Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. März 1985 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Beklagte die der Klägerin gewährte Witwenrente kürzen durfte, nachdem sie der Beigeladenen aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die – früher rechtskräftig abgelehnte – Geschiedenen-Witwenrente bewilligt hatte.
Die am 15. März 1927 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau und Witwe des am 13. Februar 1976 verstorbenen Versicherten Rolf K… (K.). Dieser war am 21. April 1951 eine erste Ehe mit der Beigeladenen eingegangen, die im November 1971 durch das Landgericht Rottweil aus dem Verschulden des Versicherten geschieden worden war. Nach der Scheidung war u.a. durch einen gerichtlichen Teilvergleich vom 19. September 1975 festgelegt worden, daß K. von 1. November 1974 bis 31. März 1976 an die Beigeladene eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 106,– DM zu zahlen hatte. Dieser Verpflichtung war K., der am 16. August 1973 eine neue Ehe mit der Klägerin eingegangen war, bis zu seinem Tode nachgekommen. Auf seinen Antrag war ihm von der Beklagten durch Bescheid vom 12. April 1976 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Februar 1975 bewilligt worden, die ab Juli 1975 795, 80 DM betragen hatte. Außerdem waren die ihm gewährten Versorgungsleistungen ab 1. Januar 1976 auf 848,– DM erhöht worden.
Auf Antrag der Klägerin wurde ihr von der Beklagten Hinterbliebenenrente in voller Höhe gewährt (Bescheid vom 22. Dezember 1976). Der von der Beigeladenen gestellte Antrag wurde hingegen abgelehnt (Bescheid vom 16. Februar 1977). Deren Klage wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 31. März 1981 abgewiesen mit der Begründung, daß der gezahlte Betrag von 106,– DM nach der ständigen Rechtsprechung des BSG keinen Unterhalt darstelle. Als Mindestbetrag seien 25 v.H. der Regelleistungen der Sozialhilfe zuzüglich des Wohnaufwandes anzusetzen. Die Klägerin war zu diesem Verfahren beigeladen.
Im April 1983 beantragte die Beigeladene unter Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des BSG erneut die Hinterbliebenenrente, die ihr nach Anhörung der Klägerin ab Juni 1982 bewilligt wurde (Bescheid vom 7. November 1983). Alsdann stellte die Beklagte die der Klägerin gewährte Witwenrente ab 1. Januar 1984 dahingehend neu fest, daß ihr anstelle von 488,– DM nur noch 54,– DM gezahlt werden (Bescheid vom 18. Januar 1984). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1984). Während des späteren Berufungsverfahrens korrigierte die Beklagte diesen Bescheid dahin, daß die Rente der Klägerin erst ab 1. März 1984 gekürzt wird (Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1985).
Die Klage der Klägerin gegen den Kürzungsbescheid, die in erster Instanz Erfolg hatte, wurde in zweiter Instanz auf die Berufung der Beklagten – ebenso wie die Klage gegen den zwischenzeitlich erteilten Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1985 – abgewiesen (Urteil des Sozialgerichts – SG – Mannheim vom 31. Oktober 1984; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26. März 1985).
Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, daß die Beklagte zu Recht die Hinterbliebenenrente der Klägerin gekürzt habe. Rechtsgrundlage sei § 45 Abs. 4 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), der als Spezialvorschrift zu §§ 44ff., 48 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB 10) anzuwenden gewesen sei, nachdem festgestanden habe, daß die Beigeladene rentenberechtigt sei. Dieser habe die Beklagte unter Durchbrechung der Bindungswirkung des früheren Ablehnungsbescheides und des rechtskräftigen Urteils des LSG vom 31. März 1981 die Geschiedenen-Witwenrente gewähren müssen. Denn nach der seit Mai 1982 geänderten Rechtsprechung des BSG reichten tatsächliche Zuwendungen in Höhe von monatlich 106,– DM als Unterhaltszahlungen i.S. von § 42 AVG aus, weil nunmehr ein Wohnbedarf bei Festlegung des als Unterhalt zu qualifizierenden Mindestbedarfs nicht mehr zu berücksichtigen sei. Der Rentenberechtigung der Beigeladenen stehe auch nicht entgegen, daß der Unterhaltsvergleich vom 19. September 1975 auf den 31. März 1976 befristet gewesen sei. Denn da wegen zu erwartender Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten nur ein Teilvergleich geschlossen worden sei, sich aber bis zum Tode des Versicherten die beiderseitigen Einkommensverhältnisse nicht wesentlich geändert hätten, sei es naheliegend, daß der Versicherte die bisherigen Unterhaltsleistungen auch über den 31. März 1970 hinaus erbracht hätte, wenn er nicht verstorben wäre. Die Beklagte habe daher ihren ablehnenden Bescheid vom 16. Februar 1977 gemäß § 44 i.V.m. § 48 Abs. 2 SGB 10 mit Wirkung ab Juni 1982 (Rechtsprechungsänderung) zurücknehmen und seitdem der Beigeladenen die Hinterbliebenen-Teilrente gewähren müssen. Deshalb sei sie auch berechtigt gewesen, den durch die rechtskräftige Senatsentscheidung vom 31. März 1981 für die Klägerin bewirkten Vertrauenstatbestand zu durchbrechen und die ihr gewährte Witwenrente gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG herabzusetzen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von §§ 42, 45 AVG, §§ 44 und 48 SGB 10 und § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß der Beigeladenen eine Geschiedenenwitwenrente nach § 42 AVG zustehe. Eine Zuwendung von 106,– DM monatlich könne angesichts des hohen eigenen Einkommens der Beigeladenen in Höhe von 1.322, 06 DM im letzten Jahr vor dem Tode des K. nicht als Unterhaltszahlung i.S. der Rechtsprechung des BSG qualifiziert werden, weil damit keine merkliche Besserung der Lebensführung der Beigeladenen bewirkt worden sei. In diesen Fällen sei die Anknüpfung an den Regelsatz der Sozialhilfe unzulässig. Außerdem sei die Zahlung im Sterbemonat des Versicherten zum letzten Male erfolgt, ohne daß das Berufungsgericht die Annahme einer weiteren Zahlungsabsicht des Versicherten durch tatsächliche Feststellungen habe sichern können. Die Einkommensminderung des Versicherten in Höhe von 335,– DM nach Abschluß des Unterhaltsvergleichs und sein krankheitsbedingter Mehrbedarf hätten bei dem Einkommen der Beigeladenen zum Wegfall der Unterhaltsverpflichtung geführt. Im übrigen genieße die durch Bescheid von 22. Dezember 1976 festgestellte Witwenrente der Klägerin den Bestandsschutz des § 77 SGG, dessen Durchbrechung nicht von § 45 AVG gedeckt werde, weil ein Rentenanspruch der Beigeladenen rechtskräftig durch Urteil aberkannt gewesen sei. Die §§ 44, 48 SGB 10 seien auf Sachverhalte wie den vorliegenden noch nicht anwendbar. Im übrigen wäre – wenn überhaupt – § 48 SGB 10 anzuwenden gewesen und nicht § 44 SGB 10, weil die Versagung der Geschiedenen-Witwenrente bei Erteilung des Ablehnungsbescheides richtig gewesen sei. Die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgrund neuer Erkenntnisse könne nicht in die Vergangenheit und insbesondere nicht zuungunsten eines Berechtigten wirken. Es sei vielmehr billig, daß in derartigen Fällen die durch die Rechtsprechung veränderte Rechtslage weder zu Lasten der Klägerin noch der Beigeladenen gehe, vielmehr die Versichertengemeinschaft hierfür einzutreten habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 1985 aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Oktober 1984 zurückzuweisen und den Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1985 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene beantragt,
- die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen,
- die Klägerin zu verurteilen, der Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Sie hält die Entscheidung des LSG ebenfalls für zutreffend.
Alle Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
II.
Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte zur Neufeststellung und Kürzung der Witwenrente der Klägerin berechtigt war.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht nur der der Klägerin erteilte Kürzungsbescheid vom 18. Januar 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1984, sondern auch der Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1985, den die Beklagte während des Berufungsverfahrens erteilt hat und der – weil er den Beginn der Kürzung der Witwenrente vom 1. Januar auf den 1. März 1984 verschoben hat – gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Über diesen Bescheid hat das LSG zutreffend kraft Klage entschieden.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ferner aber auch der der Beigeladenen erteilte Bescheid vom 7. November 1983, mit der dieser die Geschiedenen-Witwenrente gewährt worden ist. Richtet sich nämlich die Klage einer Witwe gegen die Aufteilung einer Rente nach § 45 Abs. 4 AVG zwischen ihr und der geschiedenen ersten Frau des Versicherten, so ficht sie damit nicht nur den ihr selbst erteilten Rentenbescheid, sondern auch den der geschiedenen ersten Frau an. Denn soweit deren Rentenberechtigung nach § 42 AVG für die Witwe gemäß § 45 Abs. 4 AVG die Teilung der Hinterbliebenenrente zur Folge hat, wird sie in ihren Rechten mittelbar betroffen und beschwert (§ 54 SGG) mit der Folge, daß auf ihre Klage über die Rechtmäßigkeit beider Bescheide zu entscheiden ist (BSGE 21, 125, 126f. = SozR Nr. 5 zu § 1268 RVO unter Bezugnahme auf SozR Nr. 3 zu § 1268 RVO). Der der Beigeladenen erteilte Bescheid vom 7. November 1983 ist nicht bindend geworden, weil die Klägerin diesen Bescheid als Betroffene – und da er ihr nicht zugestellt worden ist, gemäß § 66 SGG ohne Rücksicht auf die Anfechtungsfrist – hat anfechten dürfen und auch angefochten hat. Davon sind die Vorinstanzen zu Recht ausgegangen. Daß im Revisionsantrag der Klägerin wie in ihrem Klageantrag der der Beigeladenen erteilte Bescheid nicht ausdrücklich aufgeführt ist, ist unerheblich (§ 123 SGG); denn eine Auslegung des klägerischen Vorbringens ergibt, daß die Klägerin die Aufhebung des der Beigeladenen erteilten gewährenden Rentenbescheides jedenfalls für den Fall erreichen möchte, daß davon die Aufhebung des ihr erteilten Kürzungsbescheides abhängt.
Der der Klägerin erteilte Kürzungsbescheid ist nicht bereits deshalb rechtswidrig und daher aufzuheben, weil er – ungeachtet der Rechtmäßigkeit des der Beigeladenen erteilten Bescheids – gegen § 77 SGG oder gegen §§ 44ff. SGB 10 verstößt.
Zwar war der der Klägerin erteilte frühere Bescheid vom 22. Dezember 1976, mit dem ihr die Hinterbliebenenrente in voller Höhe gewährt worden ist, nach § 77 SGG bindend geworden. Die Beklagte war aber berechtigt, diese Bindung zu durchbrechen, weil die Neufeststellung der Witwenrente – unter teilweiser Aufhebung des bisherigen Rentenbescheides – „durch Gesetz” zugelassen war. Als Rechtsgrundlage hat das LSG zutreffend § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG angeführt. Danach sind u.a. Witwenrenten nach Maßgabe des § 45 Abs. 4 Satz 1 neu festzustellen, wenn nach der Feststellung der Rente ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen ist; die Neufeststellung geschieht mit Wirkung vom Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der neue Feststellungsbescheid zugestellt wird. Ein weiterer Berechtigter i.S. der genannten Vorschrift „ist zu berücksichtigen”, sobald ein angeblich Hinterbliebenenrentenberechtigter Leistungsantrag gestellt hat und die hierfür notwendigen Ermittlungen positiv abgeschlossen sind (BSGE 43, 238 = SozR 2200 § 1268 Nr. 9; BSGE 29, 169, 171 = SozR Nr. 14 zu § 1268 RVO).
Diese Regelung hat die Beklagte hier zu Recht angewandt. Sie ist schon ihrem Wortlaut nach nicht auf die Fälle beschränkt, in denen – i.S. einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse – die Anspruchsvoraussetzungen für eine weitere Rentenberechtigung erst nach Feststellung der Rente erfüllt werden bzw. eintreten. Sie findet vielmehr – wovon auch das LSG zutreffend ausgegangen ist – auch dann Anwendung, wenn ein weiterer Hinterbliebenenrenten-Anspruch bereits vor der Feststellung der Rente bestanden hat, dieser Anspruch aber aus sonstigen Gründen (z.B. wegen noch fehlender Ermittlungen, irrtümlicher Verneinung von Anspruchsvoraussetzungen) vorher vom Versicherungsträger noch nicht anerkannt worden ist oder werden konnte (vgl. BSGE 29, 169, 171 = SozR Nr. 14 zu § 1268 RVO) oder die Rente wegen eines Ruhenstatbestandes bisher nicht auszahlbar war (BSGE 33, 7 = SozR Nr. 20 zu § 1268 RVO). Sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck läßt 13 45 Abs. 4 Satz 2 AVG die Neufeststellung einer bereits festgestellten Hinterbliebenenrente stets dann zu, wenn – aus welchen Gründen auch immer – ein weiterer Berechtigter erst nach dieser Feststellung „zu berücksichtigen ist”, d.h. nunmehr eine weitere Hinterbliebenenrente zu zahlen ist. Insoweit soll durch die – nachträgliche – Anwendung der Aufteilungsregelung des § 45 Abs. 4 Satz 1 AVG gewährleistet werden, daß der Versicherungsträger nicht jeder Hinterbliebenen die volle Hinterbliebenenrente zu gewähren hat, sondern jede von ihnen nur den Teil der Rente erhält, der im Verhältnis zu den anderen Berechtigten der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten entspricht. Damit soll zur Vermeidung einer unzumutbaren Belastung der Solidargemeinschaft durch mehrmals verheiratete Versicherte sichergestellt werden, daß der Versicherungsträger an mehrere berechtigte Ehefrauen zusammen nur eine Hinterbliebenenrente zahlen muß (BSGE 29, 169, 171 = SozR Nr. 14 zu § 1268 RVO; BSGE 33, 7, 8 = SozR Nr. 20 zu § 1268 RVO; BSGE 51, 1, 2f. SozR 2200 § 1268 Nr. 18 S. 64f.; BSGE 53, 235, 240f. = SozR 2200 § 1268 Nr. 20 S. 70). Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluß vom 10. Januar 1984 in SozR 2200 § 1268 Nr. 23).
Bereits dieser gesetzgeberische Zweck zwingt zu der Annahme, daß § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG auch nach Inkrafttreten der allgemeinen Rücknahmeregelungen der §§ 44ff. SGB 10 als abweichendes und zugleich spezielleres Recht fortgilt und daher die § 44ff. SGB 10 keine Anwendung finden, jedenfalls soweit die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG vorliegen. Diese Bestimmung ist durch Art II § 40 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl. I 1469) – trotz dessen mißverständlicher Fassung (vgl. dazu Krause SGb 1986, 485, 488, der von einem Redaktionsversehen spricht) – nicht aufgehoben worden. Vielmehr ist in § 37 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB 1) i.d.F. durch Art II § 15 Nr. 1 des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl. I 1450) wie vorher in § 1 SGB 10 die Fortgeltung von abweichenden Regelungen in den besonderen Teilen dieses Gesetzbuches bestimmt (vgl. auch BSG SozR 5520 § 29 Nr. 5 m.w.N. zu § 29 Abs. 5 der Zulassungsordnung für Ärzte; Urteil des 11b Senats vom 28. November 1985 – 11b RAr 2/85 – zu § 242b AFG). Besonderer Teil ist auch das AVG mit § 45 Abs. 4 AVG. Dort ist die Feststellung einer weiteren Rentenberechtigung (Zahlungspflicht gegenüber einem anderen Berechtigten) nach Feststellung einer Hinterbliebenenrente als Neufeststellungsgrund und damit – hinsichtlich der mit der Rentenkürzung verbundenen teilweisen Aufhebung des bisherigen Rentenbescheids – als besonderer Aufhebungsgrund abweichend von den allgemeinen Aufhebungsgründen der §§ 44ff. SGB 10 spezialgesetzlich geregelt. Ein solcher besonderer Aufhebungs- (Neufeststellungs) grund liegt hier vor.
Die Beklagte war verpflichtet, der Beigeladenen die Geschiedenen-Witwenrente zu gewähren, nachdem aufgrund geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung die Voraussetzungen für diese Rente nach § 42 Satz 1 Alternative 3 AVG erfüllt waren, und der entgegenstehende Bescheid aufzuheben war. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des früheren Ablehnungsbescheides vom 16. Februar 1977, der ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung ist, ist § 44 SGB 10, der unter Berücksichtigung seines Zusammenhangs mit § 48 Abs. 2 SGB 10 (vgl. hierzu das Urteil des erkennenden Senats in BSGE 58, 27, 32f.; zustimmend Hofe, SGb 1986, 11, 13f.) den Versicherungsträger zur Beseitigung der Rentenablehnung mindestens für die Zeit ab April 1983 (Neufeststellungsantrag) verpflichtete. Ob die Beklagte den Ablehnungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen durfte oder nicht, weil die Änderung auf der Erkenntnis der „Unrichtigkeit” der bisherigen Rechtsprechung beruhte (BSG a.a.O., S. 33ff.), kann hier offenbleiben. Darauf kommt es im Rahmen des § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG nicht an. Maßgebend ist nur, daß der Ablehnungsbescheid insoweit rechtswidrig (geworden) ist, als der der Beigeladenen tatsächlich gewährte Unterhalt in Höhe von 106,– DM nach damaliger Rechtsprechung des BSG als zu geringfügig erachtet worden ist, um als Unterhalt gelten zu können. Das widerspricht der – später geänderten – Rechtsprechung des BSG zum Unterhaltsbegriff (Urteil des 5b Senats vom 12. Mai 1982, BSGE 53, 256f. = SozR 2200 § 1265 Nr. 63; ihm folgend der erkennende Senat im Urteil vom 7. September 1982, SozR 2200 § 1265 Nr. 65). Danach ist als Unterhalt i.S. des § 42 AVG bereits ein Betrag anzusehen, der wenigstens 25 v.H. des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe – ohne Aufwendungen für Unterkunft – beträgt. Damit ist die neuere Rechtsprechung von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 25. Juni 1975 (BSGE 40, 79) hinsichtlich der geforderten Berücksichtigung von Unterkunftsleistungen bei der Feststellung des Unterhalts i.S. des § 42 AVG (= § 1265 RVO) abgewichen. Nach dieser geänderten, inzwischen gefestigten Rechtsprechung ist eine monatliche Zuwendung von 106,– DM, die nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG aufgrund der am 19. September 1975 geschlossenen Unterhaltsvereinbarung bis zum Tod des K. geleistet worden ist und für den laufenden Unterhalt der Beigeladenen bestimmt war, als Unterhalt zu qualifizieren, weil sie 25 v.H. des mit monatlich 261,– DM festgestellten Regelsatzes erheblich übersteigt.
Die hiergegen von der Revision erhobenen Einwendungen, daß die geleisteten Zahlungen im Verhältnis zu dem Einkommen der geschiedenen Witwe gesehen werden müßten, so daß im vorliegenden Fall mangels merklicher Besserung ihrer Lebensführung nicht von einer Unterhaltszahlung gesprochen werden könne, greifen nicht durch. Die frühere wie die jetzige Rechtsprechung des BSG hat stets daran festgehalten, daß bei der Abgrenzung der Mindestanforderungen, die an eine nach § 42 AVG noch als „Unterhalt” zu qualifizierende Leistung zu stellen sind, ein objektiver Maßstab gelten muß. Dieser wäre bei einer nur am sonstigen Einkommen der geschiedenen Witwe orientierten und damit relativierten Festlegung nicht gewährleistet. Vielmehr muß es sich um einen Beitrag handeln, der nach allgemeiner Auffassung schon dem Betrag nach – nominell – ins Gewicht fällt (vgl. z.B. BSGE 22, 44, 48; SozR 2200 § 1265 Nr. 66). Insoweit kann nur ein am allgemeinen – sozialhilferechtlichen – Mindestbedarf ausgerichteter Maßstab zu sachgerechten Ergebnissen führen.
Dem LSG ist auch darin beizutreten, daß dem Anspruch der Beigeladenen aus § 42 AVG nicht entgegensteht, daß die den Unterhaltszahlungen zugrunde liegende Unterhaltsvereinbarung mit dem 31. März 1976 – also kurz nach dem Tod des Versicherten – endete. Hat – wie hier – der Versicherte im letzten Jahr vor dem Tode fortlaufend der Höhe nach gleichbleibende Unterhaltsbeiträge geleistet, die der Höhe nach den vorgenannten Mindestanforderungen entsprechen, ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Versicherte auch weiterhin Unterhalt gezahlt hätte oder hätte zahlen können (BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 26 m.w.N.). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn zur Zeit des Todes des Versicherten bereits festgestanden hätte, daß die Unterhaltszahlungen infolge vertraglicher Befristung in naher Zukunft enden (vgl. BSGE 37, 50 = SozR Nr. 70 zu § 1265 RVO; SozR 2200 § 1265 Nr. 10). Das ist nicht der Fall. Das LSG hat hierzu festgestellt, daß die gerichtliche Unterhaltsvereinbarung vom 19. September 1975 ausdrücklich als „Teilvergleich” bezeichnet war, daß für die weitere Zeit das Ruhen des Verfahrens beantragt war und daß die für diesen Vergleichsabschluß maßgebenden Verhältnisse sich bis zum Tode des Versicherten nicht verschlechtert, sondern eher gebessert hatten. Daraus konnte das LSG entnehmen, daß der Teilvergleich vom 19. September 1975 keinen Unterhaltsverzicht der Klägerin für die Zeit nach dem 31. März 1976 enthalten hat und daß mangels ausreichender Anhaltspunkte für eine wesentliche Einkommenssteigerung der Beigeladenen die Unterhaltsleistungen in Höhe von 106,– DM ohne den Tod des Versicherten voraussichtlich auch über den 31. März 1976 hinaus erbracht worden wären. Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen greifen schon deshalb nicht durch, weil sie nicht ausreichend substantiiert sind. Der behaupteten und auch vom LSG festgestellten Unterhaltsminderung beim Versicherten in Höhe von 335,– DM standen Einsparungen durch Wegfall von Mehraufwendungen für auswärtige Unterbringung und geschäftliche Nutzung eines Pkw gegenüber, die das LSG mit 410,– DM monatlich festgestellt hat. Hiergegen hat die Revision Verfahrensrügen nicht erhoben. Da die mithin bindend festgestellten Einsparungen des Versicherten seine Einkommensminderung nicht unerheblich überschritten haben, konnte das LSG auch bei Berücksichtigung eines gewissen krankheitsbedingten Mehrbedarfs des Versicherten davon ausgehen, daß sich jedenfalls seine Einkommensverhältnisse bis zu seinem Tode nicht wesentlich verschlechtert hatten.
Ist mithin der die Geschiedenen-Witwenrente ablehnende Bescheid vom 16. Februar 1977 rechtswidrig (geworden), mußte dieser gemäß § 44 SGB 10 im Zusammenhang mit § 48 Abs. 2 SGB 10 – jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft – aufgehoben und der Beigeladenen diese Rente gewährt werden. Daß über die Rentenablehnung bereits rechtskräftig entschieden war, steht der Aufhebung des genannten Bescheides nicht entgegen. Zwar ist in § 44 SGB 10, der nur von „unanfechtbar gewordenen”, also bestandskräftigen Verwaltungsakten spricht, insoweit keine ausdrückliche Klarstellung erfolgt. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß § 44 SGB 10 auch die Fälle erfaßt, in denen der aufzuhebende Verwaltungsakt durch ein Gericht bestätigt, also die Sache rechtskräftig geworden ist. Nach den Grundsätzen, die bisher in den §§ 627, 1300 RVO bzw. § 79 AVG und § 93 RKG enthalten waren und die nach der amtlichen Begründung zu § 44 SGB 10 verallgemeinernd auf das gesamte Sozialrecht erstreckt werden sollten (BT-Drucks. 8/2034 zu § 42 – jetzt § 44 – SGB 10), war eine Neufeststellung von Leistungen auch dann zulässig, wenn die vorausgegangene Ablehnungs- oder Entziehungsentscheidung rechtskräftig bestätigt war (vgl. z.B. BSGE 19, 164 = SozR Nr. 2 zu § 619 RVO a.F.; SozR Nrn. 3 und 13 zu § 1300 RVO; BSGE 26, 89, 90 m.w.N.). Dies gilt deshalb auch für § 44 SGB 10, und zwar auch dann, wenn aufgrund dieser Vorschrift in ihrem Zusammenhang mit § 48 Abs. 2 SGB 10 eine Bescheidkorrektur wegen Rechtsprechungsänderung zu erfolgen hat.
Die durch die Rechtsprechungsänderung bewirkte Verpflichtung zur Gewährung der Geschiedenenwitwenrente an die Beigeladene nach § 44 SGB 10, § 42 AVG wirkt sich für die Klägerin – mittelbar über den Hinzutritt einer weiteren Berechtigten nach Feststellung ihrer Witwenrente – nach § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG dahin aus, daß sich die Klägerin eine Kürzung ihrer Witwenrente gefallen lassen muß, ohne daß sie sich auf die Rechtskraft des LSG-Urteils vom 31. März 1981 oder sonst auf Vertrauensschutz berufen kann. Dies führt nicht zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin. Ihr Vertrauen in den Bestand des ersten Rentenbescheides ist nicht in stärkerem Maße beeinträchtigt worden, als dies der Fall gewesen wäre, wenn der Beigeladenen von Anfang an – bereits mit Bescheid vom 16. Februar 1977 – die Hinterbliebenenrente gewährt worden wäre oder sie später im gerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Der Grund für die Zulässigkeit einer solchen Beeinträchtigung ist darin zu sehen, daß die Witwe eines mehrfach verheirateten Versicherten mit dem Hinzutritt „weiterer Berechtigter” rechnen muß, etwa daß eine weitere Hinterbliebene erst später einen Rentenantrag stellt, erst später aus dem Ausland zuzieht bzw. sonstige Ruhenstatbestände wegfallen oder daß ein Anspruch einer Hinterbliebenen nach Lösung einer Zweitehe kraft Gesetzes wiederauflebt. Auch für den Fall, daß einer weiteren Hinterbliebenen aufgrund eines späteren Zugunstenantrages Hinterbliebenenrente zu gewähren ist, weil die bisherige Ablehnung ihres Rentenantrages wegen unrichtiger Anwendung des geltenden Rechts von Anfang an oder später – etwa im Zusammenhang mit einer Rechtsprechungsänderung – unrichtig (geworden) ist, gilt nichts anderes. Daß § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG in diesen Fällen unanwendbar wäre, ist weder dem Wortlaut dieser Norm noch ihrem Zweck zu entnehmen noch besteht Anlaß für eine teleologische Reduktion des § 45 Abs. 4 AVG im Hinblick auf die später erfolgte Neuregelung der §§ 44ff., 48 SGB 10. Zwar ist in § 48 Abs. 2 SGB 10 eine Gleichstellung der Rechtsprechungsänderung mit einer Änderung der Verhältnisse i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 nur für den Fall ausgesprochen, daß sich diese Änderung zugunsten des Berechtigten auswirkt. Dieser Regelung kann jedoch nicht entnommen werden, daß nachteilige Auswirkungen einer Rechtsprechungsänderung damit prinzipiell unberücksichtigt zu bleiben hätten, eine Bescheidkorrektur zu Lasten eines Berechtigten damit schlechthin hätte ausgeschlossen werden sollen. Mit § 48 Abs. 2 SGB 10 ist – wie vordem mit § 46 Abs. 1 Satz 2 des Regierungsentwurfs zum SGB 10, der eine Beschränkung auf den Zugunstenfall noch nicht enthielt – lediglich „klargestellt” worden, daß eine Rechtsprechungsänderung als Änderung der rechtlichen Verhältnisse anzusehen ist (vgl. die Begründung zu § 46 Abs. 1 Satz 2 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 8/2034 S. 35, die durch die spätere Änderung durch den BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung in § 46 Abs. 1a – jetzt § 48 Abs. 2 SGB 10 –, BT-Drucks. SGB 10 –, BT-Drucks. 8/4022 S. 83, nicht berührt worden ist). Damit ist die prinzipielle Bewertung einer Änderung der Rechtsprechung expressis verbis unentschieden geblieben (Hauck/Haines, SGB X 1, 2 K § 48 Rdnr. 23 unter Bezugnahme auf die Begründung zum Entwurf des Verwaltungsverfahrensgesetzes, BT-Drucks. 7/910 S. 75 zu § 47 Abs. 1, wonach. diese Frage ausdrücklich der Klärung der Rechtsprechung überlassen werden sollte). Dies und der Umstand, daß § 44 SGB 10 nach § 48 Abs. 2, Halbsatz 2 SGB 10 ausdrücklich unberührt bleibt, läßt auch im Rahmen des SGB 10 die Möglichkeit offen, daß eine Rechtsprechungsänderung, jedenfalls wenn sie mit ihren Auswirkungen zugunsten eines Berechtigten zugleich auch zu Lasten eines anderen Berechtigten (Drittbetroffenen) wirkt, auch hinsichtlich dieser nachteiligen Auswirkungen als Änderung der rechtlichen Verhältnisse i.S. des § 48 Abs. 1 SGB 10 gewertet werden kann, etwa wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Berücksichtigung einer derartigen Rechtsprechung besteht (Hauck/Haines, a.a.O.). Insoweit kann ein Wertungswiderspruch zwischen § 48 SGB 10 und § 45 Abs. 4 AVG, der eine Unanwendbarkeit der Kürzungsregelung in Fällen der vorliegenden Art zur Folge haben könnte, nicht angenommen werden. Vielmehr muß die für den Versicherungsträger zwingende Berücksichtigung eines durch Rechtsprechungsänderung Begünstigten sich notwendig als Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse hinsichtlich eines „anderen Berechtigten” auswirken und bei diesem zur Rentenkürzung führen, weil das öffentliche Interesse – i.S. des Interesses der Versichertengemeinschaft – es verbietet, aus der Versicherung des Verstorbenen an zwei hinterbliebene Ehegatten mehr als eine Hinterbliebenenrente zu zahlen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 AVG). Daß der Gesetzgeber etwas anderes gewollt bzw. übersehen hätte, daß sich in Fallkonstellationen wie der des § 45 Abs. 4 AVG eine Rechtsprechungsänderung vielfach sowohl zugunsten eines Berechtigten als auch zuungunsten eines anderen Berechtigten auswirken kann, läßt sich nach dem Zweck dieser Regelung nicht annehmen. Ein Vertrauensschutz ist deshalb auch in diesen Fällen nur insoweit gerechtfertigt, als die Rentenkürzung nach Maßgabe des § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG erst mit Wirkung vom Ablauf des Monats erfolgen darf, der dem Monat folgt, in dem der neue Feststellungsbescheid (Kürzungsbescheid) zugestellt wird. Diese Vorschrift hat die Beklagte mit ihrem Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1985 beachtet. Ob in besonderen Ausnahmefällen etwas anderes zu gelten hätte, etwa wenn die Witwe vor einer Rechtsprechungsänderung bereits langjährig unangegriffen die volle Rente bezogen oder inzwischen ein hohes Alter erreicht hätte oder aus sonstigen Gründen eine Rentenkürzung schlechthin unzumutbar wäre, kann der Senat offenlassen. Für derartige Gründe bestehen weder nach dem Vortrag der Klägerin noch nach den Feststellungen des LSG ausreichende Anhaltspunkte.
Die Revision der Klägerin kann nach allem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen