Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung
Leitsatz (amtlich)
1. Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht mehr zurückgenommen werden, beschränkt die Aussparungsvorschrift des § 48 Abs 3 SGB 10 den Vertrauensschutz bei jedweder Änderung zugunsten des Berechtigten auf den Zahlbetrag (Anschluß an BSG vom 9.6.1988 - 4/1 RA 57/87).
2. Ist der Berufsschadensausgleich zu hoch berechnet worden, so kann nur der Berufsschadensausgleich, nicht die Gesamtleistung der Kriegsopferversorgung von der Rentenerhöhung ausgespart werden.
3. Die erste Grundentscheidung über die Aussparung nach § 48 Abs 3 SGB 10 ist berufungsfähig.
Orientierungssatz
Die Berufung ist nicht nach § 148 Nr 3 SGG ausgeschlossen, wenn die Verwaltung nicht ausschließlich eine Neufeststellung iS des § 48 Abs 1 SGB 10 vorgenommen hat, sondern den Zuwachs nach § 48 Abs 3 SGB 10 einschränkt. Im Streit- und Berufungsgegenstand sind hier die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB 10 mit den Rechtsfolgen aus § 45 SGB 10 vermischt; das liegt außerhalb des bezeichneten Tatbestandes des § 148 Nr 3 SGG (vgl BSG vom 26.9.1961 - 10 RV 1123/60 = SozR Nr 25 zu § 148 SGG).
Normenkette
SGB 10 § 48 Abs. 3; BVG § 30 Abs. 5 Fassung: 1976-06-22, Abs. 6; SGG § 148 Nr. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.09.1986; Aktenzeichen L 11 V 3144/85) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 20.06.1985; Aktenzeichen S 6 V 828/84) |
Tatbestand
Das Versorgungsamt stellte die Versorgungsbezüge des Klägers nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für die Zeit ab 1. Februar 1978 wegen nicht schädigungsbedingten Ausscheidens aus dem Erwerbsleben zweimal neu fest. Im ersten, rechtskräftig beendeten Verfahren berechnete es den Berufsschadensausgleich nach der Nachschadensregelung des § 30 Abs 5 BVG 1975 bis zum 31. März 1981 neu und forderte den überzahlten Betrag zurück (Bescheid vom 18. Februar 1981). Diese Entscheidung hat das Bundessozialgericht (BSG) aufgehoben (Urteil vom 10. August 1983 - 9a RV 33/82 -). Im zweiten Verfahren stellte die Verwaltung die Unrichtigkeit der Rentenberechnung ab 1. Februar 1978 (Bescheid vom 21. Februar 1978 und Folgebescheide) fest, soweit die Nachschadensregelung nicht angewandt worden war, und gewährte, da diese Verwaltungsakte wegen Fristablaufs nicht mehr nach § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zurückgenommen werden könnten, nach § 48 Abs 3 SGB X den ab 1. Januar 1981 zuletzt ohne Nachschadensregelung festgestellten Gesamtrentenbetrag von 728,-- DM (Bescheid vom 18. Dezember 1980) so lange, bis der unter Anwendung dieser Regelung ermittelte Gesamtbetrag jenen erreicht oder übersteigt; mit Rücksicht auf diesen Betrag wurde eine Nachzahlung von 4.302,-- DM für die Zeit vom 1. April 1981 bis 31. März 1984 errechnet (Bescheid vom 14. Februar 1984). Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Änderung des Bescheides verurteilt, dem Kläger einen Berufsschadensausgleich ohne Nachschadensregelung zu gewähren (Urteil vom 20. Juni 1985). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG geändert und die Verwaltung verurteilt, dem Kläger die Grundrente in voller Höhe auszuzahlen und sie nicht in die Bestandschutzregelung des § 48 Abs 3 SGB X einzubeziehen (Urteil vom 29. September 1986). Das Berufungsgericht hält den Bescheid vom 21. Februar 1978 insoweit für unrichtig, als die Nachschadensregelung nicht angewendet wurde. Die nachträglichen Rentenanpassungen seien nach § 48 SGB X zu behandeln. Jedoch erfasse § 48 Abs 3 SGB X nicht die Grundrente. Die fehlerhafte, nach dieser Vorschrift durch "Abschmelzen" zu erfassende Berechnung beschränke sich zu Lasten des Klägers auf den Berufsschadensausgleich.
Beide Beteiligte haben die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt.
Der Kläger wendet sich gegen die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X, soweit das Berufungsurteil den Berufsschadensausgleich berührt. Es sei schon fraglich, ob die jährlichen Anpassungen überhaupt eine Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 3 SGB X darstellten. Jedenfalls könne aber die "Abschmelzung" nach dieser Vorschrift nur auf eine bestandskräftige unrichtige Berücksichtigung einzelner Berechnungsfaktoren gestützt werden, nicht dagegen auf den Grund des Anspruches, über den hier nicht gemäß der Nachschadensregelung entschieden worden sei. Das habe das SG zutreffend erkannt.
Der Beklagte beanstandet ebenfalls eine unrichtige Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X. Entscheidend sei die Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheides, der nicht mehr zurückgenommen werden könne. Falls die Anpassung an die richtige Anspruchshöhe auf die einzelnen, rechtswidrig festgestellten Leistungen beschränkt bliebe, laufe die Vorschrift in den Fällen leer, in denen der richtige Anspruch, zB auf Berufsschadensausgleich, auf Null sinke.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es der Berufung des Beklagten stattgegeben hat, und die Berufung auch in diesem Umfang zurückzuweisen, außerdem die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, außerdem die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Durch Vergleich haben die Beteiligten übereinstimmend den im Bescheid vom 14. Februar 1984 als bestandskräftig festgehaltenen Betrag für diesen Rechtsstreit für maßgebend erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der beiden Beteiligten sind wohl zulässig, aber sachlich nicht begründet.
Die Beschwer, von der die Zulässigkeit eines Rechtsmittels abhängt, ist durch die Entscheidung des LSG sowohl für den Kläger als für den Beklagten gegeben. Das ergibt eine sachgemäße Auslegung der von den beiden Vorinstanzen gewählten Urteilsformeln, wobei die jeweiligen Entscheidungsgründe ergänzend bedeutsam sind. Das SG hat der Anfechtungsklage in vollem Umfang stattgegeben, wobei die Verurteilung überflüssig war. Das LSG hat der Berufung des Beklagten nur teilweise, und zwar bezüglich der Höhe des Berufsschadensausgleichs, stattgegeben. Dies wird durch die jeweiligen Gründe bestätigt. Die Entscheidung zu Lasten des Klägers hätte in der Formel des Berufungsurteils dadurch zum Ausdruck kommen müssen, daß die Klage bezüglich der "Aussparung" des Berufsschadensausgleichs von der Anpassung abgewiesen wurde. Im übrigen, dh bezüglich der Höhe der Grundrente, hat das LSG - ebenso wie das SG - dem Kläger Recht gegeben; dies hätte es durch Zurückweisung der Berufung in der Urteilsformel, die lediglich den Inhalt des selbständigen Streitgegenstandes kennzeichnet, klarstellen müssen.
Das LSG hat zu Recht eine Sachentscheidung getroffen; die Berufung war nicht nach § 148 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Zwar hat die Verwaltung in dem Verwaltungsakt, dessen Anfechtung auch den Berufungsgegenstand bestimmt, aufgrund einer nachträglich ermittelten Änderung der Einkommensverhältnisse, von denen der Berufsschadensausgleich abhängt, über die Versorgungsleistungen neu entschieden. Sie hat aber nicht ausschließlich eine Neufeststellung iS des § 48 Abs 1 SGB X (vom 18. August 1980 -BGBl I 1469, 1980-; wie früher § 62 Abs 1 BVG) und damit iS des § 148 Nr 3 SGG vorgenommen, dh eine solche entsprechend dem Ausmaß der nachträglichen Änderung auf der Grundlage der vorhergehenden bestandskräftigen Festsetzung. Vielmehr hat sie, abweichend von dieser Rechtsfolgenregelung, den Zuwachs nach § 48 Abs 3 SGB X eingeschränkt. Im Streit- und Berufungsgegenstand in einem Fall wie hier sind Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X mit Rechtsfolgen aus § 45 SGB X vermischt; das liegt außerhalb des bezeichneten Tatbestandes des § 148 Nr 3 SGG (vgl zu ähnlichen Fällen: BSG SozR Nrn 25 und 29 zu § 148 SGG; 1500 § 145 Nr 2; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 148 Anm 4 S III/72 - 30 und 31). Die erste Grundentscheidung über die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X ist berufungsfähig.
Die Berufung war auch nicht nach § 148 Nr 2 SGG ausgeschlossen, weil sie nur Versorgung für bereits vor ihrer Einlegung abgelaufene Zeiträume betroffen hätte. Ob sich der nach § 48 Abs 3 SGB X bestandskräftig festgestellte Berufsschadensausgleichsbetrag nach der vor dem Berufungsverfahren eingetretenen Vollendung des 65. Lebensjahres gegenüber dem sich nach der Nachschadensregelung maßgebenden Einkommensverlust, dem Unterschied zwischen dem jeweils um 25 vH zu kürzenden Brutto- und Vergleichseinkommen (§ 30 Abs 4 Satz 1, Abs 5 und 6 Satz 1 BVG nF, § 8 Berufsschadensausgleichsverordnung), nicht mehr zugunsten des Klägers auswirkt, ist nicht offensichtlich. Das gilt auch dann, wenn der beizubehaltende Berufsschadensausgleich entsprechend einem Einkommensverlust, der durch ein um 25 vH gekürztes Durchschnittseinkommen als Vergleichseinkommen bestimmt wird, zu vermindern wäre.
Das Berufungsurteil ist im wesentlichen zutreffend. Der Rechtsstreit hat zu folgendem Ergebnis geführt: Der Beklagte hat § 48 Abs 3 SGB X grundsätzlich mit Recht angewendet, beschränkt auf den Berufsschadensausgleich. Die Grundrente muß entgegen der Ansicht der Verwaltung außer Betracht bleiben. Maßgebend für zukünftige Anpassungen ist als bestandskräftiger Betrag der Berufsschadensausgleich in der Ende 1980 zuerkannten Höhe.
Nach der "Abschmelzungs"-, "Aussparungs"-, "Festschreibungs"- oder "Einfrierungs"-Vorschrift des § 48 Abs 3 SGB X darf die wegen nachträglicher Änderung zugunsten des Betroffenen neu festzustellende Leistung, über die vorher rechtswidrig, aber nicht nach § 45 SGB X zurücknehmbar entschieden worden ist, nicht über den Betrag hinausgehen, "wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt". Dieser Tatbestand ist hier bezüglich des Berufsschadensausgleichs gegeben.
1978 hätte der Berufsschadensausgleich des Klägers, genauer: der ihn bestimmende schädigungsbedingte Einkommensverlust (§ 30 Abs 3 BVG) nicht, wie geschehen, nach der Regelungsvorschrift des § 30 Abs 4 BVG (idF der Bekanntmachung vom 22. Juni 1976 -BGBl I 1633-) festgesetzt werden dürfen, sondern unter Anwendung der Nachschadensregelung des § 30 Abs 5 BVG (idF des HStruktG-AFG vom 18. Dezember 1975 -BGBl I 3113-, jetzt § 30 Abs 6 BVG idF des 11. AnpGKOV vom 20. November 1981 -BGBl I 1199-) festgesetzt werden müssen; denn der Kläger war aus anderen als schädigungsbedingten Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Die Verwaltung hätte das Bruttoeinkommen - statt nach dem tatsächlich erzielten - nach dem Durchschnittseinkommen in der Berufsstellung, der der Kläger ohne das nicht schädigungsbedingte Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (Nachschaden) angehörte, bemessen müssen. Die insoweit bestehende Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 21. Februar 1978 hat die Verwaltung zutreffend für eine darauf beruhende Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X festgestellt. Diese Rechtswidrigkeit erfaßte aber nicht die nach dem 21. Februar 1978 ergangenen Verwaltungsakte; denn sie waren mit ihrem Regelungsgehalt, der jeweiligen Anpassung an veränderte Verhältnisse, rechtmäßig (BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr 33 und Urteil des Senats von heute 9/9a RV 46/86). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit ist auf die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X beschränkt. Im übrigen gilt der rechtsverbindliche Bescheid weiterhin als rechtmäßig (§ 77 SGG; BSGE 61, 286, 287 f = SozR 4100 §134 Nr 31). ZB wäre weiterhin Heilbehandlung wegen anerkannter Schädigungsfolgen zu gewähren (§ 10 Abs 1 BVG), falls die Schädigungsfolgen nicht hätten anerkannt werden dürfen.
Den Bescheid vom 21. Februar 1978 durfte der Beklagte wegen Fristablaufs nicht mehr nach § 45 SGB X zurücknehmen. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 10. August 1983 - 9a RV 33/82 - rechtskräftig entschieden. Der Umfang der Rechtskraft des diesen Verwaltungsakt ändernden Urteils ist insoweit ergänzend durch die Urteilsgründe auszudeuten (st Rspr; zB BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr 4). Die Neufeststellung des Berufsschadensausgleichs ab 1. April 1981 blieb unberührt.
Wegen dieser Rechtslage waren die Voraussetzungen für die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X anläßlich der neuen Entscheidung über den Berufsschadensausgleich gegeben.
Eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 3 SGB X ist eine solche iS des Abs 1, wie die Verweisung auf diese Vorschrift ergibt. Eine derartige Änderung ist auch die Erhöhung des Vergleichseinkommens. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Änderung betreffe nicht den Faktor, bei dem der Fehler bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs im Jahre 1978 unterlaufen sei, denn nicht das Vergleichseinkommen, sondern das Bruttoeinkommen sei damals falsch festgelegt worden. Die Verpflichtung, die §48 Abs 3 SGB X der Verwaltung auferlegt, ist nicht so beschränkt, daß sie nur entsteht, wenn die tatsächliche oder rechtliche Änderung die ursprünglich unrichtig beurteilten Faktoren betrifft. Eine solche Beschränkung folgt weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Es soll vielmehr verhindert werden, daß die zu hohe Zahlung, die durch irgend einen Fehler entstanden ist, durch irgend eine Veränderung zugunsten des Betroffenen immer noch höher wird. Daß nach § 48 Abs 1 SGB X - auf den § 48 Abs 3 SGB X hinweist - die Aufhebung eines Bescheides nur "soweit" zugelassen ist, wie die Änderung reicht, zwingt nicht dazu, die Aussparung auf die Fälle zu beschränken, in denen die Änderung zufälligerweise den Punkt betrifft, in dem der Fehler des Bescheides liegt (vgl Hauck/Haines, SGB X, 1, 2, Stand Mai 1988, RdNr 27 und Anm 11 mit Hinweisen auch auf a.M., vgl auch Schneider-Danwitz, Gesamtkomm, Bd 2, Stand Juni 1986, Anm 68 b) und c)). Soweit die Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X den Leistungsbetrag iS des § 48 Abs 3 SGB X betrifft, und soweit sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides ebenfalls auf diesen Leistungsbetrag ausgewirkt hat, ist die Ansparung geboten.
Das macht das Gesetz dadurch deutlich, daß es in § 48 SGB X nur noch dem Leistungsbetrag, der in einem Verwaltungsakt zugesprochen wird, nicht aber einzelnen Berechnungselementen Bestandsschutz zuschreibt. Letztlich darf sich ein Begünstigter nur auf den Zahlbetrag, nicht aber auf die - vielleicht sogar selbständiger Regelung zugänglichen - Elemente des nicht mehr aufhebbaren, aber rechtswidrigen Verwaltungsakts verlassen. Er darf auch nicht noch mit einer Erhöhung rechnen, wenn der Zahlbetrag - aus welchen Gründen auch immer - zu hoch berechnet worden ist. Nach der insoweit eindeutigen Fassung des Gesetzes darf sich der Betroffene nur auf den Betrag und nicht auf den dadurch begründeten Lebensstandard verlassen, der durch die Anpassungsgesetze erhalten werden soll. Nach § 48 Abs 3 SGB X wird nicht mehr der soziale, sondern nur noch der finanzielle Besitzstand geschützt.
Die ursprünglich unrichtig festgestellte Leistung wird zunächst so berechnet, als wenn der rechtswidrige Verwaltungsakt nicht zuvor bestandskräftig geworden wäre. Da aber die unrichtige Entscheidung nicht mehr zurückgenommen werden darf und da eigentlich von der durch diese Entscheidung bestimmten Rentenhöhe bei der Neufeststellung (§ 48 Abs 1 SGB X) ausgegangen werden müßte, kommt dem zuletzt - rechtswidrig - festgestellten und rechtsverbindlich bleibenden Betrag ein Bestandsschutz zu. Solange dieser Rentenbetrag höher ist als der neu und zutreffend bemessene, wird er ausbezahlt. Diese Berechnungsweise ist deutlicher als aus der jetzigen Gesetzesfassung aus dem Entwurf der Bundesregierung zu erkennen (BT-Drucks 8/2034, § 46 Abs 2; dazu Begründung S 36), demgegenüber die endgültige Fassung aber inhaltlich nichts anderes bedeuten soll (Ausschußbericht, BT-Drucks 8/4022, S 83 zu § 46). So ist es hier geschehen. Das SG hat den § 48 Abs 3 SGB X nicht hinreichend rechtlich ausgedeutet. Die rechtserhebliche Veränderung, die 1978 mit dem nicht schädigungsbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und mit dem Auswechseln des Einkommens aus gegenwärtiger Tätigkeit durch ein solches aus früherer eingetreten war, war 1984 nicht mehr als eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 und 3 SGB X zu werten. Vielmehr beeinflußte sie lediglich noch eingeschränkt im Rahmen der "Einfrierung" die endgültige Höhe des Berufsschadensausgleichs.
Grundsätzlich ist als bestandskräftiger Betrag die zuletzt vor der Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X festgestellte Leistung "einzufrieren". Hier gilt aber eine Besonderheit, die durch den Vergleich der Beteiligten klargestellt worden ist. Ungeachtet dessen, daß die Entscheidung über den Berufsschadensausgleich für die Zeit ab 1. April 1981 (343,-- DM) von der Anfechtung des Bescheides vom 18. Februar 1981 im Vorprozeß nicht erfaßt war, ist für die Zukunft aufgrund der für den Kläger günstigeren Entscheidung des Beklagten der ab Januar 1981 durch den Bescheid vom 18. Dezember 1980 festgestellten Betrag maßgebend. Das war ein Berufsschadensausgleich von 473,-- DM. Insoweit ist dieser Verwaltungsakt ebenso wie die Feststellung im angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 1984 nach Grundrente und Berufsschadensausgleich aufzuspalten. Der Beklagte darf nur die Leistung "einfrieren", die er zu hoch berechnet hat.
Das trifft für die Grundrente nicht zu. Insoweit hat die Klage Erfolg. Der Grundrentenanteil der zuerkannten Versorgungsbezüge (Beschädigtenrente) ist eine selbständige Versorgungsleistung (§ 31 Abs 1 bis 4 iVm § 30 Abs 1 und 2 BVG) im Verhältnis zum Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs 3 ff BVG) und muß hier deshalb bei der Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X außer Betracht bleiben (aA Delitz/Böhm, Verfahrensrecht der Sozialverwaltung, 1981, § 48 SGB X S 100 mit Fußnote 8; Vorberg/van Nuis, Sozialgesetzbuch - Recht der sozialen Entschädigung -, VIII. Teil - Verwaltungsverfahren -, 1986, § 48, Anm 6.3.1.2.). Daß der Berufsschadensausgleich und die Grundrente in einem gemeinsamen Bescheid bewilligt und in einem Betrag zusammengefaßt werden, macht nicht den gesamten Betrag der Beschädigtenrente (§ 9 Abs 3 BVG) zu dem Leistungsbetrag iS des § 48 Abs 3 SGB X. Nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der Beitrag des Berufsschadensausgleichs ist fehlerhaft berechnet worden. Der Betrag des Berufsschadensausgleichs ist nicht nur ein Berechnungselement des Gesamtbetrages. Der Bescheid über Berufsschadensausgleich und Grundrente enthält zwei Entscheidungen, denn Berufsschadensausgleich und Grundrente als selbständige Versorgungsleistungen haben unterschiedliche Voraussetzungen und ein unterschiedliches rechtliches Schicksal. Die Grundrente verändert sich nicht nach § 48 Abs 1 SGB X in Übereinstimmung mit dem Berufsschadensausgleich, sondern unabhängig von dieser Versorgungsleistung (vgl § 56 BVG), insbesondere unabhängig von den den Berufsschadensausgleich bestimmenden Einkommensarten. Vor allem ist die Grundrente unabhängig von der Nachschadensregelung, deren Nichtbeachtung die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X in diesem Fall erlaubt und gebietet, zu bemessen.
Dem Beklagten, der die Grundrente abweichend von dieser Rechtslage in die "Einfrierung" der andersartigen Leistung des Berufsschadensausgleichs einbezogen hat, scheint dabei eine Art von Aufrechnung nach § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (vom 11. Dezember 1975 -BGBl I 3015-) vorzuschweben. Diese setzt aber einen Anspruch gegen den Versorgungsberechtigten auf Erstattung zu Unrecht bezogener Leistungen aus § 50 Abs 1 SGB X voraus. Das ist gerade mangels einer Rücknahmemöglichkeit in einem Fall wie dem gegenwärtigen nach § 45 SGB X ausgeschlossen. Wenn die voneinander unabhängigen Entscheidungen, dh Verwaltungsakte (§ 31 SGB X), über Grundrente und über Berufsschadensausgleich rein äußerlich jeweils in einem einzigen Bescheid im Jahr 1978 und bei der jetzt angefochtenen Neufeststellung miteinander verbunden wurden, dann ist das für die Anwendbarkeit des § 48 SGB X nicht rechtserheblich. Auch der Versuch einer Rücknahme nach § 45 SGB X im Vorprozeß beschränkte sich auf die einzelne Leistungsart, die rechtswidrig festgesetzt worden war. Dementsprechend kann ihre begrenzte Wirkung über eine "Abschmelzung" nach § 48 Abs 3 SGB X nicht auf andere Leistungen ausgedehnt werden.
Wenn nach Nr 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 60 BVG, worauf der Beklagte hinweist, unter "höherer Leistung" iS des § 60 BVG "die Erhöhung der gesamten Leistung zu verstehen" sein soll, dann bezieht sich dies ausschließlich auf den zeitlichen Beginn neu festgestellter Leistungen. Damit ist nicht die Einheit aller einzelnen Versorgungsleistungen für alle Regelungen festgelegt, abgesehen davon, daß Verwaltungsvorschriften das Gesetz nicht verbindlich für die Gerichte auslegen können. Schließlich greift das Bedenken des Beklagten nicht durch, bei der vom LSG vertretenen, vom Senat gebilligten Rechtsauffassung laufe § 48 Abs 3 SGB X in Fällen des Fortfalls der unrichtig festgestellten Einzelleistung leer. Diese Vorschrift setzt gerade eine Änderung zugunsten des Betroffenen voraus, dh eine solche, die für die rechtswidrig festgestellte Einzelleistung bedeutsam ist, und kommt deshalb für fortgefallene Leistungen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen