Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Vertrauensschutzes bei einem vom ehemaligen Treuhänder der RfA erteilten Kontoauszug mit unrichtigem Inhalt.
Normenkette
AVG § 145 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1423 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; BGB § 242
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 1970 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte das dem Kläger gewährte Altersruhegeld richtig berechnet hat.
Bei der Festsetzung des Altersruhegeldes des Klägers berücksichtigte die Beklagte für die Jahre 1933 und 1934 je 12 Beiträge zur Angestelltenversicherung der Klasse D. Für den Kläger sind ua in der Versicherungskarte Nr. 3 für 1933 12 Beiträge und für 1934 1 Beitrag sowie in der Versicherungskarte Nr. 4 11 Beiträge zur Angestelltenversicherung der Klasse D entrichtet worden. Dagegen sind in einem dem Kläger vom damaligen Treuhänder (Custodian) der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte erteilten Kontoauszug vom 20. Juni 1949 für 1933 12 Beiträge der Klasse E und für 1934 1 Beitrag derselben Klasse und 11 Beiträge der Klasse D bescheinigt. Der Kläger beruft sich auf den Inhalt des Kontoauszuges und meint, ihm müßten bei der Rentenberechnung für die Jahre 1933/34 13 Beiträge der (höheren) Klasse E anstelle derselben Anzahl von Beiträgen der Klasse D angerechnet werden. Seine Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile vom 29. Oktober 1968 und 16. Juni 1970). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 145 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG).
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 1970 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 1968 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 1968 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm das Altersruhegeld unter Berücksichtigung von 12 Beiträgen der Klasse E für das Jahr 1933 und 1 Beitrag der Klasse E für das Jahr 1934 anstelle derselben Anzahl von Beiträgen der Klasse D zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, ihm stehe aufgrund des Inhalts des Kontoauszugs vom 20. Juni 1949, den ihm der von der britischen Militärregierung eingesetzte Treuhänder für das Vermögen der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte erteilt hatte, ein höheres Altersruhegeld zu. Vielmehr hat die Beklagte die Rente des Klägers aufgrund des Inhalts der Versicherungskarten Nr. 3 und 4 zutreffend berechnet. Zwar weist der Kontoauszug vom 20. Juni 1949 für 1933 12 Beiträge der Klasse E und für 1934 1 Beitrag derselben Klasse und 11 Beiträge der Klasse D aus, während in der Versicherungskarte Nr. 3 für 1933 12 Beiträge und für 1934 1 Beitrag der Klasse D und in der Versicherungskarte Nr. 4 für 1934 11 weitere Beiträge derselben Klasse entrichtet sind. Indes kann der Kläger daraus für sich keinen Vorteil ziehen. Der Kontoauszug ist seinem Wesen nach eine behördliche Auskunft. Durch den Kontoauszug wird über die Beitragsentrichtung des Klägers mit Beitragsmarken von 1928 bis 1938 Auskunft gegeben. Sie enthält lediglich eine Wissenserklärung. Die Auskunft ist auf Tatsachen beschränkt, nämlich auf diejenigen, welche Beiträge mit Beitragsmarken für den Kläger entrichtet worden waren (vgl. zur Auskunft: H.J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. Auflage 1968, § 45 II a 3, S. 291; Karl Zeidler, Empfiehlt es sich, die bestehenden Grundsätze über Auskünfte und Zusagen in der öffentlichen Verwaltung beizubehalten?, Gutachten für den 44. Deutschen Juristentag, 1962, S. 15 f).
Die Befugnis zu Auskünften über den Beitragstand erklärt sich aus der jedem Versicherungsträger obliegenden Aufgabe, Antragsteller nach bestem Wissen und Gewissen über Sach- und Rechtsfragen in Rentenangelegenheiten aufzuklären und zu unterrichten (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO Blatt Aa 5; BSG 25, 219, 220; BSG 32, 60, 64; Zeidler, aaO S. 11 spricht anschaulich vom "Kundendienst"). Zur damaligen Zeit nahm diese Aufgabe für die stillgelegte Reichsversicherungsanstalt für Angestellte üblicherweise - so auch hier - der Treuhänder wahr (vgl. BSG 32, 60, 66). Jede Auskunft muß klar, vollständig und richtig sein, damit der Empfänger mit Hilfe der Auskunft entsprechend disponieren kann vgl. BSG 32, 60, 65). Obschon die Auskunft in den hier in Rede stehenden Teilen falsch ist, weil sie den Inhalt der Versicherungskarten Nr. 3 und 4 unzutreffend wiedergibt, hat dies nicht die von der Revision erstrebte Wirkung, daß die Beklagte dem Versicherten die in dem Kontoauszug falsch vermerkten Beiträge anstelle der in den Versicherungskarten Nr. 3 und 4 aufgerechneten Beiträge gutzubringen hätte. Der erkennende Senat hat sich zwar in seinem Urteil vom 24. März 1964 (BSG in SozR Nr. 21 zu Art. 2 § 42 ArVNG) dafür ausgesprochen, daß ein Versicherter sich grundsätzlich darauf berufen kann, in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit einer ihm von dem zuständigen Versicherungsträger erteilten Auskunft geschützt zu werden, wenn er danach handelt. Der Kläger hat jedoch aus der Auskunft, insbesondere ihren unrichtigen Teilen, bis zur Stellung des Rentenantrags keine Folgerungen irgendwelcher Art gezogen. Schon deshalb versagt die Berufung des Klägers auf einen Vertrauensschutz. Bei Beachtung eines solchen Vertrauensschutzes wäre der Versicherte zudem nur so zu stellen, als wenn die unrichtige Auskunft nicht erteilt worden wäre; die Bindung des Versicherungsträgers an die mit dem Kontoauszug erteilte falsche Auskunft vermag dem Versicherten keinen Vorteil einzubringen, den er auch bei richtiger Auskunft nicht erlangt hätte (vgl. BFH 86, 148, 151).
In der von dem Treuhänder teilweise unrichtig erteilten Auskunft liegt zudem weder eine bindende Zusage noch ein Anerkenntnis dahin, bei einer späteren Rentenberechnung werde ihr Inhalt ungeprüft übernommen werden. Dafür fehlt es bereits an der dafür erforderlichen Qualität eines Verwaltungsakts. Der Kontoauszug enthält, was für die Einordnung als Verwaltungsakt notwendig wäre, als reine Wissenserklärung keine Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (vgl. BSG 25, 219, 220). Schließlich kann der hier vorliegende Fall auch nicht mit demjenigen verglichen werden, der dem Urteil des erkennenden Senats vom 25. November 1970 - 12 RJ 518/68 - (SozR Nr. 1 zu Vers-Unterlagen VO § 11) zugrunde gelegen hat. Dort hatte ein Versicherungsträger Tatsachen festgestellt und rechtlich gewertet und ist deshalb daran festgehalten worden. Hier fehlt jedoch jede rechtliche Wertung von Tatsachen mittels eines Verwaltungsakts.
Da der Kontoauszug nur eine Auskunft über die Beitragsentrichtung des Klägers mit Beitragsmarken für die Zeit von 1928 bis 1938 ist, ist für Erwägungen zur Beitragsaufrechnung und Aufrechnungsbescheinigung (§ 145 Abs. 2, 3 AVG), wie sie das Berufungsgericht und die Revision angestellt haben, kein Raum mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen