Leitsatz (redaktionell)
Entsprechende Anwendung des GAL § 14 Abs 2 S 1 Buchst a wegen Bezugs einer Rente aus der ArV für etwa 180 Beitragsmonate?
Es kommt weder darauf an, daß der Kläger als Schwerkriegsbeschädigter erwerbsunfähig ist, noch darauf, in welchem Verhältnis sein Einkommen aus der Landwirtschaft zu seinen Rentenbezügen steht.
Eine Gesetzesanalogie ist nicht möglich, weil das GAL insoweit keine Lücke aufweist.
Es darf nicht übersehen werden, daß in der Altershilfe für Landwirte keine ausgesprochene Gegenseitigkeit von Beitrag und Leistung besteht.
Normenkette
GAL § 14 Abs. 2 S. 1 Buchst. a Fassung: 1965-09-14
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. April 1970 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Beitragspflicht des Klägers zur landwirtschaftlichen Alterskasse ab 1. Januar 1966.
Der 1926 geborene Kläger bewirtschaftet in K ein landwirtschaftliches Unternehmen, das 1965 7,38 ha Ackerland umfaßte und später auf 11,22 ha vergrößert wurde. Die als Existenzgrundlage festgesetzte Mindesthöhe des Einheitswertes beträgt für K 5.150,- DM; dies entspricht einer Mindestfläche von 3,23 ha. Der Kläger ist 100% kriegsbeschädigt (Ohnhänder). Er erhält Versorgungsrente und wegen Erwerbsunfähigkeit Rente aus der Arbeiterrentenversicherung (ArV). Für ihn sind zur Rentenversicherung für weniger als 180 Kalendermonate Beiträge entrichtet.
Die Beklagte nahm den Kläger mit Bescheid vom 5. Dezember 1968 in ihr Mitgliederverzeichnis auf und verlangte ab 1. Januar 1965 die Entrichtung von Beiträgen nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Auf seinen Widerspruch begrenzte sie die Forderung wegen Verjährung eines Teils ihrer Forderung auf die Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 1966. Im übrigen wies sie den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1969). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts - SG - Speyer vom 24. Oktober 1969 und des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland-Pfalz vom 23. April 1970). Das LSG führte aus: Der Kläger könne Aufhebung des angefochtenen Bescheides nur verlangen, wenn er entweder nicht zum Kreis der beitragspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer gehöre oder als solcher von der Beitragspflicht zu befreien sei. Beides treffe nicht zu. Der Kläger sei beitragspflichtiger Unternehmer im Sinne der §§ 1 und 14 Abs. 1 GAL 1965 (BGBl I 1449) und der gleichlautenden Bestimmungen des GAL 1969 (BGBl I 1017), denn sein Betrieb überschreite seit 1965 die insoweit maßgebende Mindestgröße. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragspflicht (§§ 14, 37 GAL) erfülle er auch nicht. Er habe nicht für wenigstens 180 Kalendermonate Beiträge zu einer Rentenversicherung entrichtet; eine Zurechnungszeit im Sinne von § 1260 der Reichsversicherungsordnung (RVO) komme hier nicht in Betracht, weil Zurechnungszeiten beitragslose Versicherungszeiten seien. Die übrigen Befreiungsvoraussetzungen seien ebenfalls nicht gegeben. An der Beitragspflicht ändere auch nichts, daß der Kläger vorbringe, er sei durch seine schädigungsbedingte Erwerbsunfähigkeit an der Erfüllung der Voraussetzungen für die Beitragsbefreiung gehindert und könne niemals in den Genuß von Leistungen nach dem GAL kommen, weil ihm diese von seiner Versorgungsrente abgezogen würden; wie § 14 Abs.3 GAL zeige, habe der Gesetzgeber landwirtschaftliche Unternehmer, die eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen, nur ausnahmsweise unter hier nicht erfüllten Voraussetzungen von der Beitragspflicht freigestellt. Auch werde dem Kläger trotz Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente ein landwirtschaftliches Altersgeld nicht in jedem Fall und auch nicht immer in voller Höhe von seiner Ausgleichsrente abgezogen.
Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
die vorinstanzlichen Urteile sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und diese zu verurteilen, ihn von der Beitragspflicht zu befreien.
Er meint, er müsse in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 Buchst. a GAL von der Beitragspflicht befreit werden, weil seine Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der Zurechnungszeit des § 1260 Abs. 1 RVO im Ergebnis einer Beitragszeit von 180 Kalendermonaten entspreche und auch hinsichtlich ihrer Höhe einer Rente nach 180 Beitragsmonaten nicht wesentlich nachstehe. Außerdem sei er gleich dem von § 14 Abs. 3 GAL erfaßten Personenkreis auf die Leistungen aus der landwirtschaftlichen Altershilfe nicht angewiesen. Diese könnten ihm wegen der Anrechnungsvorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ohnehin nur teilweise zufließen. An der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Beitragsbefreiung sei er aber lediglich durch seine schädigungsbedingte Erwerbsunfähigkeit gehindert. Seine Heranziehung zur Beitragsentrichtung bedeute deshalb eine unbillige Härte.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 165 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das LSG hat den Kläger zu Recht als beitragspflichtig angesehen. Seine Beitragspflicht ist nach § 14 GAL in der seit 1965 unverändert geltenden Fassung zu beurteilen. Danach ist beitragspflichtig grundsätzlich jeder landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 3 GAL, d. h. derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen geht (§ 1 Abs. 2 GAL), der also das Risiko desselben trägt. Auf die persönlichen Verhältnisse kommt es dabei nicht an; das GAL stellt insoweit ausschließlich darauf ab, ob das Unternehmen "unabhängig vom jeweiligen Unternehmer", also als solches eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet. Es ist mithin, wie das Bundessozialgericht (BSG) schon wiederholt entschieden hat (vgl. SozR Nr. 3 und 7 zu § 1 GAL; auch Urteil vom 9. Februar 1971 - 11 RLw 6/69 -), hier von einer abstrakten, rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen. Es kommt weder darauf an, daß der Kläger als Schwerkriegsbeschädigter erwerbsunfähig ist, noch darauf, in welchem Verhältnis sein Einkommen aus der Landwirtschaft zu seinen Rentenbezügen steht. Eine Existenzgrundlage ist nach § 1 Abs. 4 GAL immer gegeben, wenn der Einheitswert des Unternehmens die Mindesthöhe erreicht, die von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgesetzt ist. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) überschreitet die Größe seines Unternehmens seit 1965 die nach der Einheitswertfestsetzung für die Gemeinde K in Betracht kommende Mindestgröße und bildet deshalb eine Existenzgrundlage im Sinne von § 1 Abs. 3 GAL; der Kläger gehört mithin als landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 3 GAL zu dem beitragspflichtigen Personenkreis.
Unzweifelhaft und unstreitig erfüllt der Kläger keine der Voraussetzungen, unter denen seine Beitragspflicht entfiele (§ 14 Abs. 2 bis 4 und 6, § 37 GAL). Hierzu hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, daß bei dem Befreiungstatbestand des § 14 Abs. 2 Buchst. a GAL Zurechnungszeiten (§ 1260 Abs. 1 RVO) nicht berücksichtigt werden können. Nach dieser Vorschrift sind landwirtschaftliche Unternehmer, deren Vorgänger im Unternehmen einschließlich ihrer Ehegatten verstorben sind oder schriftlich erklären, daß sie auf Altersgeldansprüche verzichten, auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien, wenn für sie für 180 Kalendermonate Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten, zur knappschaftlichen Rentenversicherung oder zur Altersversorgung für das Deutsche Handwerk entrichtet sind. Das GAL stellt somit ausdrücklich auf die Entrichtung von Beiträgen ab, läßt also schon seinem Wortlaut nach eine Anrechnung von beitragslosen Zeiten nicht zu. Das BSG hat bereits zu der gleichlautenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Buchst. a GAL 1961 (BGBl I 845) entschieden, daß insoweit ausschließlich Zeiten tatsächlicher Beitragsentrichtung anrechenbar sind (vgl. SozR Nr. 3 zu § 9 GAL 1961).
Zu Unrecht meint der Kläger, er müsse in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 Buchst. a GAL von der Beitragspflicht befreit werden, weil er wegen seiner schädigungsbedingten Erwerbsunfähigkeit bereits eine Rente aus der ArV bezieht, die ihrer Höhe nach etwa einer Beitragsleistung von 180 Kalendermonaten entspricht. Für eine derartige Gesetzesanalogie wäre nur Raum, wenn das GAL insoweit eine Lücke aufwiese, sich also eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes feststellen ließe (vgl. BGH, DÖV 54, 344; Haueisen, DOK 68, 661). Das ist nicht der Fall. Der Befreiungstatbestand des § 14 Abs. 2 Buchst. a ist dem GAL erst bei dessen Neufassung im Juli 1961 (BGBl I 845) - damals als § 9 Abs. 2 Buchst. a - eingefügt worden. Es hat aber auch schon das GAL in seiner ursprünglichen Fassung vom 27. Juni 1957 (BGBl I 1063) landwirtschaftliche Unternehmer, die nach Vollendung des 51. Lebensjahres erstmalig beitragspflichtig wurden, dann von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreit, wenn sie Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bezogen (§ 8 Abs. 4 GAL 1957). Diese Regelung ist bei der Neufassung des Gesetzes im Jahre 1961 dahin modifiziert und präzisiert worden, daß landwirtschaftliche Unternehmer, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres erstmalig die Voraussetzungen für die Beitragspflicht erfüllen, nicht beitragspflichtig sind, wenn ihnen zu diesem Zeitpunkt eine Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zusteht (§ 9 Abs. 3 GAL 1961). In dieser Formulierung ist der Beitragsbefreiungsgrund schließlich als § 14 Abs. 3 in die am 14. September 1965 bekannt gemachte Neufassung des Gesetzes (GAL 1965; BGBl I 1449) übernommen worden und findet sich auch in der seit 1969 geltenden Fassung des GAL unverändert an derselben Stelle. Diese Entwicklung zeigt, daß der Gesetzgeber landwirtschaftliche Unternehmer, die gleich dem Kläger eine Rente aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen beziehen, schon bei der Einführung einer Altershilfe für Landwirte, also von vornherein in seine Überlegungen einbezogen und auch später nicht außer Acht gelassen hat. Er hat derartige landwirtschaftliche Unternehmer jedoch nur unter ganz bestimmten, im einzelnen ausdrücklich genannten Voraussetzungen und damit nur einen genau umschriebenen Teil von ihnen von der Beitragspflicht freigestellt. Hätte er diesen Kreis der nicht beitragspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer später erweitern und auch Fälle wie den des Klägers in die Beitragsfreistellung einbeziehen wollen, so hätte das anläßlich einer der zahlreichen Änderungen des GAL geschehen können. Eine solche Erweiterung der Freistellung von der Beitragspflicht ist jedoch nicht erfolgt. Wäre sie beabsichtigt gewesen, so wäre sie auch ausdrücklich normiert worden; das wäre um so mehr zu erwarten gewesen, als der hier in Betracht kommende Beitragsbefreiungstatbestand bereits 1961 modifiziert und präzisiert worden war. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß das GAL insoweit eine Lücke aufweist; eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 Buchst. a GAL auf Fälle wie den des Klägers läßt sich nicht rechtfertigen. Ebensowenig ist hier eine Fortbildung des Rechts durch abändernde Rechtsfindung zulässig; eine solche kommt äußerstenfalls gegenüber Vorschriften in Betracht, deren bisherige Auslegung auf überholten Rechtsanschauungen beruht, mit neueren Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar ist und zu nicht mehr zu rechtfertigenden Ergebnissen führt (vgl. BSG, SozR Nr. 5 zu § 1252 RVO). An solchen Voraussetzungen fehlt es hier.
Entgegen der Auffassung des Klägers bedeutet seine Heranziehung zur Beitragsentrichtung auch keine unbillige Härte. Ihm ist zwar einzuräumen, daß er wegen der Art seiner Erwerbsunfähigkeit bedingenden schweren Kriegsbeschädigung (Ohnhänder) nicht in den Genuß des vollen Altersgeldes kommen kann, denn das Altersgeld gehört zu den übrigen Einkünften im Sinne des § 33 Abs. 1 BVG (§ 1 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 4 VO zur Durchführung des § 33 BVG idF vom 9. November 1967; BGBl I 1133). Es ist deshalb auf die Ausgleichsrente nach dem BVG derart anzurechnen, daß der nach der jährlich zu bestimmenden allgemeinen Bemessungsgrundlage der ArV zu errechnende, also gleitende Freibetrag, 0,65 v.H. dieser Bemessungsgrundlage ausmacht; auch steht dem erwerbsunfähigen Beschädigten Ausgleichsrente nur zu, wenn seine übrigen Einkünfte niedriger sind als 1/20 der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 33 Abs. 1 BVG). Bei gleichzeitigem Bezug von Altersgeld aus der landwirtschaftlichen Altershilfe würde sich deshalb die Versorgungsrente des Klägers wohl mindern; das wäre aber ebenso dann der Fall, wenn dem Kläger anzurechnende Einkünfte anderer Art zuflössen. Auch darf nicht übersehen werden, daß in der Altershilfe für Landwirte keine ausgesprochene Gegenseitigkeit von Beitrag und Leistung besteht; einerseits wird nach dem GAL nicht in jedem Fall, in dem Beiträge entrichtet sind, auch Altersgeld gewährt; andererseits steht Altersgeld im Hinblick auf den agrarpolitischen Zweck des Gesetzes, eine rechtzeitige Hofübergabe zu erleichtern, vielfach auch dann zu, wenn keine Beiträge entrichtet sind (§§ 33 ff GAL 1965). Schließlich erschöpfen sich die Leistungen der landwirtschaftlichen Altershilfe nicht in der Gewährung von Altersgeld. Sie umfassen z.B. auch stationäre Heilbehandlung für den beitragspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer selbst und seinen Ehegatten sowie während derselben die Gewährung von Ersatzleistungen in der Form der kostenlosen Gestellung einer Ersatzkraft, also eines männlichen oder weiblichen Betriebshelfers, oder der Zahlung eines täglichen Ersatzgeldes (§§ 6 ff GAL 1965). Hierbei handelt es sich um eine völlig neue, auf die spezifischen Verhältnisse und Bedürfnisse der selbständigen Landwirte abgestellte Leistungsart, die es diesen selbst und ihren mitarbeitenden Ehegatten ermöglicht, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, ohne die ordnungsmäßige Fortführung ihres landwirtschaftlichen Unternehmens zu beeinträchtigen (vgl. Noell-Rüller, Die Altershilfe für Landwirte, 6. Aufl. 1965 S. 109 ff).
Nach alledem muß die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen