Leitsatz (amtlich)

Bei der mit Ablauf des 30.11.1984 endenden Frist in Nr 7 Buchst d SozSichAbkSchlProt USA für die Wiedereinzahlung erstatteter Beiträge handelt es sich um eine Ausschlußfrist.

 

Normenkette

SozSichAbkSchlProt USA Nr 7 Buchst d S 3; SozSichAbkSchlProt USA Nr 7 Buchst c S 4; SGB 10 § 27

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 19.04.1988; Aktenzeichen I JBf 127/87)

SG Hamburg (Entscheidung vom 27.04.1987; Aktenzeichen 17 J 552/86)

 

Tatbestand

Der am 17. März 1910 geborene Kläger beansprucht Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist Staatsangehöriger der USA und lebt dort. Seine zur hiesigen Rentenversicherung der Arbeiter entrichteten Beiträge sind ihm für die Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 22. September 1950 von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover mit Bescheid vom 4. April 1974 erstattet worden. Den Rentenantrag des Klägers vom 13. Mai 1985, in dem er sich auf eine Beschäftigung bei den britischen Streitkräften in Deutschland vom 29. Dezember 1946 bis zum 22. September 1950 bezog, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 1985 ab, weil infolge der Beitragserstattung anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorhanden seien. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1986).

Im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte es im Schriftsatz vom 30. September 1986 abgelehnt, dem Kläger die Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteile vom 27. April 1987 und 19. April 1988). Das LSG hat ausgeführt, Ansprüche des Klägers aus bisher zurückgelegten Versicherungszeiten seien gemäß § 1303 Abs 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeschlossen. In dem Schriftsatz der Beklagten vom 30. September 1986, worin diese es abgelehnt habe, die Wiedereinzahlung der Beiträge zuzulassen, hat das LSG einen Verwaltungsakt gesehen, der gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Der Kläger habe aber die für den Antrag auf Wiedereinzahlung in Nr 7 Buchst d iVm Buchst c Satz 4 des Schlußprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 gesetzte Frist, die mit Ablauf des 30. November 1984 endete, versäumt.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er ist der Ansicht, daß sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren unrichtig ausgelegt worden ist und daß ihm die Vorinstanzen zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt haben.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 16. Oktober 1985 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1986 - und vom 30. September 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge nach Maßgabe des deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommens zu gestatten und ihm Altersruhegeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG im Ergebnis für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Er kann mit seinem Begehren, ihm die Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten, ebensowenig durchdringen wie mit dem geltend gemachten Anspruch auf Altersruhegeld.

Altersruhegeld (§ 1248 Abs 5 RVO) erhält der Versicherte, der ua die dafür erforderliche Wartezeit erfüllt hat. Diese setzt in jedem Fall anrechnungsfähige Versicherungsjahre voraus. Da das LSG unangegriffen festgestellt hat, daß dem Kläger 1974 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet worden sind, sind dadurch nach § 1303 Abs 7 RVO weitere Ansprüche aus sämtlichen bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen (vgl Bundessozialgericht -BSG- in SozR 2200 § 1303 Nr 14 Bl 37 mwN).

Nun konnten Staatsangehörige der USA - wie der Kläger -, denen in der Zeit vom 19. Oktober 1972 bis zum Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 (BGBl II 1976, 1368) am 1. Dezember 1979 Beiträge erstattet worden sind, diese gemäß Nr 7d des Schlußprotokolls zu diesem Abkommen auf Antrag wieder einzahlen. Das war jedoch nicht unbefristet möglich. Vielmehr mußte der entsprechende Antrag gemäß Nr 7d Satz 3 iVm Nr 7c Satz 4 des Schlußprotokolls bis einschließlich 30. November 1984 gestellt worden sein.

Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger den Antrag auf Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge nicht fristgerecht gestellt hat. Erstmalig mit seinem Rentenantrag vom 13. Mai 1985 sei der Kläger an die Beklagte herangetreten, die für die Versäumnis der Frist nicht verantwortlich gemacht werden könne. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme deshalb nicht in Betracht, auch nicht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unterstellter Anwendung des § 27 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10). Die Fristversäumnis beruhe auf mangelnder Rechtskenntnis des Klägers, die dadurch nicht entschuldigt werden könne.

Mit der Revision macht der Kläger nun geltend, schon sein Rentenantrag hätte als Antrag auf Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge aufgefaßt werden müssen. Sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren habe als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gedeutet werden müssen.

Die mit Ablauf des 30. November 1984 endende Frist aus Nr 7d Satz 3 iVm Nr 7c Satz 4 des Schlußprotokolls ist nach Auffassung des erkennenden Senats als Ausschlußfrist zu qualifizieren, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB 10 nicht möglich ist. Denn mit der großzügig bemessenen Frist zur Wiedereinzahlung sollte ein Schlußstrich unter Altfälle gezogen werden (vgl auch Frank, Die Nachentrichtungsmöglichkeiten für amerikanische Staatsangehörige, DAngVers 1979, 183, 233, 234f).

Ausweislich der Denkschrift zu dem Abkommen mit den USA (BT-Drucks 7/5210 Seite 19, abgedruckt in SGB/RVO Gesamtkommentar, Internationales Sozialversicherungsrecht, USA, Seiten 63, 65) waren die Bestimmungen unter Nr 7 Buchst b und c des Schlußprotokolls im Hinblick auf das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) erforderlich. Durch Art 2 § 1 Nr 8 RRG ist § 27a in Art 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) eingefügt worden. Diese Vorschrift betrifft den Anspruch auf Beitragserstattung von Personen, deren Recht zur freiwilligen Weiterversicherung am 31. Dezember 1972 endete und die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1973 außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes genommen haben. Ebenfalls wurde Art 2 § 51a ArVNG eingefügt (Art 2 § 1 Nr 12 RRG). Darin ist die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung für die Jahre 1956 bis 1973 geregelt worden.

Nach der Rechtsprechung des BSG zur Ausschlußfrist zB des Art 2 § 51a Abs 3 Satz 3 ArVNG (vgl SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 55 mwN; vgl auch BSG in SozR 5070 § 10 Nrn 19 und 21) kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in derartigen Fällen nicht in Betracht. Allerdings handelt es sich dort um Fälle, in denen der am 1. Januar 1981 in Kraft getretene § 27 SGB 10 nicht anzuwenden war, weil über Sachverhalte aus der Zeit davor entschieden werden mußte. Bisherigen Äußerungen des BSG (vgl SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49 mwN) läßt sich entnehmen, § 27 SGB 10 sei nicht nur als eine Konkretisierung schon vorher anerkannter Rechtsgrundsätze anzusehen, vielmehr handele es sich um eine Neuregelung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die nicht lediglich eine gefestigte Rechtsauffassung festschreibe, sondern eine bisher überwiegend anders beantwortete Rechtsfrage neu und abweichend regele.

Ob § 27 SGB 10 auch Ausschlußfristen umfaßt, kann hier unentschieden bleiben. Denn nach Abs 5 dieser Vorschrift ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, daß die Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Das muß nicht ausdrücklich bestimmt sein, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben. Davon geht der erkennende Senat bei der Frist in Nr 7c Satz 4 des Schlußprotokolls zum Abkommen mit den USA aus. Dieses Abkommen mit dem Schlußprotokoll ist am 7. Januar 1976 unterzeichnet worden und am 1. Dezember 1979 in Kraft getreten. Die hier maßgebende Antragsfrist endete mit dem 30. November 1984. Diese reichlich bemessene Frist für den Antrag auf Nachentrichtung oder Wiedereinzahlung von Beiträgen deutet darauf hin, daß die an sich systemwidrigen Vergünstigungen für amerikanische Staatsangehörige nur während einer genau begrenzten Zeit möglich gewesen sein sollen. Das RRG, das Veranlassung zu den Regelungen in Nr 7 des Schlußprotokolls gegeben hat, bezweckte die Öffnung der Rentenversicherung für bestimmte Personen, ua für die in Art 2 § 51a Abs 1 und 2 ArVNG genannten. Mit der Begrenzung der Antragsfrist in Abs 3 Satz 1 dieser Vorschrift auf den 31. Dezember 1975 wollte der Gesetzgeber den Versicherungsträgern es ermöglichen, sich einen Überblick über den Umfang der neu begründeten oder inhaltlich veränderten Versicherungsverhältnisse zu verschaffen und sich in der Finanzplanung darauf einzustellen (vgl BSG in SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 32). Die im Schlußprotokoll zum Abkommen mit den USA bestimmte spätere Frist bis zum 30. November 1984 ist bei dieser Vorgeschichte und unter Beachtung der Entwicklung der systemwidrigen Vergünstigungen als klare zeitliche Begrenzung anzusehen, die für die abzuwickelnden Vorgänge in Form einer absolut wirkenden Ausschlußfrist maßgebend sein soll.

Selbst wenn man aber in Fällen dieser Art grundsätzlich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB 10 zulassen will, so kann der Kläger auch mit Hilfe dieser Vorschrift die angestrebte Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge als Voraussetzung für einen Rentenanspruch nicht erreichen. Allerdings läßt sich die Ablehnung der Wiedereinsetzung nicht - wie das LSG es getan hat - ohne nähere Prüfung damit begründen, mangelnde Rechtskenntnis entschuldige eine Fristversäumnis nicht. Vielmehr kann auch ein unverschuldeter Rechtsirrtum die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen (so der Bundesgerichtshof -BGH- in JR 1955, 101; BSG in SozR Nr 6 zu § 145 SGG).

Die Wiedereinsetzung nach § 27 SGB 10 setzt ua einen entsprechenden Antrag (Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1) und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung (Abs 2 Satz 3) voraus. Ist letzteres geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs 2 Satz 4). Nach einer Ausschlußfrist von einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann aber - abgesehen von Fällen höherer Gewalt, die hier nicht in Betracht kommen - weder die Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (§ 27 Abs 3 SGB 10).

Da die Frist mit Ablauf des 30. November 1984 endete, müßte der Kläger vor dem 1. Dezember 1985 die Wiedereinsetzung oder die Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge beantragt haben. Das aber ist nicht geschehen.

Das LSG hat im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgestellt, der Kläger habe am 13. Mai 1985 einen Rentenantrag gestellt. Im Widerspruchsverfahren habe der Kläger bestritten, die Beitragserstattung erhalten zu haben. Vor dem SG habe er dann geltend gemacht, ihm müsse die Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge gewährt werden. Das Widerspruchsverfahren ist mit dem Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1986 beendet worden. Nach den Feststellungen des LSG sind folglich innerhalb der Ausschlußfrist des § 27 Abs 3 SGB 10 Anträge auf Wiedereinsetzung oder Wiedereinzahlung erstatteter Beiträge nicht gestellt worden. Diese Feststellungen sind gemäß § 163 des SGG für den erkennenden Senat bindend. Sie sind nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden.

Mit der Revision wird geltend gemacht, der Kläger habe im "Widerspruchsschreiben vom 26. März 1986" um Überprüfung des gesamten Vorgangs gebeten, was als Antrag auf Wiedereinsetzung aufzufassen sei. Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen nicht zutreffend ist, lag der 26. März 1986 nach dem Ende der Frist des § 27 Abs 3 SGB 10. Auch die weitere Argumentation in der Revisionsbegründung, der Rentenantrag vom 13. Mai 1985 sei zugleich als Antrag auf Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge aufzufassen, ist nicht geeignet, die Feststellungen des LSG, das deutlich nur von einem Rentenantrag ausgegangen ist, anzugreifen. Insoweit ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich; denn er behauptet selbst, sich nicht an die Beitragserstattung erinnert zu haben, und noch im Widerspruchsverfahren hat er diese bestritten. Es fehlt daher bereits ein Erklärungswille zur Beitragseinzahlung für die Zeit vor Ablauf der Frist des § 27 Abs 3 SGB 10.

Gründe, die die Beklagte im Wege einer Nachsichtgewährung nach Treu und Glauben (vgl BSG in SozR 5750 § 51a Nr 55) hätten veranlassen müssen, sich nicht auf die Fristversäumnis zu berufen, sind nicht ersichtlich. Im übrigen steht auch die Fristüberschreitung um mehr als ein Jahr der Nachsichtgewährung entgegen (vgl BSG in SozR 5070 § 10 Nr 22 mwN).

Über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vermag der Kläger ebenfalls nicht sein Klageziel zu erreichen; denn ein Fehlverhalten der Beklagten ist nicht erkennbar. Wenn die USA in einem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen Vergünstigungen für ihre Staatsbürger vereinbaren, so obliegt die Unterrichtung darüber in erster Linie der Sozialversicherung in den USA. Sind dort möglicherweise Fehler gemacht worden oder war die Beratung des Klägers unzureichend, so hat die Beklagte dafür nicht einzustehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648067

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