Entscheidungsstichwort (Thema)
Reittherapie als Krankenkassenleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Äußert sich der nach § 23 ÄBMV gebildete "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" in einer Stellungnahme nach § 23 Abs 2 ÄBMV dahin, daß hinsichtlich einer neuen Heilmethode die in § 368e RVO genannten Voraussetzungen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit vorliegen, dann ist die Krankenkasse - aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung - (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) dem Versicherten gegenüber zur (krankenpflegerischen) Leistung nach § 182 Abs 1 Nr 1 RVO verpflichtet, es sei denn, der Nachweis wäre zu erbringen, daß in dem besonderen Einzelfall die Voraussetzungen der Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit (entgegen dem von dem Ausschuß aufgestellten Erfahrungssatz) nicht gegeben sind.
2. Äußert sich der nach § 23 ÄBMV gebildete "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" in einer Stellungnahme nach § 23 Abs 2 ÄBMV dahin, daß hinsichtlich einer neuen Heilmethode die in § 368e RVO genannten Voraussetzungen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht vorliegen, dann ist die Krankenkasse zu einer Sachleistung nach § 182 Abs 1 Nr 1 RVO nur verpflichtet, wenn der Nachweis erbracht ist, daß im konkreten Einzelfall - also regelmäßig nur aufgrund des jeweiligen Heilungs- bzw Linderungserfolges meßbar - die Leistungsvoraussetzungen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (- entgegen dem negativen Erfahrungssatz -) gegeben sind.
3. Hat der nach § 23 ÄBMV gebildete "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" zur Frage der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer neuen Heilmethode noch keine Stellung genommen (§ 23 Abs 3 ÄBMV), kann vom Tatsachengericht, sofern die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht aufgrund des Heilerfolges im konkreten Einzelfall (nachträglich) nachzuweisen ist, ein Erfahrungssatz über die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode (der den Schluß auf den konkreten Einzelfall zu rechtfertigen vermag) nur dann angenommen werden, wenn feststeht, daß die Methode in einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen wirksam war (Zweckmäßigkeit) und daß diese Wirkung nicht durch weniger aufwendige Mittel (in vergleichbarer Zeit) hätten erreicht werden können.
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage des Anspruchs auf Erstattung der Kosten für eine hippotherapeutische Behandlung durch die Krankenkasse.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 2 Fassung: 1930-07-26, §§ 368e, 368g, 368o, 368p; BMV-Ä § 23 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1978-07-01, § 28 Fassung: 1978-07-01; RVO § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 23.02.1979; Aktenzeichen L 1 Kr 28/78) |
SG Itzehoe (Entscheidung vom 29.06.1978; Aktenzeichen S 4 Kr 19/77) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte (als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung) verpflichtet ist, dem Kläger diejenigen Kosten zu ersetzen, die dieser (als Träger der Sozialhilfe) für die hippotherapeutische Behandlung des Kindes des Beigeladenen übernommen hat.
Der Beigeladene ist bei der Beklagten versichert. Sein am 31. März 1973 geborener Sohn Arne, für den er - der Beigeladene - einen Anspruch auf Familienkrankenhilfe gemäß § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hat, leidet an cerebralen Bewegungsstörungen. Die Beklagte hat die Kosten für eine hippotherapeutische Behandlung, die ein als Kassenarzt zugelassener Orthopäde verordnet hatte, zunächst übernommen, eine weitere Übernahme (in einem an den Kreis S - dem jetzigen Kläger - gerichteten Schreiben und einem gegenüber dem Versicherten - dem jetzigen Beigeladenen - ergangenen Widerspruchsbescheid) aber abgelehnt. Das vom Versicherten angerufene Sozialgericht hat - nach Beiladung des Kreises S - durch Urteil festgestellt, "daß der Bescheid der Beklagten vom 4. April 1977 sowie der Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1977 rechtswidrig waren und die Beklagte verpflichtet war, die von Dr. V für das Kind Arne verordnete Hippotherapie als Kassenleistung zu tragen". Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Nachdem der bisherige Beigeladene - Kreis S - in die Stellung als Kläger und der bisherige Kläger - der Versicherte - in die Stellung als Beigeladener eingerückt waren, hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger die (mittlerweile von ihm als Sozialhilfeträger) aufgrund der Bescheide vom 2. Juni 1977, 8. Februar 1978 und 28. September 1978 für die hippotherapeutische Behandlung des Kindes aufgewendeten Kosten zu erstatten. Das Berufungsgericht hat - nachdem es die objektive und subjektive Klageänderung für zulässig erklärte - zur (weiteren) Begründung folgendes ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Ersatzanspruches nach den §§ 1531 ff RVO seien erfüllt. Der Kläger habe die Unterstützung "nach gesetzlicher Pflicht", vorgenommen, da hinsichtlich der Eingliederungshilfe (§§ 39, 40 Abs 1 Nr 1 des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG-) ein Bedarf bestanden habe und innerhalb von 4 Wochen nach Bekanntwerden des Bedarfs nicht festgestanden habe, ob ein anderer als der Träger der Sozialhilfe zur Hilfe verpflichtet sei (§ 44 BSHG). Der Beigeladene sei - zweitens - auch hilfsbedürftig gewesen, da ihm nach Abzug der regelmäßigen Ausgaben nur noch ein Betrag von 41,68 DM für sich und seine Familie verblieben sei. Er habe - drittens - aber auch einen Anspruch aus den §§ 205, 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a, Abs 2 RVO gehabt, da die hippotherapeutische Behandlung, wie sich aus den Ausführungen der Sachverständigen ergebe, in diesem Falle zweckmäßig und notwendig gewesen sei. Zwar habe der bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gebildete "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" die Auffassung vertreten, hinsichtlich der Hippotherapie als Behandlungsmethode lägen bisher keine Nachweise vor, die eine Gesamtbeurteilung erlaubten. Die Stellungnahmen dieses Ausschusses seien für die Gerichte jedoch nicht bindend, sie hätten, wie das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt habe (BSGE 35, 10, 14) keine normative Kraft.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung der §§ 205, 182 Abs 1 und 2, 368e RVO sowie des § 14 Abs 2 Satz 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) idF vom 26. August 1976 bzw § 23 Abs 2 Satz 2 BMV-Ä idF vom 1. Juli 1978. Das Landessozialgericht (LSG) habe verkannt, daß im Kassenarztrecht allein der bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gebildete Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden dazu berufen sei, Stellungnahmen darüber abzugeben, ob eine bestimmte ärztliche Methode den Voraussetzungen der Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit entspreche. Dieser Ausschuß sei aber zu einer gegenteiligen Stellungnahme gelangt. Wenn sich das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 20. Oktober 1972 (BSGE 35, 10, 14) hierüber mit dem Argument weggesetzt habe, daß eine Stellungnahme dieses Ausschusses keinerlei normative Kraft hätte, so könne dem nicht gefolgt werden. Jedenfalls seien sie für die Ärzte und für die Krankenkassen verbindlich. Die Beklagte/Revisionsklägerin stellt den Antrag,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 23. Februar 1979
- L 1 Kr 28/78 - und des Sozialgerichts Itzehoe
vom 29. Juni 1978 - S 4 Kr 19/77 - aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Der Kläger/Revisionsbeklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gebildete "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" habe zwar nicht ausgesprochen, daß die Reittherapie zweckmäßig und notwendig sei und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entspreche; er habe dies jedoch auch nicht ausgeschlossen. Selbst wenn aber seine Stellungnahme als eine Ablehnung zu interpretieren sei, so könne dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, da solche Stellungnahmen keinen Normcharakter hätten und als bloße Maßgaben eine Abweichung in begründeten Einzelfällen - wie hier - zuließen. Da das therapeutische Reiten nur bei speziellen, durch andere Methoden nicht ebenso erfolgreich zu behandelnden Behinderungen verordnet werden könne, sei auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Genüge getan. Das Urteil des LSG sei daher nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs des Klägers nach § 1531 RVO ist hier nur insoweit zweifelhaft, als in Frage steht, ob der Beigeladene für eine Zeit unterstützt wurde, "für die er einen Anspruch" nach der RVO (gegen die Beklagte) hatte.
1. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß es sich im vorliegenden Fall um eine therapeutische Maßnahme im Rahmen einer ärztlichen Behandlung gehandelt hat. Im übrigen bestand ein Anspruch nur dann, wenn diese Therapie zweckmäßig war und das Maß des Notwendigen nicht überschritten hat (§ 182 Abs 2 RVO).
2. Der Senat hatte zu prüfen, inwieweit das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung davon abhängt, daß der nach dem BMV-Ä der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gebildete Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden für die Zeit der Unterstützung (ab 2. Juni 1977, 8. Februar 1978 und 28. September 1978) die obengenannte Stellungnahme abgegeben hat.
a) Nach der im Unterabschnitt VI ("Verhältnis zu Ärzten ...") des IV. Abschnitts ("Verfassung") des 2. Buches der RVO ("Krankenversicherung") geregelten Bestimmung des § 368e hat der Versicherte Anspruch auf eine Zweckmäßige und ausreichende, notwendige und nicht unwirtschaftliche Versorgung. Gemäß § 368g Abs 1 RVO ist die kassenärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine gleichmäßige, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken gewährleistet ist. Den allgemeinen Inhalt der - nach Abs 2 des § 368g RVO zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen zu schließenden - Gesamtverträge vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den Bundesverbänden der Krankenkassen in Mantelverträgen -Bundesmantelverträge- (Absatz 3 des § 368g RVO). Die - nach § 368o RVO zu bildenden - Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen beschließen die zur Sicherung der Kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken, insbesondere über die Einführung neuer Untersuchungs- und Heilmethoden (§ 368p Abs 1 RVO). Nach Absatz 3 des § 368p RVO haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Verbände der Krankenkassen in ihre Satzungen Bestimmungen aufzunehmen, nach denen die in Abs 1 genannten - der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit unterliegenden - Richtlinien von ihren Mitgliedern beachtet werden sollen. Damit wird zunächst deutlich, daß diese Richtlinien kein neues Recht schaffen können, sondern sich im Rahmen der Ermächtigung und des Kassenarztrechts halten müssen (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Anm 3 zu § 368p RVO). Wie sich aus § 368p Abs 3 RVO ergibt, "sollen" die Richtlinien von den Mitgliedern beachtet werden. Eine Verbindlichkeit kommt ihnen aber dadurch zu, daß die Parteien des BMV-Ä festgelegt haben, daß sie zu beachten "sind" (§ 28 BMV-Ä vom 1. Juli 1978 -nF-; § 17 BMV-Ä vom 1. Oktober 1959 -aF-). Diese über den Wortlaut des § 368p Abs 3 RVO hinausgehende Wirkung ist durch § 368g Abs 1 RVO gedeckt. Da der Gesetzgeber in § 368g Abs 1 RVO vorschreibt, daß die Gesamtverträge sich im Rahmen (nicht nur der gesetzlichen Vorschriften, sondern auch) der Richtlinien der Bundesausschüsse zu halten haben, kann es keinen Bedenken begegnen, wenn die den Mantelvertrag beschließenden Parteien den Inhalt dieser Richtlinien - abweichend von der Anweisung des § 368p Abs 3 RVO - für ihre Mitglieder für (voll) verbindlich erklären. Diese Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sind somit von den durch die Gesamtverträge erfaßten Beteiligten - den Kassenärzten und Krankenkassen - mit dem für jede gesetzesnachrangige Norm geltenden Vorbehalt insoweit zu beachten, als sie nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (BSGE 38, 35, 38).
b) Um eine solche Richtlinie handelt es sich bei der Stellungnahme nach § 14 BMV-Ä aF bzw § 23 BMV-Ä nF nicht. Nach Absatz 2 dieser (insgesamt gleichlautenden) Bestimmungen nimmt der (nach Abs 1 gebildete) "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung oder eines Bundesverbandes der Krankenkassen dazu Stellung, ob für eine Untersuchungs- oder Heilmethode, insbesondere für neue Methoden, die in § 368e RVO bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Der (nach Absatz 1 Satz 1 bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gebildete) "Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden" hat sich am 2. Februar 1977 wie folgt geäußert:
"Nach Anhörung von Sachverständigen und Prüfung
der vorgelegten Literatur sah sich der Ausschuß
nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht in der
Lage, eine Stellungnahme zur Erfüllung der
Voraussetzungen nach § 368e RVO gem § 14 Abs 2 und 3
des Bundesmantelvertrages/Ärzte abzugeben.
Eine erneute Prüfung wird nach dem Vorliegen weiterer
wissenschaftlicher Untersuchungen und
erfahrungstherapeutischer Ergebnisse vorgesehen".
Der Ausschuß hat hinsichtlich der hippotherapeutischen Heilmethode also weder die positive Feststellung getroffen, daß die Versorgungs-Voraussetzungen des § 368e RVO vorlägen, noch die negative, daß sie nicht vorlägen. Seine Äußerung ging vielmehr dahin, daß nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ihr Vorliegen weder positiv noch negativ festgestellt werden könne, die ihm gestellte Frage also offen sei. Während § 23 (§ 14 aF) Abs 2 Satz 2 BMV-Ä die (positive und negative) Stellungnahme für Krankenkassen und Ärzte - mit der Formulierung, daß sie von ihnen zu beachten "sind" - für verbindlich erklären, schreibt Absatz 3 dieser Bestimmung lediglich vor, daß eine neue Heilmethode, solange der Ausschuß nicht Stellung genommen hat, weder (von den Ärzten) angewendet noch (von den Krankenkassen) kostenmäßig übernommen werden soll. Das bedeutet: Bei einer positiven Stellungnahme (- die Voraussetzungen des § 368e RVO liegen vor -) ist die Krankenkasse nicht nur im Verhältnis zu den Vertragsbeteiligten verpflichtet, dementsprechend zu verfahren; wegen der insoweit vorliegenden Selbstbindung der Verwaltung besteht auch eine Verpflichtung gegenüber dem Versicherten (vgl BSGE 35, 11, 14), die Anwendung dieser Heilmethode als Sachleistung gemäß § 182 Abs 1 Nr 1 RVO jedenfalls dann zu gewähren, wenn nicht der Nachweis zu erbringen ist, daß die Leistungsvoraussetzungen des § 368e RVO in diesem Einzelfall (ausnahmsweise) nicht vorliegen. Bei einer negativen Stellungnahme (- die Voraussetzungen des § 368e RVO liegen nicht vor -) ist die Krankenkasse zwar im Verhältnis zu den Vertragsbeteiligten verpflichtet, eine entsprechende Sachleistung gegenüber dem Versicherten abzulehnen, soweit im Einzelfall das Vorliegen der Sachleistungsvoraussetzungen nicht erwiesen ist; ist dieser Nachweis jedoch erbracht, dann steht dem Versicherten auch ein entsprechender Anspruch zu. Dies zeigt, daß die positive bzw negative Stellungnahme des Ausschusses grundsätzlich auch den Leistungsanspruch des Versicherten bestimmt, solange im Einzelfall ein Gegenbeweis nicht geführt werden kann. Letzterenfalls sind, wie sich aus der Natur der Sache ergibt, bei einer positiven Stellungnahme die Folgen der Nichterweislichkeit des (Einzelfall-)Gegenteils von der Krankenkasse zu tragen, bei einer negativen Stellungnahme aber vom Versicherten. Dies entspricht der Tatsache, daß es sich bei der Stellungnahme des Ausschusses zur Frage der Zweckmäßigkeit um die Beurteilung eines typischen Zusammenhangs im Sinne einer Häufigkeits (= Wahrscheinlichkeits) Feststellung handelt, die einen untypischen Einzelsachverhalt zwar nicht ausschließt, aber doch in einem solchen Grade als unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß derjenige Beteiligte, der sich auf die abweichende Ausnahme beruft, die objektive Beweislast trägt (vgl hierzu BSGE 30, 121, 123; 35, 21ö, 217 mwN). All dies gilt nicht nur für das Verwaltungs-, sondern auch für das Prozeßverfahren. Das Gericht ist zwar an die Feststellungen des Ausschusses nicht gebunden. Es kann die Positiv- oder Negativfeststellung des Ausschusses in Zweifel ziehen und gerichtlichen Beweis über das allgemeine Vorliegen bzw Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 368e RVO erheben. Unterläßt es dies aber - weil es zu solchen Zweifeln keinen Anlaß hat und zudem der Grundsatz der Prozeßökonomie dagegensteht -, dann hat es die Feststellungen des Ausschusses zwar nicht als Rechtsnormen, aber doch als allgemeine Erfahrungssätze zugrunde zu legen und die Beweislast dementsprechend - wie oben dargelegt - zu beurteilen.
c) Ist der Ausschuß aber zu dem Ergebnis gekommen, daß die Versorgungs-Voraussetzungen einer neuen Heilmethode weder positiv noch negativ festzustellen sind, dann "soll" (- vgl hierzu BSGE 35, 267, 269 ff -) der Versicherungsträger im Verhältnis zu den Vertragsbeteiligten (bis zu einer Stellungnahme des Ausschusses) keine entsprechenden Kosten übernehmen. Gleichwohl ist er dem Versicherten gegenüber zur Leistung verpflichtet, wenn die Versorgungs-Voraussetzungen nachweislich gegeben sind. Bei der Frage, welche Anforderungen hier an einen Beweis zu stellen sind, ist folgendes zu bedenken: Da der Ausschuß weder eine positive noch eine negative Feststellung getroffen hat, liegt ein entsprechender Erfahrungssatz - regelmäßig - nicht vor. Das Tatsachengericht hat daher, wenn die Zweckmäßigkeit sich nicht am konkreten Einzelfall (im Nachhinein) nachweisen läßt, festzustellen, daß das Mittel in einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen wirksam war (- was den Schluß auf die Wirksamkeit im konkreten Einzelfall rechtfertigen würde -) und darüber hinaus - zur Frage der Wirtschaftlichkeit - zu prüfen, ob diese Wirkung nicht durch weniger aufwendige Mittel (in vergleichbarer Zeit) hätte erreicht werden können. Dabei sind umso eher hohe Anforderungen an den Nachweis der Wirkungshäufigkeit zu stellen, als die Stellungnahme des Ausschusses immerhin besagt, daß eine solche Häufigkeit (zwar möglicherweise vorliege, jedenfalls aber) zur Zeit nicht festzustellen sei. Hat sich das nach dem Mantelvertrag zuständige Gremium, ohne ihm methodische Unrichtigkeiten vorwerfen zu können, in dieser Weise geäußert und damit ein starkes Negativindiz für die Häufigkeit geschaffen, dann kann dies nicht ohne Einfluß auf die Beweisanforderungen sein.
3. Das LSG hat die unbestimmten Rechtsbegriffe der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 182 Abs 2, § 368e RVO) nicht zutreffend angewandt. Es hat zwar ausreichende Überlegungen zur Frage der Zweckmäßigkeit speziell im Falle des Sohnes des Beigeladenen und der bei ihm vorliegenden infantilen Cerebralparese - im Nachhinein, also ohne das Erfordernis eines Erfahrungssatzes - angestellt. Der Frage der Notwendigkeit bzw Wirtschaftlichkeit ist es jedoch nicht in dem gebotenen Umfang nachgegangen. Wenn es seine Überzeugung von der Notwendigkeit der Behandlung lediglich darauf stützt, daß sie "mehr als andere Behandlungsmethoden zu leisten vermöge", so übersieht es, daß damit noch keine die Wirtschaftlichkeit begründbare Relation zwischen Kosten und Heilerfolg herzustellen ist. Einen insoweit nachprüfbaren Erfahrungssatz hat das LSG nicht angeführt. Abgesehen davon, daß der Sachverständige Professor Dr. B vor dem Berufungsgericht erklärte, ein Beweis der gelegentlich behaupteten Überlegenheit der Hippotherapie gegenüber der konventionellen krankengymnastischen Behandlung sei der Literatur nicht zu entnehmen, enthält das Urteil keinerlei Angaben, die eine Überprüfung der Kosten einerseits und andererseits der Vorteile gegenüber krankengymnastischen Erfolgen zuließen. Eine Abwägung beider Gesichtspunkte wurde vom LSG daher auch nicht vorgenommen. Sie wäre umso differenzierter anzustellen gewesen, als die Hippotherapie mit einem relativ hohen Kostenaufwand verbunden ist und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die von ihr bewirkte Besserung nur ganz kurzfristiger Natur ist. Bei den ergänzenden Ermittlungen dürfte es zweckmäßig sein, die bei dem Ausschuß für Untersuchungs- und Heilmethoden eventuell vorliegenden Gutachten mit auszuwerten.
4. Das vorstehende Urteil steht der Entscheidung des BSG 9 RVi 2/78 vom 7. November 1979 (SozR 3100 § 11 BVG Nr 13) nicht entgegen. Hier hatte der 9. Senat des BSG ausgesprochen, daß die Reittherapie eine Bewegungstherapie iS des § 11 Abs 1 Nr 3 des Bundesversorgungsgesetzes sei, wenn sie gezielt zur Bekämpfung einer Krankheit eingesetzt werde, daß - ferner - die Voraussetzungen einer ausreichenden und zweckmäßigen Leistungsgewährung iS des (entsprechend anzuwendenden) § 182 Abs 2 RVO nicht schon dann vorlägen, wenn die Reittherapie nicht aufwendiger sei als eine konventionelle Methode, so daß ein bloßer Kostenvergleich nicht ausreiche und daß - schließlich - die "Zweckmäßigkeit" grundsätzlich nicht deshalb verneint werden könne, weil die Reittherapie als neue Behandlungsmethode von der Schulmedizin noch nicht allgemein anerkannt sei. Eine Abweichung zwischen beiden Entscheidungen liegt daher, wie ohne weiteres ersichtlich, nicht vor.
5. Das Berufungsgericht wird bei seiner Entscheidung auch über die Kosten der Revision mitzubefinden haben.
Fundstellen