Leitsatz (redaktionell)
Waisenrente für eine zurückliegende Zeit und Einwand der Verjährung.
Orientierungssatz
Zur Frage der Zulässigkeit der Einrede der Verjährung, wenn der Versicherungsträger vor der Feststellung der Nichtigkeit durch das BVerfG eine dem RVO § 1267 Abs 2 idF vom 23.2.1957 entsprechende Auskunft gegeben hat.
Normenkette
RVO § 29 Abs. 3 Fassung: 1924-12-15, § 1267 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 44 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; BGB § 222 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 24.06.1976; Aktenzeichen III JBf 35/75) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 06.03.1975; Aktenzeichen 16 J 1198/72) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 1976 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. März 1975 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Mutter der im Jahr 1949 geborenen Klägerin ist im Jahr 1960 gestorben. Sie hatte kurz vor ihrem Tode bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) H Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Die Rente wurde einschließlich des Kinderzuschusses für die Klägerin nach dem Tode der Versicherten bewilligt und dem Vater der Klägerin ausgezahlt. Dieser sah von einem Antrag auf Waisenrente ab. Ihm hatte nämlich im Jahr 1962 ein Bediensteter der LVA H die Auskunft gegeben, ein Anspruch auf Waisenrente für die Klägerin bestehe nicht, weil sie von ihrer verstorbenen Mutter nicht überwiegend unterhalten worden sei.
Am 17. März 1972 beantragte die Klägerin Waisenrente. Da sie von H nach H umgezogen war, wurde der Rentenantrag an die Beklagte abgegeben. Diese gewährte mit den Bescheiden vom 22. September 1972 und vom 13. Februar 1973 für die Zeit vom 1. April 1968 bis zum 31. März 1969 Waisenrente für Halbwaisen; für die vorangegangene Zeit lehnte sie die Zahlung von Waisenrente ab, weil der Anspruch insoweit verjährt sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin schon für die Zeit vom 1. Mai 1960 an Waisenrente zu gewähren (Urteil vom 6. März 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat, nachdem die Klägerin auf die Rente für den Monat Mai 1960 verzichtet hatte, die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1976). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung sei unzulässig, weil die Klägerin im Vertrauen auf die unrichtige Auskunft den rechtzeitigen Antrag versäumt habe. Die Auskunft des Bediensteten der LVA H habe zwar dem § 1267 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF entsprochen, sei aber trotzdem falsch oder doch mindestens unvollständig gewesen, weil diese Vorschrift gegen das Grundgesetz (GG) verstoßen habe und deshalb nichtig gewesen sei.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte die unrichtige Anwendung des § 29 Abs 3 RVO aF und führt aus, der Bedienstete der LVA H habe nur die dem Gesetz entsprechende Auskunft geben können; die Verwaltung sei nicht - wie das Gericht - berechtigt, ein ordnungsmäßig erlassenes Gesetz in Frage zu stellen. Sie beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Ob der Bedienstete der LVA H schuldhaft gehandelt habe, sei nicht entscheidend; die Beklagte dürfe sich jedenfalls nicht auf ein verfassungswidriges Gesetz berufen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Ihre Bescheide sind auch insoweit rechtmäßig, als sie die Waisenrente für die Zeit vor April 1968 ablehnen. Die Beklagte hat ohne Gesetzesverletzung ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht; sie hat mit der Erhebung der Verjährungseinrede nicht ermessensfehlerhaft gehandelt.
Nach § 29 Abs 3 RVO aF verjährte der Anspruch auf Leistungen der Versicherungsträger in vier Jahren nach der Fälligkeit, soweit die RVO nichts anderes vorschrieb. Die Vorschrift ist mit Ende des Jahres 1975 weggefallen; seitdem gilt § 45 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1). Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist jedoch nach altem Recht zu prüfen (Art II § 17 SGB 1).
Daß bei der Antragstellung am 17. März 1972 der etwaige Waisenrentenanspruch der Klägerin von der Zeit der Entstehung bis zum 31. März 1968 - an sich - verjährt war, wird von dem Berufungsgericht zu Recht angenommen und von den Beteiligten nicht bezweifelt. Im Streit ist lediglich die Frage, ob die Beklagte trotz der Verjährung den Rentenanspruch erfüllen muß. Die Frage ist zu verneinen.
Nach § 222 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist nach der Vollendung der Verjährung der Verpflichtete berechtigt, die Leistung zu verweigern. Die Entscheidung des Versicherungsträgers darüber, ob er die Leistung verweigert oder nicht, ist eine Ermessensentscheidung iS des § 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl auch § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -); die Gerichte dürfen nur prüfen, ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BSGE 40, 279, 280). In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Zulässigkeit der Verjährungseinrede auch unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens (BSGE 34, 124, 127) oder dem des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung (BSGE 19, 93, 97; 34, 1, 14) oder schließlich dem des Folgenbeseitigungsanspruches (BSGE 32, 60, 70; 34, 124, 126) geprüft worden; bei allen diesen Rechtsinstituten handelt es sich aber um Ausprägungen des einen Rechtsgrundsatzes, daß die Leistung nach Treu und Glauben zu bewirken ist (§ 242 BGB).
Hinsichtlich der Verjährung, die durch eine unrichtige Auskunft verursacht worden ist, besteht eine gefestigte Rechtsprechung. Ist ein Rentenanspruch verjährt, weil der Versicherte im Vertrauen auf eine unrichtige, mißverständliche oder unvollständige Auskunft des Versicherungsträgers, auf die er sich verlassen durfte, die rechtzeitige Antragstellung versäumt hat, so darf der Versicherungsträger die Einrede der Verjährung nicht erheben (BSGE 34, 124; anders bei einer falschen Auskunft vom Sozialamt, BSGE 40, 279). Vertritt ein Versicherungsträger generell in einer noch ungeklärten, schwierigen Rechtsfrage eine Rechtsansicht, die sich später als nicht zutreffend erweist, so liegt darin noch kein vorwerfbares Verhalten, das für sich allein die Erhebung der Verjährungseinrede zur unzulässigen Rechtsausübung machen würde (BSG SozR 2200 § 29 Nr 6). Der Fall, wie hier, daß der Versicherungsträger eine dem Gesetz entsprechende Auskunft erteilt, daß das Gesetz aber später als grundgesetzwidrig festgestellt wird, ist, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich entschieden (vgl jedoch den ähnlichen Fall in BSGE 29, 186, 189).
§ 1267 Abs 2 RVO idF des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG), dem § 44 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) wörtlich entsprach, lautete:
Waisenrente erhalten nach dem Tode einer versicherten Ehefrau ihre Kinder, die eheliche Kinder des hinterbliebenen Ehemannes sind oder deren rechtliche Stellung haben, sowie ihre in ihren Haushalt aufgenommenen Stiefkinder und die Pflegekinder nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hat.
Auf eine Vorlage des SG Düsseldorf vom März 1961 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 24. Juli 1963 (BVerfGE 17, 1 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG) ua entschieden, daß § 44 Abs 2 AVG idF des AnVNG nichtig ist. In den Gründen heißt es unter C V 4 (S. 38):
|
d) |
|
Für die Einschränkung der Waisenrente ehelicher Kinder, deren Mutter zuerst stirbt, im Vergleich zu Kindern, deren Vater zuerst stirbt, ist hiernach aus der Natur des geordneten Lebensverhältnisses kein sachlicher Grund herzuleiten. Sie ist deshalb mit Art 3 Abs 2 und 3 GG unvereinbar. |
...
|
e) |
|
Neben Art 3 Abs 2 und 3 GG verletzt die Erschwerung der Waisenrente ... für die Kinder einer versicherten Ehefrau auch Art 6 Abs 1 GG. Wenn das Gesetz die Rente einerseits allen - ehelichen wie unehelichen - Waisen eines versicherten Vaters, andererseits allen Waisen einer verwitweten, geschiedenen oder unehelichen Mutter zuspricht, dann kann es beim Fehlen jeder Rechtfertigung aus den Lebensverhältnissen die Rente nicht den Waisen einer versicherten Ehefrau allein versagen, ohne gegen das Schutzgebot des Art 6 Abs 1 GG zu verstoßen. |
Die Entscheidungsformel ist im Bundesgesetzblatt vom 20. August 1963 (BGBl I 693) veröffentlicht worden.
Durch Art 1 § 1 Nr 28 des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476), nach Art 5 § 10 Abs 1 Buchst e insoweit mit Wirkung vom 1. Juli 1965 in Kraft getreten, ist § 1267 Abs 2 RVO gestrichen worden. Das RVÄndG enthält über § 44 Abs 2 AVG keine Anordnung.
Wenn sonach auch das rechtliche Schicksal der beiden gleichlautenden Vorschriften (§ 1267 Abs 2 RVO und § 44 Abs 2 AVG) unterschiedlich verlaufen ist, besteht kein Anlaß, ihre Wirksamkeit verschieden zu beurteilen; denn sie regeln die gleichen Lebenssachverhalte und die Gründe, die das BVerfG zur Nichtigerklärung des § 44 Abs 2 AVG veranlaßt haben, zeigen auch die Unvereinbarkeit des § 1267 Abs 2 RVO mit dem GG auf (ebenso im Ergebnis das Schrifttum: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 691 bis 692 b, Stand: April 1974; Gesamtkommentar, Anm 4 zu § 1267 RVO Stand: Dezember 1966; Verbandskommentar, Anm 13 zu § 1267 RVO, Stand: 1. Juli 1976; Karg, Kinderzuschüsse zur Rente einer versicherten Ehefrau und Waisenrente nach einer versicherten Ehefrau, Zeitschrift für das Fürsorgewesen 1964, 181).
Diese einhellige Auffassung - Gegenstimmen sind nicht ersichtlich - hält der Senat, was die Gleichbehandlung von Fällen des § 1267 Abs 2 RVO und des § 44 Abs 2 AVG angeht, im Ergebnis für zutreffend.
Der Bedienstete der LVA H konnte im Jahr 1962 dem Vater der Klägerin keine andere Auskunft als die erteilte geben. Sie entsprach zur Zeit der Erteilung dem - formell ordnungsmäßig beschlossenen und verkündeten - Gesetz. Sie gab praktisch nur den Gesetzestext wieder. § 1267 Abs 2 RVO war in der damaligen Fassung für die Rentenversicherungsträger und ihre Bediensteten verbindlich, und zwar unabhängig davon, ob ihre gesetzlichen Vertreter oder ihre Bediensteten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift hatten. Während die Gerichte ein nachkonstitutionelles Bundesgesetz auf seine Übereinstimmung mit dem Grundgesetz prüfen dürfen und müssen (Art 100 GG), allerdings insoweit keine Entscheidungsbefugnis haben (diese hat allein das BVerfG), steht der vollziehenden Gewalt im weiten Sinn - dazu gehört auch der einen Teil der mittelbaren Staatsverwaltung bildende Rentenversicherungsträger - kein Prüfungsrecht zu. Eine Ausnahme besteht lediglich für die Exekutivspitzen, wie die Bundesregierung und die Landesregierungen (Art 93 Abs 1 Nr 2 GG). Solange diese nicht aufgrund von Zweifeln und üblicherweise nach Einleitung eines Normenkontrollverfahrens die unterstellten Verwaltungsbehörden anweisen, ein als verfassungswidrig angenommenes Gesetz nicht mehr anzuwenden, müssen sie dem Gesetzesvollzug "seinen Lauf lassen" (vgl Maunz/Dürig/Herzog, RdNr 66 zu Art 20 GG).
Zweifel der Exekutivspitze an der Verfassungsmäßigkeit des § 1267 Abs 2 RVO bestanden nicht. So hatte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung noch während des Normenkontrollverfahrens gegenüber dem BVerfG die zur Prüfung vorgelegten Bestimmungen für vereinbar mit dem GG gehalten (BVerfGE 17, 1, 5). Eine Anweisung der Bundesregierung oder des zuständigen Fachministers an die Rentenversicherungsträger, den § 1267 Abs 2 RVO nicht mehr anzuwenden, kann vor dem Erlaß des Urteils des BVerfG (24. Juli 1963) nicht ergangen sein. Den Rentenversicherungsträgern war sonach die Befolgung dieser Vorschrift geboten. Aus diesen Gründen war die Auskunft auch nicht unvollständig.
Aber auch bei einer weiteren Auffassung von der Beratungspflicht des Rentenversicherungsträgers käme eine Unterrichtung des Versicherten über eine mögliche Verfassungswidrigkeit nur in Frage, wenn der Verdacht eines Verstoßes gegen das GG evident wäre. Ein evidenter Verstoß des § 1267 Abs 2 RVO gegen das GG war auch dem Fachmann der Rentenversicherung im Jahr 1962 nicht ersichtlich. Der erkennende Senat hat im Jahr 1960 die Grundgesetzmäßigkeit des fast gleichlautenden § 1258 Abs 3 RVO in der bis 1956 geltenden Fassung eingehend begründet (BSGE 12, 1). Im Jahr 1961 hat er die Bestimmung des § 1266 Abs 1 RVO, die ein ähnliches Problem enthält, als grundgesetzmäßig angesehen (BSGE 14, 129 = SozR Nr 1 zu § 1266 RVO; SozR Nr 2 zu § 1266 RVO). Dem hat sich das BVerfG zunächst angeschlossen (BVerfGE 17, 1), und auch im Jahr 1975 hat es sich nicht zur sofortigen Entscheidung, daß diese Vorschrift mit dem GG unvereinbar sei, veranlaßt gesehen (SozR 2200 § 1266 Nr 2). Schließlich ist auch hier auf die erwähnte Stellungnahme des zuständigen Ministers hinzuweisen. Unter diesen Umständen bestand im Jahr 1962 kein evidenter Verdacht des Verfassungsverstoßes, zumal auch der Vorlegungsbeschluß des SG Düsseldorf vom Jahr 1961 - soweit ersichtlich - nicht veröffentlicht worden ist.
Wenn sonach der LVA H kein Vorwurf aus dem Verhalten bei der Erteilung der Auskunft im Jahre 1962 zu machen ist, könnte die Erhebung der Verjährungseinrede gleichwohl gegen Treu und Glauben verstoßen und deshalb mißbräuchlich sein, wenn das damalige Verhalten der LVA H die Klägerin (oder ihren Vater) objektiv von der rechtzeitigen Verfolgung des Waisenrentenanspruchs abgehalten hätte; denn um die Berufung auf die Verjährungseinrede als treuwidrig erscheinen zu lassen, braucht der Schuldner seinerzeit weder arglistig noch auch nur schuldhaft gehandelt zu haben; es genügt, wenn er damals - auch unabsichtlich - den Gläubiger an der rechtzeitigen Verfolgung seines Anspruchs gehindert hat und er jetzt aus diesem Verhalten für sich einen Vorteil in Gestalt der Leistungsverweigerung wegen Verjährung ziehen will (vgl Enneccerus-Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts Band 1, 15. Aufl, 1960, § 237 II 3, S. 1431). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Zwar mag die Klägerin (oder ihr Vater) durch die 1962 erteilte Auskunft bis zur Verkündung der Entscheidung des BVerfG im Jahre 1963 von einem Antrag auf Waisenrente abgehalten worden sein (vgl BSGE 32, 60, 68 für den Fall einer von Anfang an falschen Auskunft). Sie hätte aber die Unbegründetheit eines Waisenrentenanspruchs auch unmittelbar aus § 1267 Abs 2 RVO erkennen können, und ein 1962 gestellter Rentenantrag wäre damals abgelehnt worden. Wesentlich für den Inhalt der Auskunft und damit mittelbar auch für das Verhalten der Klägerin oder ihres Vaters im Jahr 1962 war letztlich der Erlaß einer gesetzlichen Vorschrift durch den Gesetzgeber, die - wie sich später herausstellte - gegen das GG verstieß. Nachdem das BVerfG jedoch die Verfassungswidrigkeit der streitigen Regelung klargestellt hatte und sein Urteil im Bundesgesetzblatt verkündet und in der Tagespresse publiziert worden war, hätte die Klägerin (oder ihr Vater) Anlaß gehabt, den Waisenrentenantrag - jedenfalls innerhalb von 4 Jahren nach Verkündung der Entscheidung des BVerfG (Verjährungsfrist) - zu stellen. Wenn dies unterblieben ist, so kann diese Unterlassung nicht mehr auf die Auskunft des Jahres 1962 als wesentliche Bedingung im Sinne der im Sozialrecht geltenden Ursachenlehre zurückgeführt werden, sondern ist in erster Linie im Verantwortungsbereich der Klägerin selbst zu suchen (vgl auch BSGE 38, 224, wonach es für die Frage der Verjährung eines Leistungsanspruchs erheblich sein kann, ob ein Versicherter "Anlaß hatte", nach Ablehnung seines Leistungsantrages ein Neufeststellungsverfahren zu betreiben). Die Klägerin, die 1965 mit der Vollendung des 16. Lebensjahres selbst den Rentenantrag stellen konnte (§ 1613 Abs 6 RVO aF) und ihr Vater haben von der Entscheidung des BVerfG, die nicht nur im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, sondern wegen ihrer großen Bedeutung für weite Teile der Bevölkerung auch in den Tageszeitungen bekanntgemacht und in den Informationsblättern der Rentenversicherung näher erläutert wurde, keine Notiz genommen, obwohl sie zumindest wissen mußten, daß die ihnen erteilte Auskunft nur die Rechtslage am Tag der Auskunftserteilung wiedergeben und der rasche Wechsel sozialrechtlicher Vorschriften auch hier Änderungen bringen konnte.
Da die Beklagte sonach ohne Rechtsverstoß die Zahlung der verjährten Waisenrente verweigert hat, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen