Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Kriegsgefangener. Unfall. versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand des § 1 Abs 2 Buchst b BVG
Orientierungssatz
Für die Gewährung von Versorgung für den Unfall eines Kriegsgefangenen ist Voraussetzung, dass der Unfall den versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand des § 1 Abs 2 Buchst b iVm § 1 Abs 1 BVG erfüllt.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 2 Buchst. b, Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 1971 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der am 25. Oktober 1922 geborene Kläger stammt aus R (T, Estland). Im Oktober 1939 wurde er als Baltendeutscher nach P umgesiedelt; er erwarb am 5. November 1939 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit Juli 1940 leistete er Kriegsdienst als deutscher Soldat und geriet bei Kriegsende im Mai 1945 im Kurlandabschnitt in russische Gefangenschaft. Um einer Bestrafung als "Vaterlandsverräter" zu entgehen, floh der Kläger im April 1946 aus dem Kriegsgefangenenlager in R. Er hielt sich bei einer ihm bekannten Familie verborgen und konnte sich falsche Papiere auf den Namen R verschaffen. Unter diesem Namen nahm er Arbeit auf, heiratete im Januar 1947 die Tochter seiner Bekannten und lebte mit seiner Ehefrau in V/Estnische Sowjet-Republik. Er machte eine Berufsausbildung zum Bautechniker durch und übte diese Berufstätigkeit aus; zuletzt war er als Bauleiter bei einem Baubüro für Kolchosen und Sowchosen tätig.
Nachdem 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR die Entlassung aller deutschen Kriegsgefangenen vereinbart wurde und ein Amnestieerlaß der russischen Regierung den geflohenen Kriegsgefangenen, die sich noch im russischen Staatsgebiet aufhielten, Straffreiheit zugesichert hatte, meldete sich der Kläger im Jahre 1956 in R zur Richtigstellung seiner Personalien; er erhielt im März 1957 für sich und seine Familie Personalpapiere, die auf seinen richtigen Namen lauteten. Der Kläger nahm Verbindung zu seinen in Deutschland lebenden Geschwistern auf und betrieb seither seine Ausreise nach Deutschland. Nach langwierigen Bemühungen erhielt er schließlich im November 1964 für sich und seine Familie die Ausreise-Genehmigung und traf am 15. November 1964 im Grenzdurchgangslager F ein. Der Kläger wurde als Heimkehrer anerkannt; ihm wurde eine Kriegsgefangenenentschädigung nach § 3 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (KgfEG) für die Zeit vom 9. Mai 1945 bis 11. November 1964 zuerkannt.
Im April 1965 beantragte der Kläger die Gewährung von Versorgung wegen Magenleidens, nervöser Störungen und Folgen eines Bruches des linken Unterarms. Diesen Armbruch hatte sich der Kläger nach seinen Angaben am 20. Juli 1962 zugezogen, als er auf einer Dienstfahrt zu den von ihm zu beaufsichtigenden Baustellen mit dem Motorrad stürzte. Nach Einholung mehrerer fachärztlicher Gutachten - dabei fand sich an den inneren Organen kein krankhafter Befund, insbesondere kein Anhalt für ein Magen- oder Herz-Kreislaufleiden; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der Armverletzung wurde auf 10 v.H. geschätzt - erkannte die Versorgungsbehörde durch Bescheid vom 21. Juni 1966 "Verlust der Zähne 1 und 2 beiderseits oben" als Schädigungsfolge ohne rentenberechtigenden Grad der MdE an; die weitergehenden Ansprüche des Klägers wurden abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er sich nur noch gegen die Nichtanerkennung der Folgen des Unterarmbruchs und gegen die Nichtanerkennung weiterer Zahnverluste wandte, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1967 mit der Begründung zurückgewiesen, die Kriegsgefangenschaft des Klägers sei spätestens im Jahre 1956 beendet gewesen; seither habe der Kläger in einem zivilen Arbeitsverhältnis gestanden.
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten durch Urteil vom 15. Januar 1969 unter Abänderung des Bescheides vom 21. Juni 1966/11. Januar 1967 verurteilt, zusätzlich "Narben am Linken Unterarm, geringe Behinderung der Unterarmdrehbewegung sowie der Bewegungsausschläge im Handgelenk nach Spreizspeichenbruch links und Narbe linke Augenbraue" als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anzuerkennen und hierfür Versorgung nach dem BVG zu gewähren. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 11. Februar 1971 das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Versorgungsbehörden seien nicht an die Auslegung gebunden, welche die für die Erteilung der Heimkehrerbescheinigung zuständigen Behörden bei der Anwendung des Heimkehrergesetzes den Begriffen Kriegsgefangenschaft und Internierung zugrunde gelegt hätten. Jedenfalls seit 1956, dem Zeitpunkt, als der Kläger wieder seinen wahren Namen annehmen und sein Berufsleben fortsetzen konnte, sei jede Gefährdung für Leib oder Leben des Klägers ausgeschlossen gewesen. Zumindest mit diesem Zeitpunkt sei die Flucht als gelungen und die Gefangenschaft als beendet anzusehen. Der Kläger habe zwar auch nach 1956 bis zur Genehmigung seiner Ausreise im Jahre 1964 noch im Gebiet der UdSSR verbleiben müssen. Bloße Einschränkungen der Freizügigkeit oder Ausreiseschwierigkeiten erfüllten jedoch für sich allein nicht den Begriff des Festgehaltenwerdens im Sinne einer Kriegsgefangenschaft. Der Kläger sei daher im Jahre 1962, als er seinen Motorradunfall erlitten habe, nicht mehr Kriegsgefangener gewesen. Ein Versorgungsschutz für die Folgen des Unfalls nach dem BVG habe nicht mehr bestanden.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 24. März 1971 zugestellt, der dagegen am 5. April 1971 Revision eingelegt und diese rechtzeitig innerhalb der bis zum 24. Juni 1971 verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet hat.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Berufungsurteils vom 11. Februar 1971 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 15. Januar 1969 zurückzuweisen,
sowie dem Beklagten die dem Kläger in allen Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
In seiner Revisionsbegründung rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts, nämlich des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG, und trägt dazu vor, er sei als deutscher Soldat und Angehöriger einer deutschen militärischen Einheit in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Eine Änderung im Status des Kriegsgefangenen sei für ihn während der Zeit, in der er dank seiner Sprachkenntnisse und der Kenntnisse der Lebensgewohnheiten der dort lebenden Bevölkerung unentdeckt untertauchen konnte, nicht eingetreten. Er sei aber auch in der Zeit nach 1956 bis zum Verlassen der UdSSR Kriegsgefangener im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG geblieben. Die jetzt noch bestehenden Folgen des in diesen Zeitraum fallenden Unfalls aus dem Jahre 1962 seien daher Schädigungsfolgen im Sinne des BVG. Unstreitig sei der Status eines Kriegsgefangenen bis zum Zeitpunkt der Zusicherung von Straffreiheit (Amnestie) in vollem Umfang erhalten geblieben. Sei dies aber der Fall, dann habe der freigelassene Kriegsgefangene den auch nach internationalem Recht (Genfer Konvention) legitimen Anspruch auf Heimschaffung für sich beanspruchen können. Er, der Kläger, sei zwar aufgrund der Amnestie nach Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung seiner Identität "freigelassen" worden, d.h. er sei nicht mehr der vor dem Amnestie-Erlaß für ihn bestehenden Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt gewesen. Eine Heimschaffung sei jedoch erst mehrere Jahre später, nämlich im November 1964 erfolgt. An seiner deutschen Staatsangehörigkeit habe auch für die Behörden der UdSSR kein Zweifel bestehen können; er sei zu keiner Zeit Bürger der Sowjetunion gewesen. Die Maßnahmen der sowjetischen Behörden, trotz Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit die "Heimschaffung" über Jahre hinaus zu verzögern, ständen in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest und meint, dem Gewahrsam, in den der Kläger durch die Gefangennahme geraten war, habe er sich dadurch endgültig entzogen, daß er 1946 aus dem Kriegsgefangenenlager entflohen sei. Auch als er sich 1956 in R zur Richtigstellung seines Namens bei der zuständigen Behörde gemeldet habe, sei er nicht wieder in diesen Gewahrsam geraten.
II
Die durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) statthafte Revision ist nicht begründet.
Da der Kläger seinen Antrag auf Versorgung im April 1965 gestellt hat, findet das BVG in der seit diesem Zeitpunkt jeweils geltenden Fassung (2. und 3. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964, BGBl I S. 85, bzw. vom 28. Dezember 1966, BGBl I S. 750 - 2. und 3. NOG -) Anwendung. Der Kläger rechnet zu dem Personenkreis, auf den das Gesetz gemäß § 7 Abs. 1 Ziff. 1 BVG angewendet wird. Er besitzt seit November 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. §§ 8 ff des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913, RGBl S. 583, mit seinen späteren Änderungen) und hat seinen Wohnsitz seit November 1964 im Geltungsbereich des BVG.
Der Kläger macht Schäden geltend, die er sich im Jahre 1962 seiner Ansicht nach als "Kriegsgefangener" beim Sturz von einem Motorrad zugezogen hat. Er wendet sich gegen die Auffassung des LSG, jedenfalls seit 1956, dem Zeitpunkt, als der Kläger wieder seinen wahren Namen annehmen und sein Berufsleben fortsetzen konnte, sei jede Gefährdung für Leib und Leben ausgeschlossen und damit die Kriegsgefangenschaft beendet gewesen. Für den vorliegenden Fall kann jedoch dahingestellt bleiben, zu welchem Zeitpunkt die Kriegsgefangenschaft des Klägers beendet gewesen ist. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob eine Kriegsgefangenschaft bereits mit der Aufnahme eines zivilen Arbeitsverhältnisses (vgl. BSG 3, 268; 13, 16) oder in jedem Fall erst mit der Heimschaffung in das Heimatland des Kriegsgefangenen endet (vgl. Urteil BSG vom 23. September 1970 - 9 RV 130/68 -; BVerwG 6, 223; 17, 27; 19, 204; BVerwG in NJW 1958, 275; Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk BVerwG, Leitzahl 412.4, Nr. 34 zu § 2 KgfEG), oder ob schon die freie Bewegungs- und Betätigungsmöglichkeit ohne Bewachung, aber unter den im Aufenthaltsland allgemein üblichen Ausreisebeschränkungen, zu einer Beendigung der Kriegsgefangenschaft führt (vgl. BVerwG 6, 237; Buchholz, Leitzahl 412.4, aaO Nr. 32). Auch wenn der Kläger seinen Status als Kriegsgefangener zur Zeit des Unfalls im Jahre 1962 noch nicht verloren hatte, so ist durch diesen Unfall nicht der versorgungsrechtlich geschützte Tatbestand des § 1 Abs. 2 Buchst. b iVm § 1 Abs. 1 BVG erfüllt.
Nach § 1 Abs. 2 BVG stehen einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 Schädigungen gleich, die ... b) durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden sind. Mit dem Wort "durch" bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schädigung und der Kriegsgefangenschaft bestehen muß und daß dieser ursächliche Zusammenhang nach der in der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm zu beurteilen ist (vgl. BSG 17, 225). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind als Ursachen und Mitursachen im Rechtssinne nicht alle Bedingungen eines Erfolges im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zu verstehen, sondern nur diejenigen, die bei Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BSG 1, 150, 156; 1, 268, 270). Die Kriegsgefangenschaft - sofern sie als fortbestehend anzusehen ist - war zwar eine von mehreren Bedingungen für den Unfall des Klägers, denn durch die Gefangenschaft hatte er in Russland verbleiben müssen und nicht nach Deutschland zurückkehren können. Wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne war sie jedoch nicht, denn die gesamten Umstände des Unfalls lassen schon nach der eigenen Darstellung des Klägers eine unmittelbare und wesentliche Einwirkung der Gefangenschaft nicht erkennen.
Andererseits bestimmt § 1 Abs. 1 BVG, auf den Absatz 2 verweist, daß Versorgung auch dem gewährt wird, der durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat. Der erkennende Senat hat hierzu bereits ausgesprochen (vgl. BSG 8, 264 = SozR BVG Nr. 32 zu § 1), daß nach dem Gesetzeswortlaut bei einer Schädigung durch einen Unfall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem militärischen Dienst nicht erforderlich ist, sondern daß insoweit nur ein zeitlicher Zusammenhang gefordert wird. Der Senat hat aber in der genannten Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, daß nach dem Gesetzeswortlaut ein Unfall "während der Dienstzeit" gerade nicht genügt, sondern daß sich der Unfall während der tatsächlichen Ausübung des militärischen Dienstes ereignet haben muß. Das bedeutet, daß der Verletzte den militärischen Dienst in der Zeit, als sich der Unfall ereignete, nicht durch eine dienstfremde, rein persönliche Tätigkeit unterbrochen haben darf, so daß er militärischen Dienst zu diesem Zeitpunkt gar nicht ausüben konnte und auch nicht ausgeübt hat (vgl. BSG aaO; BSG 13, 16; SozR BVG Nr. 44, 49, 50, 69 und 19 zu § 1).
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Soldat in der Gefangenschaft im gleichen Umfang wie im Wehrdienst - also gegen die Auswirkungen der Gefangenschaft - versorgungsrechtlich geschützt sein. Die sinngemäße Anwendung des Absatzes 1 auf den Begriff der Gefangenschaft bedeutet also, daß der Soldat auch gegen die Folgen eines Unfalls "während einer Dienstverrichtung in der Gefangenschaft" geschützt ist (vgl. BSG 13, 16, 18). Der geschützte Bereich der "Dienstverrichtungen" ist in der Gefangenschaft eher noch weiter zu ziehen als im Wehrdienst; denn der durch den Gefangenengewahrsam üblicherweise ausgeübte Zwang erfaßt nicht nur die unmittelbaren Dienstleistungen, sondern in großem Umfang auch die gesamte Lebensführung. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie weit der Gefangene dem Gewahrsam der feindlichen Macht unterworfen ist, welchen Beschränkungen er unterliegt und inwieweit dadurch seine Bewegungsfreiheit und seine Lebensführung beeinträchtigt werden. Je strenger und enger der Gewahrsam gehandhabt wird, z.B. in einem bewachten Gefangenenlager, um so weitgehender sind Unfälle eines Gefangenen auf die Ausübung seiner Dienstverrichtung zu beziehen. Andererseits sind aber auch in der Gefangenschaft die Unfälle auszuschließen, die eindeutig der versorgungsrechtlich nicht geschützten Privatsphäre zuzurechnen sind. So liegt der Fall aber hier.
Nach den nicht angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger den Unfall erlitten, als er im Rahmen seines privaten Arbeitsverhältnisses mit einem Motorrad unterwegs war, um die von ihm beaufsichtigten Baustellen aufzusuchen. Diese Tätigkeit hatte mit dem Begriff der Gefangenschaft, selbst wenn dieser im Sinne des Klägers noch so weit gefaßt wird, nichts zu tun. Der Kläger hat den Unfall nicht bei gefangenschaftsbedingter Arbeit erlitten. Vielmehr ging er, wie jeder andere russische Staatsbürger, im normalen Zivilleben einem privaten Broterwerb nach und hat bei dieser Tätigkeit einen "Arbeitsunfall" erlitten. Dabei kann dahinstehen, auf welche Ursachen der Unfall zurückzuführen ist, denn etwaige schlechte Straßenverhältnisse und Mängel am Motorrad würden ausschließlich den allgemeinen zivilen Verhältnissen, nicht aber der Gefangenschaft zuzurechnen sein. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Kläger gerade auf Grund seines Gefangenenstatus verpflichtet gewesen wäre, die Überlandfahrten auszuführen; darüber hat aber der Kläger nichts vorgetragen und das LSG nichts festgestellt.
Der Unfall ist auch nicht auf die dem Wehrdienst bzw. der Gefangenschaft eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen (§ 1 Abs. 1 BVG, dritte Alternative). Nach der Rechtsprechung des BSG sind "dem Wehrdienst eigentümlich" Verhältnisse, die den Eigenarten des Dienstes entsprechen (vgl. Urteil des erkennenden Senats in SozR SVG, Nr. 2 zu § 81 mit weiteren Hinweisen). Den Eigenarten der Gefangenschaft entspricht es aber gerade nicht, wenn der "Gefangene" sich frei und ohne Bewachung bewegen kann, wenn er ein ziviles Arbeitsverhältnis eingeht und einem privaten Broterwerb unter dem für die Bürger des "Gewahrsamslandes" üblichen Bedingungen nachgeht. Die Gefangenschaft war hier allenfalls die "Gelegenheitsursache"; den besonderen Umständen der Gefangenschaft kann dieser Unfall jedenfalls nicht zugeschrieben werden.
Der Kläger vermag auch keine Rechte daraus herzuleiten, daß in der Heimkehrerbescheinigung die gesamte Zeit vom 9. April 1945 bis 15. November 1964 als Kriegsgefangenschaft anerkannt und ihm für die gesamte Zeit eine Kriegsgefangenenentschädigung - allerdings begrenzt auf den damaligen Höchstbetrag von 12.000 DM - gewährt worden ist. Abgesehen davon, daß die Versorgungsbehörden nicht an die Auslegung gebunden sind, die die für die Erteilung der Heimkehrerbescheinigung und die Zuerkennung der Kriegsgefangenenentschädigung zuständigen Behörden bei der Anwendung des Heimkehrergesetzes und des KgfEG (vom 30. Januar 1954 - BGBl I S. 5 - idF der Bekanntmachung vom 1. September 1964 - BGBl I S. 635, 695 -) dem Begriff Kriegsgefangenschaft zugrunde gelegt haben (vgl. Urteil BSG vom 23. September 1970 aaO), lassen die verschiedenen Zielsetzungen dieser Gesetze keine Folgerungen für die Auslegung der allein nach dem BVG maßgeblichen versorgungsrechtlichen Begriffe zu (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1969 - 10 RV 543/67 -; s. auch BSG in SozR UBG Nr. 1 zu § 2). Das KgfEG stellt es allein auf die zeitliche Dauer der Gefangenschaft ab, die - abgesehen von einer geglückten Flucht - nur durch Freilassung und Heimschaffung - hier also im November 1964 - endet (vgl. BVerwG 6, 223; BVerwG in NJW 1958, 275; Buchholz, Leitsatz 412.4 aaO Nr. 34). Dagegen muß bei einem Versorgungsanspruch nach dem BVG entweder ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Gefangenschaft und der Schädigung bestehen (§ 1 Abs. 1 Buchst. b BVG) oder letztere muß durch einen Unfall "während der Ausübung der Gefangenschaft" eingetreten sein. Diese Voraussetzungen sind hier nach den obigen Ausführungen nicht gegeben.
Damit zeigt sich, daß ein Versorgungsanspruch auch dann nicht gegeben ist, wenn zugunsten des Klägers ein Fortbestehen der Gefangenschaft bis zur Ausreise im Jahre 1964 angenommen wird. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 BVG sind, wie das LSG zutreffend entschieden hat, gleichfalls nicht gegeben, da sich der Kläger weder auf einem Dienstweg im Zusammenhang mit der Gefangenschaft befunden noch den Unfall auf dem Heimtransport erlitten hat. Der Kläger hat insoweit Angriffe auch nicht erhoben.
Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen