Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügbarkeit. atypischer Fall
Orientierungssatz
1. Der Arbeitslose steht der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, wenn er seine Wohnung aufgibt und von da ab unter dieser Anschrift nicht mehr täglich während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar ist. Unerheblich ist, daß der Arbeitslose der Bundespost einen Nachsendeauftrag erteilt oder auf sonstige Weise dafür gesorgt hat, daß ihn an die alte Anschrift gerichtete Post erreicht. Es kommt nicht darauf an, daß der Arbeitslose überhaupt irgendwie erreichbar ist, sondern er muß vom zuständigen Arbeitsamt unter der diesem bekannten Anschrift täglich erreicht werden können.
2. Eine Ortsabwesenheit von bestimmter Dauer steht der Verfügbarkeit nur dann nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt von vornherein festgestellt hat, daß dadurch in dieser Zeit die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten nicht beeinträchtigt wird.
3. Ein atypischer Fall iS von § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 10 liegt nicht vor, wenn der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist, indem er die Aufgabe seiner Wohnung dem Arbeitsamt nicht angezeigt hat.
Normenkette
AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 3, § 134 Abs 1 S 1 Nr 1, § 134 Abs 4; AufenthAnO § 1 S 1; SGB 1 § 60 Abs 1 S 1 Nr 2; SGB 10 § 48 Abs 1 S 2 Nr 2
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.02.1986; Aktenzeichen L 7 Ar 376/85) |
SG Hannover (Entscheidung vom 27.07.1983; Aktenzeichen S 3 Ar 427/82) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. November 1981 bis 31. März 1982 aufzuheben und gezahlte Leistungen in Höhe von 3.055,20 DM zurückzufordern.
Das Arbeitsamt B. hatte dem Kläger mit Bescheid vom 30. Juni 1981 für die Zeit vom 14. April 1981 bis 13. April 1982 Alhi bewilligt. Ab 1. November 1981 gab der Kläger seine Wohnung in B. auf und hielt sich an verschiedenen Orten außerhalb des Bezirks des Arbeitsamts B. auf, ua in S. , Hi. und Ha. . Weiterhin unternahm er kurzzeitige Reisen nach E. , K. und Ha. sowie nach Österreich und in die Schweiz. Die Beklagte stellte die Zahlung von Alhi zum 12. Januar 1982 ein. Daneben verfügte sie den Wegfall der Leistung ab 1. April 1982, was der Kläger nicht angefochten hat.
Mit dem an die frühere B. Anschrift des Klägers gerichteten Schreiben vom 8. Februar 1982 forderte das Arbeitsamt den Kläger auf, zur Frage seiner Verfügbarkeit ab 1. November 1981 Stellung zu nehmen. Der Kläger antwortete hierauf mit Schreiben vom 28. Februar 1982 unter der Adresse Hi. , I. Straße 14. Er erklärte ua, er habe sich seit November 1981 selbst um Arbeit bemüht und sei deshalb auf Reisen gewesen. Dies habe er dem Arbeitsamt schriftlich mitgeteilt, ebenso die Aufgabe seiner Wohnung in B. . Er lebe nunmehr in S. , bitte jedoch um Weiterzahlung der Alhi durch das Arbeitsamt B. . - Die Leistungsakte enthält eine solche Mitteilung nicht. - Die Beklagte teilte dem Kläger mit dem an seine Hi. Adresse gerichteten Schreiben vom 18. März 1982 mit, wegen seines Umzuges nach S. sei das Arbeitsamt V. für ihn zuständig, bei dem er sich umgehend melden solle. Unter dem 22. März 1982 teilte der Kläger mit, er wohne jetzt in Ha. , Sch. . Eine Arbeitslosmeldung bei dem Arbeitsamt Ha. erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 8. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1982 hob die Beklagte die Alhi-Bewilligungsentscheidung ab 1. November 1981 gemäß § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 3.055,20 DM zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Juli 1983). Im Berufungsverfahren erließ die Beklagte den Bescheid vom 10. Februar 1984, in dem sie ausführte, die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides bedeute für den Kläger keine unbillige Härte. Das Landessozialgericht (LSG) hat, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 23. Oktober 1985 (Az: 7 RAr 158/84) das der Berufung stattgebende zweitinstanzliche Urteil vom 30. Oktober 1984 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hatte, die Berufung des Klägers mit Urteil vom 25. Februar 1986 zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1984 abgewiesen. Es hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi ab 14. April 1981 für die Zeit vom 1. November 1981 bis 31. März 1982 gemäß § 48 Abs 1 SGB 10 aufzuheben. Im Vergleich zu den Verhältnissen, wie sie bei Erlaß des Bewilligungsbescheides vorgelegen hätten, sei ab 1. November 1981 eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Kläger habe von diesem Zeitpunkt an der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden. Nach den in § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zum Ausdruck gekommenen und in der Aufenthaltsanordnung konkretisierten Willen des Gesetzgebers gehöre zur Verfügbarkeit auch, daß der Arbeitslose mindestens täglich zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar und zum Antritt der Beschäftigung in der Lage sei, soweit dies von den in Betracht kommenden Arbeitgebern erwartet werden könne. Nachdem der Kläger seine Wohnung in B. aufgegeben habe, sei er für das Arbeitsamt unter seiner bisherigen Anschrift nicht mehr täglich während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar gewesen. Das Gericht sei davon überzeugt, daß der Kläger die Aufgabe seiner Wohnung in B. und seinen tatsächlichen Aufenthaltsort nach dem 1. November 1981 dem Arbeitsamt nicht mitgeteilt habe. Damit habe er die für die Verfügbarkeit erforderliche tägliche Erreichbarkeit am Wohnort verhindert. Eine unverzügliche Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt B. , in dessen Bezirk der Kläger nicht mehr wohnte, sei damit nicht mehr möglich gewesen und auch nicht die durch ein anderes Arbeitsamt, weil der Kläger lediglich bei dem Arbeitsamt B. gemeldet gewesen sei. Die Verfügbarkeit sei nicht etwa schon deshalb zu bejahen, weil sich der Kläger nach Aufgabe seiner Wohnung in B. angeblich selbst um Arbeit bemüht habe.
Der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitteilung der Aufgabe seiner Wohnung zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Eine solche Pflicht sei in § 60 Abs 1 Nr 2 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB 1) normiert. Nach dem Inhalt des Merkblatts für Arbeitslose habe der Kläger wissen können und müssen, daß er verpflichtet gewesen sei, die Aufgabe seiner Wohnung in B. mitzuteilen. Der Kläger sei in dem Merkblatt unmißverständlich über seine Pflicht belehrt worden, die Aufgabe seiner B. Wohnung dem Arbeitsamt B. mitzuteilen. Wenn er den Inhalt des Merkblatts außer acht gelassen habe, etwa, weil er es nicht gelesen hatte, dann habe er grob fahrlässig im Sinne einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung gehandelt. Seine Behauptung, er habe das Merkblatt nicht erhalten, sei unglaubhaft. Der Kläger habe somit seine Anzeigepflicht mindestens grob fahrlässig verletzt. Damit lägen die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung an sich vor. Allerdings folge aus der bewußten Verwendung des Wortes "soll" in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10, daß die Behörde nicht in jedem Fall gezwungen sei, einen Verwaltungsakt bei Änderung der Verhältnisse rückwirkend aufzuheben. Dies müsse zwar in der Regel geschehen, ausnahmsweise könne jedoch davon abgesehen werden. Der Behörde werde dadurch ein Ermessen eingeräumt, dieses erstrecke sich jedoch nur auf die Frage, was im Ausnahmefall zu geschehen habe. Ob ein Ausnahmefall vorliege, sei nicht Teil der Ermessensentscheidung. Wann ein atypischer Fall gegeben sei, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen habe, richte sich nach dem Zweck der Regelungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10 sowie den Umständen des Einzelfalls. Diese müßten im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Nachteile, insbesondere aus der damit folgenden Pflicht zur Erstattung, vom Normalfall zB derart abweichen, daß der Betroffene in besondere Bedrängnis gerate, wofür aber nicht die mit jeder Rückforderung verbundene Härte genüge. Ein solcher atypischer Fall liege hier nicht vor. Der Fall des Klägers zeichne sich nicht gegenüber anderen Fällen aus, in denen die Verfügbarkeit verneint werden müsse. Es könne deshalb nicht zur Annahme eines atypischen Falles führen, daß der Kläger seinerzeit einen Nachsendeantrag gestellt und so dafür gesorgt habe, daß ihn Schreiben der Beklagten erreichen konnten. Ebensowenig könne berücksichtigt werden, daß die Beklagte dem Kläger nach dem 1. November 1981 keine Vermittlungsvorschläge habe unterbreiten können. Die für den Kläger mit der Aufhebung der Alhi-Bewilligung verbundenen Folgen seien für den Fall, wie ihn § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB 10 im Auge habe, typisch. Die Rückforderung stelle für den Kläger keine über das normale Maß hinausgehende Härte dar. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, sich zu äußern und habe hiervon Gebrauch gemacht. Er sei deshalb nach § 50 Abs 1 SGB 10 zur Rückzahlung der nach dem 1. November 1981 ausgezahlten Alhi in Höhe von 3.055,20 DM verpflichtet. Die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1984 müsse abgewiesen werden, da die Beklagte darin zutreffend festgestellt habe, es liege kein atypischer Fall vor.
Mit der Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10. Er ist der Auffassung, die Verwaltung sei auf jeden Fall verpflichtet, zu entscheiden, ob ein atypischer Fall vorliege. Unterlasse sie diese Ausführungen, dann sei der Ausführungsbescheid rechtswidrig. Im übrigen habe hier ein atypischer Fall vorgelegen, der eine Ermessensentscheidung der Beklagten erfordert hätte. Der Kläger habe nämlich durch einen Nachsendeantrag und auch auf andere Weise, insbesondere durch telefonische Vermittlungsmöglichkeiten, Vorsorge dafür getroffen, daß er täglich durch das Arbeitsamt erreicht werden konnte. Deshalb sei er auch in der Lage gewesen, das Arbeitsamt täglich aufzusuchen. Gerade diese beiden Gesichtspunkte habe das LSG bei der Prüfung, ob ein atypischer Fall vorliege, nicht berücksichtigt. Es müsse aber beachtet werden, daß der Kläger aus seiner Sicht das seinerzeit Erforderliche getan habe, um täglich vermittelt werden zu können. Insoweit habe er allerdings leicht fahrlässig die Tragweite der Aufenthaltsanordnung verkannt. Er sei mit Recht davon ausgegangen, daß ohnehin eine Vermittlung als Lehrer, wie sie für ihn vorzugsweise in Betracht gekommen sei, nur zu bestimmten Einstellungsterminen erfolgen konnte. Deshalb habe er sich auch selbst um Arbeit bemüht. Daß die Beklagte sowieso nicht in der Lage gewesen sei, ihm irgendwelche Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, habe ihn noch in seiner Auffassung bestärken müssen. Gerade darin, daß der Kläger sich selbst um Arbeit bemüht und dadurch den Verlust seiner Alhi riskiert habe, liege hier die besondere Härte und Atypik des Falles.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 8. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 1982 sowie den Bescheid vom 10. Februar 1984 insoweit aufzuheben, als sie die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. November 1982 bis 31. März 1982 und die Rückerstattung von Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3.055,20 DM betreffen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 8. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1982 sowie der Bescheid vom 10. Februar 1984. Der Kläger begehrt deren Aufhebung. Infolgedessen wird von ihrem rechtlichen Inhalt der Umfang des Anspruchs bestimmt, über den das Gericht zu entscheiden hat (§ 123 SGG). Die Beklagte hatte dem Kläger durch Bescheid vom 30. Juni 1981 Alhi für die Zeit vom 14. April 1981 bis 13. April 1982 bewilligt. Diese Entscheidung entspricht der Regelung in § 139a AFG, wonach Alhi längstens für ein Jahr bewilligt werden soll und vor einer erneuten Bewilligung die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind. In den Bestand dieses Verwaltungsaktes greifen die angefochtenen Bescheide ein, indem sie die Bewilligung für die Zeit vom 1. November 1981 bis 31. März 1982 aufheben. Mit dem Bescheid vom 10. Februar 1984 hat die Beklagte ua klarstellen wollen, daß keine besonderen Umstände vorliegen, die die Annahme einer unbilligen Härte rechtfertigen können. Da dieser Bescheid insoweit einen eigenen Regelungsinhalt hat, ist er gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.
Zur Wahrnehmung seines Anspruchs hat sich der Kläger zulässig auf die reine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG beschränkt. Die begehrte Aufhebung der angefochtenen Bescheide hätte ohne weiteres zur Folge, daß der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 30. Juni 1981 wiederhergestellt wird und die Beklagte daraus bei seiner Weitergeltung zur Zahlung der bewilligten Alhi auch für die Zeit vom 1. November 1981 bis 31. März 1982 verpflichtet ist. Für eine Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG bestand folglich kein Raum (BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19).
Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet. SG und LSG haben die angefochtenen Bescheide zutreffend für rechtmäßig erachtet. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist im vorliegenden Fall § 48 Abs 1 Satz 1 sowie Satz 2 Nr 2 SGB 10. Danach soll, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier, wie das LSG zutreffend erkannt hat, vor.
Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, wie sie bei Erlaß des Alhi-Bewilligungsbescheides vorlagen, ist ab 1. November 1981 insoweit eingetreten, als der Kläger von diesem Zeitpunkt an seine bisherige Wohnung in B. aufgegeben hat, ohne das Arbeitsamt hiervon zu unterrichten. Das hat zur Folge, daß er von da ab der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand und deshalb keinen Anspruch auf Alhi mehr hatte.
Anspruch auf Alhi hat ua nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 4, 103 AFG). Der Kläger hat diese gesetzliche Voraussetzung für die hier streitige Zeit nicht erfüllt. Nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG, der durch Art 1 Nr 31 des Fünften AFG-Änderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 - 5. AFGÄndG - (BGBl I 1181) eingefügt worden ist, ist Voraussetzung für die Verfügbarkeit ua, daß der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Hierzu bestimmt § 1 Satz 1 der Aufenthaltsanordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vom 3. Oktober 1979 (ANBA S 1388), die auf § 103 Abs 5 idF des 5. AFGÄndG fußt, daß das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können muß. Dies war bei dem Kläger ab 1. November 1981 bereits deshalb nicht mehr der Fall, weil er seine Wohnung in B. aufgegeben hatte und nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die er nicht angegriffen hat, von da ab unter dieser Anschrift nicht mehr täglich während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar war. Unerheblich ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, daß der Kläger der Bundespost einen Nachsendeauftrag erteilt oder auf sonstige Weise dafür gesorgt hatte, daß ihn an die B. Anschrift gerichtete Post erreichte. Es kommt nicht darauf an, daß der Arbeitslose überhaupt irgendwie erreichbar ist, sondern er muß - so verlangt es § 1 Satz 1 der Aufenthaltsanordnung - vom zuständigen Arbeitsamt unter der diesem bekannten Anschrift täglich erreicht werden können. Dies ist, wie das LSG festgestellt hat, nicht der Fall gewesen.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte dem Kläger nach dem 1. November 1981 Vermittlungsvorschläge unterbreiten konnte. Das ist, wie der Senat bereits entschieden hat, für die Frage, ob der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, unerheblich (BSGE 58, 104, 106 = SozR 4100 § 103 Nr 36). Eine Ortsabwesenheit von bestimmter Dauer stand der Verfügbarkeit des Klägers nur unter ganz bestimmten Umständen nicht entgegen, nämlich dann, wenn das Arbeitsamt von vornherein festgestellt hätte, daß dadurch in dieser Zeit die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten nicht beeinträchtigt werden. Eine solche Feststellung hat das Arbeitsamt nicht getroffen, diese wäre aber auch dann erforderlich gewesen, wenn sich der Kläger auf Reisen begeben hätte, um sich eine Stellung zu suchen. Auf welchen Gründen die Ortsabwesenheit beruht, ist nicht entscheidend.
Der Kläger ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen, indem er die Aufgabe seiner B. Wohnung dem Arbeitsamt nicht angezeigt hat. Damit stand er ab 1. November 1981 nicht mehr der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und hatte somit auch keinen Anspruch auf Alhi mehr. Diese wesentliche, für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse war der Kläger gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB 1 der Beklagten zu melden verpflichtet. Hiernach hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, ua Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Dieser ihm auferlegten Pflicht ist der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen.
Nach den unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger das Merkblatt für Arbeitslose erhalten. Dort wird auf Seite 18 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Arbeitslose dem Arbeitsamt anzuzeigen hat, wenn er seinen Wohnort nicht nur kurzfristig verläßt. Er war damit unmißverständlich über seine Pflicht belehrt worden, die Aufgabe seiner B. Wohnung dem Arbeitsamt anzuzeigen. Er hat dies, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, nicht getan. Damit hat er seine Anzeigepflicht - zumindest grob fahrlässig - nicht erfüllt. Er konnte aufgrund des oa Hinweises in dem Merkblatt für Arbeitslose ohne weiteres die Notwendigkeit der Anzeige und damit seine Pflicht, sie zu erstatten, erkennen. Dies gilt um so mehr, als, wie das LSG festgestellt hat, der von ihm am 16. April 1981 unterschriebene Antragsvordruck unter Nr 15 ua folgende Erklärung enthält: "Mir ist bekannt, daß ich dem Arbeitsamt sofort alle Veränderungen anzuzeigen habe, die gegenüber den in diesem Antrag angegebenen Verhältnissen eintreten." Abgesehen davon kann von jedem Arbeitslosen erwartet werden, daß er sich über seine Mitteilungspflichten informiert. Schon einfachste Überlegungen hätten daher den Kläger veranlassen müssen, die Wohnungsaufgabe zu melden, weil hiervon seine Erreichbarkeit für die Arbeitsvermittlung abhing. Indem er dies nicht getan hat, hat er eine Sorgfaltsverletzung in ungewöhnlich hohem Ausmaß begangen, wobei auch seine Urteils- und Kritikfähigkeit als Lehrer zu berücksichtigen ist. Das LSG hat somit den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht verkannt.
Damit liegen die Rechtsvoraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung des Alhi-Bewilligungsbescheides ab 1. November 1981 vor. Entgegen der Ansicht des Klägers waren im vorliegenden Falle keine besonderen Ermessenserwägungen erforderlich. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn einer der Tatbestände vorliegt, die in den Nummern 1 bis 4 beschrieben sind. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 59, 111, 115 = SozR 1300 § 48 Nr 19; SozR 1300 § 48 Nrn 21, 22, 24, 26, 30; BSGE 60, 180, 185 = SozR 1300 § 48 Nr 25; SozR 1300 Art 2 § 40 Nr 8; Urteil des Senats vom 11. Februar 1988 - 7 RAr 55/86 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG Buchholz 436.36 § 53 BAföG Nr 5) bedeutet "soll", daß der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufhebt, daß er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Hierzu ist inzwischen klargestellt, daß die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären ist, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden ist. Nichts anderes ist im Ergebnis auch in der von dem Kläger zitierten Entscheidung des 10. Senats des BSG vom 24. März 1983 - 10 RKg 17/82- (SozR 4870 § 2 Nr 30) ausgeführt worden.
Nach der vorstehend aufgeführten Rechtsprechung ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei ist auf den Zweck der Regelung der jeweiligen Bestimmung des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10 abzustellen. Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, ob die mit der rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts verbundenen Nachteile, insbesondere im Hinblick auf die aus § 50 Abs 1 SGB 10 folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen, vom Normalfall derart abweichen, daß der betreffende Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis gerät. Damit ist allerdings nicht die mit jeder Rückforderung verbundene Härte gemeint. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, daß der Kläger durch die Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen stärker betroffen wird als andere Alhi-Empfänger. Ob der Leistungsempfänger den Rückforderungsanspruch erfüllen kann, ist im Normalfall eine Frage der Vollstreckung. Abweichungen hiervon sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.
Daß der Kläger möglicherweise durch den Leistungsentzug sozialhilfebedürftig geworden ist, ist keine Besonderheit, sondern typisch für solche Fälle. Der Wegfall der Verfügbarkeit ist ausschließlich auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen. Ein Fehlverhalten der Beklagten, das gegebenenfalls bei der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, zu berücksichtigen wäre (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nrn 24 und 25), hat hierbei keine Rolle gespielt. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß sein Verhalten im Hinblick auf die zahlreichen Ortswechsel im Vergleich zu anderen Leistungsbeziehern untypisch sei. Maßgebend ist das den Aufhebungsgrund bestimmende Verhalten, hier also das Unterlassen der Mitteilung über die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes. Insoweit liegt keine Atypik vor, die eine Ermessensentscheidung notwendig macht. Der Zweck des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB 10 verbietet es gerade, daß ein Verwaltungsakt weiterhin als Rechtsgrund, auf dem eine Leistung beruht, bestehen bleibt, obwohl der einzelne seiner Anzeigepflicht hinsichtlich der geänderten Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (vgl Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - BT-Drucks 8/2034, S 35 zu § 46). Deshalb kann es auch keine besondere Härte sein, daß sich der Kläger nach seiner Behauptung selbst um Arbeit bemüht hat und dadurch den Verlust der Alhi riskierte. Entscheidend für den Verlust des Anspruchs auf Alhi ist allein, daß der Kläger die ihm auferlegte Mitteilungspflicht nicht befolgt hat. Aus diesem Grunde liegt eine Atypik auch deshalb nicht vor, weil der Kläger aus seiner Sicht möglicherweise meinte, durch einen Nachsendeantrag und auch auf andere Art seinerzeit das Erforderliche getan zu haben, um täglich vermittelt zu werden. Ebensowenig kann daher berücksichtigt werden, daß dem Kläger kein Vermittlungsvorschlag unterbreitet werden konnte und eine Einstellung als Lehrer, wie sie für ihn vorzugsweise in Betracht kam, ohnehin nur zu bestimmten Einstellungsterminen vorgenommen wurde.
Da auch die Fristerfordernisse (§ 48 Abs 4 Satz 1, § 5 Abs 3 Satz 3 und Abs 4 SGB 10) gewahrt sind, liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung der Alhi vor. Dies hat ohne weiteres zur Folge, daß der Kläger verpflichtet ist, die seit dem 1. November 1981 erhaltene Alhi in Höhe von 3.055,20 DM zurückzuzahlen. Nach § 50 Abs 1 SGB 10 sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit, wie hier, ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Zu Recht hat hiernach das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1984 abgewiesen.
Die Revision kann somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen