Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, welche Bestimmungen eines Pachtvertrages die Annahme ausschließen, ein landwirtschaftliches Unternehmen sei mit der Verpachtung abgegeben worden.
Normenkette
GAL § 2 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1965-09-14
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. November 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Der im März 1902 geborene Kläger beantragte im Januar 1967 Altersgeld. Er hatte seit 1927 ein landwirtschaftliches Unternehmen von etwa 9 ha mit einem Ertragswert von über 10.000 DM bewirtschaftet; 1952 hatte er seiner Tochter 1,581 ha übergeben und 1956 1,704 ha verkauft. Seit 1953 hatte er ferner Land verpachtet, und zwar bis 1958/59 3,99 ha und ab Januar 1961 5,34 ha. Die 5,34 ha waren durch Verträge vom 1. Januar 1961 und neue Verträge vom 1. Januar 1967 unter Verwendung vorgedruckter Formulare jeweils auf 9 Jahre an zwei Pächter verpachtet worden. Dabei hatten die Verträge von 1961 in § 11 Abs. 4 folgende - in den Verträgen von 1967 fehlende - Bestimmung enthalten: "Bei Verkauf oder Tausch von Grundstücken oder wenn solche zum eigenen Bedarf des Verpächters benötigt werden, löst sich das Pachtverhältnis bis zum Ende des betreffenden Pachtjahres..."
Durch Bescheid vom 28. Dezember 1967 lehnte die Beklagte den Altersgeldantrag ab. Die - vom Sozialgericht (SG) abgewiesene - Klage hatte vor dem Landessozialgericht (LSG) Erfolg; es verurteilte die Beklagte, ab März 1967 Altersgeld nach § 33 Abs. 1 GAL 1965 zu gewähren. Das LSG hielt es für ausschlaggebend, ob der Kläger das Unternehmen (unter Berücksichtigung des Art. 2 § 2 Satz 2 AHNG 1965) schon 1961 oder erst 1967 abgegeben habe; denn nur im ersten Fall habe es auch in den 25 Jahren vorher mindestens 180 Kalendermonate (nämlich bis 1953) eine Existenzgrundlage gebildet (§ 33 Abs. 1 Buchst. c). Nach Ansicht des LSG haben schon die Verträge von 1961 die Abgabe bewirkt. Die dort in § 11 Abs. 4 enthaltene Verkaufsklausel sei ohnehin unschädlich, weil die Veräußerung eine noch stärkere Form der Abgabe sei. Von den weiteren Befugnissen zur Eigenbewirtschaftung oder zum Tausch (mit anschließender Bewirtschaftung der eingetauschten Grundstücke) habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht; diese Bestimmungen seien vom Geschehensablauf überholt worden. Aus ihnen habe man auch von Anfang an nicht entnehmen können, daß der Kläger auf dem Umweg des Tausches wieder landwirtschaftlicher Unternehmer werden wolle, zumal sein Gesundheitszustand eine Unternehmertätigkeit wesentlichen Umfangs ausgeschlossen hätte. Wenn der Kläger die Nachteile für den späteren Altersgeldanspruch erkannt hätte, wäre § 11 Abs. 4 sicher gestrichen worden. Bei Formularverträgen, durch die eine vorliegende Vertragsordnung akzeptiert werde, sei es wenig bedeutsam, was den Vertragsparteien von den einzelnen Bestimmungen bekannt sei. Die Auslegung könne dann dazu führen, unvernünftige oder grob unbillige Klauseln als nichtig anzusehen. Klauseln, denen sich Parteien bei richtiger Würdigung sicher nicht unterworfen hätten, würden nicht Vertragsbestandteil. Das müsse hier hinsichtlich des von den Vertragschließenden offensichtlich nicht gewollten § 11 Abs. 4 angenommen werden.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil des LSG aufzuheben.
Sie verneint eine Unternehmensabgabe zum 1. Januar 1961, weil die vorzeitige Auflösung der Pachtverträge im Belieben des Klägers gestanden habe. Daß er davon keinen Gebrauch gemacht habe, sei unerheblich. § 11 Abs. 4 habe für den damals 59 Jahre alten Kläger durchaus einen Sinn gehabt. Die Abänderung einzelner Bestimmungen (Zusatz in § 6, Streichung des § 14 Abs. 2) zeige, daß die Verträge mit Überlegung geschlossen worden seien.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
§ 11 Abs. 4 sei aus mehreren Gründen (in der Revisionsbegründung im einzelnen aufgeführt, u.a. wegen schwerer Krankheit) für ihn unvernünftig gewesen und nur stehen geblieben, weil er nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Die Verträge habe ein pensionierter Beamter erstellt, der nur nach den Verpflichtungen der Pächter gefragt habe. Dem Kläger sei zudem 1961 von der Beklagten nach Vorzeigen der Verträge erklärt worden, daß er Anspruch auf Altersgeld nach Vollendung des 65. Lebensjahres habe.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Altersgeld nach § 33 Abs. 1 GAL 1965. Hiernach erhalten Personen, die am 1. Oktober 1957 nicht mehr landwirtschaftliche Unternehmer i.S. des § 1 GAL waren, Altersgeld, wenn sie a) das 65. Lebensjahr vollendet haben, b) das Unternehmen abgegeben haben und c) während der 25 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, mindestens 180 Kalendermonate Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens i.S. des § 1 GAL waren. Zu Recht hat das LSG angenommen, daß der Kläger die - allein streitige - Anspruchsvoraussetzung unter c) nur erfüllt, wenn er das Unternehmen bereits 1961 und nicht erst 1967 abgegeben hat. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend eine Abgabe zum 1. Januar 1961 bejaht.
"Abgabe" ist - nach § 2 Abs. 3 GAL 1965 - die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Ist mit ihr kein Eigentumsübergang verbunden, so ist - nach § 2 Abs. 3 Satz 2 - die Voraussetzung der Abgabe nur erfüllt, wenn sie für einen Zeitraum von mindestens 9 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers schriftlich vereinbart worden ist. Abweichend hiervon bestimmt Art. 2 § 2 Satz 2 AHNG 1965 für den Personenkreis des § 33 Abs. 1 GAL, daß das Unternehmen - in Wahrung eines "Besitzstandes" - auch dann als abgegeben gilt, wenn es vor 1962 jedenfalls für 9 Jahre verpachtet worden ist. Im vorliegenden Falle hatten die Verträge von 1961 schon im Vordruck vorgesehen, daß "die Pacht 9 Jahre läuft...". Als Pachtbeginn ist dann der 1. Januar 1961 und als Ende der 31. Dezember 1969 eingesetzt worden. Die 5,34 ha sind demnach 1961 auf einen Zeitraum von 9 Jahren verpachtet worden. Gleichwohl fragt es sich, ob die in § 11 Abs. 4 enthaltenen Klauseln nicht eine Abgabe zum 1. Januar 1961 ausschließen.
Mit der Frage, ob Vertragsbestimmungen einer Abgabe entgegenstehen, hat sich schon der früher für die landwirtschaftliche Altershilfe zuständige 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) befaßt. Im Urteil vom 17. Februar 1965 (7 RLw 31/63) vertrat er die Auffassung, eine Todesfallklausel (Pachtende mit Tod des Verpächters) widerspreche den Abgabevorschriften; diese verlangten, daß der Pachtvertrag keine Möglichkeit einer früheren Auflösung enthalte (ob eine Kündigung wegen wichtigen Grundes unschädlich sei, blieb dahingestellt); nur dann habe sich der bisherige Unternehmer so lange vom Betrieb getrennt, daß er nicht mehr als Unternehmer gelten könne. Ein weiteres Urteil vom 26. Februar 1969 (7 RLw 1/66) betraf einen Überlassungsvertrag (Übertragungs- und Verpflegungsvertrag), in dem das Recht auf Nutznießung und Rückübertragung vorbehalten worden war. Nach der Meinung des 7. Senats könne ein solcher Vorbehalt an sich dazu berechtigen, eine Abgabe zu verneinen. Der Vorbehalt habe jedoch nur der Sicherung von Vertragsrechten gedient; nach den Umständen habe der Übergebende (ua wegen seines Alters von 60 Jahren) nicht beabsichtigt, die Unternehmerfunktion wieder auszuüben, diese also aufgegeben und damit die Abgabe vollzogen.
Beide Fälle zeigen schon, daß die Schädlichkeit von Sonderbestimmungen nicht einheitlich und auch nicht aus dem Gesetzeswortlaut, sondern nur aus Sinn und Zweck des Gesetzes beurteilt werden kann. Die im GAL geforderte Unternehmensabgabe hat im wesentlichen agrarpolitische Gründe; sie soll mit dazu beitragen, daß die landwirtschaftlichen Unternehmen rechtzeitig an jüngere Kräfte übergeben werden, die dann nach modernen Erkenntnissen wirtschaften können. Das läßt sich in der Regel nur verwirklichen, wenn der bisherige (ältere) Unternehmer die Unternehmereigenschaft endgültig aufgibt. Ein Verzicht auf begrenzte Zeit, wie er bei der Verpachtung erfolgt, fügt sich nur schwer in diese Konzeption ein; um so mehr sollten dann aber möglichst keine Abmachungen es dem Verpächter gestatten, das Pachtland noch vor dem Pachtende wieder zu übernehmen. Andererseits wäre es jedoch unbillig, die vorzeitige Rücknahme schlechthin zu versagen, etwa auch dann, wenn triftige Gründe, die ausschließlich der Pächter zu vertreten hat, Anlaß dazu geben. Deshalb hält der Senat die dem Kläger in § 11 Abs. 1 der Verträge von 1961 eingeräumte Befugnis, außer in den gesetzlich festgelegten Gründen dann zu kündigen, wenn der Pächter nach Sachverständigengutachten schlecht wirtschaftet und die Mängel nicht behebt oder wenn die Fortsetzung des Pachtvertrages aus einem in der Person des Pächters liegenden Grunde für den Verpächter eine unbillige Härte bedeuten würde, für unschädlich. Zuzustimmen ist dem LSG ferner, daß eine Verkaufsklausel (Pachtende bei Grundstückverkauf) gleichfalls nicht die Annahme ausschließt, das Unternehmen sei schon mit der Verpachtung "abgegeben" worden; denn im Falle des Verkaufs wird der Verpächter nicht wieder landwirtschaftlicher Unternehmer. Zwar steht dann dem Pächter das Pachtland ggf. nicht für die ganze Pachtzeit zur Verfügung, so daß eines der Gesetzesziele, die Förderung moderner Agrarwirtschaft, gefährdet werden kann; das ist jedoch kein zureichender Grund, die Abgabe zu verneinen; die Unternehmensabgabe ist nämlich Voraussetzung für den Altersgeldanspruch des Verpächters und daher im wesentlichen aus seinen Verhältnissen zu beurteilen. Ebensowenig ist eine Tauschklausel (Pachtende bei Grundstückstausch) als schädlich anzusehen; denn nur die verpachteten, nicht auch die einzutauschenden Grundstücke sind das abzugebende Unternehmen (Unternehmensteil) i.S. des § 2 (Abs. 7) GAL 1965; für die Pachtgrundstücke gilt aber beim Tausch nichts anderes als beim Verkauf. Eine Klausel dagegen, die eine vorzeitige Lösung des Pachtverhältnisses zuläßt, wenn der Verpächter die Grundstücke für den eigenen Bedarf benötigt (Eigenbedarfsklausel), muß grundsätzlich die Unternehmensabgabe ausschließen.
Der Senat kann dem LSG nicht darin folgen, daß hier die in § 11 Abs. 4 der Verträge von 1961 enthaltene Eigenbedarfsklausel gar nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Zu diesem Schluß ist das LSG deshalb gekommen, weil es Grundsätze für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die unter Verwendung vorgedruckter Formulare geschlossenen Verträge von 1961 entsprechend angewendet hat. Der Senat kann offen lassen, wieweit das zulässig ist (vgl. dazu BGH LM Nr. 14 zu § 157 (A) BGB und BGHZ 51, 55, 59 sowie Schmidt/Salzer, NJW 1967, 373). Denn in jedem Falle enthält die "Vertragsauslegung" des LSG einen Rechtsverstoß, weil das LSG die Unbilligkeit der - für den Kläger als Verpächter doch an sich vorteilhaften - Klausel allein mit den nachteiligen Folgen für den späteren Altersgeldanspruch des Klägers begründet hat. Dieser Umstand ist für die vertraglichen Beziehungen des Klägers zu seinen Pächtern bedeutungslos gewesen; selbst bei entsprechender Anwendung der Auslegungsgrundsätze für Allgemeine Geschäftsbedingungen läßt sich damit die zivilrechtliche Gültigkeit des § 11 Abs. 4 nicht verneinen. Ebensowenig sind andere Gründe für dessen Unwirksamkeit zu erkennen. Der vom LSG festgestellte Sachverhalt ergibt zwar, daß die Vertragsparteien die Verträge von 1961, was § 11 Abs. 4 betrifft, unbesehen unterschrieben haben. Nach allgemeinem Vertragsrecht müssen sie sich aber auch die Erklärungen als Vertragsinhalt zurechnen lassen, deren Inhalt sie nicht erkannt haben.
Gleichwohl kann der Senat die Feststellungen des LSG zur Eigenbedarfsklausel nicht für unerheblich halten. Es kann zwar keine Rolle spielen, daß der Kläger keinen Gebrauch davon gemacht hat; denn die Frage der Unternehmensabgabe darf nur nach den Verhältnissen z.Z. der Verpachtung beurteilt werden (anders z.T. bei den schon vor dem 1. Oktober 1957 geschlossenen Verträgen). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG - die mit keinen Verfahrensrügen angegriffen und für den Senat darum bindend sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) - machen indessen deutlich, daß eine Realisierung der Eigenbedarfsklausel hier von vornherein nicht zu erwarten war. Denn, wie sich aus dem Gesamtinhalt der Urteilsgründe des LSG ergibt, war der Inhalt dieser Bestimmung dem Kläger und seinen Pächtern überhaupt nicht bewußt; nach den bei Vertragsschluß erkennbaren Umständen war ein Bedürfnis für eine solche Klausel zudem nicht gegeben. Die Eigenbedarfsklausel hatte daher hier keinen Wirklichkeitswert; sie war Vertragsbestandteil nur geworden, weil sie in den Formularen stand, die für die Verträge benutzt wurden. Solche Abmachungen aber, die eigentlich "nur auf dem Papier stehen", dürfen nicht die Annahme hindern, daß der Verpächter seine Unternehmerfunktion wirklich für die volle Pachtzeit hat aufgeben wollen (vgl. dazu das Urteil des 7. Senats vom 26.2.1969). Wer Anspruch auf Altersgeld erhebt, muß zwar Verträge mit einer Eigenbedarfsklausel im allgemeinen gegen sich gelten lassen; insbesondere gehen Zweifel an ihrem Wirklichkeitswert zu seinen Lasten. Im vorliegenden Fall läßt der vom LSG festgestellte Sachverhalt jedoch keine Zweifel, daß die Vertragsparteien eine Eigenbedarfsklausel weder gewollt noch auch nur "hingenommen" hatten. Es wäre somit unbillig, den Anspruch des rechtlich unerfahrenen Klägers auf Altersgeld für alle Zukunft allein daran scheitern zu lassen, daß die Vertragsvordrucke von 1961 eine Eigenbedarfsklausel enthalten haben, die in Inhalt und Tragweite von den Vertragsparteien gar nicht erkannt worden ist.
Die Revision der Beklagten ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen