Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliederkreis der Hamburg-Münchener Ersatzkasse
Leitsatz (redaktionell)
Angestellte in Sozialberufen, wie Krankenschwestern, Krankenpfleger, Erzieherinnen, Erzieher, Wirtschafterinnen und Hausmütter können nicht Mitglieder der Hamburg-Münchener Ersatzkasse werden.
Normenkette
SVAufbauV 12 Art. 2 § 4 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1937-04-01
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1973 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob die Beigeladenen Ziff. 2) bis 13), die in der streitigen Zeit bei dem Beigeladenen Ziff. 1), einem eingetragenen Verein, als Angestellte in verschiedenen Sozialberufen (Krankenschwester, Krankenpfleger, Erzieherin, Erzieher, Wirtschafterin, Hausmutter) beschäftigt waren, Mitglieder der beklagten Ersatzkasse werden konnten oder bei der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse versichert geblieben sind.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und festgestellt, daß die Beigeladenen Ziff. 2) bis 13) nicht zu dem aufnahmeberechtigten Personenkreis der Beklagten gehörten (Urteil des SG Nürnberg vom 7. August 1970). Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil bestätigt. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 28. August 1968 in SozR Nr. 7 zu Mitgliederkreis-VO Allg. vom 26.10.1938) ging es davon aus, daß für die Abgrenzung des Mitgliederkreises nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1935 (RGBl I 1537) in der Fassung der 15. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 1. April 1937 (RGBl I 439) - im folgenden 12./15. Aufbau-VO genannt - die Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 1. April 1934 und nicht die vom 1. Oktober 1927 maßgebend sei. Da die beigeladenen Versicherten allenfalls 25 % der üblichen Arbeitszeit mit schriftlichen Arbeiten (Büroarbeiten) zu tun hätten, seien sie keine Büroangestellten im Sinne der maßgebenden Satzung. Gemessen an dieser Satzung seien die Satzungsbestimmungen der Beklagten vom 1. Januar 1954 - Ausdehnung des Mitgliederkreises auf fachliche Hilfskräfte von angestellten Ärzten - und vom 1. Februar 1960 - Ausdehnung auch auf nicht mit Bürotätigkeiten beschäftigte Angestellte in Privatbetrieben - unwirksam (Urteil vom 10. Mai 1973).
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Abweisung der Klage. Sie meint, der Senat habe in seinem Urteil vom 28. August 1968 aaO nicht generell die Satzung von 1927 als Ursprungssatzung ausgeschlossen, sondern nur ihre Anwendung aus tatsächlichen Gründen für unmöglich gehalten. In Wirklichkeit bestünden aber keine Schwierigkeiten, den beitrittsberechtigten Mitgliederkreis aufgrund dieser Satzung festzustellen. Unter Berücksichtigung der Satzung des damaligen Trägerverbandes - Gesamtverband der Angestellten-Gewerkschaften - (Gedag) - und der einzelnen Verbände müsse man zu der Erkenntnis kommen, daß die Beigeladenen Ziff. 2) bis 13) zum Beitritt zu einem dieser Verbände berechtigt gewesen wären. Die Beschränkung der Beitrittsberechtigung in der Satzung von 1934 und die Namensänderung - Geda-Kasse = Ersatzkasse der Berufsgemeinschaft der Büro- und Behördenangestellten - seien entgegen der in dem beanstandeten Urteil des Senats vertretenen Meinung unbeachtlich. Aber selbst wenn die Satzung von 1934 für den Mitgliederkreis nach § 4 Abs. 1 Satz 2 12./15. Aufbau-VO maßgebend sei, müsse der aufgrund genehmigter Satzungsänderungen erfolgte Beitritt der Beigeladenen Ziff. 2) bis 13) nach der Verordnung über den Mitgliederkreis der Ersatzkassen der Krankenversicherung (Mitgliederkreis-VO) vom 26. Oktober 1938 (RGBl I 1519) für wirksam erachtet werden.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen - auch die Bundesrepublik Deutschland - haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Senat hält nach erneuter Prüfung - wie in dem heute entschiedenen Rechtsstreit 3 RK 13/73 im einzelnen dargelegt - an der Rechtsauffassung fest, daß als Mitgliederkreis der Beklagten grundsätzlich nur diejenigen Personen in Betracht kommen, die den Berufsgruppen angehören, wie sie in der Satzung vom 1. April 1934 aufgeführt sind.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12./15. Aufbau-VO dürfen Ersatzkassen nur Personen aufnehmen, die "dem Mitgliederkreis angehören, für den die Ersatzkasse als solche zugelassen ist". Die Beklagte ist 1934 neu zugelassen worden, was sich nicht nur aus der "Zulassung" durch den Reichsarbeitsminister in dem Erlaß vom 29. März 1934 (RVA AN 1934, 131) und der entsprechenden Rechtsgrundlage (Gesetz über die Zulassung von Ersatzkassen der Krankenversicherung vom 5.12.1933 - RGBl I 1037) ergibt, sondern auch daran erkennbar ist, daß nach der Auflösung des Trägerverbandes der Gedag-Kasse und dem daraus folgenden Wegfall der Beitrittsberechtigung nach der Satzung von 1927 die Zulassung für einen neuen Personenkreis erforderlich erscheinen mußte. Die Maßgeblichkeit der Satzung von 1934 wird schließlich auch dadurch verdeutlicht, daß hiernach - im Gegensatz zu der Satzung von 1927 - eine klarere Abgrenzung des beitrittsberechtigten Personenkreises möglich ist. Von dieser Abgrenzungsmöglichkeit, die auch hinsichtlich anderer 1934 erneut zugelassener Berufskrankenkassen geschaffen worden ist, geht § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12./15. Aufbau-VO aus. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist die - durch § 30 der 12. Aufbau-VO erfolgte - Beseitigung des § 516 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO idF des Gesetzes vom 15.12.1927 - RGBl I 219 -) vertretbar, der zum Schutz der regionalen Kassen den Widerruf der Zulassung der Berufskrankenkassen vorsah, solange die Beitrittsberechtigung lediglich von der im Belieben stehenden Zugehörigkeit zu einem Arbeitnehmerverband abhängig war (vgl. § 503 Abs. 3 RVO, der ebenfalls von der 12. Aufbau-VO - vgl. § 18 - aufgehoben wurde). Die Tatsache, daß die Beklagte aus einer der 1927 als Ersatzkassen zugelassenen Berufskrankenkassen hervorgegangen ist und die damalige Satzung - historisch - als "Ursprungssatzung" bezeichnet werden mag, rechtfertigt es deshalb nicht, unter Zugrundelegung dieser Satzung auf die Beschränkungsfunktion des § 4 Abs. 1 Satz 2 12./15. Aufbau-VO praktisch zu verzichten.
Die Mitgliederkreis-VO, nach der die Beitrittsberechtigung nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12./15. Aufbau-VO, sondern nach einer von Ersatzkassen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde geschaffenen Norm - Satzung - beurteilt werden müßte, widerspricht Art. 129 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und ist jedenfalls deshalb unwirksam.
Die Beigeladenen Ziff. 2) bis 13) sind aufgrund ihres Berufs - unbestritten - nicht zu dem Personenkreis zu zählen, der in der Satzung von 1934 aufgeführt ist. Als Angestellte eines eingetragenen Vereins sind sie keine Behördenangestellten, und ihre beruflichen Tätigkeiten lassen es nicht zu, sie als Büroangestellte zu kennzeichnen. Das gilt auch für die Berufe der Wirtschafterin und der Hausmutter, die nach den Feststellungen des LSG jedenfalls im vorliegenden Fall nicht überwiegend büromäßig ausgeübt werden.
Die Satzungsbestimmungen von 1954 und 1960, aufgrund deren die genannten Beigeladenen zu dem Kreis der Beitrittsberechtigten zu zählen wären, sind unwirksam, weil sie die 1934 formulierte Beitrittsberechtigung nicht an wirtschaftliche, technische oder gesellschaftliche Veränderungen anpassen - was zulässig wäre (vgl. BSG 24, 266, 273; 33, 26, 29) -, sondern den Kreis der Beitrittsberechtigten auf weitere Berufsgruppen ausdehnen.
Da die Vorinstanzen somit entsprechend dem Antrag der Klägerin zutreffend festgestellt haben, daß die Beigeladenen Ziff. 2) bis 13) nicht zu dem beitrittsberechtigten Personenkreis der Beklagten gehören, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§§ 170 Abs. 1 Satz 1, 193 Sozialgerichtsgesetz).
Fundstellen