Leitsatz (redaktionell)
Mit dem durch ÄndG-GAL Art 2 § 2 möglich gewordenen Verzicht eines landwirtschaftlichen Unternehmers auf Befreiung von der Beitragspflicht nach GAL 1957 § 26 ist ein Widerruf der Verzichtserklärung der Vorgänger im Unternehmen auf Altersgeld nicht verbunden. Die Möglichkeit dieses Widerrufs hätte vielmehr durch Gesetz besonders geregelt werden müssen.
Normenkette
GAL § 26; GAL 1957 § 26; GALÄndG 6 Art. 2 § 2 S. 2 Fassung: 1972-07-26
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. November 1974 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg om 19. Juni 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Klägerin Altersgeld zusteht.
Die 1900 geborene Klägerin hat das nach dem Tod ihres Ehemannes von ihr allein bewirtschaftete landwirtschaftliche Unternehmen vor 1957 an ihren Sohn G. übergeben. Dieser beantragte seinerzeit bei der Beklagten die Befreiung von der Beitragspflicht (§ 26 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - GAL 1957 - ). Dabei legte er eine schriftliche Erklärung der Klägerin vom 25. April 1958 vor, worin diese unwiderruflich auf Zahlung einer Altersrente aus der landwirtschaftlichen Alterskasse verzichtete. Die Beklagte entsprach daraufhin dem Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht. Später verzichtete der Sohn der Klägerin nach Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL vom 26. Juli (BGBl I 1293) auf diese Befreiung; er zahlte Beiträge für die Zeit ab 1. Oktober 1957 nach. Die Klägerin beantragte daraufhin am 9. Juli 1973 die Gewährung von Altersgeld. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 28. August 1973 unter Hinweis auf die Verzichtserklärung der Klägerin ab.
Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab, das Landessozialgericht (LSG) verurteilte die Beklagte, der Klägerin vom 1. Juli 1973 Altersgeld zu zahlen. Nach der Ansicht des LSG steht der frühere Verzicht der Klägerin der Gewährung von Altersgeld nicht entgegen. Durch die Regelung des Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes sei der Unternehmensnachfolger so gestellt worden, als hätte eine Befreiung nie stattgefunden. Der frühere Verzicht der Klägerin sei damit gegenstandslos geworden. Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Sie rügt die unrichtige Anwendung der §§ 26 GAL 1957, 33, 37 GAL 1972 sowie von Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes. Das LSG gehe zu Unrecht davon aus, daß der Gesetzgeber für die Unternehmensvorgänger eine Regelung nicht für notwendig gehalten oder übersehen habe. Offensichtlich sei bewußt davon abgesehen worden, den Altersgeldverzicht der Unternehmensvorgänger ungeschehen zu machen; jedenfalls könne aus dem Schweigen des Gesetzes nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Verzicht auf Altersgeld sei ferner nicht mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszuräumen. Auch eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Altenteiler sei zu verneinen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß
die Zurückverweisung der Revision.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet.
Ein Anspruch auf Gewährung von Altersgeld setzt voraus, daß dafür eine gesetzliche Grundlage gegeben ist; hieran fehlt es. Die Klägerin hat im Jahre 1958 auf Altersgeldansprüche verzichtet. Der Verzicht ist nach § 26 GAL 1957 zulässig gewesen. Er war Bedingung für die Befreiung ihres Sohnes von der Beitragspflicht und ist mit ihr wirksam geworden. Nach Sinn und Zweck des § 26 GAL 1957 waren sowohl Beitragsbefreiung als auch Verzicht endgültig, dh nicht mehr veränderbar. Diese Rechtslage besteht für den Verzicht nach wie vor, er ist mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Regelung weiterhin wirksam. Dem steht nicht entgegen, daß das 6. Änderungsgesetz zum GAL an der Endgültigkeit der Beitragsbefreiung nicht mehr festgehalten hat.
Bei der Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe im Jahre 1957 war die Befreiung den Landwirten freigegeben worden, die sich durch eine Lebensversicherung ausreichend gesichert fühlten (§ 26 GAL 1957). Der Gesetzgeber hat jedoch in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL dem Anliegen dieses Personenkreises, in die Altershilfe für Landwirte aufgenommen zu werden, entsprochen und ihnen bis zum 31. Dezember 1973 die Möglichkeit eingeräumt, auf die Befreiung zu verzichten. Ein Grund dafür, den oft als Härte empfundenen Ausschluß von der landwirtschaftlichen Altershilfe widerrufbar zu machen, mag darin gelegen haben, daß nur mit zusätzlich 600 Altersempfängern infolge der Gesetzesänderung gerechnet wurde (vgl BT-Drucks VI/3463, Amtl Begründung S 11 C). Außerdem war wohl nicht zu übersehen, daß die landwirtschaftliche Altershilfe mehr und mehr attraktiv geworden war und das Altersgeld nicht mehr wie früher reinen Zuschußcharakter hatte.
Die Folgen eines Verzichts auf die Beitragsbefreiung sind in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes ausdrücklich geregelt worden. Nach dessen Satz 2 "bewirkt die Verzichtserklärung" Versicherungspflicht für die ohne die Beitragsbefreiung versicherungspflichtig gewesene Zeit. Damit sind aber - entgegen der Meinung des LSG - die landwirtschaftlichen Unternehmer nicht so gestellt worden, als hätte die Beitragsbefreiung nie stattgefunden; die Befreiung ist nicht einfach rückgängig gemacht worden; vielmehr sind nach Satz 3 für die zurückliegende Zeit die Monatsbeiträge in der für 1973 maßgebenden Höhe zu zahlen. Satz 4 bestimmt die zuständige Alterskasse und Satz 5 erlaubt dieser schließlich, für die nachzuentrichtenden Beiträge Ratenzahlungen bis zum 31. Dezember 1974 zuzulassen.
Über die Vorgänger im Unternehmen und über ein Aufleben etwaiger Ansprüche auf Altersgeld wird in Art 2 § 2 nichts gesagt. Das läßt aber entgegen der Meinung des LSG noch nicht den Schluß zu, der Gesetzgeber habe insoweit wohl eine Regelung nicht für notwendig gehalten oder übersehen. Nach der Ansicht des Senats ist vielmehr anzunehmen, daß dies absichtlich nicht geschehen ist. Zwar ergeben die Gesetzesmaterialien darüber keine eindeutigen Erkenntnisse. Wie der Vertreter des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen glaubhaft vorgetragen hat, hat indessen der Gesamtverband im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens versucht, eine andere Regelung zu erreichen, dh auch dem noch lebenden Unternehmensvorgänger die Möglichkeit zu geben, seine frühere Verzichtserklärung zu widerrufen. Der Vorschlag ist allerdings nicht durchgedrungen und auch später nicht mehr erörtert worden. Die Frage der Auswirkung auf die Unternehmensvorgänger war mithin offensichtlich bekannt; der Gesetzgeber hat aber davon absehen wollen, die Begünstigung auch auf diesen Personenkreis zu erstrecken. Dafür spricht auch, daß dieser Personenkreis in die Vorauskalkulation der Folgekosten nicht einbezogen worden ist. Da der Gesetzgeber sich mit den Folgen des Verzichts auf die Beitragsbefreiung in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL befaßt hat, kann hiernach eine durch die Rechtsprechung ausfüllbare Gesetzeslücke nicht angenommen werden. Zwar hätte auch die Verzichtserklärung der Unternehmensvorgänger für widerruflich erklärt werden können; dies hätte jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, zumal auch ua der Beginn von Leistungen an Unternehmensvorgänger zweifelhaft sein konnte. Jedenfalls kann somit aus dem Schweigen des Gesetzes nicht gefolgert werden, daß der frühere Verzicht der Klägerin gegenstandslos geworden sei.
Das Aufleben etwaiger Altersgeldansprüche der Unternehmensvorgänger läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der frühere Verzicht in unlösbarem Zusammenhang mit der Beitragsbefreiung gestanden habe und mit deren Wegfall auch seine "Geschäftsgrundlage" weggefallen sei; denn abgesehen vom öffentlich-rechtlichen Vertragsrecht ist für die Anwendung einer derartigen Norm im öffentlichen Recht kein Raum. Schließlich ist eine Verletzung von Grundrechten (Art 3 des Grundgesetzes -GG) bei der getroffenen Regelung nicht erkennbar. Die verzichtenden Unternehmensvorgänger hatten in der Regel kaum eigene Beiträge zur Alterskasse geleistet; sie konnten möglicherweise für die Bereitschaft zum Verzicht auf Altersgeldleistungen Ausgleichsleistungen des Hofnachfolgers erlangt haben; sie hatten bisher ohne Altersgeldleistungen auskommen müssen und konnten mit solchen Leistungen nicht mehr rechnen. Insofern unterschied sich ihre Lage wesentlich von anderen Anspruchsberechtigten. Anders als jedenfalls die Mehrzahl der Hofnachfolger standen sie nicht mehr im Erwerbsleben; der Gesetzgeber konnte in dem weiteren Ausschluß der Hofnachfolger von der landwirtschaftlichen Altershilfe eine größere Härte sehen als in dem weiteren Festhalten der Hofvorgänger an ihrem Leistungsverzicht.
Die Beklagte hat es somit zu Recht abgelehnt, der Klägerin Altersgeld zu gewähren. Auf die Revision der Beklagten waren somit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Fundstellen