Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 22.05.1987) |
SG Hildesheim (Urteil vom 16.12.1986) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Mai 1987 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 16. Dezember 1986 aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 6. Dezember 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 1984 verurteilt, bei der Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers auch die Zeit vom 1. Mai 1943 bis zum 8. Mai 1945 als Ersatzzeit anzurechnen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob eine Ersatzzeit vom 1. Mai 1943 bis 8. Mai 1945 auf die Rente des Klägers anzurechnen ist. Während dieses Zeitraums leistete der Kläger als freiwillig Längerdienender militärischen Dienst in der Kriegsmarine, nachdem er zuvor vom 1. Mai 1941 bis 30. April 1943 die zweijährige aktive Dienstpflicht erfüllt hatte.
Nach Vormerkung einer Ersatzzeit vom 1. Mai 1941 bis 3. November 1947 (Bescheid vom 16. April 1980) bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. Mai 1983 flexibles Altersruhegeld nach einem im April 1983 eingetretenen Versicherungsfall (Bescheid vom 25. April 1983). Dabei blieb die Zeit vom 1. April 1943 bis 8. Mai 1945 zunächst unberücksichtigt unter Hinweis darauf, daß insoweit ein Anspruch auf eine fiktive Nachversicherung bestehe und der Kläger die Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung durch die zuständige Dienststelle beantragen möge.
Der Kläger kam dieser Anregung nach. Das Niedersächsische Landesverwaltungsamt bescheinigte unter dem 27. Juli 1983, daß der Kläger zum Personenkreis des § 99 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) gehöre und für die Zeit vom 1. Mai 1943 bis 8. Mai 1945 die Nachversicherung aufgrund dieser Vorschrift in Betracht komme.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 1983 das Altersruhegeld neu fest und rechnete nunmehr die vorgenannte Zeit als fiktive Nachversicherungszeit unter Berücksichtigung der in der Bescheinigung vom 27. Juli 1983 ausgewiesenen pauschalierten Bruttoarbeitsentgelte an. Da sich hierdurch das Altersruhegeld des Klägers um monatlich ca 40 DM verringerte, hob die Beklagte den ursprünglichen Bescheid vom 25. April 1983 insoweit mit Wirkung für die Zukunft auf. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. August 1984; Urteil des Sozialgerichts -SG- Hildesheim vom 16. Dezember 1986; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Niedersachsen vom 22. Mai 1987).
Das LSG hat die begehrte Anrechnung der streitigen Zeit als Ersatzzeit anstelle einer Nachversicherungszeit mit der Begründung verneint, die Beklagte sei aufgrund der am 27. Juli 1983 erteilten Nachversicherungsbescheinigung zur Neufeststellung des Altersruhegeldes – zu Ungunsten des Klägers – mit Wirkung für die Zukunft verpflichtet gewesen (§ 48 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – SGB 10). Die dort getroffenen Feststellungen hätten für die Berechnung des Altersruhegeldes konstitutive Wirkung mit der Folge, daß eine Nachprüfung der Richtigkeit dieser Bescheinigung auch nicht im Rahmen einer rechtlichen Vorfrage in Betracht komme. Danach müsse die streitige Zeit, obwohl sie die Merkmale einer Ersatzzeit nach § 28 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) erfülle, nicht als solche, sondern gemäß § 37c Abs 2 AVG in der auch im Falle des Klägers geltenden Neufassung durch das Rentenanpassungsgesetz 1985 (RAG 1985) als Zeit der fiktiven Nachversicherung berücksichtigt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift und ihre Rückwirkung bestünden nicht. Der Kläger könne schließlich auch nicht – hilfsweise – verlangen, daß die streitige Zeit im Wege des Herstellungsanspruchs bei der Rentenberechnung unberücksichtigt gelassen werde, wie dies zunächst im Bescheid vom 25. April 1983 geschehen sei. Die Beklagte habe entsprechende Beratungspflichten nicht verletzt. Im übrigen sei zumindest zweifelhaft, ob dem Kläger durch das Verhalten der Beklagten überhaupt ein Nachteil entstanden sei; denn möglicherweise hätte die Beklagte die Nachversicherungszeit auch ohne entsprechende Feststellungen der Versorgungsbehörde in gleicher Weise berücksichtigen müssen. Dies lasse sich aus § 37c Abs 2 Satz 2 AVG nF herleiten, wonach der Rentenversicherungsträger bei fehlendem Antrag berechtigt sei, selbst die Voraussetzungen für die Nachversicherung festzustellen.
Im anschließenden Revisionsverfahren hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 31. März 1989 bereit erklärt, das Altersruhegeld des Klägers ohne Berücksichtigung der Nachversicherung für die Zeit vom 1. Mai 1943 bis 8. Mai 1945 zu gewähren. Im übrigen hält sie daran fest, daß die streitige Zeit nicht als Ersatzzeit berücksichtigt werden könne, und beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen des Bundesministers der Finanzen vom 14. Dezember 1988.
Der Kläger, der dieses Anerkenntnis angenommen hat, macht nunmehr geltend, daß die Beklagte darüber hinaus zur Anrechnung der streitigen Zeit als Ersatzzeit verpflichtet sei. Dem stehe § 37c Abs 2 AVG nF nicht entgegen. Die Beklagte habe ihn, den Kläger, mit ihrem Anerkenntnis so gestellt, als ob die Nachversicherung nicht beantragt und eine Nachversicherungsbescheinigung nicht erteilt worden sei. In diesem Falle sei die Nachversicherung aber – iS des dann anwendbaren § 37c Abs 2 AVG – nicht nur wegen des fehlenden Antrags, sondern schon deshalb nicht durchzuführen, weil auch die sonstigen Voraussetzungen für die Nachversicherung nicht erfüllt seien. Das LSG habe verkannt, daß § 99 AKG nur auf solche freiwillig Längerdienenden Anwendung finde, die vor dem 8. Mai 1945 aus dem freiwilligen Dienst ausgeschieden seien, nicht aber auf diejenigen, die – wie er – bis zum Tag der Kapitulation weiter gedient hätten. Daß bei diesem Personenkreis die Kriegsdienstzeit als Ersatzzeit und nicht als fiktive Nachversicherungszeit anzurechnen sei, habe der 5. Senat des BSG inzwischen mehrfach entschieden. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spreche auch, daß nach dem früheren Nachversicherungsrecht, an das § 99 AKG anknüpfe, die Ersatzzeit den Vorrang vor der Nachversicherung für vorzeitig ausgeschiedene versicherungsfreie Staatsdiener gehabt habe. Darüber hinaus sei eine Nachversicherung nach damaligem Recht nur zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, nicht aber dann, wenn sie ihm keine Vorteile gebracht hätte. Insoweit müsse auch beachtet werden, daß die freiwillig Längerdienenden während des Krieges genauso aktiven Wehrdienst hätten leisten müssen wie die Wehrpflichtigen; sie hätten bis zur Beendigung des Krieges als zum Wehrdienst einberufen gegolten. Da insoweit niemand während des Krieges freiwillig habe länger dienen können, wäre es willkürlich, wenn für derartige Personen der Kriegsdienst rentenrechtlich geringer bewertet werde als bei den übrigen Wehrpflichtigen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Mai 1987 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 16. Dezember 1986 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 6. Dezember 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 1984 zu verurteilen, bei der Berechnung seines Altersruhegeldes die Zeit vom 1. Mai 1943 bis 8. Mai 1945 als Ersatzzeit rentensteigernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die zugelassene Revision des Klägers ist begründet. Die noch streitige Zeit vom 1. Mai 1943 bis einschließlich 8. Mai 1945 ist als weitere Ersatzzeit rentensteigernd zu berücksichtigen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 6. Dezember 1983 idF des Widerspruchsbescheides vom 21. August 1984, mit dem die Beklagte die im Bescheid vom 25. April 1983 zunächst ausgesparte Zeit vom 1. Mai 1943 bis 8. Mai 1945 als Nachversicherungszeit nach § 99 AKG angerechnet und dieser die in der Nachversicherungsbescheinigung vom 27. Juli 1983 ausgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte zugrunde gelegt hat. Soweit sich hierdurch eine Rentenminderung ergab, hat die Beklagte den ursprünglichen Rentenbescheid vom 25. April 1983 gemäß § 45 SGB 10 aufgehoben. Die zunächst angeordnete Rückforderung der eingetretenen Überzahlung wurde später zurückgenommen und damit die Herabsetzung der Rente auf zukünftige Bezugszeiten begrenzt. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob hinsichtlich dieser Rentenherabsetzung die Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB 10 vorgelegen haben; denn mit ihrem vom Kläger angenommenen Anerkenntnis hat sich die Beklagte verpflichtet, nunmehr das Altersruhegeld des Klägers ohne Berücksichtigung der im angefochtenen Bescheid angerechneten Nachversicherungszeit – und damit in Höhe des ursprünglichen Rentenbescheides – zu gewähren. Gleichzeitig hat sie an ihrer bisherigen Ablehnung festgehalten, die streitige Zeit als Ersatzzeit anzurechnen. Diese Ablehnung ist rechtswidrig, so daß der angefochtene Bescheid insoweit abzuändern war. Die Zeit vom 1. Mai 1943 bis 8. Mai 1945, die als Kriegsdienstzeit unstreitig den Tatbestand einer Ersatzzeit iS von § 28 Abs 1 Nr 1 AVG erfüllt, ist wie die bereits angerechnete Wehrdienstpflichtzeit eine auf die Wartezeit anzurechnende Versicherungszeit (§ 27 Abs 1 Buchst b AVG) und damit auch bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre iS der §§ 30 und 31 AVG zu berücksichtigen (§ 35 Abs 1 AVG).
Ihrer Berücksichtigung steht nicht entgegen, daß für die gleiche Zeit eine Nachversicherung durchgeführt worden ist. Denn die Beklagte hat den Kläger mit ihrem Anerkenntnis vom 31. März 1989 offenbar im Hinblick auf einen möglichen Herstellungsanspruch wegen unzureichender Beratung (vgl Urteil des 8. Senats des BSG vom 2. November 1988 – 8/5a RKn 15/87 –) so gestellt, als ob die Nachversicherung nicht beantragt und nicht durchgeführt worden wäre. In diesem Fall findet allerdings § 37c Abs 2 AVG in der durch Art 3 Nr 4 des RAG 1985 vom 5. Juni 1985 (BGBl I 913) geänderten Fassung (nF) Anwendung, der jedoch der Berücksichtigung der streitigen Ersatzzeit ebenfalls nicht entgegensteht. Danach werden Ersatzzeiten bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt, soweit für dieselbe Zeit eine Nachversicherung nur wegen eines fehlenden Antrags nicht durchgeführt worden ist. In diesen Fällen ist der Versicherungsträger berechtigt, die Voraussetzungen für die Nachversicherung selbst festzustellen. Diese Neufassung der Vorschrift gilt nach Art 2 § 14b Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des RAG 1985 auch für Versicherungsfälle wie den des Klägers, der im April 1983 eingetreten und über den eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung bisher noch nicht getroffen worden ist (BSG SozR 2200 § 1260c Nr 19 S 72/73). Der rückwirkenden Anwendung des § 37c Abs 2 AVG nF steht vorliegend auch nicht entgegen, daß dem Kläger von der zuständigen Versorgungsdienststelle eine Nachversicherungsbescheinigung erteilt worden ist und daß derartigen Entscheidungen über die dienstrechtlichen Voraussetzungen der Nachversicherung nach bisheriger Rechtsprechung des BSG zu § 37c Abs 2 AVG in der bis 30. Juni 1985 geltenden Fassung (= § 1260c Abs 2 RVO aF) für die Rentenversicherungsträger und im Streitfalle auch für die Sozialgerichte konstitutive und bindende Wirkung beigemessen worden ist (BSG SozR 2200 § 1260c Nrn 11 und 12). Hat nämlich der Gesetzgeber den Rentenversicherungsträgern mit der Neufassung des § 37c Abs 2 AVG durch das RAG 1985 – rückwirkend – die Befugnis eingeräumt, bei fehlendem Antrag neben den versicherungsrechtlichen auch die dienstrechtlichen Voraussetzungen der fiktiven Nachversicherung selbst zu prüfen und festzustellen, und ist diese Frage damit nicht mehr ausschließlich den Versorgungsdienststellen übertragen, steht jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nichts im Wege, den Versicherten so zu behandeln, wie wenn seine Nachversicherung erstmals im Rahmen des § 37c Abs 2 AVG nF zu prüfen wäre. Dann aber wäre die Nachversicherung nicht nur wegen eines fehlenden Antrags, sondern schon deshalb nicht durchzuführen, weil auch sonstige Voraussetzungen dafür fehlen.
Eine Nachversicherung konnte, wovon die Beteiligten und die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen sind, nur nach § 99 AKG in Betracht kommen. Von dieser Vorschrift werden auch freiwillig Längerdienende der früheren Wehrmacht erfaßt, die in einem nicht versicherungspflichtigen Dienstverhältnis zum Deutschen Reich gestanden haben und unversorgt ausgeschieden sind. Ob sich der Kläger nach dem damals geltenden Recht mit Wirkung vom 1. Mai 1943 noch als freiwillig Längerdienender verpflichten konnte, was die Revision anzweifelt, kann hier unentschieden bleiben. Auch wenn insoweit der Revision nicht zu folgen ist, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Nachversicherung des Klägers nicht erfüllt, weil er erst am 8. Mai 1945 aus dem Dienst als freiwillig Längerdienender ausgeschieden ist. § 99 Abs 1 AKG erfaßt nur Fälle des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis vor dem 8. Mai 1945. Diese Bestimmung kann nicht entgegen ihrem Wortlaut auf freiwillig Längerdienende angewendet werden, die – wie der Kläger – noch am 8. Mai 1945 in diesem Rechtsstand Wehrdienst geleistet haben und erst mit der Kapitulation ausgeschieden sind. Der 5. Senat des BSG hat in vergleichbaren Fällen, in denen die Dienstpflicht nicht bereits vor dem 8. Mai 1945 abgelaufen war, sondern bis zur Kapitulation erfüllt worden ist, mehrfach entschieden, daß die Anrechnung des Wehrdienstes als Ersatzzeit bei ihnen nicht durch das Recht auf Nachversicherung nach § 99 Abs 1 Satz 1 AKG ausgeschlossen wird (Urteil vom 17. November 1987 – 5b RJ 98/86 – SozR 7130 § 99 Nr 4; Urteil vom 21. September 1988 – 5 RJ 4/88 und 45/88 – im Anschluß an das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. August 1981 – 3 B 81 A. 826 – und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 14. Mai 1987 – 2 Hi VG a 44/85 –). Auch der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) ist dem offensichtlich gefolgt (Urteil vom 2. November 1988 – 8/5a RKn 15/87 –). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aufgrund eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens der Beklagten an. Hinreichende Gründe für die Annahme, daß hinsichtlich der Beschränkung auf Fälle des Ausscheidens vor dem 8. Mai 1945 eine planwidrige und unbewußte Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt, die eine erweiternde Auslegung durch die Rechtsprechung zuließe, sind auch für den erkennenden Senat nicht ersichtlich. Der 5. Senat hat im einzelnen zutreffend dargelegt, daß sich weder aus der Entstehungsgeschichte des § 99 AKG noch aus dem systematischen Gesamtzusammenhang des Gesetzes oder aus dem Vergleich mit § 72 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen (G 131) idF vom 13. Oktober 1965 (BGBl I 1686) und Art 6 §§ 18 f des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) auf eine derartige Regelungslücke schließen läßt.
Eine zusätzliche Bestätigung dafür, daß der Stichtag des Ausscheidens „vor dem 8. Mai 1945” in § 99 Abs 1 Satz 1 AKG bewußt gewählt worden ist und nicht Fälle des Ausscheidens erst am 8. Mai 1945 mitumfaßt, sieht der erkennende Senat auch in der Zuständigkeitsregelung des § 99 Abs 9 AKG. Danach trifft die Feststellung über die Nachversicherung nach § 99 Abs 1 AKG die Stelle, die nach dem G 131 zuständig sein würde, „wenn das Dienstverhältnis bis zum 8. Mai 1945 fortgesetzt worden wäre”. Ist das Dienstverhältnis bis zum 8. Mai 1945 (Kapitulation) fortgesetzt worden, kommt – wie dieser Vorschrift zumindest mittelbar entnommen werden kann – eine fiktive Nachversicherung nicht nach dem AKG, sondern allenfalls nach dem G 131 in Betracht, das die Rechtsverhältnisse der „am 8. Mai 1945” ausgeschiedenen Staatsbediensteten regelt. Dieses Gesetz sieht jedoch für die freiwillig Längerdienenden, die nicht Berufssoldaten waren, keine Nachversicherung vor mit der Folge, daß ihre Kriegsdienstzeiten gemäß § 72 Abs 10 G 131 mangels Verdrängung durch eine Nachversicherungszeit als Ersatzzeit gelten.
Daß der vorgenannte Personenkreis bei fortbestehender Dienstverpflichtung bis zum 8. Mai 1945 auch nicht nach § 99 Abs 1 AKG als nachversichert gilt, beruht auf der speziellen Bindung dieser Regelung an das frühere Nachversicherungsrecht. Diese Vorschrift betrifft nur die vor dem 8. Mai 1945 Ausgeschiedenen, die ua vom Deutschen Reich nach den im Zeitpunkt ihres Ausscheidens geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze nachzuversichern gewesen wären, aber nicht nachversichert worden sind. Es müssen also die Voraussetzungen für eine Nachversicherung nach damaligem Recht bereits erfüllt gewesen sein bzw eine Nachversicherungsschuld bereits bestanden haben (vgl BVerwGE 21, 343, 349 f). Soldaten, die sich – wie der Kläger – über die Dienstpflicht hinaus zu einer längeren Dienstzeit verpflichtet hatten, konnten aber für den Fall, daß ihre Dienstverpflichtung nicht vor dem 8. Mai 1945 abgelaufen war, sondern erst mit dem Tag der Kapitulation geendet hat, die zu diesem Zeitpunkt für sie geltenden Nachversicherungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllen: Schieden sie nach zweijähriger Dienstzeit in Ehren und ohne Versorgung aus, so waren sie nach § 1242b Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF – eingefügt durch das Gesetz über den Aufbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937, RGBl I 1393 – auf Kosten des Reichs nur unter der weiteren Voraussetzung nachzuversichern, daß sie binnen zwei Jahren seit dem Ausscheiden eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen oder eine Nachversicherung binnen dieser Frist zwecks freiwilliger Weiterversicherung beantragt hatten. Ob diese Voraussetzungen bei denjenigen als erfüllt gelten können, deren Verpflichtungszeit bereits vor dem 8. Mai 1945 abgelaufen oder sonst beendet war und die nur deshalb nicht aus dem Wehrdienst entlassen und nachversichert worden sind, weil sie wegen des Krieges in der Wehrmacht zurückbehalten wurden, bedarf hier keiner Entscheidung; denn ein solcher Fall liegt nicht vor. Nach den Feststellungen des LSG war beim Kläger die Verpflichtungszeit, die seinerzeit bei der Marine mindestens vier Jahre zuzüglich eines Ausbildungszuschlags von einem halben oder einem Jahr betragen hat, nicht vor dem 8. Mai 1945 abgelaufen, sondern ist erst mit der Kapitulation beendet worden, so daß bei ihm eine fiktive Nachversicherung nach § 99 Abs 1 AKG nicht in Betracht kommt. Die Kriegsdienstzeiten gelten deshalb auch nach § 99 Abs 9 AKG, der in seinem 2. Halbsatz auf § 72 Abs 10 G 131 verweist, als Ersatzzeit, weil für den gleichen Zeitraum die Nachversicherung nicht nach § 99 Abs 1 AKG als durchgeführt gelten kann.
Nach allem hindert auch § 37c Abs 2 AVG nF die Anrechnung der streitigen Zeit als Ersatzzeit nicht, so daß der Revision des Klägers stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen