Entscheidungsstichwort (Thema)

Neuberuf und Berufsschadensausgleich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Daß auf den vor der "Umschulung" ausgeübten Beruf zurückgegriffen werden kann, ist nicht davon abhängig, daß das Absinken in dem "neuen Beruf" schädigungsbedingt ist.

2. Ein Berufsschadensausgleich kann nicht allein wegen eines in der Vergangenheit vorgelegenen beruflichen Schadens verlangt werden, vielmehr ist ein aktueller beruflicher Schaden in der Zeit erforderlich, für die diese Versorgungsleistung verlangt wird (vergleiche BSG 1970-09-16 BSGE 32, 1-8).

Ob in der Zeit, für die Berufsschadensausgleich begehrt wird, ein Ausgleich erreicht worden ist, muß nach dem generalisierenden Maßstab des BVG § 30 Abs 4 S 1 entschieden werden.

Zwar spricht BVG § 30 Abs 6 von "beruflichem Schaden", während BVG § 30 Abs 4 von "Einkommensverlust" spricht; hierin kommt aber kein Gegensatz zum Ausdruck.

 

Orientierungssatz

Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich ist jedenfalls nicht schon dann nach BVG § 30 Abs 7 ausgeschlossen, wenn in der Vergangenheit einmal ein Ausgleich des beruflichen Schadens erreicht worden ist; vielmehr muß dieser Ausgleich auch noch in der Zeit gegeben sein, für die der Berufsschadensausgleich verlangt wird. Ob ein Ausgleich erreicht worden ist, ist nach dem generalisierenden Maßstab des BVG § 30 Abs 4 S 4 zu ermitteln.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3, 4 S. 4, Abs. 7, § 26

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Mai 1973 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der im Januar 1899 geborene Kläger, der wegen verschiedener Schädigungsfolgen Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. bezieht, beantragte im Juli 1968 die Zahlung von Berufsschadensausgleich. Nach Beendigung der dreijährigen Lehrzeit hat er 1916 die Gesellenprüfung als Friseur bestanden und anschließend als Friseurgeselle gearbeitet. Am 1. Januar 1935 machte er sich in diesem Beruf selbständig und legte 1938 die Meisterprüfung ab. Bis zur Einberufung zur Wehrmacht im Jahre 1939 betrieb er ein Friseurgeschäft für Herren.

Nach seiner Verwundung wurde der Kläger aus der Wehrmacht entlassen. Der Truppenarzt schlug im März 1941 einen Wechsel der Berufsgruppe und, falls notwendig, eine Umschulung vor. Der Kläger nahm im Juni 1941 versuchsweise und zur Umschulung eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter auf. Bis Ende Dezember 1941 erhielt er vom Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt monatlich 20,- RM als laufende Unterstützung, weil sein Gehalt als kaufmännischer Angestellter in Höhe von 180,- RM monatlich sein zuletzt als Friseur erzieltes Einkommen von monatlich 200,- RM nicht erreichte. Nachdem sein Verdienst vom Januar 1942 an auf 225,- RM monatlich angestiegen war, wurden diese Zahlungen eingestellt. Der Kläger war seit 1941 ständig bei derselben Firma tätig, bis er im Jahre 1967 im Alter von 68 Jahren ausschied. Zuletzt erzielte er ein Bruttoeinkommen von etwa 1.050,- DM monatlich; er bezieht jetzt Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung sowie eine betriebliche Altersrente. Bei einer früheren Überprüfung seiner besonderen beruflichen Betroffenheit hat der Kläger am 22. Mai 1959 zu Protokoll des Versorgungsamtes Gießen angegeben, er habe gegenüber seinem ursprünglichen Beruf als Friseur keinen sozialen oder wirtschaftlichen Abstieg erlitten. Berufsförderungsmaßnahmen seien früher durchgeführt worden und auch von Erfolg gewesen. Zu dieser Zeit verdiente er etwa 625,- DM brutto monatlich.

Das Versorgungsamt G lehnte mit Bescheid vom 10. Januar 1969 den Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich ab, da nicht glaubhaft gemacht sei, daß der Kläger jetzt eine schlechtere Altersversorgung habe, als wenn er den Friseurberuf bis zur Erreichung der Altersgrenze ausgeübt hätte. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. April 1969).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Gießen durch Urteil vom 12. November 1970 den Beklagten verurteilt, dem Kläger Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 9 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG), zuzüglich Ortszuschlag, vermindert um 25 v. H., zu gewähren. Der Einkommensverlust dürfe nicht konkret berechnet werden, sondern ergebe sich nach § 30 Abs. 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aus der Gegenüberstellung des derzeitigen Bruttoeinkommens mit dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung angehört hätte.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 22. Mai 1973 das Urteil des SG Gießen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Auffassung des SG, daß die Feststellung eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes unbeschadet früherer Umschulungsmaßnahmen nach generalisierenden Gesichtspunkten stattzufinden habe, finde im Gesetz keine Stütze. Der Kläger sei von Juni 1941 bis mindestens 31. Dezember 1941 aufgrund einer beruflichen Umschulung i. S. des § 26 Abs. 2 BVG tätig gewesen. Sie sei auf Vorschlag des Truppenarztes eingeleitet worden; der Kläger habe eine laufende monatliche Unterstützung von 20,- RM erhalten. Auch habe das Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt den Kläger seinerzeit darauf hingewiesen, daß er ab Januar 1942 das vor seiner Einberufung erzielte Einkommen überschritten habe. Damit sei ausdrücklich festgestellt worden, daß der durch die Schädigungsfolgen erlittene berufliche Schaden ausgeglichen sei. Noch am 22. Mai 1959 habe der Kläger selbst den Eindruck gehabt, die Berufsförderungsmaßnahmen hätten bei ihm zu einem Ausgleich seines wirtschaftlichen Schadens geführt. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 7 BVG seien also erfüllt. Der Kläger habe einen "Neuberuf" i. S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erlangt. Wenn er in diesem Neuberuf einkommensmäßig absinke, könne zwar wieder auf den vor der Umschulung ausgeübten Beruf zurückgegriffen werden; dafür sei aber Voraussetzung, daß das Absinken im neuen Beruf schädigungsbedingt sei. Dies habe das SG nicht beachtet. Aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 7 BVG, der nicht davon spreche, daß die Berufsförderungsmaßnahmen zum Ausgleich des beruflichen Schadens führen müßten, sondern es darauf abstelle, ob sie zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt haben, ergebe sich, daß der Zeitpunkt, in dem ein Ausgleich des beruflichen Schadens vorgelegen habe, in der Vergangenheit liegen müsse. Dies sei beim Kläger mindestens für die Zeit vom 1. Januar 1942 bis zum Mai 1959 der Fall gewesen. Damit sei die Verpflichtung zur Gewährung von Berufsschadensausgleich entfallen; ein Wiederaufleben dieses Anspruchs sehe das Gesetz an dieser Stelle nicht vor. Das Risiko eines relativen Absinkens der wirtschaftlichen Erträge aus dem Umschulungsberuf gegenüber dem Altberuf verbleibe bei dem Beschädigten, sofern es nicht als wesentlich schädigungsbedingt erkannt werde. Dieser Nachweis sei nicht erbracht, vom Kläger auch nicht angetreten.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Mai 1973 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. November 1970 zurückzuweisen.

Er rügt mit näherer Begründung, das LSG habe § 30 Abs. 3 und 4 BVG unrichtig angewandt. Es hätte nicht von dem schädigungsbedingten Umschulungsberuf als Angestellter, sondern von dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf als Friseurmeister ausgehen müssen. Dann hätte sich aber ein schädigungsbedingter Minderverdienst ergeben. Das SG habe bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß die Erklärung des Klägers vom 22. Mai 1959, bei ihm hätten Berufsförderungsmaßnahmen einen Ausgleich des wirtschaftlichen Schadens herbeigeführt, weder einen Verzicht auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich darstelle noch im Rahmen des § 30 Abs. 6 - bzw. 7 - BVG von Bedeutung sei. Der Berufsschadensausgleich für nicht erwerbsunfähige Schwerbeschädigte werde erst seit dem 1. Januar 1964 gewährt; beim Kläger könne es sich 1941 auch noch nicht um arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen i. S. des § 26 BVG gehandelt haben. Der berufliche Schaden sei beim Kläger tatsächlich nicht ausgeglichen, weil sein zuletzt als kaufmännischer Angestellter erreichtes Einkommen erheblich geringer gewesen sei als das zum Vergleich heranzuziehende Durchschnittseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG. Schließlich komme es bei einem Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht auf die Berufs- und Einkommensverhältnisse in der Vergangenheit an, sondern auf diejenigen im Zeitpunkt der Antragstellung und während des Bezuges der begehrten Leistung.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Sein zulässiges Rechtsmittel mußte auch in dem Sinne Erfolg haben, daß der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückverwiesen wird.

Da der Kläger seinen Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich im Juli 1968 gestellt hat, muß dieser nach dem BVG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 28. Dezember 1966 (BGBl I, 750 - 3. NOG -) beurteilt werden. Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in näher bezeichneter Höhe. Daß der Kläger diese Versorgungsleistung erst beantragt hat, als er bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden war, ist unschädlich (vgl. BSG SozR Nr. 50 zu § 30 BVG).

Zu Unrecht hat das LSG einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich deshalb abgelehnt, weil zumindest für die Zeit von 1942 bis 1959 berufsfördernde Maßnahmen dazu geführt hätten, daß ein beruflicher Schaden des Klägers nicht mehr festgestellt werden könne. Es hat sich dabei auf § 30 Abs. 7 - früher Abs. 6 - BVG gestützt. Nach dieser Vorschrift sind, wenn arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen nach § 26 BVG möglich und zumutbar sind, die Höherbewertung nach Abs. 2 und der Berufsschadensausgleich nach Abs. 3 nur dann zu gewähren, wenn diese Maßnahmen aus vom Beschädigten nicht zu vertretenen Gründen erfolglos geblieben sind oder nicht zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt haben. Es kann unerörtert bleiben, ob die siebenmalige Zahlung von 20,- RM im Jahre 1941 als eine arbeits- und berufsfördernde Maßnahme angesehen werden kann und ob sie damals zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt hatte. Denn zur Ablehnung des Antrags des Klägers reicht es nicht aus, daß in der Vergangenheit einmal ein Ausgleich des beruflichen Schadens erreicht worden ist. Kann schon ein Berufsschadensausgleich nicht allein wegen eines irgendwann in der Vergangenheit einmal vorgelegenen beruflichen Schadens verlangt werden - vielmehr ist ein aktueller beruflicher Schaden in der Zeit erforderlich, für die diese Versorgungsleistung verlangt wird (vgl. BSG 32, 1 ff; Urteil vom 6. Juli 1972 - 9 RV 484/70) - so kann ein Berufsschadensausgleich auch nicht stets deshalb versagt werden, weil irgendwann einmal in zurückliegender Zeit ein Ausgleich erreicht worden ist; vielmehr muß dieser Ausgleich noch in der Zeit gegeben sein, für die Berufsschadensausgleich verlangt wird (vgl. BSG SozR Nr. 53 zu § 30 BVG). Hiergegen spricht - entgegen der Ansicht des LSG - nicht etwa der Wortlaut des § 30 Abs. 7 BVG. Die Wortfassung "geführt haben" war vielmehr notwendig, weil dem Beschädigten der Berufsschadensausgleich auch während der Durchführung berufsfördernder Maßnahmen zusteht (vgl. SozR Nr. 51 zu § 30 BVG) und weil ein durch sie erzielter Ausgleich einem auf § 62 BVG gestützten Entziehungsbescheid zeitlich vorausgehen muß. Nur im Wege des Umkehrschlusses könnte gefolgert werden, daß der Berufsschadensausgleich für alle Zeiten ausgeschlossen sein sollte. Die Ausgestaltung des Berufsschadensausgleichs aber und die ihn beherrschende Kausalitätsnorm verbieten einen solchen Umkehrschluß aus § 30 Abs. 7 BVG.

Ob in der Zeit, für die Berufsschadensausgleich begehrt wird, ein Ausgleich erreicht worden ist, muß auch hier nach dem generalisierenden Maßstab des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG entschieden werden. Zwar spricht § 30 Abs. 7 BVG von "beruflichem Schaden", während § 30 Abs. 4 BVG von "Einkommensverlust" spricht. Hierin kommt aber kein Gegensatz zum Ausdruck, denn in § 30 Abs. 7 BVG mußte eine Formulierung gefunden werden, die auch auf § 30 Abs. 2 BVG bezogen werden kann, bei dem ein besonderes berufliches Betroffensein auch ohne einen Einkommensverlust möglich ist (so bei sozialem Abstieg - vgl. BSG 10, 69 - oder bei Berufsausübung unter Aufbieten außergewöhnlicher Energie - vgl. BSG 13, 20). Müßte bei § 30 Abs. 7 BVG die Frage, ob ein Ausgleich des beruflichen Schadens erreicht worden ist, konkret beantwortet werden, so würden die Schwierigkeiten, denen die generalisierende Regelung des Einkommensverlustes in § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG begegnen wollte, für die Verwaltung an anderer Stelle gleichwohl entstehen. Das kann nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein.

Das SG hat zutreffend erkannt, daß die Äußerung des Klägers aus dem Jahre 1959, bei ihm sei ein sozialer oder wirtschaftlicher Abstieg nicht gegeben, seinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht ausschließt. Hieraus kann nicht auf einen Ausgleich des Einkommensverlustes i. S. von § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG geschlossen werden. Abgesehen davon, daß diese Erklärung zu § 30 Abs. 2 BVG abgegeben wurde, gab es zu dieser Zeit das Rechtsinstitut des Berufsschadensausgleichs noch nicht. Also konnte auch noch nicht vorausgesehen werden, wie das für diese Versorgungsleistung bestimmende Tatbestandsmerkmal des Einkommensverlustes festgestellt werden würde.

Von seiner nicht zutreffenden Rechtsansicht aus hat das LSG keine Feststellungen zu dem beruflichen Schaden des Klägers für den Anspruchszeitraum getroffen. Dem Senat fehlt also die erforderliche Grundlage an Tatsachen, um in der Sache selbst entscheiden zu können (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG). Infolgedessen mußte der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Diese wird prüfen und feststellen müssen, ob und welchen Einkommensverlust der Kläger hat. Dabei wird folgendes zu beachten sein: Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Bruttoeinkommen) und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (Vergleichseinkommen). Das LSG hat in dieser Beziehung festgestellt, daß der Kläger das Friseurhandwerk erlernt, sich als Friseur selbständig gemacht, die Meisterprüfung abgelegt und diesen Beruf bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst ausgeübt hat. Weiter hat das LSG festgestellt, daß der Kläger aufgrund seiner Schädigungsfolgen gehindert war, den Friseurberuf weiter auszuüben, und deshalb eine andere Tätigkeit aufnehmen mußte. Das LSG wird also zu prüfen haben, ob der Kläger mit Wahrscheinlichkeit weiterhin als Friseur tätig gewesen wäre, wenn er nicht verwundet worden wäre. Wird diese Frage bejaht, dann wäre der Beruf, dem der Kläger "ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte", der Friseurberuf. Hiervon ist dann bei der Ermittlung des Einkommensverlustes auszugehen, wobei auch das Lebensalter des Klägers zu berücksichtigen ist. Daß auf den vor der "Umschulung" ausgeübten Beruf zurückgegriffen werden kann, ist nicht - wie das LSG meint - davon abhängig, daß das Absinken in dem "neuen" Beruf schädigungsbedingt ist. Das vom LSG zitierte Urteil des BSG vom 9. Oktober 1971 - 9 RV 346/68 - besagt zu dieser Frage nichts. Im Gegenteil weist es darauf hin, daß regelmäßig von dem alten, d. h. dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf auszugehen ist (vgl. auch SozR Nr. 44 zu § 30 BVG). Nur ausnahmsweise kann ein nach der Schädigung ergriffener Beruf berücksichtigt werden, wenn es sich um einen sozial höherwertigen Beruf handelt und die Schädigungsfolgen den Versorgungsberechtigten zur Aufgabe dieses Berufes gezwungen haben (vgl. SozR Nr. 53 zu § 30 BVG). Das betont auch das vom Beklagten herangezogene Urteil vom 9. Mai 1972 - 8 RV 715/71 -; in SozR Nr. 56 zu § 30 BVG insoweit nicht abgedruckt). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil der Kläger seinen Umschulungsberuf bis über die Altersgrenze hinaus ausgeübt hat und das schließliche Ausscheiden nicht auf Schädigungsfolgen beruht hat.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Urteil vorbehalten, durch welches der Rechtsstreit abgeschlossen wird.

Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647563

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