Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsfrist. Elternrente. KOV
Orientierungssatz
Zur Frage, wann die Antragsfrist für die Gewährung von Elternrente auf Grund der Neuregelung der Kriegsopferversorgung durch das KOVNOG 2 abläuft.
Normenkette
KOVNOG 2 Art. 6 § 1 Abs. 2 Sätze 2-3; BVG § 51
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 30.03.1966) |
Tenor
Die Sprungrevision der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 30. März 1966 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger zu 1) ist der Vater des seit 1944 verschollenen Sohnes H U Sein Antrag auf Elternrente war 1956 bindend abgelehnt worden. Die Klägerin zu 2) bezog Elternrente nach ihrem seit 1942 verschollenen Sohn G P. Diese wurde 1961 eingestellt, nachdem die Kläger im April 1961 die Ehe miteinander geschlossen hatten. Im März 1965 beantragten sie Elternrente für je einen Sohn. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 15. September 1965 abgelehnt, weil ab 1. März 1965 das anzurechnende Einkommen des Klägers zu 1) von monatlich DM 209,- die volle Elternrente einschließlich der Erhöhung (= DM 205,-) übersteige. Im Widerspruchsverfahren, das erfolglos blieb, machten die Kläger geltend, die Antragsfrist zur rückwirkenden Bewilligung der Rente sei nicht versäumt, weil der Antrag erst innerhalb eines Jahres nach Verkündung der Verordnung zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der Fassung vom 22. Juli 1964 (BGBl I 538) - DVO zu § 33 BVG - habe gestellt werden müssen. Deshalb stünde ihnen ab 1. Januar 1964 Elternrente zu. Im Klageverfahren begehrten die Kläger Elternrente für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Mai 1964. Mit Urteil vom 30. März 1966 wies das Sozialgericht (SG) die Klage ab und ließ die Berufung zu. Der durch das 2. Neuordnungsgesetz vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) - 2. NOG - nach den §§ 50 ff BVG (nF) neu entstandene Anspruch sei nur auf Antrag festzustellen gewesen, weil die Kläger auf Grund der Erhöhung der vollen Elternrente auf DM 170,- und des Zuschlages nach § 51 Abs. 2 BVG auf DM 35,- sowie wegen der gegenüber dem 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) günstigeren Anrechnungsvorschriften in § 51 Abs. 4 BVG ab 1. Januar 1964 einen Anspruch auf Elternrente erworben hätten. Die nach dem 5. Rentenanpassungsgesetz vom 21. Dezember 1962 (BGBl I 764) - 5. RAG - bezogene Rente von DM 313,40 habe sich nach dem 6. RAG vom 21. Dezember 1963 (BGBl I 1008) auf 339,10 DM erhöht. Der neue Anspruch habe sich bereits aus den §§ 50 ff BVG nF ergeben, ohne daß es des Erlasses einer Rechtsverordnung bedurft hätte. Deshalb hätte der Antrag, da die Rente rückwirkend ab 1. Januar 1964 bis 31. Mai 1964 begehrt werde, bis spätestens 27. Februar 1965 gestellt werden müssen. Es genüge nicht, daß die Bundesregierung in §§ 51 Abs. 4, 33 Abs. 5 BVG nF (allgemein) ermächtigt worden sei, durch Rechtsverordnung näher zu bestimmen, was als Einkommen gilt und welche Einkünfte unberücksichtigt bleiben, vielmehr sei auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Artikel VI § 1 Abs. 2 Satz 3 der Übergangs- und Schlußvorschriften des 2. NOG erfasse nur solche Ansprüche, die sich auf Grund der zu erlassenden Rechtsverordnung neu ergeben haben, wie z. B. die Erhöhung bzw. Einführung von Mindestfreibeträgen bei der Berücksichtigung bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche in der DVO zu § 33 BVG. Zutreffend habe der Beklagte ausgeführt, daß die von den Klägern benannten zwei Einzelfälle auf einem anderen Sachverhalt beruhten. Im vorliegenden Fall hätten die in Polen, bzw. in den unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten lebenden Kinder der Kläger nicht zum Unterhalt herangezogen werden können. Die Kläger könnten sich auch nicht darauf berufen, daß sie durch das 2. Hinweisblatt des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) über Fristen zur Antragstellung falsch unterrichtet worden seien, zumal sich der Abschnitt E allein auf neue Ansprüche beziehe, die sich erst auf Grund einer zu erlassenden Rechtsverordnung ergäben. Außerdem sei im 1. Hinweisblatt auf die Fristvorschriften, insbesondere den Ablauf der Frist des 27. Februar 1965 hingewiesen worden. Überdies sei eine Unkenntnis des Gesetzes unbeachtlich.
Die Kläger haben gegen das Urteil des SG mit Einwilligung des Beklagten Sprungrevision eingelegt, mit der sie Verletzung materiellen Rechts, und zwar des § 51 Abs. 4 BVG und des Artikels VI § 1 Abs. 2 der DVO zu § 33 BVG rügen. Die Frage, was zu den "übrigen Einkünften" im Sinne der §§ 51 Abs. 4, 33 Abs. 2 Ziffer 2 BVG zähle, ergebe sich nicht aus dem Gesetz, sondern nur aus § 1 Abs. 3 Ziffer 1 - 9 der DVO. Diese habe auch bestimmen sollen, welche Einkünfte unberücksichtigt bleiben. Deshalb sei für die Kläger unklar gewesen, ob ihr "neuer Anspruch" nicht erst auf Grund dieser Verordnung festgestellt werden könne, zumal das im April 1964 herausgegebene Hinweisblatt des LVersorgA Niedersachsen unter A) Nr. 6 die Feststellung enthalte, daß Rechtsverordnungen u. a. auch zu § 51 Abs. 4 BVG ergehen müßten. Damit sei die Frage offengeblieben, ob außer den im Gesetz genannten Freibeträgen noch weitere Einkünfte unberücksichtigt bleiben. Diese Zweifel seien durch das 2. Hinweisblatt von Januar 1965 verstärkt worden, wo aus Abschnitt E zu entnehmen sei, daß "neue Ansprüche", die sich auf Grund der DVO zu § 33 BVG ergeben, bis zum 31. Juli 1965 beantragt werden mußten. Der vorletzte Absatz dieses Abschnitts lasse wiederum Zweifel entstehen, weil hieraus nicht zu entnehmen sei, daß sich die bisherige Versagung des Anspruchs nur auf jene Fälle erstrecke, die unter Ziffer 1 - 4 dieses Abschnitts erwähnt sind. Abgesehen von diesen unklaren Hinweisen sei in § 33 Abs. 5 BVG bis zum Erlaß einer Rechtsverordnung offengeblieben, ob weitere Einkünfte unberücksichtigt bleiben und was danach als anrechnungsfähiges Einkommen überhaupt gelte.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des SG vom 30. März 1966 nach dem Klageantrag zu erkennen. Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils und seinen bisherigen Vortrag, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die nach § 161 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Sprungrevision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig; sachlich ist sie nicht begründet.
Die Revision hat die tatsächlichen Feststellungen des SG nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Somit war nur zu prüfen, ob die Kläger auf den im März 1965 gestellten Antrag Elternrente vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Mai 1964 begehren können. Dies war zu verneinen.
Nach Artikel VI § 1 Abs. 2 des 2. NOG beginnt bei neuen Ansprüchen, die auf Antrag festzustellen sind, die Zahlung mit dem 1. Januar 1964, wenn der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung des 2. NOG, d. h. bis 27. Februar 1965, gestellt wird (Satz 2). Sie beginnt mit demselben Zeitpunkt, wenn die neuen Ansprüche erst auf Grund einer nach diesem Gesetz zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden können und der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung der Rechtsverordnung gestellt wird (Satz 3). Nach den unangegriffenen Feststellungen des SG haben die Kläger im vorliegenden Fall durch die im 2. NOG bestimmte Erhöhung der vollen Elternrente, den höheren Zuschlag nach § 51 Abs. 2 BVG und die gegenüber dem 1. NOG günstigeren Anrechnungsbestimmungen des § 51 Abs. 4 BVG ab 1. Januar 1964 einen Anspruch, somit einen "neuen Anspruch" (vgl. zu diesem Begriff auch Entscheidung des erkennenden Senats vom 23. März 1966 - 9 RV 92/64 -) im Sinne des Artikels VI § 1 Abs. 2 des 2. NOG erworben, der sich bereits aus den §§ 50 ff nF BVG ergeben hat. Diese Feststellung ist frei von Rechtsirrtum. Denn unter Berücksichtigung des nach dem 5. RAG vom 21. Dezember 1962 bezogenen Renteneinkommens von 313,40 DM, das erst ab 1. Juni 1964 mit dem durch das 6. RAG erhöhten Betrag von 339,10 DM auf die Elternrente anzurechnen war (vgl. Artikel III § 2 Abs. 1 des 6. RAG), ergab sich nach dem 1. und 2. NOG folgendes anzurechnendes Einkommen:
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1. NOG DM |
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2. NOG DM |
Rente aus der Renten-Vers. |
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313,40 |
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313,40 |
abzügl.Freibetrag |
./. |
60,-- |
./. |
60,-- |
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253,40 |
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253,40 |
vom Restbetrag 25 v. H. |
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-,-- |
./. |
63.35 |
Sa. a) |
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253,-- |
rd. |
190,-- |
Hiernach ergaben sich folgende Rentenbeträge:
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Volle Rente für 1 Elternpaar |
150,-- |
170,-- |
+ Zuschlag nach § 51 Abs. 3 bzw. 2 |
20,-- |
35,-- |
Sa. b) |
170,-- |
205,-- |
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Im vorliegenden Fall zahlbare Elternrente: |
0,-- |
15,-- |
Sonach ergab sich bereits auf Grund des § 51 des Gesetzes ein "neuer Anspruch", der nur auf Antrag festzustellen war. In diesem Fall beginnt aber die Zahlung der Versorgungsbezüge nach der klaren Vorschrift des Artikels VI § 1 Abs. 2 Satz 2 des 2. NOG nur dann rückwirkend ab 1. Januar 1964, wenn der Antrag bis zum 27. Februar 1965 gestellt worden ist. Das ist hier nicht der Fall.
Auf Satz 3 des Artikels VI § 1 Abs. 2 könnten sich die Kläger nur dann berufen, wenn dargetan wäre, daß ihr neuer Anspruch erst auf Grund der DVO zu § 33 BVG in der Fassung vom 22. Juli 1964 (BGBl I 538) zutreffend habe festgestellt werden können. Diese Verordnung, die auf Grund des § 33 Abs. 5 BVG nF, auf den § 51 Abs. 4 BVG nF Bezug nimmt, neu gefaßt worden ist, wiederholt in § 2 Abs. 2 (Übergangsvorschriften) die Bestimmung des 2. NOG, daß bei neuen Ansprüchen die Zahlung mit dem 1. Januar 1964 beginnt, wenn der Antrag binnen eines Jahres nach ihrer Verkündung gestellt wird und bestimmt in § 4, daß sie mit Wirkung vom 1. Januar 1964 in Kraft tritt. Hiernach wirkt sowohl der Antrag als auch der sachlich-rechtliche Inhalt der Rechtsverordnung auf den 1. Januar 1964 zurück (vgl. hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 23. März 1966 - 9 RV 1012/63 - in SozR Nr. 1 zu § 2 der DVO zu § 13 BVG vom 6. Juni 1961). Es fehlt jedoch an stichhaltigen Anhaltspunkten dafür, daß der neue Anspruch der Kläger erst auf Grund der Rechtsverordnung vom 22. Juli 1964 richtig hätte festgestellt werden können. Daß es auf deren Bestimmungen irgendwie ankäme, ist weder im Antrag vom 2. März 1965 noch im Widerspruchsverfahren angegeben worden. Die Bezugnahme im Schreiben vom 14. Oktober 1965 auf das allgemeine Hinweisblatt des LVersorgA Niedersachsen vom April 1964 tut nicht dar, daß und weshalb es im konkreten Fall auf die DVO angekommen sei. Aus den Versorgungsakten ist zu entnehmen, daß bei Prüfung des Antrages vom März 1965 nur das Renteneinkommen nach dem 5., 6. und 7. RAG eine Rolle spielte. Die noch lebenden Töchter waren ohne Beruf und wohnten außerdem in Polen bzw. in den unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten. Demgemäß ist auch bei der Elternrente, die die Klägerin zu 2) bis April 1961 erhalten hat, bis zur Verheiratung nur ihre Invalidenrente als sonstiges Einkommen angerechnet worden; ebenso wurde für ihren Ehemann, den Kläger zu 1), für die Zeit ab April 1961 neben der Invalidenrente der Klägerin allein dessen Sozialversicherungsrente, sowie ab Mai 1961 nur noch die Sozialversicherungsrente des Ehemannes berücksichtigt, weil die Invalidenrente der Klägerin zu 2) mit ihrer Verheiratung weggefallen war. Dies konnten die Kläger aus dem Bescheid vom 16. August 1961 ersehen. Es war sonach nicht die Annahme gerechtfertigt, daß sonstige Einkünfte (wie etwa Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern) bei dem Anspruch der Kläger eine Rolle spielen würden. Auch die Revision trägt insoweit nichts Konkretes vor. § 33 BVG, auf den § 51 Abs. 4 BVG nF verweist, hat in Abs. 2 Nr. 1 a und 2 - wie schon früher - (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG in der Fassung des 1. NOG) bestimmt, daß bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und bei den übrigen Einkünften, zu denen auch schon seither Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gehörten (vgl. DVO zu § 33 § 1 Abs. 3 Nr. 3 nF und in der Fassung vom 11. Januar 1961 - BGBl I 19 -), gewisse Beträge frei bleiben. Die Höhe dieser Freibeträge ergibt sich aus § 51 Abs. 4 BVGnF. Selbst wenn aber die Kläger unverständlicherweise gehofft haben sollten, daß nicht nur die gesetzlichen Freibeträge, sondern die gesamten Rentenbezüge unberücksichtigt bleiben könnten, so mußten sie alsbald nach Erlaß der DVO im Juli 1964 ihren Irrtum erkennen. Sie hatten dann immer noch Zeit bis zum 27. Februar 1965, um durch Stellung eines Antrages rückwirkend ab 1. Januar 1964 in den Genuß einer durch das 2. NOG zugebilligten Rente zu gelangen.
Daß in den Hinweisblättern des LVersorgA unrichtige Angaben enthalten gewesen seien, hat die Revision nicht vorgetragen. Wenn den Klägern einige dieser Hinweise unklar gewesen sein sollten, so hätten sie sich rechtzeitig beim Versorgungsamt erkundigen müssen, zumal ihnen dies am Schluß des ersten Hinweisblattes des LVersorgA Niedersachsen empfohlen worden ist. Im übrigen befaßte sich der von der Revision genannte Abschnitt E des zweiten Hinweisblattes, wie sich aus dessen Überschrift ergibt, mit der DVO zu § 33 BVG. Bei den unter Ziffer 1-4 dieses Abschnitts genannten Fällen (Mindestfreibeträge bei bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen gegenüber Kindern - vgl. § 16 der DVO zu § 33 BVG -, Fahrtkosten, Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung, Einkünfte aus Kapitalvermögen) handelt es sich um solche, die im vorliegenden Fall offensichtlich nicht in Betracht kommen, was die Revision anscheinend auch einräumt. Wenn die Kläger dieses Hinweisblatt überhaupt gelesen haben, so hätte sie zumindest dieser Umstand zu einer umgehenden Antragstellung - notfalls nach Erkundigung bei den oben erwähnten Stellen - veranlassen müssen, umso mehr als unter Buchstabe F dieses Hinweisblattes nochmals betont worden ist, daß neue Ansprüche nach dem 2. NOG bis 27. Februar 1965 einschließlich geltend gemacht werden müssen. Abgesehen von diesen Erwägungen hätten die Kläger, wenn sie Rechtsnachteile vermeiden wollten, wenigstens vorsorglich bis zu diesem Tage einen Antrag stellen müssen. Wenn sie auch nach Verkündung der Rechtsverordnung noch ca. 7 Monate untätig geblieben sind, so müssen sie sich unter den gegebenen Umständen damit abfinden, daß eine rückwirkende Bewilligung der Leistung wegen Nichteinhaltung der reichlich bemessenen Antragsfrist entfällt.
Da das angefochtene Urteil nach alledem nicht zu beanstanden war, mußte die Sprungrevision als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen