Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Die Verordnungskosten des Beigeladenen zu 2), eines zur kassen und vertragsärztlichen (nunmehr einheitlich: vertragsärztlichen) Versorgung zugelassenen Gynäkologen, betrugen im Quartal III/90 95,29 DM und im Quartal IV/90 57,87 DM je Fall. Er überschritt damit die durchschnittlichen Verordnungskosten der Fachgruppe der Gynäkologen von 26,40 DM und 28,55 DM je Fall um 261 % bzw 103 %. Die Prüfungskommission setzte gegen ihn wegen unwirtschaftlicher

Verordnungsweise im Quartal III/90 einen Arzneikostenregreß von 18,72 DM je Fall (= 1890,72 DM) und im Quartal IV/90 von 4,97 DM je Fall (= 579,59 DM) fest. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 2) hob die beklagte Beschwerdekommission den Bescheid der Prüfungskommission auf. Anstelle der Regresse erteilte sie ihm Hinweise. Den Widerspruch des klagenden Ersatzkassenverbandes wies sie zurück (Bescheid vom 3. September 1992). Bei dem Beigeladenen zu 2) sei die Durchführung von Sterilitätsbehandlungen als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen gewesen. Die Kosten, die hierfür angefallen seien (III/90: 43,89 DM je Behandlungsfall; IV/90: 21,25 DM je Behandlungsfall), seien zu den durchschnittlichen Verordnungskosten der Fachgruppe hinzuzurechnen. Da die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Überschreitung des Vergleichswertes der Fachgruppe um 40 % anzunehmen sei, seien zu dem so gebildeten Fallwert des Beigeladenen zu 2) weitere 40 % zu addieren. Seine Fallwerte unterschritten die danach zulässige Gesamtüberschreitung von 98,40 DM im Quartal III/90 und von 69,72 DM im Quartal IV/90, so daß die Regresse aufzuheben gewesen seien. Allerdings seien Hinweise erforderlich gewesen, weil die Verordnungsweise des Beigeladenen zu 2) teilweise eindeutig unwirtschaftlich sei.

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. März 1994). Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob eine Wirtschaftlichkeitsprüfung überhaupt habe durchgeführt werden dürfen, nachdem der Antrag auf Einleitung eines Prüfverfahrens entgegen der gesetzlichen Regelung nicht durch eine Krankenkasse, sondern durch den klagenden Ersatzkassenverband gestellt worden sei. In der Sache sei die Entscheidung der Beklagten jedenfalls zutreffend. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Kosten, die durch Praxisbesonderheiten erwachsen, dem Vergleichswert der Fachgruppe zugeschlagen oder vom Fallwert des geprüften Arztes abgezogen werden müßten, lasse sich nicht allgemeingültig beantworten. Deshalb stehe es im Ermessen bzw unterfalle es dem Beurteilungsspielraum der Beklagten, eine der beiden genannten Methoden zu wählen.

Mit der Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. § 106 Abs 5 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) idF des Gesundheits Reformgesetzes (GRG) schließe es nicht aus, daß im Rahmen einer Prüfvereinbarung einzelne Krankenkassen ihr Antragsrecht auf ihren Verband übertrügen. Das gelte jedenfalls dann, wenn eine solche Vereinbarung mit Zustimmung der betroffenen Kassen zustande gekommen sei. Eine solche Übertragung habe hier stattgefunden. Nach Ziff 3 Buchst b der Vereinbarung vom 1. April 1989 zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Verbänden der Ersatzkassen hätten die Ersatzkassen ihre Antragsbefugnis für die Prüfungsverfahren auf den Ortsausschuß des Verbandes übertragen, der in ihrem Namen Anträge stellen könne. Dieser Vereinbarung hätten alle Ersatzkassen zugestimmt und die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) habe sie für ihren Bereich übernommen. Aus diesem Grunde hätten die Prüfanträge seines Ortsausschusses als Prüfanträge der Ersatzkassen aufgefaßt werden müssen. Das Urteil des SG könne aus materiell rechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Bei der Berücksichtigung der Praxisbesonderheit "Sterilitätsbehandlungen" hätte die Beklagte bei der Errechnung der Kosten Ausführungen dazu machen müssen, ob der beigeladene Arzt der einzige Arzt der Fachgruppe sei, der solche Sterilitätsbehandlungen durchführe bzw inwieweit Kosten für Sterilitätsbehandlungen auch bei anderen Gynäkologen anfielen und deshalb bereits im Fachgruppendurchschnitt enthalten seien. Die von der Beklagten angewandte Methode der Berücksichtigung einer Praxisbesonderheit stelle eine unzulässige Mischung der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für zulässig erachteten Methoden dar, die zu einem unsachgemäßem Ergebnis führe und deshalb nicht vom Beurteilungsspielraum der Beklagten gedeckt sei. Soweit der aufgrund von Praxisbesonderheiten anfallende Mehraufwand rechnerisch geschätzt werde, dürfe er nicht zum Fachgruppendurchschnitt hinzugerechnet werden, um hiervon ausgehend die prozentuale Überschreitung des Fallwertes des Arztes im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt zu ermitteln. Diese Vorgehensweise führe zu einer doppelten Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten des Arztes, da dessen Mehraufwand bereits in den Durchschnittswerten enthalten sei. Vielmehr müßten die für Praxisbesonderheiten angesetzten Kosten vom Fallwert des geprüften Arztes abgezogen und der so bereinigte Fallwert mit dem Fachgruppendurchschnitt verglichen werden. Danach habe der Beigeladene zu 2) im Quartal III/90 den Fachgruppendurchschnitt noch um fast 95 % überschritten. Dies hätte die Beklagte zu einem Regreß veranlassen müssen, zumal in den Vorquartalen erhebliche Überschreitungen vorgelegen hätten und zum Teil Regresse ausgesprochen worden seien. Entsprechendes gelte für das Quartal IV/90. Nach Abzug der Kosten für Sterilitätsbehandlungen verbleibe hier noch eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnittes um knapp 30 %. Die Beklagte hätte deshalb anhand einer Beispielfallsprüfung ggf einen Regreß festsetzen müssen, zumal sie eindeutige Unwirtschaftlichkeiten festgestellt habe.

Der Kläger und der Beigeladene zu 3) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. März 1994 und den Bescheid der Beklagten vom 3. September 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Verfahren nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

II

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß der die Sprungrevision zulassende Beschluß des SG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergangen ist. Auch die verfahrensfehlerhaft beschlossene nachträgliche Zulassung der Sprungrevision nur durch den Kammervorsitzenden des SG bindet das BSG (BSG Großer Senat vom 18. November 1980 BSGE 51, 23, 28 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27).

Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des SG und der angefochtene Bescheid der Beklagten waren aufzuheben.

Die vom Kläger erstrebte Festsetzung eines Arzneikostenregresses gegen den beigeladenen Frauenarzt scheitert nicht daran, daß das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, das auch die Prüfung der ärztlich verordneten Leistungen erfaßt, auf Antrag des klagenden Ersatzkassenverbandes eingeleitet worden ist. Zwar entscheidet gemäß § 106 Abs 5 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des GRG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) der Prüfungsausschuß auf Antrag der Krankenkasse oder der KÄV, ob der Kassenarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat. Diese Vorschrift findet auch im Ersatzkassenbereich Anwendung; denn für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung gelten gemäß § 106 Abs 7 Satz 1 SGB V idF des GRG die Absätze 1 bis 6 des § 106 SGB V entsprechend. Die Bestimmung des § 106 Abs 5 Satz 1 SGB V steht indessen einer vertraglichen Übertragung des Antragsrechts von Krankenkassen auf ihren Verband nicht entgegen. Die Ausgestaltung als Antragsverfahren ist eine Folge der strukturellen Neuordnung und Umgestaltung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch das GRG, mit der im Verhältnis zum früheren Recht insgesamt die Verpflichtung zur Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung hervorgehoben werden sollte (dazu BSG Urteil vom 30. November 1994 6 RKa 14/93 = SozR 3 2500 § 106 Nr 24 = SGb 1995, 402 mit Anmerkung Eul). Während die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausschließlich den KÄVen oblag (vgl § 368n Abs 5 RVO), hat das am 1. Januar 1989 in Kraft getretene SGB V diese Aufgabe aus dem Gewährleistungsauftrag gelöst und den KÄVen und Krankenkassen als gemeinsame Angelegenheit übertragen. Dementsprechend sind die Prüfungseinrichtungen trotz der nach § 106 Abs 4 SGB V fortbestehenden organisatorischen Anbindung an die KÄV nicht mehr dieser Körperschaft als Rechtsträgerin zugeordnet, sondern als Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen rechtlich verselbständigt worden. Im Gesetzgebungsverfahren zum SGB V ist diesen Veränderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht dadurch Rechnung getragen worden (vgl Beschlußempfehlung des BT Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT Drucks 11/3320, S 70, § 114), daß beiden Seiten den KÄVen und den Krankenkassen das Recht eingeräumt worden ist, die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu beantragen (zum Antragserfordernis s auch Urteil des Senats vom 21. Juni 1995 6 RKa 54/94 zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Neuregelung läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß damit die auftragsweise Übertragung der Antragsbefugnis von einer Krankenkasse auf den jeweiligen Krankenkassenverband ausgeschlossen sein sollte. Diese Auffassung wird durch die nachfolgende Rechtsentwicklung bestätigt. Die Regelung des § 106 Abs 5 Satz 1 SGB V ist nämlich durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 dahin geändert worden, daß nunmehr auch den Verbänden der Krankenkassen selbst eine Antragsberechtigung eingeräumt worden ist. Dadurch sollte die Einleitung von Prüfverfahren weiter erleichtert werden (vgl Begründung des RegEntw zum GSG, BT Drucks 12/3209, S 54, zu Nr 26 Buchst d). Die Übertragung des Antragsrechts in der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Verbänden der Angestellten Krankenkassen und Arbeiter Ersatzkassen vom 1. April 1989, die mit Zustimmung der betroffenen Krankenkassen erfolgt ist, war somit zulässig. Für die Zeit ab 1. Oktober 1990 beruht die Befugnis zur Stellung von Prüfanträgen durch den klagenden Ersatzkassenverband auf § 6 Nr 2 der Prüfvereinbarung Ersatzkassen vom 13. September 1990.

Entgegen der Ansicht des SG ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig, weil in ihm beurteilungsfehlerhaft das Vorliegen einer Praxisbesonderheit bejaht und im Zusammenhang damit der Grenzwert für das offensichtliche Mißverhältnis unzutreffend ermittelt worden ist.

Gemäß § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 7 Satz 1 SGB V idF des GRG wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung auch im Ersatzkassenbereich durch die arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten geprüft. Dem entsprechen die vertraglichen Regelungen im Ersatzkassenbereich (§ 17 Nr 1 des im Quartal III/90 noch maßgeblichen Arzt/Ersatzkassen Vertrages EKV Ärzte vom 20. Juli 1963 in der ab 1. Juli 1988 geltenden Fassung ≪aF≫ bzw im Quartal IV/90 § 30 Abs 1 EKV Ärzte vom 13. September 1990 iVm §§ 7, 9 der Prüfvereinbarung Ersatzkassen vom 13. September 1990, jeweils in Kraft getreten zum 1. Oktober 1990). Wird die Verordnungsweise danach mit der Methode des statistischen Fallkostenvergleichs geprüft, ist der Beweis der Unwirtschaftlichkeit erbracht, wenn die Verordnungskosten des Arztes in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu den durchschnittlichen Verordnungskosten seiner Fachkollegen stehen, diese also in einem Ausmaß überschreiten, bei dem sich der Mehraufwand regelmäßig nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären läßt.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil überschritt der Beigeladene zu 2) bei den Verordnungskosten die entsprechenden Vergleichswerte der Fachgruppe im Quartal III/90 um 261 % und im Quartal IV/90 um 103 %. Bei diesen Überschreitungen kann, was auch die Beklagte nicht verkannt hat, in der Regel ohne weiteres von einem offensichtlichen Mißverhältnis und damit einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise ausgegangen werden. Nach Auffassung der Beklagten kam aber den statistischen Abweichungen hier kein solcher Beweiswert zu, weil der hohe Arzneimittelaufwand des Beigeladenen zu 2) zum Teil auf einer Praxisbesonderheit, nämlich der Durchführung von Sterilitätsbehandlungen, beruhen sollte. Die bloße Annahme der Beklagten, insoweit handele es sich um eine Praxisbesonderheit, genügt indessen für deren Anerkennung nicht (vgl Urteil des Senats vom 12. Oktober 1994 6 RKa 6/93 nicht veröffentlicht). Als Praxisbesonderheiten des geprüften Arztes kommen nur solche Umstände in Betracht, die sich auf das Behandlungs oder Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit anzutreffen sind. Für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit ist es deshalb nicht ausreichend, daß bestimmte Leistungen in der Praxis eines Arztes erbracht werden. Vielmehr hätte von der Beklagten substantiiert dargetan werden müssen, inwiefern sich die Praxis gerade in bezug auf die oben aufgezeigten Merkmale von den anderen Praxen der Fachgruppe unterscheidet, zumal davon ausgegangen werden kann, daß im wesentlichen in allen frauenärztlichen Praxen Sterilitätsbehandlungen in einem gewissen Umfang durchgeführt werden.

Die Berücksichtigung der gesamten auf Sterilitätsbehandlung beruhenden Verordnungskosten als Praxisbesonderheit hätte sich folglich nur rechtfertigen lassen, wenn sie wegen einer von der Regelarztpraxis abweichenden Zusammensetzung des Patientengutes bei dem Beigeladenen zu 2) signifikant gehäuft aufgetreten wären und im Durchschnitt der Vergleichspraxen diese Leistungen nicht in nennenswertem Umfang erbracht würden. Da der angefochtene Bescheid Darlegungen hierzu nicht enthält, ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte von einem nicht vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, mithin berurteilungsfehlerhaft das Vorliegen einer Praxisbesonderheit angenommen hat.

Das Vorgehen der Beklagten bei der Berücksichtigung der Praxisbesonderheit verstößt ebenfalls gegen § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V.

Der Feststellung der mit dem Begriff des offensichtlichen Mißverhältnisses gekennzeichneten Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnittes kommt nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen praktisch die Wirkung eines Anscheinsbeweises zu mit der Folge, daß bei Überschreitungen im Bereich des sog offensichtlichen Mißverhältnisses regelmäßig von einer unwirtschaftlichen Verhaltensweise auszugehen ist (vgl zum Ganzen BSGE 74, 70, 72 = SozR 3 2500 § 106 Nr 23, mwN). Eine entsprechende Wirkung kann aber nur unter der Voraussetzung angenommen werden, daß die wesentlichen Leistungsbedingungen des geprüften Arztes mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der verglichenen Ärzte übereinstimmen. Der Beweiswert der Statistik wird eingeschränkt oder gar aufgehoben, wenn bei der geprüften Arztpraxis besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Ärzte untypisch sind. Sind solche kostenerhöhenden Praxisbesonderheiten bekannt oder anhand der Behandlungsausweise oder der Angaben des Arztes erkennbar, so müssen ihre Auswirkungen bestimmt werden, ehe sich auf der Grundlage der statistischen Abweichungen eine verläßliche Aussage über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs oder Verordnungsweise treffen läßt (BSGE aa0). Dabei ist regelmäßig der auf die festgestellte Praxisbesonderheit entfallende Kostenanteil von dem Gesamtfallwert des geprüften Arztes abzuziehen und ausgehend von dem danach verbleibenden Fallwert die jeweilige Überschreitung im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt zu ermitteln. Für die danach vorzunehmende Bestimmung der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis ist stets der Fallwert der Fachgruppe zugrunde zu legen. Mit diesen Vorgaben steht die Vorgehensweise der Beklagten nicht in Einklang. Sie sieht, was nicht zu beanstanden ist, allgemein die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Überschreitung des Vergleichswertes der Fachgruppe von 40 %, addiert aber nunmehr den Fachgruppenfallwert und den Kostenanteil der Praxisbesonderheit und legt von der Summe dieser Beträge eine Überschreitung von 40 % als Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis fest. Da die Summe aus Gruppenfallwert und Praxisbesonderheit Ausgangspunkt der Berechnung ist, würden durch die prozentuale Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Mißverhältnis die Kosten der Praxisbesonderheit anteilig mit berücksichtigt. Das hätte zur Folge, daß der Arzt, der Praxisbesonderheiten aufweist, einen höheren Überschreitungsspielraum zugestanden bekäme als ein Arzt ohne solche Besonderheiten. Ein derartiges Vorgehen ist mit den rechtlichen Anforderungen der Prüfung nach Durchschnittswerten iS des § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V nicht vereinbar.

Der angefochtene Bescheid und das ihn bestätigende Urteil der Vorinstanz waren danach aufzuheben. Die Beklagte wird nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über den Widerspruch des Klägers und des Beigeladenen zu 2) gegen die Prüfentscheidungen für die Quartale III und IV/90 erneut zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.6 RKa 35/94

BSG

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518895

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