Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres im Jahr 1985 verstorbenen früheren Ehemannes J. G. (im folgenden: Versicherter).
Die 1941 geborene Klägerin lebte und lebt im Beitrittsgebiet. Sie war seit 1960 mit dem Versicherten verheiratet. Die Ehe wurde am 14. Januar 1976 geschieden. Auch nach der Ehescheidung lebte die Klägerin weiterhin mit dem Versicherten zusammen. Der Versicherte starb am 16. Januar 1985, zwei Tage vor dem Datum einer geplanten erneuten Eheschließung. Die Klägerin erhielt nach dem Tode des Versicherten aufgrund des Rentenbescheides vom 24. Oktober 1985 aus der Sozialversicherung der DDR eine Übergangshinterbliebenenrente für zwei Jahre. Diese Rente wurde nach einer "Einzelfallentscheidung" durch den Bundesvorstand des FDGB gewährt. Die Klägerin war während der Ehezeit und danach bis 1991 erwerbstätig. Anschließend beantragte sie Arbeitslosengeld.
Den am 19. Dezember 1991 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenrente lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 2. Juni 1993 und Widerspruchsbescheid vom 17. September 1993). Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß ihr Mann sie im letzten Jahr vor seinem Tode überwiegend unterhalten habe. Der Versicherte habe 1984 ein Nettoeinkommen von 9.667, 32 Mark und bis 16. Juni 1985 ein Nettoeinkommen von 5.550, 85 Mark gehabt. Außerdem habe er wegen einer Berufserkrankung eine Rente von monatlich 120, 00 Mark erhalten. Sie selbst habe 1984 ein Nettoeinkommen von 5.304, 80 Mark und 1985 ein Nettoeinkommen von 2.720, 80 Mark bezogen. Die Ausgaben für den gemeinsam geführten Haushalt seien gemeinsam bestritten worden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. April 1994). Die Berufung ist vom Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen worden (Urteil vom 31. August 1994). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Einen Anspruch auf Witwenrente nach § 46 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sei ausgeschlossen, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht mit diesem verheiratet gewesen sei. Die Gründe, die die beabsichtigte Eheschließung im Jahre 1985 verhindert hätten, seien unerheblich. Die Klägerin habe auch keinen Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 243 SGB VI. Diese Vorschrift sei nach § 243a SGB VI nicht anzuwenden, denn der Unterhaltsanspruch der Klägerin habe sich nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten habe, gerichtet. Unerheblich sei, daß die Klägerin geltend mache, von dem Versicherten tatsächlich Unterhalt erhalten zu haben. § 243a SGB VI stelle auf das im Zeitpunkt des Todes maßgebliche Unterhaltsrecht ab.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision der Klägerin. Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 243 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative SGB VI. Diese Vorschrift sei bei tatsächlicher Unterhaltsleistung durch den Versicherten stets anzuwenden.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 31. August 1994, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. April 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die große Witwenrente aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes J. G. zu gewähren. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente.
Ein Anspruch auf Witwenrente nach § 46 SGB VI oder Art 2 § 11 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) ist ausgeschlossen, weil die Klägerin mit dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes nicht verheiratet war. Ein Anspruch auf Unterhaltsrente nach Art 2 § 14 RÜG besteht nicht, denn schon im Jahr 1985 bestand kein Anspruch auf eine gerichtlich festgelegte Unterhaltszahlung. Erziehungsrente (§§ 47, 243a Satz 2 SGB VI) steht nicht zu, weil die Klägerin nach den Feststellungen des LSG kein Kind erzieht.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 243 SGB VI. Nach § 243a Satz 1 SGB VI ist § 243 SGB VI nicht anzuwenden, wenn sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht bestimmt, das im Beitrittsgebiet gegolten hat. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Für einen möglichen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten ist das Unterhaltsrecht der DDR maßgebend gewesen. Unerheblich ist, daß die Klägerin gegen den Versicherten im Zeitpunkt dessen Todes keinen Unterhaltsanspruch gehabt hat. In § 243a Satz 1 SGB VI wird nur gefordert, daß sich der Unterhaltsanspruch nach dem Recht des Beitrittsgebiets gerichtet, nicht aber, daß nach dem Recht des Beitrittsgebiets tatsächlich ein Unterhaltsanspruch bestanden hat. Das LSG konnte auch offenlassen, ob der Versicherte bis zu seinem Tod der Klägerin tatsächlich Unterhalt geleistet hat, wie diese vorträgt. Liegen die Voraussetzungen des § 243a Satz 1 SGB VI vor, so ist die Anwendung von § 243 SGB VI insgesamt ausgeschlossen. Damit ist auch die Anwendung von § 243 Abs. 2 SGB VI ausgeschlossen, wonach ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aufgrund einer tatsächlichen Unterhaltsleistung gegeben sein kann. Für die gegenteilige Ansicht, die von der Klägerin und in der Literatur (vgl. Kasseler Komm-Gürtner, Stand Oktober 1993, § 243a Anm. 2) vertreten wird, sieht der Senat keine Begründung.
Die Anwendung des § 243 SGB VI soll durch § 243a Satz 1 SGB VI immer dann ausgeschlossen werden, wenn sich das Unterhaltsstatut nach dem Recht des Beitrittsgebiets gerichtet hat. Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 243a SGB VI. In der Begründung zu § 243a SGB VI wird ausgeführt, daß das Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, nur in wenigen Ausnahmefällen Unterhaltsansprüche vorgesehen habe. Es würde daher zu Zufallsergebnissen führen, in diesen Fällen eine Rente an geschiedene Ehegatten vorzusehen. Darüber hinaus müßte auch - bei mehreren Ehen - die Witwenrente entsprechend der Ehedauer gekürzt werden, obwohl die Witwe hiermit nicht rechnen mußte (vgl. BT-Drucks 12/405 S. 124). Der Gesetzgeber hat danach die Anwendung von § 243 SGB VI allgemein ausschließen wollen, weil nach dem Recht im Beitrittsgebiet üblicherweise kein Unterhaltsanspruch bestand.
§ 243a SGB VI ist nach Überzeugung des Senats auch nicht verfassungswidrig und verletzt insbesondere nicht den in Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz. Die unterschiedliche Behandlung der Hinterbliebenen in §§ 243 und 243a SGB VI ist wegen der unterschiedlichen Entwicklungen im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht der DDR und der Bundesrepublik gerechtfertigt.
Nach dem Familienrecht der DDR gab es einen Unterhaltsanspruch des früheren Ehegatten bloß in Ausnahmefällen, wie oben bereits ausgeführt worden ist. Nach dem Tod des früheren Ehegatten bestand ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente als Unterhaltsrente nur, wenn zuvor ein Unterhaltsanspruch bestanden hatte und zusätzliche Voraussetzungen erfüllt waren (vgl. § 49 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23. November 1979 [GBl I Nr. 38 S. 401 -RentenVO-] bzw. jetzt Art 2 § 14 RÜG). Demgegenüber bestanden (und bestehen) in der Bundesrepublik bei Ehescheidungen vom Schuldspruch abhängige Unterhaltsansprüche, wenn sie vor dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976, BGBl. I S. 1421 am 1. Juli 1977 zuerkannt waren. An diese Regelung des Unterhaltsrechts schloß § 1265 der Reichsversicherungsordnung [RVO] (jetzt § 243 SGB VI) an, soweit danach Hinterbliebenenrenten an einen früheren Ehegatten vorgesehen waren. Mit dem 1. EheRG und der Aufgabe des Verschuldensprinzips im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht sowie der Einführung des Versorgungsausgleichs ist für die seit dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehen § 1265 RVO aufgehoben und statt dessen mit § 1265a RVO (jetzt § 47 SGB VI) die Erziehungsrente eingeführt worden. Damit ist ein Rechtszustand geschaffen worden, der vergleichbar schon vorher in der DDR bestand. Die Unterhaltsrente nach § 49 Renten-VO bzw. Art 2 § 14 RÜG ist in der Funktion der Erziehungsrente nach § 1265a RVO bzw. § 47 SGB VI ähnlich. Eine eigenständige rentenrechtliche Sicherung beider geschiedenen Ehegatten war in der DDR in der Regel gegeben, weil die Berufstätigkeit der Frauen weiter verbreitet war. Diese eigenständige rentenrechtliche Sicherung insbesondere der Ehefrauen sollte in der Bundesrepublik auch mit dem Versorgungsausgleich erreicht werden. Mit § 243a SGB VI wird damit nur dem Umstand Rechnung getragen, daß das Scheidungsfolgenrecht und Rentenrecht der DDR im Hinblick auf die Hinterbliebenenrenten schon vor dem 1. Juli 1977 eher den Verhältnissen entsprochen hat, die in der Bundesrepublik für alle nach dem 30. Juni 1977 geschiedenen Ehen bestehen.
Die Anwendung des § 243 SGB VI in den durch § 243a SGB VI erfaßten Fällen würde demgegenüber zu Ergebnissen führen, die mit Art 3 Abs. 1 GG ihrerseits nicht zu vereinbaren wären. Die zeitliche Begrenzung der Rentenansprüche in § 243 SGB VI auf Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden sind, knüpft an das Inkrafttreten des 1. EheRG zu diesem Datum an. Da in der DDR das Scheidungsfolgenrecht und das Recht der Hinterbliebenenrenten zum 1. Juli 1977 nicht geändert worden ist, wäre die Begrenzung der Rentenansprüche in § 243 SGB VI auf die vor diesem Datum ausgesprochenen Scheidungen willkürlich, denn sie knüpfte nicht an eine für den Anspruch erhebliche Rechtsänderung an. Wenn der Gesetzgeber nicht eine Regelung wie in § 243a SGB VI getroffen hätte, hätte er für alle im Beitrittsgebiet bis zum Beitritt geschiedenen Ehen einen eigenständigen Anspruch auf Hinterbliebenenrente schaffen müssen. Er hätte dabei § 243 SGB VI für diese Fälle nicht unverändert übernehmen können, denn diese Vorschrift schließt z.B. in § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI an das bis zum 30. Juni 1977 in der Bundesrepublik geltende Unterhaltsrecht an. Die Vorschrift hätte deshalb an das Scheidungsfolgenrecht der DDR angepaßt werden müssen.
Im Rahmen von Art 3 Abs. 1 GG stand es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, wie er die im Scheidungsfolgen- und Rentenrecht zwischen der DDR und der Bundesrepublik bestehenden Unterschiede bei der Ausgestaltung der Hinterbliebenenrenten an den früheren Ehegatten berücksichtigte. Wenn er eine Angleichung für alle in der DDR geschiedenen Ehen an das seit Juli 1977 in der Bundesrepublik geltende Recht wählte, so ist dies jedenfalls nicht erkennbar sachwidrig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes.5 RJ 60/94
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen