selbständigen Streitgegenstand beschränkt werden.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB VI § 315a; SGG § 160; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 13. Januar 1997 wird verworfen, soweit die Klägerin mit ihr die Berücksichtigung zusätzlicher rentenrechtlicher Zeiten begehrt. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Altersruhegeldes.
Die am 18. Januar 1910 geborene Klägerin wohnt im Beitrittsgebiet. Sie bezog ab 1970 eine Altersversorgung nach den Bestimmungen des DDR-Rentenrechts. Laut undatiertem Bescheid der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten betrug die Gesamtrentenleistung zuzüglich Sozialzuschlag ab dem 1. Juli 1990 495,00 DM. Der Rentenanspruch der Klägerin, bestehend aus Altersrente und Witwenrente, wurde mit den undatierten Mitteilungen über die Rentenanpassung gemäß der 1. RAV zum 1. Januar 1991 auf 586,00 DM und gemäß der 2. RAV zum 1. Juli 1991 auf 695,00 DM erhöht. Mit Bescheid vom 28. November 1991 wertete die Beklagte den Altersrentenanspruch der Klägerin ab 1. Januar 1992 um. Von diesem Zeitpunkt an betrug die Altersrente monatlich 488,24 DM und wurde um einen Auffüllbetrag von 155,68 DM auf 643,92 DM erhöht.
Mit Schreiben vom 19. Februar 1995 beantragte die Klägerin die Überprüfung aller ihr gegenüber nach dem 30. Juni 1990 wirksam gewordenen Rentenbescheide. Sie beanstandete, daß die Bescheide die von ihr in der DDR rechtmäßig erworbenen Ansprüche nicht ausreichend berücksichtigten. Insbesondere fänden ihre Ansprüche, die sie als mithelfende Ehefrau im Betrieb ihres Ehemannes erworben habe, keinen Niederschlag. Außerdem werde sie als Bestandsrentnerin durch die ungünstige pauschale Berechnungsmethode des § 307a SGB VI gegenüber anderen Rentnern benachteiligt. Durch Bescheid vom 28. Juni 1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Überprüfung des Bescheides zur Rentenumwertung habe ergeben, daß dieser nicht zu beanstanden sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1996).
Mit ihrer Klage hat die Klägerin weiterhin das Ziel verfolgt, durch Berücksichtigung weiterer Arbeitsjahre eine höhere Regelaltersrente zu erhalten. Sie hat vorgetragen, es sei unangemessen, von ihr zu erwarten, für Sachverhalte, die über mehr als ein halbes Jahrhundert zurücklägen, Nachweise beizubringen. Auf ihren Fall sei die Bestimmung des § 307c SGB VI anzuwenden. Diese Vorschrift erlaube eine einfache Glaubhaftmachung. Während ihrer Tätigkeit im Betrieb ihres Ehemannes habe dieser für sie Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Außerdem entspreche ihre Rente nicht dem realen Wert des von ihr in der ehemaligen DDR erzielten Einkommens. Dies sei auszugleichen. Zudem habe sie in den Jahren 1964, 1965 und 1968 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 28. Juni 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1996, die von diesem Bescheid bestätigten Rentenbescheide zum 1. Juli 1990, zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 sowie den Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 aufzuheben
und
die Beklagte zu verurteilen, neue Rentenbescheide zum 1. Juli 1990, zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 sowie einen Umwertungsbescheid zum 1. Januar 1992 zu erlassen, in denen ihre Ansprüche auf Rente so berücksichtigt werden, wie sie in der DDR rechtmäßig erworben worden sind, bzw wie sie zuvor erworben und von der DDR übernommen wurden und dabei die Ansprüche insgesamt an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen, dies bedeutet ua als Jahre versicherungspflichtiger Tätigkeit zu berücksichtigen
- die Zeit als mithelfende Ehefrau vom 1. Januar 1933 bis zum 28. Februar 1949,
- zwei Zurechnungsjahre für ihre beiden Kinder,
- die Zeit, in der Ansprüche durch freiwillige Beiträge aufrechterhalten wurden,
- vier weitere Zurechnungsjahre für mehr als 40 Jahre versicherungspflichtiger Tätigkeit,
daß der den ab 1. Januar 1992 als Auffüllbetrag gekennzeichnete Teil der Rente der Klägerin, der aus Ansprüchen entstanden ist, die in der DDR rechtmäßig erworben worden waren, wie andere Teile der Rente an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen ist,
hilfsweise:
daß der Auffüllbetrag unverkürzt über den 31. Dezember 1995 hinaus weiter zu gewähren ist, bis der aktuelle Rentenwert Ost dem aktuellen BRD-Rentenwert entspricht
sowie
daß die aus der DDR-Rentenberechnung stammende Einkommensberechnung der letzten 20 Arbeitsjahre zu korrigieren und das Realeinkommen so zu berücksichtigen ist, wie es in der DDR wirksam wurde, und wie in vergleichbarer Weise auch die Bestimmung der Entgelte erfolgt, die der Rentenberechnung in den alten Ländern für die entsprechende Zeit zugrunde zu legen sind.
Die Beklagte hat erwidert, die Klägerin habe lediglich 22 Arbeitsjahre nachgewiesen. Die Umwertung ihrer Bestandsrente sei jedoch unter Zugrundelegung von 24 Arbeitsjahren erfolgt, da diese im Datenbestand in Leipzig gespeichert gewesen seien. Weitere Beitragszeiten seien durch die Klägerin nachzuweisen. Dies habe sie nicht gekonnt. Für den Zeitraum von September 1932 bis April 1945 hätten entsprechend ihren Angaben noch weitere Versicherungskarten vorhanden sein müssen, die nach erfolgter Aufrechnung auch in das Kontenarchiv der BfA gelangt wären. Dies sei jedoch nicht der Fall. Weitere Versicherungsunterlagen habe die Beklagte trotz eingehender Nachforschungen nicht ermitteln können. Aus der von der Klägerin vorgelegten „Beitragsquittung der allgemeinen Rentenanstalt” von Januar 1945 sei ersichtlich, daß ihr Ehemann Beiträge an eine private Lebens- und Rentenversicherungsgesellschaft geleistet habe. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, daß vor Mai 1945 weitere rentenrechtliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für sie entrichtet worden seien. Die Beweiserleichterungsvorschrift des § 307c SGB VI fände nur auf Rentenneuberechnungen nach § 307b SGB VI Anwendung, nicht aber auf Rentenumwertungen nach § 307a SGB VI. Die Rentenumwertung sei entsprechend den gesetzlichen Vorschriften erfolgt.
Durch Urteil vom 13. Januar 1997 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Altersrente. Die Bescheide zum 1. Juli 1990, 1. Januar 1991 und 1. Juli 1991 sowie der Rentenumwertungsbescheid vom 28. November 1991 seien rechtmäßig und nicht gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Durch Bescheid zum 1. Juli 1990 sei die Altersrente gemäß § 2 Abs 2 RAG iVm Art 1 Abs 2 und Art 20 Abs 3 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 von Mark der DDR auf DM umgestellt worden. Außerdem habe die Klägerin einen Sozialzuschlag gemäß § 18 RAG erhalten. Eine unrichtige Anwendung der genannten gesetzlichen Bestimmungen sei nicht ersichtlich. Zum 1. Januar 1991 sei der Altersrentenanspruch der Klägerin gemäß § 2 iVm § 1 der 1. RAV angepaßt worden. Gleiches sei zum 1. Juli 1991 unter Beachtung von § 4 iVm § 3 der 2. RAV erfolgt. Auch diese beiden Anpassungsbescheide seien nicht zu beanstanden. In entsprechender Anwendung des § 307a SGB VI habe die Beklagte schließlich als Funktionsnachfolgerin der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten den Altersrentenanspruch der Klägerin umgewertet. Dieser Bescheid vom 28. November 1991 sei ebenfalls nicht rechtswidrig. Die Rente sei richtig berechnet worden. Insbesondere sei die zutreffende Anzahl von Arbeitsjahren zugrunde gelegt worden. Eine Berücksichtigung weiterer Zurechnungsjahre komme weder tatsächlich noch rechtlich in Betracht. Hinsichtlich des gemäß § 315a SGB VI gewährten Auffüllbetrages gebe es für die begehrte Dynamisierung ab 1. Januar 1992 bzw die ungekürzte Weiterzahlung über den 31. Dezember 1995 hinaus keine rechtliche Grundlage.
Das SG hat die Sprungrevision im Urteilstenor zugelassen und dazu in den Gründen ausgeführt, es messe der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich des klägerischen Begehrens zum Auffüllbetrag bei. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage betreffe eine Vielzahl anderer Bestandsrentner und habe somit allgemeine Bedeutung. Die Rechtsfrage sei auch noch klärungsbedürftig und klärungsfähig, letzteres zumindest hinsichtlich ihrer möglichen Verfassungswidrigkeit.
Die Klägerin hat mit Zustimmung der Beklagten die Sprungrevision eingelegt. Sie macht geltend, daß das SG weitere rentenrechtliche Zeiten zu Unrecht nicht berücksichtigt habe. Es habe Zweifel am Beweis der Tätigkeit als mithelfende Ehefrau äußern und Gelegenheit zur Zeugenbenennung geben müssen (§ 62 SGG) und sei außerdem zur Amtsermittlung verpflichtet gewesen (§ 103 SGG). Im übrigen rügt die Klägerin die Verletzung verfassungsrechtlicher Vorschriften (Art 3, 14 GG) hinsichtlich der gesamten Rentenüberleitung und trägt in bezug auf den Auffüllbetrag vor: Durch die gesetzlich ab 1. Januar 1996 vorgesehene Abschmelzung dieses Betrages, der ihr in Höhe von 155,68 DM zugestanden worden sei, verliere sie über längere Zeit den Anspruch auf eine angemessene Anpassung ihrer Rente und die notwendige Dynamisierung, vor allem aber die letzten Reste des ohnehin unzureichenden Bestands- und Vertrauensschutzes der Ansprüche aus der DDR.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 13. Januar 1997 und den Bescheid vom 28. Juni 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1996, die von diesem Bescheid bestätigten Rentenbescheide zum 1. Juli 1990, zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 sowie den Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, neue Rentenbescheide zum 1. Juli 1990, zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 sowie einen neuen Umwertungsbescheid zum 1. Januar 1992 zu erlassen, in denen die Ansprüche der Klägerin auf Rente so berücksichtigt werden, wie sie in der DDR rechtmäßig erworben worden sind, bzw wie sie zuvor erworben und von der DDR anerkannt bzw übernommen wurden, die Ansprüche insgesamt an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen und der Klägerin ab 1. Juli 1990 eine höhere Rente als bisher zu gewähren, insbesondere die Beklagte zu verpflichten,
2.1 als Jahre versicherungspflichtiger Tätigkeit zu berücksichtigen
die Zeiten als mithelfende Ehefrau (insgesamt 17 1/4 Jahre)
aa) vom 1. Januar 1933 bis zum 17. Januar 1945,
bb) vom 24. September 1945 bis zum 28. Februar 1949,
- zwei Zurechnungsjahre für ihre beiden Kinder,
- die Zeiten, in denen die Ansprüche durch freiwillige Beiträge aufrechterhalten wurden,
- vier weitere Zurechnungsjahre für mehr als 40 Jahre versicherungspflichtiger Tätigkeit,
2.2 den als Auffüllbetrag gekennzeichneten Teil der Rente der Klägerin (bis zum Beginn der Abschmelzung waren es 155,68 DM), der aus Ansprüchen entstanden ist, die in der DDR rechtmäßig erworben worden waren,
- ab 1. Januar 1992 wie andere Teile der Rente an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen,
- hilfsweise: den Auffüllbetrag unverkürzt über den 31. Dezember 1995 hinaus weiter zu gewähren, zumindest bis der aktuelle Rentenwert Ost dem aktuellen BRD-Rentenwert entspricht,
- hilfsweise, die grundsätzlichen Rechtsfragen dieses Rechtsstreites wegen Verfassungswidrigkeit der Bescheide und des Urteils sowie der den Bescheiden und dem Urteil zugrundeliegenden Regelungen des SGB VI und des RÜG gemäß Art 100 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
- die Sprungrevision als unzulässig zu verwerfen, soweit mit ihr die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten begehrt wird,
- sie im übrigen als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß das erstinstanzliche Urteil wegen der wirksam beschränkten Revisionszulassung im wesentlichen nicht mehr angefochten werden könne. Hinsichtlich der gerügten Verfahrensfehler und des Begehrens auf einen höheren Auffüllbetrag sei die Revision unbegründet. Ab 1. Juli 1996 habe sich der Auffüllbetrag nach § 315a SGB VI auf 68,27 DM vermindert.
Entscheidungsgründe
II
1. Die Revision ist unzulässig, soweit die Klägerin mit ihr weiterhin die Berücksichtigung zusätzlicher rentenrechtlicher Zeiten begehrt. Entgegen ihrer Ansicht liegt eine wirksame Teilzulassung der Revision vor.
Die Beschränkung durch das SG ist formell wirksam. Zwar hat das SG die Begrenzung der Zulassung nicht im Urteilstenor ausgesprochen. Zur Auslegung einer im Urteilstenor (uneingeschränkt) ausgesprochenen Revisionszulassung sind aber der sonstige Urteilsinhalt, vor allem die Entscheidungsgründe heranzuziehen (vgl BSG Urteile vom 3. Juli 1956 – 1 RA 87/55 – BSGE 3, 135, 137 f; vom 13. Oktober 1992 – 4 RA 40/91 – SozR 3-5050 § 15 Nr 5; vom 31. Juli 1997 – 4 RA 22/96 – nicht veröffentlicht und vom 25. Juni 1998 – B 7 AL 2/98 R – BSGE 82, 198, 200 = SozR 3-4100 § 242 Nr 1). Hier ist der Begründung der Zulassungsentscheidung eindeutig zu entnehmen, daß das SG die Revision nur hinsichtlich des klägerischen Begehrens zum Auffüllbetrag zulassen wollte, weil es ausdrücklich allein deswegen der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Die Beschränkung ist auch inhaltlich wirksam. Bei dem Streit über den Auffüllbetrag und die hiermit zusammenhängenden Fragen der Anpassung und Abschmelzung handelt es sich um einen prozessual selbständigen Teil des Streitgegenstandes. Der Streit betrifft nicht etwa die Entscheidung bestimmter Rechtsfragen im Rahmen eines einheitlichen Rentenanspruchs. Vielmehr bedeutet der Auffüllbetrag beim Altersruhegeld der Klägerin eine tatsächliche und rechtlich eigenständige Zusatzleistung zur SGB VI-Rente (vgl nachfolgend unter 3.), so daß insoweit eine Teilzulassung der Revision zulässig ist und keine unwirksame Beschränkung der Revision vorliegt (vgl BSG Urteile vom 3. Juli 1956 – 1 RA 87/55 – BSGE 3, 135, 138 f; vom 25. April 1962 – 3 RK 21/58 – SozR Nr 170 zu § 162 SGG und vom 13. Oktober 1992 – 4 RA 40/91 – SozR 3-5050 § 15 Nr 5; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 160 RdNrn 28a und 28b mwN).
2. Die Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin die tatsächlichen Feststellungen des SG unter Hinweis auf eine angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) bzw der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) angreift. Hierbei handelt es sich nach § 161 Abs 4 SGG um in der Sprungrevision unzulässige Verfahrensrügen, was zur Zurückweisung der Revision führt (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 161 RdNr 10a und § 163 RdNr 5a).
3. Die Revision ist ebenfalls unbegründet, soweit die Klägerin im Umfang der durch das SG erfolgten Zulassung höhere Ansprüche in bezug auf den ihr gewährten Auffüllbetrag geltend macht. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte den Auffüllbetrag in Anwendung von § 315a SGB VI richtig gewährt, was die Klägerin als solches nicht in Zweifel zieht. Für ihr Begehren auf Anpassung des Auffüllbetrages ab 1. Januar 1992 und/oder ungekürzte Weiterzahlung über den 31. Dezember 1995 hinaus existiert im geltenden Bundesrecht keine Anspruchsgrundlage.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese einfachgesetzliche Rechtslage bestehen nicht. Die sog Systementscheidung, die nach dem Recht der früheren DDR begründeten Rechte, Ansprüche und Anwartschaften seit dem 1. Januar 1992 im Wege (abermaliger) gesetzlicher Novation ausschließlich durch die entsprechenden Rechte, Ansprüche und Anwartschaften nach dem SGB VI zu ersetzen, unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat der Senat in den Urteilen vom 17. Juli 1996 (5/4 RA 21/94 – BSGE 79, 57 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 ≪dort≫ Nr 6), vom 6. November 1996 (5/4 RA 48/94) sowie vom 14. Dezember 1998 (B 5/4 RA 23/97 R und B 5/4 RA 70/97 R, jeweils mwN) in Übereinstimmung mit den Urteilen des 4. Senats des BSG vom 27. Januar 1993 (4 RA 40/92 – BSGE 72, 50 = SozR 3-8750 § 10 Nr 1) und vom 5. März 1996 (4 RA 82/94 – BSGE 78, 41 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 ≪dort≫ Nr 5) und dem Urteil des 8. Senats des BSG vom 28. Oktober 1996 (8 RKn 13/94 – nicht veröffentlicht) ausgeführt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Er schließt sich insoweit – nach eigener Überprüfung – den Urteilen des 4. Senats vom 31. Juli 1997 (4 RA 35/97 – BSGE 81, 1 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 ≪dort≫ Nr 14) und vom 30. Juni 1998 (B 4 RA 9/96 R – in SozR 3 zur Veröffentlichung vorgesehen) an.
Jedenfalls wird den Interessen der Klägerin auch mit Blick auf die Rentenüberleitung im allgemeinen durch die Gewährung eines Auffüllbetrages gemäß § 315a SGB VI hinreichend Rechnung getragen. Der Auffüllbetrag gehört zu den „Zusatzleistungen” (vgl die „Amtliche”, dh vom Gesetzesbeschluß des Bundestages mitumfaßte, Überschrift zum Sechsten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Fünften Kapitels). Ebenso wie die anderen im Rentenüberleitungsrecht des Fünften Kapitels des SGB VI ua aufgeführten Renten- und Übergangszuschläge (§§ 319a und 319b SGB VI) bezweckt er in Fortführung und Erweiterung des sich aus Art 30 EV ergebenden Vertrauensschutzgedankens die Vermeidung einer wirtschaftlichen Schlechterstellung der von der Rentenüberleitung im Beitrittsgebiet erfaßten Rentner und Anwartschaftsberechtigten der Sozialversicherung und der FZR. Als Leistung eigener Art, deren Höhe sich durch einen Vergleich der in Anwendung von § 307a SGB VI ermittelten SGB VI-Rente mit der im Dezember 1991 nach Art 2 RÜG gezahlten „Beitrittsgebietsrente” ergibt, ist er mangels anpassungsfähiger Elemente nicht wie die SGB VI-Rente dynamisierbar (vgl BSG Urteil vom 30. Juni 1998 – B 4 RA 9/96 R mwN – in SozR 3 zur Veröffentlichung vorgesehen). Durch die unterlassene Anpassung und sofortige Abschmelzung des Auffüllbetrages bei Rentenanpassungen, also dessen schrittweiser Verrechnung, hat der Gesetzgeber nicht in ein geschütztes Recht der Klägerin eingegriffen (Art 14 Abs 1 GG). Es ist bereits zweifelhaft, ob der Auffüllbetrag als eine bestandsschützende Zusatzleistung eigener Art dem Eigentumsschutz unterliegt. Doch selbst wenn letzteres bejaht wird, ist zu beachten, daß der Auffüllbetrag sicherstellen soll, daß mindestens der nach den Vorschriften des Art 2 RÜG ermittelte Betrag der Gesamtleistung gezahlt wird (vgl Antwort der Bundesregierung vom 6. Juni 1995 auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion – BT-Drucks 13/1631, S 12). Er war von vornherein nicht statisch ausgestaltet, sondern sollte laufend – jedoch erst ab 1996 – bei Rentenanpassungen abgeschmolzen werden.
Der Klägerin steht hinsichtlich des Auffüllbetrages auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht zur Seite. Die abzuschmelzenden Auffüllbeträge sind nicht als Benachteiligung der Rentenzugänge aus den neuen Bundesländern anzusehen. Vielmehr wird den nach § 315a SGB VI Berechtigten (und damit auch der Klägerin) bis zum Ende des Abschmelzungsverfahrens im Vergleich zu Versicherten aus den alten Bundesländern eine höhere Zahlung erbracht, als ihnen nach den Vorschriften des SGB VI an sich zustehen würde. In der lohn- und beitragsbezogenen Rentenversicherung der Bundesrepublik sind auf beitragsfreien Zeiten beruhende, zusätzliche Leistungen nicht vorgesehen, so daß für eine Fortschreibung des Auffüllbetrages bei Versicherten aus dem Beitrittsgebiet kein Gleichbehandlungstatbestand gegeben ist. Vielmehr verlangt gerade der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ihre schrittweise Abschmelzung (vgl Antwort der Bundesregierung vom 6. Juni 1995 auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion – BT-Drucks 13/1631, S 13).
Ebensowenig folgt aus Art 3 Abs 1 GG ein Anspruch auf ungekürzte Weiterzahlung des Auffüllbetrages, bis der aktuelle Rentenwert Ost dem aktuellen Rentenwert West entspricht. Die Zahlung von Auffüllbeträgen und Rentenzuschlägen (§§ 315a und 319a SGB VI) ohne sofortige Abschmelzung war schon bei den Bestandsrentnern und Rentenneuzugängen bis einschließlich 1993 nur vor dem Hintergrund des niedrigeren Ausgangsniveaus der Renten in den neuen Bundesländern zu rechtfertigen (vgl Antwort der Bundesregierung vom 6. Juni 1995 auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion – BT-Drucks 13/1631, S 13). Ein weiteres Festhalten an Auffüllbeträgen und Rentenzuschlägen bis zu einer Angleichung des Lohn- und Gehaltsniveaus von alten und neuen Bundesländern würde einerseits für die meisten der begünstigten Rentner den Verrechnungsvorgang über Jahrzehnte hinziehen und andererseits zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Rentner im Beitrittsgebiet führen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sich trotz des derzeit noch unterschiedlichen Lohn- und Gehaltsniveaus in den alten und neuen Bundesländern sowie des deshalb noch unterschiedlich hohen Rentenwerts (ab 1. Juli 1998: West = 47,65 DM; Ost = 40,87 DM) in vielen Fällen – speziell bei Renten von Frauen – bereits jetzt höhere Renten in den neuen Bundesländern ergeben als im alten Bundesgebiet (vgl Antwort der Bundesregierung vom 6. Juni 1995 auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion – BT-Drucks 13/1631, S 13 sowie Bericht vom 1. März 1996 über die Ausschußsitzung vom 7. Februar 1996 – BT-Drucks 13/3960, S 4 f; Strauch in DAngVers 1997, 247, 262 f – zu den Zahlen 1995).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
NJ 1999, 302 |
NZS 2000, 43 |
SozR 3-2600 § 315a, Nr. 1 |
SozSi 2000, 105 |