Leitsatz (amtlich)
1. Ist bei Erlaß eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden, so muß nach § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 der Verwaltungsakt zurückgenommen werden, ohne daß - wie bei § 1300 RVO aF - dem Versicherungsträger ein Beurteilungsspielraum für seine Überzeugungsbildung eingeräumt wäre.
2. Der Bezug einer dem deutschen Altersruhegeld entsprechenden Leistung im Verschleppungsland steht der Anrechnung einer Ersatzzeit wegen Verschleppung (§ 1251 Abs 1 Nr 2 RVO) nicht entgegen (Bestätigung von BSG 1978-02-28 4 RJ 125/76 = BSGE 46, 54).
Normenkette
SGB 10 § 44 Abs 1 S 1 Fassung: 1980-08-18; RVO § 1251 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; FRG § 19 Abs 3 Fassung: 1960-02-25
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.06.1982; Aktenzeichen L 12 J 334/82) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 08.02.1982; Aktenzeichen S 6 J 2330/81) |
Tatbestand
Streitig ist die rentensteigernde Anrechnung einer Ersatzzeit.
Die am 22. Februar 1920 als sowjetische Staatsbürgerin geborene Klägerin arbeitete bis März 1944 bei Odessa auf einer Kolchose. Dann wurde sie als deutsche Staatsbürgerin in das Reichsgebiet umgesiedelt, 1945 aus der sowjetischen Besatzungszone aber wieder in die Sowjetunion verbracht. Dort war sie als Landarbeiterin, Köchin und Kinderpflegerin beschäftigt, bis sie ab April 1975 vom sowjetischen Rentenversicherungsträger Altersrente bezog.
Am 17. Mai 1977 traf die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland ein; sie wurde als Vertriebene sowie Heimkehrerin im Sinne der entsprechenden Gesetze anerkannt. Mit Bescheid vom 15. Mai 1978 gewährte die Beklagte, ausgehend von einem am 20. September 1977 eingetretenen Versicherungsfall, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Februar 1978. Als die Beklagte unter dem 15. Dezember 1980 einen zur Rentenerhöhung führenden Neufeststellungsbescheid erließ, lehnte sie gleichzeitig den Antrag ab, die Zeit von April 1975 bis zum 20. September 1977 gemäß § 1251 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Ersatzzeit wegen Verschleppung und anschließender Krankheit zu berücksichtigen, weil der Bezug der russischen Altersrente und eines deutschen Altersruhegeldes gleichgestellt seien und während eines solchen Zeitraumes keine Ersatzzeit zurückgelegt werden könne. Einen erneuten Antrag vom 11. März 1981 auf Anrechnung dieser Zeit lehnte die Beklagte ab mit dem Hinweis, es bestehe kein Anlaß für die Rücknahme des bindend gewordenen Bescheides vom 15. Dezember 1980 (Bescheid vom 14. April 1981, Widerspruchsbescheid vom 14. August 1981).
Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat durch Urteil vom 8. Februar 1982 die Bescheide vom 14. April und 14. August 1981 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 15. Mai 1978 und 15. Dezember 1980 verpflichtet, bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente die Zeit vom 1. April 1975 bis zum 20. September 1977 ab Rentenbeginn rentensteigernd als Ersatzzeit zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und im Urteil vom 30. Juni 1982 ausgeführt: Der Neufeststellungsbescheid vom 15. Dezember 1980 beruhe auf einer teilweise unrichtigen Rechtsanwendung und sei vom SG zutreffend nach § 44 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X) insoweit abgeändert worden, als die Beklagte die Berücksichtigung einer Ersatzzeit von April 1975 bis September 1977 abgelehnt habe. Es könne von einer Verschleppungsdauer bis zum 17. Mai 1977 ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe während dieser Zeit für die Klägerin auch die rechtliche Möglichkeit bestanden, für die Erwerbsunfähigkeitsrente wirksame Beiträge zu entrichten; sie sei aber wegen der Verschleppung an der Beitragsleistung gehindert gewesen. Der hierfür vorgesehene Ausgleich durch Gewährung einer Ersatzzeit dürfe nicht durch das Fremdrentenrecht eingeschränkt werden. Die Vorschrift des § 19 Abs 3 Fremdrentengesetz (FRG) sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar; wegen ihres Ausnahmecharakters verbiete sich deren ausdehnende Anwendung, zumal die Rechtsfolgen der Verschleppung nicht im FRG, sondern allein in der RVO geregelt seien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, die von der Klägerin bezogene sowjetische Altersrente sei eine dem Altersruhegeld entsprechende Leistung iS von § 19 Abs 3 FRG. Würde Personen, die während des Bezugs einer solchen Altersrente nicht gearbeitet hätten, diese Zeit als Ersatzzeit zuerkannt, so wäre das eine ungerechtfertigte Bevorzugung gegenüber anderen, die während des Altersrentenbezuges beschäftigt gewesen seien; denn die Rechtsprechung verneine in einem derartigen Fall die Anrechnung als Beitrags- oder Beschäftigungszeit. Deshalb dürfe eine Ersatzzeit nicht angerechnet werden, wenn aufgrund des § 19 Abs 3 FRG die Anrechenbarkeit einer gleichzeitig zurückgelegten FRG-Beitragszeit ausgeschlossen sei.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 1982 sowie des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Februar 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im wesentlichen unbegründet; sie ist lediglich im Sinne der Zurückverweisung insoweit begründet, als die Anerkennung einer Ersatzzeit über den 17. Mai 1977 hinaus begehrt wird, weil hinsichtlich dieses Zeitraums die Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des Senats nicht ausreichen.
Zutreffend ist das Berufungsgericht von der Anwendung des Art I § 44 SGB X auf den vorliegenden Sachverhalt ausgegangen. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist auch ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich ua im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Beklagte hatte zuletzt mit bindend gewordenem Bescheid vom 15. Dezember 1980 die Rente festgestellt. Die erneute Rentenfestsetzung wurde im März 1981 beantragt, nachdem mit Wirkung vom 1. Januar 1981 § 1300 RVO gestrichen und § 44 SGB X in Kraft getreten war (Art II §§ 4 Nr 1, 40 Abs 1 Satz 1 SGB X). Es kommt für die Anwendung des § 44 SGB X darauf an, daß nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird (oder aufgehoben werden soll), auch wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist (Art II § 40 Abs 2, Sätze 1 und 2 SGB X). Zwar sind von dieser Regelung gemäß Art II § 40 Abs 2 Satz 3 SGB X Verwaltungsakte ausgenommen, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte; indessen erfaßt diese Ausnahmeübergangsvorschrift nicht den vorliegenden Sachverhalt, sondern sie dient nur der Erhaltung des Schutzes gegenüber begünstigenden Verwaltungsakten, bezieht sich also nicht darauf, wenn und soweit die Aufhebung eines bindend gewordenen (teilweise) belastenden Verwaltungsaktes begehrt wird (vgl BSG, Großer Senat, Beschluß vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 - S 13 und die dort zitierte Literatur).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X lagen vor, jedenfalls soweit die Beklagte bei Erlaß des Bescheides vom 15. Dezember 1980 der Rentenberechnung nicht den Zeitraum von April 1975 bis zum 17. Mai 1977 als Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 2 RVO zugrundegelegt und deshalb zu Unrecht ihre Rentenleistungen nicht in richtiger Höhe erbracht hat. Dabei kommt es nur auf die "einfache Rechtswidrigkeit" des aufzuhebenden Verwaltungsaktes (Bescheids), und nicht mehr - wie beim Überprüfungsverfahren nach dem mit dem 31. Dezember 1980 weggefallenen § 1300 RVO aF - zusätzlich auf die Überzeugungsbildung der Behörde von der Rechtswidrigkeit an mit der Folge, daß dann ein gewisser Beurteilungsspielraum verblieb (so insbesondere Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X, § 44 Anm 3). Das ergibt sich bereits aus dem klaren, in diesem Punkt von § 1300 RVO aF erheblich abweichenden Gesetzeswortlaut. Dem kann nicht mit dem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien begegnet werden. Wenn der amtlichen Begründung (BT-Drucks 8/2034 S 34 zu § 42 des Entwurfs) zufolge § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X einen Grundsatz verallgemeinert, der (bisher) in den §§ 627, 1300 RVO, § 79 des Angestellten-Versicherungsgesetzes und § 93 des Reichsknappschaftsgesetzes niedergelegt war und für das gesamte Sozialrecht geboten ist, so läßt dies eher auf die Fortschreibung des wesentlichen Grundgehalts dieser Vorschriften schließen als auf deren Übernahme lediglich mit anderen Worten. Ebenso wie - sicher bewußt - die vergleichbare Regelung des § 48 Abs 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl I, 1253) insoweit in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X keinen Eingang gefunden hat, als dort der Behörde ein Ermessen eingeräumt ist, ob sie ihren rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknimmt (... kann ... zurückgenommen werden), ist auch nicht davon auszugehen, die "Überzeugungsbildung" des Rentenversicherungsträgers bzw der Behörde sei zwar im Gesetz nicht (mehr) erwähnt, müsse aber in dieses hineininterpretiert werden. Deshalb verbietet es sich auch, bei Anwendung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X weiterhin auf die Rechtsprechung zurückzugreifen, die in Konkretisierung des dem Versicherungsträger eingeräumten Beurteilungsspielraums eine Neufeststellung im Prozeßwege nur dann erlaubte, wenn der frühere Bescheid "offensichtlich unvertretbar" (vgl zB BSGE 28, 179) war (aA anscheinend VDR-Komm, Stand: 1. Juli 1981, § 44 SGB X Anm 5 a).
Daß der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1980 insoweit rechtswidrig war, als schon damals Ersatzzeiten ab April 1975 hätten berücksichtigt werden müssen, beruht auf einer unrichtigen Rechtsanwendung. Der Senat hatte sich mit der hier strittigen Rechtsfrage bei ähnlichem Sachverhalt schon vor Erlaß jenes Bescheides, nämlich im Urteil vom 28. Februar 1978 - 4 RJ 125/76 - (BSGE 46, 54 = SozR 2200 § 1251 Nr 45) befaßt und entschieden, Ersatzzeiten wegen Verschleppung könnten auch solche Zeiten sein, in denen der Verschleppte im Verschleppungsland eine dem deutschen Altersruhegeld entsprechende fremde Leistung iS von § 19 Abs 3 FRG bezogen habe (aa0 S 54 Leitsatz und S 56 f). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
Die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzzeiten sind "Zeiten ... der Verschleppung sowie Zeiten einer anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit, wenn der Versicherte Heimkehrer iS des § 1 des Heimkehrergesetzes ist" (§ 1251 Abs 1 Nr 2 RVO). Nach den Feststellungen des LSG (S 8 des Urteils) ist der Klägerin eine Bescheinigung über die Heimkehrereigenschaft erteilt und die Dauer der Verschleppung bis zum 17. Mai 1977 bestätigt worden. Gleichgültig, ob dies für Versicherungsträger und Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindend ist (vgl hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 28. Juni 1979 - 4 RJ 61/78 = SozR 2200 § 1251 Nr 65 S 166), geht auch der Senat von der Richtigkeit dieser Feststellungen aus, da das Berufungsgericht diese Feststellungen übernommen und die Beklagte insoweit keine Revisionsrügen vorgebracht hat. Damit sind die Tatbestandsmerkmale des § 1251 Abs 1 Nr 2 RV0 erfüllt. Das gilt auch für die weitere Anrechnungsvoraussetzung des Abs 2 der Vorschrift, wonach eine "Versicherung vorher bestanden" haben muß.
Im Widerspruch zu seinen die Verschleppungszeit betreffenden Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch eingangs der Entscheidungsgründe (S 7) in Bestätigung des SG-Urteils ausgeführt, bei der Rentenhöhe sei die Zeit von April 1975 bis September 1977 zu berücksichtigen, in der die Klägerin "eine sowjetische Altersrente bezog, ohne in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren und damit ihre Verschleppung beenden zu können." Zumindest das hinsichtlich des Zeitpunktes der Rückkehrmöglichkeit Gesagte kann nicht zutreffen. Damit steht allerdings andererseits auch nicht fest, daß die Ersatzzeit nur bis zum 17. Mai 1977 angedauert habe. Denn es bleibt die Möglichkeit einer Anschlußersatzzeit wegen Krankheit und/oder unverschuldeter Arbeitslosigkeit. In dieser Richtung bietet indessen das Urteil des LSG nicht einmal Anhaltspunkte. Ob bei solchen widersprüchlichen und lückenhaften Feststellungen, wenngleich das LSG die Berufung zurückgewiesen und wegen der Einzelheiten auf die Akten des SG Bezug genommen hat, überhaupt etwaige Feststellungen im Urteil des SG zugrundegelegt werden könnten, braucht nicht erörtert zu werden; denn jenes Urteil enthält lediglich in den Gründen den für eine Entscheidung unzulänglichen Hinweis, die Klägerin sei nach dem 17. Mai 1977 zunächst arbeitslos gewesen und habe sodann notwendigerweise ab Juli 1977 eine Sprachschule besucht. Die hiernach noch erforderlichen Ermittlungen sind daher vom LSG nachzuholen und die daraus gewonnenen Ergebnisse zu bewerten. Der Rechtsstreit war deshalb insoweit zurückzuverweisen.
Die Beklagte stellt nicht in Abrede, daß die in § 1251 Abs 1 Nr 2 RVO normierten Voraussetzungen an sich bei der Klägerin vorliegen. Ihre Bedenken gegen die rentensteigernde Berücksichtigung der geltend gemachten Ersatzzeit wurzeln im Grundsätzlichen; sie meint, die Klägerin habe während des Bezugs der russischen Altersrente wegen deren Gleichstellung mit einem deutschen Altersruhegeld auch ihre - aus damaliger Sicht - spätere deutsche Versichertenrente nicht mehr durch Beiträge aufbessern können, weshalb auch keine - subsidiäre - Ersatzzeit anrechenbar sei. Dem vermag sich der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung seiner im Urteil vom 28. Februar 1978 vertretenen Rechtsansicht aus folgenden Gründen nicht anzuschließen: Die im Gesetz erschöpfend aufgezählten Ersatzzeittatbestände sollen den Versicherten für Zeiten entschädigen, in denen er aufgrund einer Opferlage oder wegen eines Eingriffs "von hoher Hand" (vgl SozR Nr 53 zu § 1251 RVO) typischerweise gehindert war, Beiträge - insbesondere Pflichtbeiträge - zu leisten. Dabei kommt es aber in generalisierender Betrachtungsweise weder darauf an, ob der Versicherte im Einzelfall während der Ersatzzeit (Verschleppungszeit) eine nach § 15 FRG gleichgestellte Beitragszeit hätte zurücklegen können, noch hebt das Gesetz auf die Unmöglichkeit eines zeitlichen Nebeneinanders von Ersatzzeittatbestand und Beschäftigung ab (vgl Urteil des Senats vom 28. Juni 1979 aa0 Nr 65 S 168 f).
Allerdings besteht der Grundsatz, daß Ersatzzeiten dann nicht anrechenbar sein sollen, wenn aus anderen rechtlichen Gründen als den im Ersatzzeittatbestand normierten Voraussetzungen ohnehin keine Beitragsleistung zulässig war, also von vornherein keine durch außergewöhnliche Umstände hervorgerufene Beitragslücke besteht, die zu "ersetzen" ist (zB BSG, Urteil vom 30. August 1974 - 11 RA 100/73 - mwN; wegen Ausnahmefällen vgl Urteil des Senats vom 20. Dezember 1979 - 4 RJ 50/78 = BSGE 49, 236 = SozR 2200 § 1251 Nr 74). Dabei beantwortet sich die Frage, ob Beiträge entrichtet werden konnten, ausschließlich nach dem jeweiligen deutschen Recht (im einzelnen vgl Urteil des Senats vom 19. April 1978 - 4 RJ 67/76 = SozR 2200 § 1251 Nr 46 S 114 f), so daß die Ausführungen des LSG, die Klägerin habe nach sowjet-russischem Recht während der im Herkunftsland bezogenen Altersrente keine Beiträge entrichten können, und die hiergegen in der Revisionsbegründungsschrift vorgebrachten Einwände nicht rechtserheblich sind. Nach deutschem Recht bestand jedenfalls die rechtliche Möglichkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge gemäß § 1233 Abs 1 RVO idF vom 16. Oktober 1972. Diese wäre auch nicht gemäß § 1233 Abs 2 a Satz 1 RVO wegen des Bezugs eines Altersruhegeldes "aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten ..." ausgeschlossen gewesen, weil hierunter - wie Wortlaut und Sinnzusammenhang ergeben - nur deutsche Altersruhegelder gemeint sind, sofern nicht ausnahmsweise abkommensrechtlich eine Gleichstellung erfolgt ist (vgl BSG, Urteil vom 19. Juni 1969 - 11 RA 18/67 = BSGE 29, 268).
Insbesondere beruft sich die Beklagte auf § 19 Abs 3 FRG, wonach Beitragszeiten, die während des Bezugs einer dem Altersruhegeld entsprechenden Leistung zurückgelegt sind, nur für Hinterbliebenenrenten zusätzlich angerechnet werden. Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin während des Rentenbezugs in der Sowjetunion keine Beiträge nach dortigem Recht geleistet hat. Auch wenn man, wie das LSG anscheinend unterstellt, die russische Altersrente als dem Altersruhegeld entsprechende Leistung iS von § 19 Abs 3 FRG ansieht (die Rechtsprechung bejaht dies auch dann, wenn im Herkunftsland die Altersgrenze bei der Vollendung des 55. Lebensjahres liegt, während in der Bundesrepublik Deutschland auch unter besonderen Voraussetzungen vor Erreichen des 60. Lebensjahres kein Anspruch auf Altersruhegeld entstehen kann, vgl zB BSG, Urteil vom 31. März 1976 - 1 RA 87/75 = SozR 5050 § 19 Nr 4; aA Bergner, DRV 1974, S 136 ff, 142), so kann doch daraus entgegen der Ansicht der Beklagten kein Grundsatz hergeleitet werden, allgemein dem Bezug fremder Altersrenten die gleichen Rechtsfolgen beizulegen wie dem Bezug eines deutschen Altersruhegeldes. Denn § 19 Abs 3 FRG ist eine allein fremde Beitragszeiten nach §§ 15, 17 FRG betreffende Sondervorschrift, deren Anwendungsbereich sich auf das Zusammentreffen fremder Beiträge mit fremden Rentenleistungen beschränkt (BSGE 29, 268, 269). Beiträge zur deutschen Rentenversicherung hätte also die Klägerin - wie dargelegt - jedenfalls entrichten können. Schon die dadurch bedingte Beitragslücke rechtfertigt die Anrechnung einer Ersatzzeit.
Gegen eine so weitgehende Gleichstellung, wie sie die Beklagte anstrebt, sprechen auch Systematik und Grundgedanken des FRG. Nach § 14 FRG richten sich Rechte und Pflichten des von diesem Gesetz erfaßten Personenkreises nach den allgemeinen Vorschriften, soweit sich aus den §§ 15 ff FRG nichts anderes ergibt. § 15 Abs 1 FRG stellt die bei nichtdeutschen Trägern zurückgelegten Beitragszeiten den deutschen Beitragszeiten und die versicherungspflichtige Beschäftigung im Herkunftsland der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des FRG gleich. Damit enthält die Vorschrift in gewissem Gegensatz zu dem sonst das FRG beherrschenden Eingliederungsgedanken noch (um eine Schlechterstellung gegenüber der früheren Rechtslage zu vermeiden) Elemente des Entschädigungsprinzips; denn die Gleichstellung erfolgt unabhängig davon, ob unter denselben Voraussetzungen und Gegebenheiten diese Beitragszeiten nach deutschem Recht hätten zurückgelegt werden können. Den Entschädigungsgrundsatz des § 15 FRG modifiziert § 19 Abs 3 FRG; dem Versicherten wird im Ergebnis angerechnet, daß er im Herkunftsland schon eine nach dortigem Recht das Versicherungsleben abschließende Leistung erhalten hat.
Nimmt der nach dem FRG Berechtigte, der im Herkunftsland Altersrente bezogen hat, seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, so ist er berechtigt, Beiträge - auch Pflichtbeiträge - zu entrichten, die nicht nur auf das Altersruhegeld, sondern auch, sofern der entsprechende Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist, auf die Berufsunfähigkeits- und die Erwerbsunfähigkeitsrente anzurechnen sind. Auch dies zeigt, daß § 19 Abs 3 FRG nur partiell gesehen werden muß und für eine extensive Auslegung ungeeignet ist, zumal im Zweifelsfalle auf den das Fremdrentenrecht beherrschenden Eingliederungsgedanken zurückgegriffen werden soll (vgl Jantz/Zweng/Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl, Einführung XIV).
Aus dieser begrenzten Anwendbarkeit des § 19 Abs 3 FRG kann schon das Ergebnis gewonnen werden, daß der Anrechnung einer Ersatzzeit wegen Verschleppung der Bezug einer dem deutschen Altersruhegeld entsprechenden Altersrente iS von § 19 Abs 3 FRG nicht entgegensteht. Hinzu kommt, daß es für die Anrechnung der hier in Frage stehenden Ersatzzeit unerheblich ist, aus welchen Mitteln der Versicherte während dieser Zeit seinen Lebensunterhalt bestritten, ob er Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielt und welchem sozialen Sicherungssystem er angehört hat (vgl Kohleiss, SGb 1976, S 490). Mit Recht hat schließlich auch schon das LSG darauf hingewiesen, das Fremdrentenrecht dürfe dem Versicherten nicht das wieder nehmen, was ihm das allgemeine Rentenrecht zubillige; denn im Hinblick auf die besonderen Umstände, die in Form der Zuerkennung einer Ersatzzeit berücksichtigt werden, kann es keinen Unterschied machen, ob und während welcher Zeit im Herkunftsland eine Rente bezogen worden ist.
Das wohl gewichtigste Argument der Beklagten liegt in dem Hinweis, die Klägerin dürfe hinsichtlich der strittigen Zeit nicht besser gestellt sein als ein Versicherter, der während des Bezugs der fremden Altersrente im Herkunftsland eine Beitragszeit zurückgelegt habe. Der Senat hat zwar über eine solche Frage, die - soweit ersichtlich - zumindest höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, ebenfalls nicht zu befinden. Er neigt aber zu der Ansicht, daß der eigentliche Anwendungsfall des § 19 Abs 3 FRG die Zuerkennung einer Ersatzzeit ebenfalls nicht ausschließt. Eine Regelung über die Koinzidenz von Zeiten findet sich in § 28 FRG. Treffen danach Versicherungszeiten, von denen mindestens eine nach diesem Gesetz anzurechnen ist, zusammen, so ist bei der Berechnung der Rente nur eine, und zwar die für den Berechtigten günstigere, zu berücksichtigen. Diese Vorschrift, die in das allgemeine Rentenrecht eingreift und daher keine nur ergänzende, sondern eine spezielle Bestimmung darstellt (vgl Jantz/Zweng/ Eicher aa0 § 14 Anm 2), hat die Rechtsprechung auf das Zusammentreffen von Ersatzzeiten mit FRG-Beitragszeiten nicht angewandt, weil die Ersatzzeit gegenüber der Beitragszeit von vornherein subsidiär sei; § 28 FRG könne nicht angewandt werden, wenn das Konkurrenzverhältnis von Versicherungszeiten in allgemeinen und grundsätzlichen rentenrechtlichen Vorschriften bereits geregelt sei (BSG, Urteile vom 16. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 48/80 = SozR 2200 § 1251 Nr 89 und vom 30. April 1971 - 1 RA 201/69 -). Ob damit eine Folgerung gezogen worden ist, die dem Problem des Ineinandergreifens von Ersatzzeiten und Fremdzeiten gerecht werden kann, bedarf hier keiner näheren Erörterung. Denn in dem von der Beklagten gegebenen Beispielsfall geht es nicht um die günstigere Berechnung. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob wegen der für eine (eigene) Versichertenrente nicht berücksichtigungsfähigen Fremdbeitragszeit zugleich auch die Anrechenbarkeit einer Ersatzzeit ausgeschlossen sein kann. Das müßte aus den oben in anderem Zusammenhang genannten Gründen auch hier zu verneinen sein.
Nach alledem ist das Urteil des LSG, soweit dessen Feststellungen genügen, zu bestätigen. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Tenor des erstinstanzlichen Urteils insoweit gebilligt hat, als die rückwirkende Gewährung der höheren Rente ausgesprochen worden ist. Damit hat das SG lediglich die sich aus § 44 Abs 4 SGB X ergebenden Folgen in den Urteilstenor übernommen, ohne daß die in der erwähnten Bestimmung enthaltene Vierjahresfrist überschritten wurde.
Das LSG wird bei seinem abschließenden Urteil auch über die Kosten zu entscheiden haben.
Fundstellen