Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafgefangener. Beitragspflicht. Beschäftigungszeit. freies Beschäftigungsverhältnis. zugewiesene Arbeit
Leitsatz (amtlich)
Die Beschäftigung eines Strafgefangenen während der Strafhaft, für die er Arbeitsentgelt nach StVollzG § 43 erhält, ist auch dann als entlohnte Beschäftigung nach AFG § 134 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b anzusehen, wenn es sich nicht um die Beschäftigung im Rahmen eines freien Beschäftigungsverhältnisses nach StVollzG § 39 handelt.
Orientierungssatz
1. Zeiten, in denen der Strafgefangene wegen einer bestimmten mit Arbeitsentgelt vergüteten Beschäftigung beitragspflichtig nach AFG § 168 Abs 3a ist, sind auch als Beschäftigungszeiten iS von AFG § 134 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b zu bewerten.
2. Die Unterscheidung zwischen der Beschäftigung in einem freien Beschäftigungsverhältnis (StVollzG § 39) und zugewiesener Arbeit (StVollzG § 37 iVm § 41) ist eine sich aus der Abwicklung des Strafvollzugs ergebende Folge, an die aber für die Zeit nach der Strafentlassung keine unterschiedlichen Folgerungen hinsichtlich der sozialen Sicherung des Gefangenen geknüpft werden dürfen.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b Fassung: 1976-12-23; StVollzG §§ 43, 39; AFG § 168 Abs. 3a Fassung: 1976-03-16; StVollzG §§ 37, 41; AFG § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Fassung: 1976-12-23
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. August 1978 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Arbeitslosenhilfe (Alhi) aufgrund einer Tätigkeit als Strafgefangener.
Er hat während der Verbüßung einer Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) B vom 1. Januar bis 25. Mai 1977 mit kurzen Unterbrechungen in der Gefangenenküche und in der Beamtenkantine innerhalb der Umwehrungsmauern gearbeitet. Diese Tätigkeit war gemäß § 168 Abs 3 a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) beitragspflichtig. Es handelte sich nicht um ein sogenanntes freies Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 39 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl I 581). Am 26. Mai 1977 wurde der Kläger aus der JVA B entlassen.
Er beantragte am 13. Juni 1977 beim Arbeitsamt D (AA) die Gewährung von Alhi; das AA lehnte dies ab, weil es hierfür an der Anwartschaft fehle, insbesondere könne insoweit nicht die Tätigkeit des Klägers während seiner Strafhaft herangezogen werden (Bescheid vom 29. Juni 1977; Widerspruchsbescheid vom 5. September 1977).
Durch Urteil vom 15. Dezember 1977 hat das Sozialgericht (SG) Dortmund die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger ab 15.Juni 1977 Alhi zu zahlen. Das SG vertritt mit näherer Begründung die Auffassung, bei der vom Kläger in der Strafhaft ausgeübten Tätigkeit handele es sich um eine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG, denn nach § 43 Abs 1 StVollzG erhielten Gefangene hierfür Arbeitsentgelt. Diese mehr als zehnwöchige Beschäftigung habe deshalb den Anspruch auf Alhi begründet.
Durch Urteil vom 25. August 1978 hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger leite seinen Anspruch zu Recht daraus her, daß er während seiner Strafhaft entlohnte Arbeit verrichtet habe. Es sei zutreffend, wenn das SG unter Berücksichtigung von Wortlaut und Gesetzeszweck die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG, insbesondere des hier streitigen Tatbestandsmerkmals der entlohnten Beschäftigung, als gegeben angesehen habe. Der Senat billige die hierzu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils dargestellten Überlegungen des SG und nehme darauf Bezug, vor allem unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zu § 43 StVollzG. Wenn es in Abs 1 dieser Bestimmung heiße, der Gefangene erhalte "Arbeitsentgelt", handele es sich bei der Verwendung dieses Begriffs nicht um ein redaktionelles Versehen, wie sich aus der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs ergebe. Zwar fehle es bei der Arbeit des Gefangenen tatsächlich an einer "aufgrund eines mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrages" bestehenden Verpflichtung zur Arbeitsleistung, doch setze § 134 AFG nicht ein derartiges Arbeitsverhältnis voraus, bei dem sämtliche Kriterien eines solchen entsprechend arbeitsrechtlichen Vorstellungen vorhanden sein müßten. Hätte der Gesetzgeber Einschränkungen nach dem Verständnis der Beklagten beabsichtigt, so hätte er so identische Begriffe wie "entlohnte Beschäftigung" in § 134 AFG und "Arbeitsentgelt" in § 43 StVollzG vermeiden müssen.
Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht auf frühere Gerichtsentscheidungen berufen, wonach durch die Tätigkeit eines Gefangenen während der Strafhaft die sogenannte kleine Anwartschaft nach § 145 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nicht erfüllt würde, weil sie keine entlohnte Beschäftigung sei. Diese beruhten auf der Erwägung, daß der Gefangene nach dem damaligen Stand des Strafvollzugsrechts für seine Arbeit nicht entlohnt werde, sondern nach Nr 96 Abs 1 der Dienst- und Vollzugsordnung nur eine "Arbeitsbelohnung" erhalte, auf die nach § 96 Abs 5 dieser Bestimmung kein Rechtsanspruch bestehe. Gerade in diesem entscheidenden Punkt habe sich die Rechtsstellung des Gefangenen durch die Neuregelung in § 43 StVollzG verändert.
Auch die Regelung des § 168 Abs 3a Satz 2 AFG stehe dem nicht entgegen, wonach beitragspflichtige Gefangene als Arbeitnehmer im Sinne des 6.Abschnittes des AFG gelten. Wenn durch diese Vorschrift die Geltung auf den 6.Abschnitt beschränkt werde, so sei das für das Alhi ohne Bedeutung, denn zur Begründung von Ansprüchen auf Alhi für Gefangene bedürfe es nicht deren Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung. Im übrigen habe das SG zu Recht darauf hingewiesen, daß die von der Beklagten vertretene Auffassung die unbillige Folge hätte, daß durch ein und dieselbe Tätigkeit des Gefangenen zwar ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg), aber nicht auf Alhi entstehen würde.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß es sich bei der vom Kläger während der Strafhaft gegen Arbeitsentgelt verrichteten Tätigkeit nicht um eine "entlohnte Beschäftigung" im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG handele. Das ergebe sich einerseits aus der Entstehungsgeschichte. Der § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gehe auf § 145 Abs 1 Nr 4 Buchst b des AVAVG vom 3. April 1957 zurück. Nach der Gesetzesbegründung habe die Regelung dazu dienen sollen, die Alhi auf Personen zu beschränken, deren Arbeitnehmereigenschaft durch den konkreten Nachweis einer Arbeitnehmertätigkeit von zehn Wochen innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nachgewiesen ist. An dieser Zielsetzung habe sich auch nach Inkrafttreten des AFG nichts geändert.
Der Kläger habe nicht in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 168 AFG gestanden, die - systemfremde - Gefangenenarbeit sei nur deshalb in die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 168 Abs 3a AFG aufgenommen worden, um entlassenen Gefangenen die Leistungen der Arbeitslosenversicherung zukommen zu lassen. Wesensmerkmal des Beschäftigungsverhältnisses sei die Freiheit seiner Partner bei der Begründung; die Abhängigkeit des Beschäftigten dürfe nicht auf außerhalb der Beschäftigung liegenden Umständen, wie einem sogenannten öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis, beruhen.
Der Begriff der "(entlohnten) Beschäftigung" in § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG sei ebenso auszulegen wie im Beitragsrecht, obwohl die Alhi keine Versicherungsleistung sei. Trotz Entlohnung sei die einem Strafgefangenen von der Anstaltsverwaltung zugewiesene Arbeit keine Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG. Etwas anderes könne nur in den - hier nicht vorliegenden - Fällen einer freien Beschäftigung oder der Teilnahme an einer nach dem AFG geförderten Maßnahme zur beruflichen Fortbildung und Umschulung mit ganztägigem Unterricht gelten. Es erscheine willkürlich, wenn das LSG zwischen den Regelungen des StVollzG über die Gefangenenarbeit und denen des AFG über die Alhi einen engeren Zusammenhang annehme als zwischen Arbeitslosenversicherung und Alhi. Im übrigen würden die Ausführungen des LSG Anlaß zu dem Hinweis geben, daß ehemalige Strafgefangene, die einen Anspruch auf Alg erworben hätten, nach Erschöpfung dieses Anspruchs einen Anspruch auf sogenannte Anschluß-Alhi nach § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a AFG geltend machen könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 25. August 1978 und das Urteil des SG vom 15. Dezember 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert. Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Nach den der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Feststellungen steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Alhi zu. Dieser Anspruch umfaßt einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen; die Berufung war deshalb nach § 143 SGG zulässig und nicht nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG ausgeschlossen, so daß das Verfahren des LSG nicht an einem von Amts wegen beachtlichen Verfahrensmangel in Form einer fehlenden Prozeßvoraussetzung leidet (vgl BSGE 42, 212, 215).
Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 134 Abs 1 AFG idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) und des Sozialgesetzbuches Teil IV - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845). Danach hat Anspruch auf Alhi, wer
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arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat, |
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keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaft (§ 104 AFG) nicht erfüllt, |
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innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, |
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a) |
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Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist, oder |
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b) |
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mindestens zehn Wochen, sofern der letzte Anspruch auf Alg oder Alhi nach § 119 Abs 2 AFG erloschen ist, danach mindestens 26 Wochen oder sechs Monate in entlohnter Beschäftigung gestanden hat. Außer Betracht bleiben Beschäftigungen, die nach § 102 AFG kurzzeitig sind, und Beschäftigungszeiten, für die wegen Krankheit, Urlaub oder unberechtigter Arbeitsversäumnis kein Arbeitsentgelt gezahlt worden ist, |
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 AFG. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte sich der arbeitslose und bedürftige Kläger am 13.Juni 1977 arbeitslos gemeldet und den Antrag auf Alhi gestellt; er stand auch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.
Zu Recht hat das LSG aufgrund seiner Feststellungen ferner angenommen, daß der Kläger innerhalb eines Jahres vor Arbeitslosmeldung mindestens zehn Wochen in "entlohnter Beschäftigung" im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gestanden hat.
Die Tätigkeit, die der Kläger vom 1. Januar bis 25. Mai 1977 in der JVA ausgeübt hat, unterlag der Beitragspflicht zur BA nach § 168 Abs 3a AFG. Diese Regelung, die durch das StVollzG eingefügt wurde, bestimmt in Satz 1 die Beitragspflicht von Gefangenen im Sinne von § 163a Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176, 177 StVollzG) erhalten, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften beitragspflichtig oder nach § 169 Nrn 2, 3 oder 4 AFG beitragsfrei sind. Nach § 107 Abs 1 Nr 6 AFG stehen Zeiten, in denen der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war, einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung zwar gleich, jedoch reicht die Dauer der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht aus, um einen Anspruch auf Alg zu begründen (§ 106 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm §§ 104, 100 AFG). Dennoch handelte es sich um einen Zeitraum von mehr als zehn Wochen im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG.
Die Tätigkeit des Klägers war entlohnt im Sinne von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG. Das LSG hat mit ausreichender Bestimmtheit festgestellt, daß der Kläger für die von ihm entrichteten Tätigkeiten ein Arbeitsentgelt erhalten hat. Dies ergibt sich zudem ohne weiteres aus § 43 StVollzG; denn danach erhält der Gefangene ein Arbeitsentgelt, wenn er eine ihm zugewiesene Arbeit, eine sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs 1 Satz 2 StVollzG ausübt. Aus den Regelungen in § 43 Abs 1 Sätze 2 und 3 StVollzG über die Bemessung und Höhe dieses Arbeitsentgelts ist ferner ersichtlich, daß es sich dabei um eine echte Gegenleistung für die von dem Gefangenen verrichtete Arbeit handelt und nicht nur um eine Arbeitsbelohnung im Sinne der vor dem StVollzG geltenden Bestimmungen. Infolgedessen ist das Arbeitsentgelt nach § 43 StVollzG als Entlohnung im Sinne von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG anzusehen. Um eine "entlohnte" Beschäftigung in diesem Sinne handelt es sich dann, wenn Arbeit und Lohn im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen; auf eine objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kommt es nicht an (vgl Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Erl. 6c zu § 134). Auch wenn sich das Arbeitsentgelt nach § 43 StVollzG nicht ausschließlich an der Arbeitsleistung des Gefangenen orientiert (vgl § 43 Abs 1 Satz 2 StVollzG), so handelt es sich doch im Gegensatz zu der vor Inkrafttreten des StVollzG geltenden Regelung um eine Gegenleistung für verrichtete Arbeit. Das ergibt sich schon aus dem vom Gesetz gewählten Begriff "Arbeitsentgelt"; darunter ist nicht nur nach seinem Wortsinn, sondern auch nach dem gültigen Sprachgebrauch die Gegenleistung für geleistete Arbeit zu verstehen, wie keiner weiteren Begründung bedarf. Daß dieser Begriff aber auch mit dieser Absicht gewählt wurde, erhellen die Gesetzesmotive des StVollzG. Danach soll die Gewährung eines echten Arbeitsentgelts als ein wesentliches Mittel der Behandlung selbst zu verstehen sein, weil sie dem Gefangenen die Früchte seiner Arbeit vor Augen führt (vgl Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes - BT-Drucks 7/918, Begründung zu § 40; siehe ferner die allgemeinen Ausführungen in der Einleitung der Begründung zum Entwurf eines StVollzG zum Fünften Titel "Arbeit und Berufliche Bildung", aaO S 63). Anders als nach der früheren Rechtslage (Nr 96 Abs 5 der Dienst- und Vollzugsordnung), wonach der Gefangene keinen Anspruch auf die Arbeits- und Leistungsbelohnung hatte, besitzt er seit Inkrafttreten des StVollzG für die von ihm in der Strafhaft ausgeübten Tätigkeiten einen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Infolgedessen ergibt sich seit Inkrafttreten des StVollzG aber auch eine andere Antwort als früher auf die Frage, ob Gefangenenarbeit eine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG ist.
Bei der in Rede stehenden Tätigkeit des Klägers handelt es sich um eine "Beschäftigung" im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG. Durch das StVollzG wird die Arbeit der Gefangenen, und zwar auch die zugewiesene Tätigkeit, der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichgestellt. Das folgt aus den Regelungen in §§ 37 ff iVm §§ 190 ff StVollzG.
Nach § 37 Abs 2 StVollzG soll dem Gefangenen während des Vollzuges "wirtschaftlich ergiebige" Arbeit zugewiesen werden, also nicht mehr wie früher zum Teil unproduktive und abstumpfende Arbeit. Als Gegenleistung dafür ist ihm, wie schon früher ausgeführt, ein Anspruch auf Arbeitsentgelt eingeräumt (§ 43 StVollzG). Die Ziele dieser Regelung werden in der Begründung des Entwurfs eines StVollzG zum Fünften Titel unzweideutig dargestellt. Dort (BT-Drucks 7/918 S 63) heißt es ua:
"Der Entwurf strebt auch in diesem Bereich eine möglichst weitgehende Verwirklichung der in § 3 genannten Grundsätze an. Auch die Gefangenenarbeit soll helfen, den Gefangenen in das normale Leben einzugliedern; die Arbeitsbedingungen im Vollzuge sollen von den Arbeitsverhältnissen außerhalb der Anstalt sich nicht weiter als notwendig unterscheiden; schließlich soll die Arbeit im Vollzuge so ausgestaltet sein, daß sie schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenwirken kann. Einer völligen Angleichung der Gefangenenarbeit an das Arbeitsleben außerhalb der Anstalt stehen jedoch die besonderen Verhältnisse des Freiheitsentzuges entgegen. Der Entwurf versucht daher, die gewünschte Angleichung an das normale Arbeitsleben zu unterstützen, ohne dabei die Fortentwicklung zu überstürzen."
Entsprechende Bestimmungen treffen deshalb die §§ 190 ff StVollzG für die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozial- und Arbeitslosenversicherung (vgl die von §§ 190, 191, 194 StVollzG getroffenen Neuregelungen in §§ 165 c RVO, 2 Abs 3 AVG, 168 Abs 3a AFG). Da nach § 43 StVollzG selbst der Gefangene Arbeitsentgelt erhält, der eine zugewiesene Arbeit, sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs 1 Satz 2 StVollzG ausübt, unterliegt auch dieser der Versicherungs- bzw Beitragspflicht zur BA. Das hat aber nicht nur zur Folge, daß gemäß § 107 Abs 1 Nr 6 AFG Zeiten, in denen der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war, die Anwartschaft für einen Anspruch auf Alg begründen. Vielmehr sind Zeiten, in denen der Gefangene wegen einer bestimmten mit Arbeitsentgelt vergüteten Beschäftigung, wie hier, beitragspflichtig nach § 168 Abs 3a AFG ist, auch als Beschäftigungszeiten im Sinne von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG zu bewerten.
Der Wortlaut dieser Vorschrift steht dem nicht entgegen, im Gegenteil. Der Ausdruck "Beschäftigung" wird auch im StVollzG verwendet, und zwar durchaus ohne besondere Differenzierung nach der Art der Tätigkeit (vgl zB §§ 37, 41, 43, 176, 177, 190 ff StVollzG).
Auch aus dem systematischen Zusammenhang folgt nicht, daß beitragspflichtige Beschäftigungen eines Gefangenen gegen Arbeitsentgelt keine entlohnten Beschäftigungen im Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG sein könnten. Während das Alg als Leistung der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich eine beitragspflichtige Beschäftigung zur Begründung der Anwartschaft voraussetzt (§§ 100, 104 AFG), auch wenn bestimmte andere Zeiten ihnen gleichgestellt wurden (§ 107), begründet den Alhi-Anspruch bereits ein bestimmter Alg-Vorbezug (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG) oder eine entlohnte - nicht notwendig beitragspflichtige - Beschäftigung von zehn Wochen (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG). Diese Anspruchsvoraussetzungen sollen, dem Zweck und Charakter der Alhi entsprechend, den Personenkreis der Anspruchsberechtigten eingrenzen. Die Alhi dient dem Schutz der Arbeitslosen, die kein Alg erhalten, weil sie entweder die Anwartschaft noch nicht erfüllt haben oder deren Alg-Anspruch schon erschöpft ist. Anspruchsberechtigt sollen aber nur diejenigen sein, die für eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt als Arbeitnehmer in Betracht kommen. Dieser Nachweis wird durch den Alg-Vorbezug oder die mindestens zehnwöchige entlohnte Beschäftigung erbracht. Wer innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung Alg bezogen oder mindestens zehn Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat, für den spricht die Vermutung, daß er die Arbeitnehmereigenschaft besitzt und zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung weiterhin bereit ist (vgl Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 134, Erl 6c; Schmidt, Die Arbeitslosenhilfe, § 141a, Erl 13 und 14). Diese Auslegung des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG folgt auch aus seiner Entstehungsgeschichte, die auf die Regelungen in § 141a AVAVG idF des Änderungsgesetzes vom 16. April 1956 (BGBl I 243), entsprechend § 145 AVAVG in der Bekanntmachung vom 3.April 1957 (BGBl I 321), zurückgeht (vgl die Begründung zum Entwurf eines AFG, BT-Drucks 484/67 S 58). Die Regelung in § 141a AVAVG (aaO) legte zugrunde, daß allein vermittlungsfähige Arbeitnehmer in die Betreuung der Arbeitsämter gehörten, und zwar auch auf dem Gebiet der Unterstützung. Der zwar unerläßliche Nachweis der Arbeitnehmereigenschaft sei aber bereits bei einer verhältnismäßig kurzen Arbeitnehmertätigkeit als erbracht anzusehen (vgl BT-Drucks II/1274 S. 88/89).
Aus allem folgt, daß "Beschäftigung" in Sinne des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ist. Wenn aber nach Absicht und Inhalt des StVollzG die Tätigkeit des Gefangenen einer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichgestellt wird, so ergibt sich daraus, daß auch Zeiten, für die der Gefangene beitragspflichtig beschäftigt war, "Tätigkeiten als Arbeitnehmer" in diesem Sinne sind.
Dem steht es nicht entgegen, daß der Kläger seine Tätigkeit in der Strafhaft nicht im Rahmen eines frei begründeten Arbeitsverhältnisses geleistet hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits im Jahre 1961 entschieden, daß auch eine Fürsorgearbeit nach Maßgabe des § 19 der Fürsorgepflichtverordnung vom 13. Februar 1924 (RGBl I 100) eine entlohnte Beschäftigung im Sinne von § 145 Abs 1 Nr 4 Buchst b AVAVG sein kann (BSGE 14, 164 = SozR Nr 2 zu § 145 AVAVG). Es sei ohne Belang, ob Ausgangspunkt der Fürsorgearbeit ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag war oder ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Unterstützung in Form der Gewährung von Arbeit handelte. Der § 145 Abs 1 Nr 4 Buchst b AVAVG nF stelle nicht auf die Rechtsform der Tätigkeit ab, sondern auf ihre tatsächliche Leistung (Verrichtung). Der Anlaß zur Aufnahme einer solchen Beschäftigung sei bei der Beurteilung ihrer Tatbestandsmäßigkeit ebenso unwesentlich wie der Beweggrund, mit dem etwa ein Dritter einen Antragsteller - hier die Fürsorgebehörde die Klägerin - in Arbeit brachte. Entgegen der Auffassung der Beklagten fordere § 145 Abs 1 Nr 4 Buchst b aaO weiterhin nicht, daß die als anwartschaftsbegründend vorgesehene Beschäftigung ihrer Art nach den "üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes" entsprechen müsse. Außer Betracht blieben lediglich die von der Vorschrift selbst (Satz 4 aaO) angeführten Ausnahmen. Von Gesetzes wegen könne daher die Anspruchsvoraussetzung einer entlohnten Beschäftigung von mindestens zehn Wochen, sofern die Arbeitnehmereigenschaft vorhanden sei, durch Leistung von entsprechender Fürsorgearbeit erfüllt werden.
Diese Grundsätze müssen nach Auffassung des Senats auch für die vom Kläger nach Maßgabe der §§ 41 Abs 1, 43 Abs 1 Satz 1 StVollzG in der Strafhaft ausgeübte Beschäftigung gelten; denn aus ihr ergibt sich die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers in dem dargestellten Sinne. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob für den Anwendungsbereich des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG die Tätigkeit des Arbeitslosen als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne vorausgesetzt ist. Die Regelungen des § 1 der Alhi-Verordnung vom 7.August 1974 (BGBl I 1929) lassen dies zweifelhaft erscheinen. Aus den dargestellten Regelungen des StVollzG und der ihnen zugrundeliegenden verlautbarten Absicht des Gesetzgebers ergibt sich jedenfalls, daß die Gefangenentätigkeit - gleich welcher Art - jedoch der Tätigkeit eines Arbeitnehmers im arbeitsrechtlichen Sinne wie für andere sozialrechtliche Ansprüche auch für den Anspruch auf Alhi gleichgestellt worden ist.
Nach § 165c RVO gelten Gefangene nunmehr als entgeltlich Beschäftigte im Sinne des § 165 Abs 1 und Abs 2 RVO. Nach dem Inkrafttreten des StVollzG kann deshalb nicht mehr aus den Grundsätzen über die Versicherungs- bzw Beitragspflicht geschlossen werden, daß nur bei frei begründeten Beschäftigungsverhältnissen eine entlohnte Beschäftigung vorliegt (so noch BSGE 27, 197 zum früheren Rechtszustand). Vielmehr folgt aus der Einbeziehung aller Gefangenen, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung nach den §§ 43 bis 45, 176 und 177 StVollzG erhalten, in die Versicherungs- bzw Beitragspflicht, daß ihre Tätigkeit für den Anspruch auf Alhi entsprechend (gleich) zu behandeln ist. Auch wenn es in § 168 Abs 3a AFG heißt, daß beitragspflichtige Gefangene als Arbeitnehmer (nur) im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts gelten, so ist damit nicht ausgeschlossen worden, daß Gefangene für den Bereich der Alhi aufgrund ihrer Tätigkeit Arbeitnehmern im allgemeinen Arbeitsleben gleichgestellt werden.
Ferner kommt es für den Begriff der Beschäftigung nicht darauf an, daß der Gefangene die ihm zugewiesene Arbeit aufgrund der im Vollzug bestehenden Arbeitspflicht (§ 41 StVollzG) ausführt, denn auch diese soll nach dem StVollzG der Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsleben gleichgestellt werden. Gemäß § 37. Abs 2 StVollzG soll es sich auch bei der zugewiesenen Arbeit um wirtschaftlich ergiebige Arbeit handeln, gemäß § 42 StVollzG hat der Gefangene auch für die zugewiesene Arbeit einen Anspruch auf Arbeitsentgelt, und die zugewiesene Arbeit wird genauso wie die Tätigkeit in einem freien Beschäftigungsverhältnis in die Sozial- und Arbeitslosenversicherung einbezogen. Die Unterscheidung zwischen der Beschäftigung in einem freien Beschäftigungsverhältnis (§ 39 StVollzG) und zugewiesener Arbeit (§ 37 iVm § 41 StVollzG) ist eine sich aus der Abwicklung des Strafvollzugs ergebende Folge, an die aber für die Zeit nach der Strafentlassung keine unterschiedlichen Folgerungen hinsichtlich der sozialen Sicherung des Gefangenen geknüpft werden dürfen. Aus § 39 StVollzG (vgl auch BT-Drucks 7/918 S 66 zu § 39) ergibt sich, daß der Gefangene keinen Anspruch darauf hat, mit einem Arbeitgeber außerhalb des Strafvollzugs ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen; die Vollzugsbehörde ist lediglich gehalten, einen entsprechenden Wunsch des Gefangenen zu prüfen. Die von der Beklagten vertretene Auffassung würde folglich den Anspruch des Gefangenen auf Alhi nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug vom Zufall abhängig machen, nämlich ob ihm Arbeit in einem freien Beschäftigungsverhältnis (§ 39 StVollzG) möglich ist oder nicht.
Dieses willkürliche und nach Inhalt und Sinn der Regelungen des StVollzG nicht gewollte Ergebnis wäre darüber hinaus auch vom System der Leistungen bei Arbeitslosigkeit her widersprüchlich. Es hätte zur Folge, daß der Gefangene aufgrund einer beitragspflichtigen Beschäftigung - wie hier - nach den Regelungen der §§ 168 Abs 3a iVm § 107 Abs 1 Nr 6, 104, 100 AFG zwar einen Anspruch auf Alg, nicht aber auf Alhi erwerben könnte, obwohl die Alhi nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG gegenüber dem Alg subsidiär ist und die Fälle erfassen soll, in denen entweder der Alg-Anspruch erschöpft ist oder die versicherungsmäßigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt sind. Dieses unverständliche Ergebnis würde nicht von der Erwägung der Beklagten gemindert, daß der Gefangene, der einen Anspruch auf Alg erworben hat, nach dessen Erschöpfung einen Anspruch auf Anschluß-Alhi nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG hätte.
Nach allem hat das LSG zu Recht die Beschäftigung des Klägers in der Strafhaft als entlohnte Beschäftigung im Sinne von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG angesehen. Die Revision der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen