Leitsatz (amtlich)
An der Rechtsprechung des BSG, daß zwischen dem 1953-01-01 und dem 1955-04-01 (Außerkrafttreten der SVA 11 Nr 26 und dem Inkrafttreten des KOV-VfG) die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts zu beurteilen war, wird festgehalten. Danach ist in diesen Fällen - (Entgegen LSG Hamburg 1961-09-13 111 KOBf 115/58 = Breith 1962, 59) - § 1744 RVO nicht anwendbar.
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes, dessen Rechtswidrigkeit durch unrichtige Mitteilungen des Begünstigten verursacht worden ist, kommt es bei der Interessenabwägung darauf an, ob er - auch ohne Rücksicht auf ein Verschulden - diese Umstände zu vertreten hat, weil sie objektiv in seinen Verantwortungsbereich fallen.
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ist eine zu Unrecht empfangene Leistung grundsätzlich in vollem Umfange zu erstatten. Eine Ausnahme ist nur anzuerkennen, wenn die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
2. Eine zu Unrecht empfangene Leistung ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts grundsätzlich in vollem Umfange zu erstatten. Eine Ausnahme ist nur anzuerkennen, wenn die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
Normenkette
SVAnO 11 Nrn. 26, 43 Buchst. d; RVO § 1744 Fassung: 1954-09-03; KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02, § 47 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 23. Oktober 1957 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des Magazinverwalters Gottfried G...; er war bei der Gesellschaft für Teerverwertung mbH in Duisburg-Meiderich beschäftigt und fiel dort am 9. März 1945 einem Artillerietreffer zum Opfer. Die Klägerin bezog seit dem 1. August 1947 Hinterbliebenenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Daneben erhielt sie seit dem Jahre 1948 monatliche Zuwendungen in Höhe von 30.-- DM von dem früheren Arbeitgeber ihres Ehemannes. Vor Umanerkennung ihrer Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) füllte sie am 7. April 1951 den ihr übersandten Fragebogen aus und gab darin die Witwenrente aus der Angestelltenversicherung, die sie seit dem 1. Juni 1949 in Höhe von 20.- DM bezog, als Einkommen an, nicht aber die Zuwendungen des früheren Arbeitsgebers ihres Ehemannes. Die Frage 4g des Erhebungsbogens zur Ausgleichsrente, die das Einkommen "aus früheren Dienstverhältnissen des Verstorbenen (Witwengeld, Zuwendungen anstelle solcher Bezüge und ähnliche)" betraf, beantwortete sie nicht bejahend, sondern versah die ganze Seite des Fragebogens mit einem durchgehenden Stricht. Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 2. Mai 1951 erkannte daraufhin das Versorgungsamt (VersorgA) Aachen der Klägerin Witwengrundrente und Ausgleichsrente in Höhe von je 40.- DM monatlich vom 1. Oktober 1950 an zu. Das VersorgA stellte am 17. Dezember 1952 und 29. September 1953 die Ausgleichsrente auf Grund gesetzlicher Änderungen neu fest.
In einem der Klägerin erneut zugesandten Erhebungsbogen zur Ausgleichsrente, den sie am 29. April 1954 ausgefüllt und unterschrieben an das VersorgA zurücksandte, gab sie erstmals die Zuwendungen des früheren Arbeitgebers ihres Ehemannes von 30.- DM monatlich an. Durch Neufeststellungsbescheid vom 15. Juni 1954 berechnete das VersorgA gemäß § 62 BVG die Versorgungsbezüge neu vom 1. Oktober 1950 an, stellte fest, daß die Klägerin vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Juli 1954, 1.400.- DM zuviel erhalten habe und ordnete die Erstattung dieses Betrages an. Auf den Widerspruch der Klägerin stellte das Landes-VersorgA Nordrhein-Westfalen durch Bescheid vom 24. Juli 1954 fest, daß die Versorgungsbezüge der Klägerin bis zum 30. Juni 1951 gemäß § 86 Abs. 1 BVG 60.- DM monatlich betrügen, änderte insoweit den Bescheid vom 15. Juni 1954 ab und wies im übrigen den Widerspruch zurück. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Köln, Zweigstelle Aachen, durch Urteil vom 14. Oktober 1955 abgewiesen, weil die Zahlungen des früheren Arbeitgebers des Ehemannes der Klägerin als "sonstiges Einkommen" auf die Ausgleichsrente der Klägerin anzurechnen sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 23. Oktober 1957 die angefochtenen Bescheide geändert; es hat den Beklagten verurteilt, von der Rückforderung abzusehen, soweit er mehr als 1.308.- DM verlange; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, der Klägerin stünden vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1951 nicht - wie in dem Bescheid vom 15. Juni 1954 eingesetzt - 50.- DM, sondern monatlich 60.- DM zu und vom 1. Juni 1951 bis 30. Juni 1951 nicht 48.- DM, sondern ebenfalls 60.- DM. Der Betrag von 1.400.- DM ermäßige sich somit um 92.- DM auf 1.308.- DM. Zwar sei der Klägerin durch die Feststellung in dem Widerspruchsbescheid eine Rente von 60.- DM bis zum 30. Juni 1951 zugebilligt worden; jedoch sei nicht im einzelnen angegeben, welchen Einfluß diese Feststellung auf die Höhe des Erstattungsanspruchs gehabt habe. Da die Klägerin Anspruch auf eine solche Berechnung habe, habe dieser Bescheid geändert werden müssen. Im übrigen sei der Beklagte aber berechtigt gewesen, den Bescheid vom 2. Mai 1951 zurückzunehmen, zwar nicht gemäß § 62 BVG, auch nicht gemäß Nr. 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11, aber im Wege der Neufeststellung nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG), der nach den gleichen Grundsätzen anzuwenden sei, die das Bundessozialgericht (BSG) für den zeitlichen Anwendungsbereich des § 47 VerwVG aufgestellt habe. Der Bescheid vom 15. Juni 1954 (Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1954) sei nicht schon deswegen rechtswidrig, weil er unzutreffend begründet worden sei; erweise er sich aus anderen Gründen als gerechtfertigt, werde dieser Verwaltungsakt nur auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt. Der Bescheid vom 2. Mai 1951 sei unrichtig gewesen, weil gemäß § 33 Abs. 2 BVG die Zuwendungen des früheren Arbeitgebers des Ehemannes der Klägerin als sonstiges Einkommen hätten berücksichtigt werden müssen, denn es habe sich um Zuwendungen gehandelt, auf die zwar kein Rechtsanspruch bestehe, die aber ohne Prüfung der Bedürftigkeit gewährt worden seien. Der Bescheid sei somit rechtswidrig und habe nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG zurückgenommen werden dürfen. Gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG habe der Beklagte auch Erstattung des zuviel gezahlten Betrages verlangen dürfen, denn die Klägerin habe die Zuwendungen des Arbeitgebers verschwiegen.
Gegen das am 28. Juli 1958 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. August 1958 Revision eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, den auf Grund des Bescheides vom 15. Juni 1954 einbehaltenen Betrag in Höhe von 1.308.- DM zu erstatten,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
In ihrer zugleich eingereichten Revisionsbegründung rügt die Klägerin Verletzung der §§ 42, 47 VerwVG und der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts über die Rücknahme von Verwaltungsakten. Das LSG hätte § 42 VerwVG nicht anwenden dürfen, weil das VerwVG sich keine rückwirkende Kraft, also über den 1. April 1955, beigelegt habe. Dasselbe müsse aber auch für § 47 VerwVG gelten. Die Zurücknahme des Bescheides vom 2. Mai 1951 hätte somit nur nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts beurteilt werden dürfen. Hiernach greife die Bindungswirkung eines begünstigenden Verwaltungsaktes und der dadurch begründete Vertrauensschutz nur dann nicht durch, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes verschuldet habe. Das Verschulden der Klägerin habe das LSG aber zu Unrecht bejaht. Sie habe nicht annehmen können, daß die freiwilligen Zuwendungen des Arbeitgebers unter die unklar gefaßte Frage (4g) des Erhebungsbogens fielen. Außerdem sei sie auf Grund öffentlicher Mitteilungen des VersorgA Duisburg, daß Zuwendungen dieser Art nicht angerechnet würden, in ihrer Auffassung bestärkt worden, sie brauche sie nicht anzugeben. Sie stamme aus Duisburg und habe aus dieser Stadt auch die Zuwendungen erhalten. Die Nichtanrechnung der Zuwendungen auf die Ausgleichsrente sei somit nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen; darum habe der Bescheid vom 2. Mai 1951 nicht zurückgenommen werden können. Das LSG habe aber auch § 47 VerwVG nicht nur zu Unrecht, sondern auch falsch angewandt, denn die Klägerin habe die Zuwendungen nicht wissentlich verschwiegen, sondern nicht gewußt, daß sie sie habe angeben müssen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er räumt ein, daß die Rücknahme des Umanerkennungsbescheides nicht auf § 42 VerwVG habe gestützt werden können, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts zu beurteilen sei. Nach diesen Grundsätzen sei die Rücknahme aber gerechtfertigt, nach § 47 Abs. 3 VerwVG auch die Anordnung der Erstattung. Die Unrichtigkeit der Umanerkennung beruhe auf einem Verhalten, das die Klägerin zu vertreten habe. Sie habe Umstände, die für die Höhe der Ausgleichsrente wesentlich gewesen seien, wissentlich verschwiegen; darum sei nicht nur die Rücknahme des Bescheides vom 2. Mai 1951, sondern auch die Anordnung der Erstattung nach § 47 Abs. 3 VerwVG gerechtfertigt. Den Hilfsantrag begründet der Beklagte damit, daß bereits auf Grund des Widerspruchsbescheides die Erstattungsforderung auf 1.308.- DM ermäßigt worden sei. Darum habe die Berufung der Klägerin in vollem Umfange zurückgewiesen werden müssen; es sei § 95 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie ist daher zulässig.
Sie ist aber nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß das VersorgA berechtigt war, den Bescheid vom 2. Mai 1951 wegen Unrichtigkeit teilweise zurückzunehmen und daß die Klägerin verpflichtet ist, den Betrag, den sie zu Unrecht erhalten hat, zu erstatten.
Der Bescheid vom 15. Juni 1954 (Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1954) enthält zwei Verwaltungsakte, von denen der eine die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 2. Mai 1951, der andere den Erstattungsanspruch betrifft. Der Streit geht um die Rechtmäßigkeit dieser beiden Verwaltungsakte. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs hatte zur Voraussetzung, daß die Bindung an den Bescheid vom 2. Mai 1951 rechtswirksam durch Rücknahme beseitigt worden war. Das VersorgA war berechtigt, diesen Bescheid wegen Unrichtigkeit zurückzunehmen, soweit die Zuwendungen des Arbeitgebers des Ehemannes der Klägerin nicht berücksichtigt worden waren.
Das VersorgA hat allerdings zu Unrecht geglaubt, die Rücknahme des Umanerkennungsbescheides und die rückwirkende Neufeststellung der Versorgungsbezüge auf § 62 BVG stützen zu können. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Versorgung neu festzustellen, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Somit können nur Veränderungen, also Umstände, die zur Zeit des Erlasses des Bescheides noch nicht vorgelegen haben, die Grundlage für eine Neufeststellung nach § 62 BVG bilden (BSG 8, 11, 12). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, gegen die die Klägerin zulässige Revisionsrügen nicht erhoben hat und die darum auch der Entscheidung des BSG zugrunde zu legen sind (§ 163 SGG), ≪!X!≫ hat sie schon vor Erlaß des Umanerkennungsbescheides und über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Erlaß des Neufeststellungsbescheides vom 15. Juni 1954 fortlaufend den gleichen Betrag von dem Arbeitgeber ihres Ehemannes erhalten. Die Verhältnisse, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, haben sich somit nicht nach Erlaß des Umanerkennungsbescheides geändert. Die unzutreffende Begründung des Bescheides vom 2. Mai 1951 stand jedoch einer Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes nicht entgegen. Denn durch eine andere Begründung wird in der Regel ein Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen (d.h. nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen) verändert, es wird nicht ein neuer Verwaltungsakt geschaffen, sondern der Verfügungssatz des bestehenden Verwaltungsaktes, die in ihm ausgesprochene Rechtsfolge, nur auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt (BSG 7, 8, 12; 10, 209, 211; 13, 232, 237). Das LSG hat dies zutreffend erkannt; es hat auch mit Recht die Rücknahme des Bescheides vom 2. Mai 1951 nicht nach Nr. 26 SVA Nr. 11 beurteilt; diese Bestimmung hat zwar gemäß § 84 Abs. 3 BVG auch noch nach Inkrafttreten des BVG (1. Oktober 1950) gegolten, ist aber am 31. Dezember 1952, also vor Erlaß des Bescheides vom 15. Juni 1954, außer Kraft getreten (vgl. BSG 8, 11, 13; 10, 72, 73 f).
Zwischen dem 31. Dezember 1952 und dem 1. April 1955, also dem Außerkrafttreten der Nr. 26 SVA 11 und dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes, war auch nicht, wie das LSG Hamburg in dem Urteil vom 13. September 1961 (Breithaupt 1962 S. 59) meint, über Nr. 43 unter d SVA 11 die Vorschrift des § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) anwendbar. Nach Nr. 43 unter d SVA 11 waren sinngemäß anwendbar die Vorschriften der RVO über "sonstige Angelegenheiten der Leistungsfeststellung durch den Versicherungsträger und im Spruchverfahren". Da § 1744 RVO zu dem Teil A des Sechsten Buches der RVO gehört, der die Bezeichnung "Feststellung der Leistungen" trägt (§§ 1545 bis 1770 b) und unter IV in § 1744 RVO auch die Anfechtung endgültiger Bescheide der Versicherungsträger" regelt, könnte Nr. 43 SVA 11 insoweit als eine auf § 1744 verweisende Vorschrift angesehen werden, wenn sich ihr Inhalt ohne Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften der SVA 11 bestimmen ließe. Einer solchen Auslegung steht aber die Vorschrift der Nr. 26 SVA 11 entgegen, die erkennbar eine umfassende, ausschließlich auf die materielle Unrichtigkeit des Verwaltungsakts abgestellte, in diesem Umfang in der RVO bisher nicht bekannte Regelung trifft und damit über die aus dem Gesichtspunkt verfahrensrechtlicher Unrichtigkeit gegebenen Wiederaufnahmegründe des § 1744 RVO weit hinaus greift. Nr. 26 SVA 11 muß daher als eine Vorschrift angesehen werden, die abschließend und erschöpfend die Materie der Beseitigung rechtswidriger Verwaltungsakte regelt; durch Nr. 26 SVA 11 wurden auch die auf Mängeln des Verfahrens beruhenden Fälle des § 1744 RVO erfaßt und durch eine Neuregelung ersetzt. Es ist somit nicht ersichtlich, aus welchem Grunde § 1744 RVO für das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung weiterhin Bestand hätten haben sollen. Dagegen läßt sich nicht etwa einwenden, daß auch das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 2. Mai 1955 in den §§ 41, 42 eine Unterscheidung nach materiellen und formellen Voraussetzungen trifft, denn in § 41 sind nur die - engen- Voraussetzungen bestimmt, unter denen ein Bescheid zu Ungunsten des Berechtigten geändert werden darf, während sich aus § 42 ergibt, in welchen Fällen unabhängig hiervon der Gesichtspunkt eines mit Mängeln behafteten Verfahrens zu einer neuen Entscheidung führen kann. Dagegen ist die in Nr. 26 SVA 11 getroffene Regelung viel umfassender; sie ist nicht beschränkt auf verfahrensrechtliche Gründe und schließt die Erteilung eines Bescheids zu Gunsten wie zu Ungunsten des Rentenberechtigten ein. Somit war mit dem Außerkrafttreten der Nr. 26 SVA 11 auch kein Raum mehr für eine Anwendbarkeit des § 1744 RVO. § 1744 RVO ist auch nicht etwa vom 1. Januar 1954 an für das Gebiet der Kriegsopferversorgung nach § 220 Nr. 18 SGG wieder in Kraft getreten; denn mit der Änderung des § 1744 RVO wurde nicht zugleich auch der Anwendungsbereich dieser Vorschrift gegenüber dem bis dahin geltenden Rechtszustand erweitert.
Die Rücknahme des Umanerkennungsbescheides konnte - entgegen der Auffassung des LSG - auch nicht auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG (vom 2. Mai 1955) gestützt werden, denn dieses Gesetz ist erst am 1. April 1955, also nach Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 1954, in Kraft getreten (§ 51 Abs. 1 VerwVG). Für die Rechtmäßigkeit eines Rücknahmebescheides, also eines Bescheides ohne Dauerwirkung, kommt es aber auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (BSG 8, 13 f). An dieser Rechtsprechung des BSG, besonders auch, soweit sie die Anwendung des § 41 VerwVG (BSG 8, 11, 14) und des § 42 VerwVG (BSG 13, 232, 235) betrifft, ist festzuhalten. Nach § 52 VerwVG sind zwar für das weitere Verfahren in den am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Sachen die Vorschriften dieses Gesetzes maßgebend. Das Gesetz regelt jedoch nur das Verwaltungsverfahren; darum kann nicht angenommen werden, daß § 52 VerwVG auch die Verfahren regeln will, die vor Erlaß des Gesetzes bereits abgeschlossen waren. Das muß besonders in den Fällen gelten, in denen die Anwendung des Gesetzes die Rechtsposition des Betroffenen im Vergleich zu den Vorschriften, die vor Erlaß des Gesetzes gegolten hatten, verschlechtern würde.
Da hiernach besondere Vorschriften fehlen, die zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 15. Juni 1954 (24. Juli 1954) anwendbar waren, sind für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme des Bescheides vom 2. Mai 1951 die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts maßgebend gewesen. Ihrer Anwendung stand nicht die Bindungswirkung des unanfechtbar gewordenen Bescheides vom 2. Mai 1951 entgegen, denn die Bindung gilt nur, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (§ 77 SGG); Gesetz ist jede Rechtsnorm; Rechtsnormen in diesem Sinne sind auch die anerkannten Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts (BSG 8, 11, 14; 10, 72, 74). Nach diesen Grundsätzen sind der Durchsetzung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte mit Dauerwirkung Schranken gesetzt; die Rücknahme ist rechtmäßig, wenn das Interesse der Verwaltung an der Beseitigung rechtswidriger Verwaltungsakte, das nach dem Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beachtlich ist, höher zu bewerten ist als das Interesse des Begünstigten an dem Schutz des Vertrauens in den Bestand behördlicher Verfügungen, das nach dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit auch zu beachten ist (BSG 10, 72, 74 f und BSG 15, 81 ff sowie Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - Urteil vom 7. Dezember 1960, DVBl 1961, 380 ff mit weiteren Angaben aus Rechtsprechung und Literatur). Die Abwägung des Interesses der Verwaltung an der Beseitigung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes gegen das Interesse des Begünstigten am Schutz seines Vertrauens auf den Bestand dieses Verwaltungsaktes ergibt auch, ob der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit oder nur für die Zukunft (BSG 15, 81 f und das angeführte Urteil des BVerwG vom 7. Dezember 1960) zurückgenommen werden kann. Rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung können nach diesen Grundsätzen mit Wirkung für die Vergangenheit besonders dann zurückgenommen werden, wenn die Rechtswidrigkeit durch Umstände verursacht ist, die in den "Verantwortungsbereich" des durch die Rücknahme Betroffenen fallen (BSG 8, 11, 14; 13, 232, 236); hier kommen namentlich die Fälle in Betracht, in denen der Begünstigte verpflichtet war, der Behörde wesentliche Umstände anzuzeigen und durch das Unterlassen dieser Anzeige verursacht hat, daß ein Verwaltungsakt erlassen wurde, der von Anfang an rechtswidrig war (BSG 7, 8, 15; 9, 47, 53); denn wer so handelt, verdient nicht den Schutz eines "Vertrauens" auf den Bestand des Bescheides, für dessen Unrichtigkeit er selbst verantwortlich ist. Nach diesen Grundsätzen war das VersorgA berechtigt, den Bescheid vom 2. Mai 1951 zurückzunehmen, soweit die Zuwendungen des Arbeitgebers des Ehemannes der Klägerin anzurechnen waren, aber bei der Berechnung der Ausgleichsrente nicht berücksichtigt worden sind.
Nach den Feststellungen des LSG sind die Zuwendungen zwar ohne Rechtsanspruch, freiwillig und widerruflich, jedoch ohne Prüfung der Bedürftigkeit im Einzelfalle regelmäßig gewährt worden. Sie waren daher, wie das LSG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat, als Einkommen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 41 Abs. 4 Satz 2 BVG in der Fassung, die bis zum 1. Januar 1955, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 19. Januar 1955 (BGBl I 25) gegolten hat, anzurechnen (BSG 2, 10, 14 ff; 3, 246, 249 f; 7, 51, 52; 8, 11, 15). Die Anrechnung ist im Umanerkennungsbescheid unterblieben; darum wurde die Ausgleichsrente höher festgesetzt als nach der Rechtslage gerechtfertigt war. Der Umanerkennungsbescheid und die im Anschluß an ihn ergangenen Änderungsbescheide vom 17. Dezember 1952 und 29. September 1953 sind daher unrichtig gewesen. Diese Unrichtigkeit ist allein darauf zurückzuführen, daß die Klägerin die Zuwendungen des Arbeitgebers nicht angegeben hat; sie war somit durch Umstände verursacht worden, die in ihren Verantwortungsbereich fallen. Sie war zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Mitteilung der Umstände verpflichtet, die erkennbar die Entscheidung der Behörde über die Höhe der Ausgleichsrente beeinflussen konnten; sie war dieser Verpflichtung nicht dadurch enthoben, daß die Rechtslage zweifelhaft war und sie einen Anhaltspunkt dafür zu haben glaubte, daß sie die Zuwendungen nicht anzugeben brauche. Die Entscheidung über die Anrechnung dieser Beträge mußte sie der Behörde überlassen, denn diese allein hatte über die Feststellung der Rente zu entscheiden und trug die Verantwortung dafür, ob die von ihr getroffene Regelung dem Gesetz entsprach. Unterließ die Klägerin die Mitteilung, obgleich sie auf Grund der ihr vorgelegten Frage davon ausgehen mußte, daß der Empfang der Zuwendungen für die Festsetzung der Ausgleichsrente von Bedeutung sein könne, so verschwieg sie (wissentlich) wesentliche Umstände. Die im Revisionsverfahren aufgestellte Behauptung der Klägerin, das VersorgA Duisburg - nicht etwa das für sie zuständige VersorgA Aachen - habe in amtlichen Verlautbarungen zum Ausdruck gebracht, daß Zuwendungen der Arbeitgeber nicht anzurechnen seien und darum auch nicht angegeben zu werden brauchten, konnte das BSG nicht auf ihre rechtliche Bedeutung prüfen, da die Klägerin verfahrensrechtliche Rügen nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht erhoben hat. Darum muß auch dahingestellt bleiben, ob diese Tatsache - ihre Wahrheit unterstellt - geeignet gewesen wäre, die Verantwortung der Klägerin für die Unterlassung ihrer Mitteilung zu mildern. Im übrigen ist davon auszugehen, daß die Abwägung zwischen dem Interesse der Verwaltung an der Beseitigung von Verwaltungsakten und dem Interesse des Begünstigten an dem Bestand solcher Verwaltungsakte nicht verlangt, daß festgestellt wird, ob die Verwaltung oder den Begünstigten ein Verschulden an dem Zustandekommen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes trifft, ob unter Umständen beide Beteiligte schuldhaft gehandelt haben, aber das Verschulden des einen Beteiligten überwiegt. Mit Recht hat Haueisen hierauf in der Anmerkung zu dem Urteil des BVerwG vom 28. Juni 1957 (NJW 1958, 642/43) hingewiesen und ausgeführt, das Verschulden habe im Strafrecht und im Schadensersatzrecht, nicht aber hier seinen "legitimen Platz". Für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes, dessen Rechtswidrigkeit durch unrichtige Mitteilungen des Begünstigten verursacht worden ist, kommt es darauf an, ob er - auch ohne Rücksicht auf ein Verschulden - diese Umstände zu vertreten hat, weil sie objektiv in seinen Verantwortungsbereich fallen.
Das LSG hat aus dem festgestellten Sachverhalt frei von Rechtsirrtum gefolgert, die Klägerin habe nicht im Unklaren darüber sein können, daß die Frage 4g des Erhebungsbogens auch die ihr gewährten Zuwendungen betroffen haben; sie habe somit wesentliche Umstände verschwiegen. Sie hat darum ihr Verhalten zu vertreten. Die Rücknahme des Bescheides vom 2. Mai 1951 ist somit rechtmäßig gewesen.
Mit Recht hat das LSG im Ergebnis auch die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung des mit 1.308.- DM richtig errechneten, zu Unrecht empfangenen Betrages bejaht. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Erstattungsanspruch im vorliegenden Fall in § 47 VerwVG eine unmittelbare Rechtsgrundlage findet (vgl. BSG 3, 234, 237 ff; 6, 11, 15 f; 11, 44, 46 f) oder ob hiergegen Bedenken erhoben werden können und auch insoweit die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts Anwendung finden müssen, als das Vorverfahren vor dem 1. April 1955 abgeschlossen worden ist. Hier wird jedenfalls das sachliche Ergebnis durch eine solche unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht beeinflußt. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ist eine zu Unrecht empfangene Leistung in aller Regel in vollem Umfange zu erstatten (BVerwG Urteil vom 28. Juni 1957, NJW 1958, 154, 156 und vom 9. Juni 1961, Zeitschrift für den Lastenausgleich 1961, 333, 334 sowie BSG 3, 57, 59). Der Erstattungsanspruch, der durch Verwaltungsakt verwirklicht wird, erscheint so als das Spiegelbild, die Kehrseite der nichtgerechtfertigten öffentlich-rechtlichen Leistung. Eine Ausnahme ist nur anzuerkennen, wenn die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoßen würde (Haueisen in NJW 1954, 977, 978). Da schon die Rechtmäßigkeit der Rücknahme von einer Abwägung des Vertrauensinteresses des Begünstigten gegen das Beseitigungsinteresse der Verwaltung abhängig ist, wird der Erstattungsanspruch in der Regel zu bejahen sein, wenn die Rücknahme gerechtfertigt ist; das gilt besonders dann, wenn die Umstände, die zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fallen. Es sind aber auch Ausnahmefälle denkbar, in denen zwar das Beseitigungsinteresse der Verwaltung überwiegt und darum das Vertrauensinteresse des Begünstigten zurücktreten muß, aber mit Rücksicht auf den Schutz des Vertrauens des Begünstigten angezeigt ist, den Erstattungsanspruch der Verwaltung einzuschränken oder zu verneinen. Schon das Reichsversorgungsgericht hatte in seiner späteren Rechtsprechung deutlich zwischen dem Erlaß von "Berichtigungsbescheiden" (nach § 65 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 10. Januar 1922 idF des Gesetzes vom 2. November 1934 - RGBl I 1113) und der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen unterschieden (vgl. RVG 6, 83, 84; 7, 62, 63; 12, 246, 249; 13, 133, 135 f) und die Erstattungspflicht dem Grundsatz von Treu und Glauben untergeordnet. Hiernach waren Leistungen, die vor Erlaß des Berichtigungsbescheides bewirkt worden sind, zu erstatten, wenn sie "nicht in gutem Glauben an die Rechtskraft des Bescheides" empfangen worden waren (RVG 7, 62, 63 f; 12, 246, 249; 13, 133, 135 f). Im vorliegenden Falle hat die Klägerin sich nach den Feststellungen des LSG nicht darauf verlassen dürfen, daß der Bescheid vom 2. Mai 1951 rechtmäßig war und sie die ihr zugebilligten Beträge hätte behalten dürfen. Darum ist sie nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts auch verpflichtet, die ihr rechtswidrig zugeflossenen Beträge zu erstatten.
Es würden aber auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 VerwVG - diese Vorschrift stellt eine Konkretisierung der bis zum Inkrafttreten des VerwVG geltenden allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts dar - erfüllt sein, denn die Klägerin hat in dem Fragebogen zur Ausgleichsrente trotz der unmißverständlich auf ihre Einkünfte abzielenden Frage verschwiegen, daß sie Zuwendungen von dem Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemanns erhielt. Darum würde sie auch gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG die ihr zu Unrecht bewilligte Rente zu erstatten haben. Da hiernach das Urteil des LSG nicht zu beanstanden ist, war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Der Senat hat zu der von dem Beklagten hilfsweise beantragten Änderung des angefochtenen Urteils keinen Anlaß gefunden. Durch die Fassung dieses Urteils ist die Klägerin, die allein Revision eingelegt hat, nicht beschwert. Im übrigen stellt das Urteil sachlich keine Abänderung des Widerspruchsbescheides, sondern nur dessen Klarstellung dar; die Verminderung des Erstattungsanspruchs ergab sich nämlich unmittelbar aus dem Bescheid vom 24. Juli 1954, durch den bis zum 30. Juni 1951 eine Rente von 60.- DM monatlich festgestellt worden war, und einem Vergleich mit dem Bescheid vom 15. Juni 1954.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen