Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verpflichtung zur Gewährung von Hinterbliebenenversorgung kann nicht daraus hergeleitet werden, daß bis zur Feststellung des Todeszeitpunktes ein Anspruch auf Rente wegen Verschollenheit bestanden hat.
2. Auch im Falle der schematischen Feststellung des Todeszeitpunktes nach VerschÄndG Art 2 § 2 Abs 3 S 1 kann die Lebens- und Todesvermutung nur durch den Nachweis der Unrichtigkeit des in der Todeserklärung festgestellten Todeszeitpunktes entkräftet werden.
Normenkette
BVG § 38 Fassung: 1950-12-20, § 52 Fassung: 1950-12-20; VerschG § 9 Fassung: 1951-01-15, § 10 Fassung: 1951-01-15; VerschÄndG Art. 2 § 2 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1951-01-15
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1964 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Klägerin, A N geb. R, ist am 19. Februar 1904 in G Krs. L/Ostpr. geboren, lebte am 1. September 1939 mit ihrem Ehemann, dem Landarbeiter J N (N.), in Pd Krs. L, wurde im Oktober 1944 nach D Krs. F i. Sachsen evakuiert und kam im Jahre 1953 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sie beantragte im Dezember 1953/Januar 1954 Hinterbliebenenversorgung mit der Begründung, daß N. ihr zuletzt am 26. Februar 1945 aus M bei K geschrieben habe und seitdem als Angehöriger einer leichten Flak-Batterie verschollen sei. Das Deutsche Rote Kreuz teilte auf Anfrage mit, daß am 27. November 1946 und 23. März 1947 Suchanträge eines S N nach seiner Ehefrau in die Kartei aufgenommen worden seien; dieser habe ohne Angabe seines Geburtsdatums als Daten seiner Ehefrau, A N geb. "R" (richtig: R), geboren am 17. Februar 1904 in S Krs. L, als Heimatanschrift P Krs. L (für den 1. September 1939), als seine Aufenthaltsadresse den Familiennamen T in G, Post T Krs. P, angegeben. Die Originalanfragen seien nicht mehr vorhanden. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1956 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) den Antrag ab; es bestehe weder ein Anspruch nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen vom 13. Juni 1950 noch auf Verschollenheitsrente nach § 52 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Es sei nicht zweifelhaft, daß es sich bei S N. um den Ehemann der Klägerin handele, und daß er sich 1946 nicht in Kriegsgefangenschaft befunden habe, da er keine Lageranschrift, sondern eine Zivilanschrift angegeben habe.
Da ein Ableben des N. nicht anzunehmen sei, könnten auch keine Verschollenheitsbezüge gewährt werden. Der Widerspruch war erfolglos.
Im Klageverfahren legte die Klägerin Abschrift eines Schreibens der Konsularabteilung der Militärmission der Volksrepublik Polen vom 26. März 1958 an das Deutsche Rote Kreuz vor, in dem mitgeteilt wird, daß Johann N., geboren am 2. März 1902, in Polen nicht gemeldet sei. Durch Beschluß des Amtsgerichts (AG) Witten vom 5. Oktober 1959 wurde auf Antrag der Klägerin der am 2. März 1902 in E/Ostpr. geborene J N. - Ehemann der Klägerin - für tot erklärt; als Todeszeitpunkt wurde der 31. Dezember 1945, 24 Uhr, festgestellt. Dieser Beschluß ist mit der Beschwerde nicht angefochten worden. Durch Urteil vom 20. Juni 1960 hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 1954 Witwenrente nach dem BVG zu gewähren.
Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte beim AG Witten gemäß Art. 2 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes (VerschÄndG) vom 15. Januar 1951 beantragt, den auf den 31. Dezember 1945 festgestellten Todeszeitpunkt anderweitig festzustellen. Diesen Antrag lehnte das AG Witten am 13. Dezember 1963 ab. Über die hiergegen erhobene Beschwerde des Beklagten ist bis zum Erlaß des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) noch nicht entschieden worden. Mit Urteil vom 25. November 1964 hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Klägerin habe Verschollenheitsrente zugestanden, da nach den Umständen auf Grund der Verschollenheit des N. ernste Zweifel an seinem Fortleben begründet seien. Die Klägerin habe glaubhaft vorgetragen, die letzte Nachricht von ihm im Februar 1945 erhalten zu haben, nachdem er sie noch im Dezember 1944 im Urlaub besucht habe. Die dadurch begründeten ernstlichen Zweifel an seinem Fortleben seien nicht dadurch ausgeräumt worden, daß Suchmeldungen eines S N. nach einer Frau vorlägen, die den gleichen Namen trage wie die Klägerin. "S" N., der sich damals in G (G) bei C (T) Krs. P aufgehalten habe, könne nicht der Ehemann der Klägerin gewesen sein, und zwar nicht nur deswegen, weil er den Vornamen S getragen habe, während der Ehemann J heiße; den Deutschen, die in den von Polen verwalteten Gebieten zurückgeblieben seien, sei zwar die Möglichkeit gegeben worden, ihren bisherigen deutschen Namen in polnisch klingende Namen umzuwandeln, doch sei unerfindlich, warum der deutsche Name J in S geändert worden sein sollte, obwohl sich für eine Änderung eher "J" oder "J", also die polnischen Formen des Namens J, angeboten hätten. Gegen die Identität des Suchenden mit dem Ehemann der Klägerin sprächen weiter auch die unzutreffenden Angaben in der Suchmeldung, nämlich die Angabe des Geburtsdatums der Gesuchten mit dem 17. Februar 1904, während die Klägerin am 19. Februar 1904 geboren sei; ihr Geburtsort werde mit "S" (richtig: S) bezeichnet, ein Ort, der nach 1933 "D" geheißen habe, während die Klägerin in "G" geboren sei. In der Suchmeldung sei der Geburtsname der Ehefrau des N. mit "R" angegeben, dagegen schreibe sich die Klägerin "R". Es sei unwahrscheinlich, daß ein Ehegatte sich so erheblich über wichtige persönliche Daten des anderen irre. Es könne deshalb nicht angenommen werden, daß Suchender und Gesuchte mit der Klägerin und ihrem Ehemann identisch seien. Hinzu komme, daß, wie die Klägerin vorgetragen habe, der Name R oder R in ihrer Heimat außerordentlich häufig gewesen sei und beispielsweise in ihrer Schulklasse von 40 bis 50 Kindern acht allein diesen Namen getragen hätten. Lasse sich aber nicht feststellen, daß S N. der Ehemann der Klägerin sei, dann sei es bedeutungslos, daß ein Mann dieses Namens gemäß der Auskunft der Frau T aus G sich kurze Zeit auf deren Bauernhof aufgehalten und dann mit einem "Kollegen W" mit unbekanntem Ziel abgereist sei. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß der verschollene Ehemann der Klägerin höchstwahrscheinlich in den chaotischen Zuständen der letzten Kriegstage an der Ostfront umgekommen sei, wie in der nicht widerlegten Todeserklärung zutreffend festgestellt worden sei. Diese Situation könne nicht dadurch anders geworden sein, daß in dieser Todeserklärung der Todeszeitpunkt auf den 31. Dezember 1945 festgesetzt worden sei. Dieses gemäß Art. 2 § 2 Abs. 3 des VerschÄndG schematisch gewählte Datum sei stets anzunehmen, wenn Ermittlungen über den Zeitpunkt des Todes nicht angestellt worden seien. Dieses schematisch gewählte Datum könne aber niemals der Grund dafür sein, eine einmal gewährte Verschollenheitsrente nur deshalb wieder zu entziehen, weil einige Monate nach Beendigung des Krieges, nämlich am 31. Dezember 1945, keine besonderen Hinweise mehr dafür zu erkennen seien, daß der Tod auch zu diesem Zeitpunkt noch eine Folge kriegsbedingter Verhältnisse sei. Die einmal getroffene Feststellung, daß das Ableben mit hoher Wahrscheinlichkeit durch versorgungsrechtlich wesentliche Umstände eingetreten sei, sei durch die spätere, rein schematisch getroffene Feststellung des vermutlichen Todeszeitpunktes nicht unrichtig geworden. Bei dieser Rechtslage könne eine Entscheidung über die Hinterbliebenenrente auch nicht anders ausfallen, wenn der Beschluß über die Todeserklärung mit dem Todeszeitpunkt 31. Dezember 1945 vor dem endgültigen Abschluß des Rentenverfahrens ergehe oder wenn, wie hier, dieser Beschluß noch nicht rechtskräftig geworden sei. Der Klägerin stehe aus diesen Gründen auf jeden Fall Hinterbliebenenrente - sei es eine Verschollenheits- oder Witwenrente - zu, wobei Witwenrente nur formell eine andere Bezeichnung für die bis zur Rechtskraft des Beschlusses über die Todeserklärung zustehende Verschollenheitsrente bedeute.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte sachlich-rechtlich Verletzung der §§ 9, 10 des Verschollenheitsgesetzes (VerschG), des Art. 2 § 8 VerschÄndG, der §§ 38, 52 BVG und verfahrensrechtlich der §§ 54, 128, 103 und 114 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Da niemals eine Verschollenheitsrente bewilligt worden sei, habe das VersorgA auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob das wahrscheinliche Ableben des N. Schädigungsfolge gewesen sei (§ 52 BVG). Eine solche Entscheidung wäre auch tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen. Das LSG hätte die Rechts- und Sachlage zugrunde legen müssen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen habe. Die von ihm gewählte rechtliche Konstruktion diene dazu, die Lebens- und Todesvermutung der §§ 9, 10 VerschG und des Art. 2 § 8 VerschÄndG zu umgehen. Da die Todeserklärung der Klärung nicht nur der Rechts-, sondern auch der Sachlage diene, sei nach erfolgter Todeserklärung eine Verschollenheitsrente schon aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in Betracht gekommen. In diesem Sinne habe auch der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Beschluß vom 11. Mai 1960 (BSG 12, 139 ff) entschieden. Das LSG hätte deshalb nicht in eine Prüfung eintreten dürfen, ob der Klägerin eine Rente nach § 52 BVG zugestanden habe und nach § 52 oder § 38 BVG noch zustehe, sondern es hätte davon ausgehen müssen, daß N. bis zum 31. Dezember 1945 gelebt habe, sofern es - wie geschehen - den Beweis nicht habe als geführt ansehen wollen, daß N. den 31. Dezember 1945 überlebt habe. Es habe deshalb nicht feststellen dürfen, daß N. höchstwahrscheinlich in den chaotischen Zuständen der letzten Kriegstage umgekommen sei. Auch der nach § 38 BVG erforderliche Kausalzusammenhang des Todes des N. mit einer Schädigung im Sinne des BVG sei nicht erwiesen. Verfahrensrechtlich sei das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Beschluß des AG Witten über die Todeserklärung noch nicht rechtskräftig sei. Es habe diesen Beschluß auch falsch ausgelegt, weil es die darin erwähnten Angaben der Klägerin über den wahrscheinlichen Tod des N. in den letzten Kriegstagen als Feststellungen des AG Witten angesehen habe. Es hätte den Ausgang des von dem Beklagten eingeleiteten Verfahrens über die Abänderung des festgestellten Todeszeitpunktes abwarten müssen, weil dieses präjudiziell für den vorliegenden Rechtsstreit gewesen sei. Es habe deshalb § 114 SGG verletzt. Das beim AG Witten anhängige Verfahren könne ergeben, daß der Todeszeitpunkt anders als nur schematisch festgestellt oder eine Verschollenheit überhaupt verneint werde. Die Akten des AG Witten hätten beigezogen werden müssen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts darüber, daß Stanislaus N. nicht identisch mit dem Ehemann der Klägerin sein könne, seien im übrigen unter Verletzung der §§ 128, 103 SGG getroffen. Das LSG habe die Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung durch die Feststellung überschritten, es sei unerfindlich, weshalb der Vorname Johann in Stanislaus geändert worden sei. Es habe dabei verkannt, daß die Namensänderung eine Sache des persönlichen Geschmacks sei, und daß möglicherweise durch die Wahl des Vornamens Stanislaus der Eindruck einer Polonisierung habe vermieden werden sollen. Bei den Unstimmigkeiten im Geburtsdatum und Geburtsnamen der Klägerin hätte das LSG nicht außer acht lassen dürfen, daß N. Landarbeiter mit Volksschulbildung gewesen sei. Auch die unzutreffende Angabe des Geburtsortes beruhe auf der Uninteressiertheit der Landbevölkerung für solche Daten. Die Klägerin habe in den Akten der Landesversicherungsanstalt und des Durchgangslagers W auch selbst über den Tag ihrer Eheschließung, den Geburtsort ihres Ehemannes und den Tag, seitdem er vermißt sei, unterschiedliche Angaben gemacht. Die Umstände jedoch, die für die Identität des Absenders der Suchmeldungen mit N. sprächen, habe das LSG nicht in seine Beweiswürdigung einbezogen, so die Übereinstimmung des Berufes (Landarbeiter), die Angaben über Vor-, Familiennamen, Geburtsmonat und -jahr der Klägerin sowie über die Heimatanschrift P Krs. L. Das LSG hätte, wenn es Zweifel gehabt hätte, aufklären müssen, ob es in Petersgrund außer der Klägerin noch eine im Jahre 1904 geborene Frau mit dem Namen A gegeben habe, die mit einem N. verheiratet gewesen sei. Dazu hätte sich nicht nur die Befragung der Klägerin, sondern auch die Anhörung ihrer Verwandten, der Frau J S, des P R und des M R sowie des offenbar früher in P wohnhaft gewesenen Zeugen J K und der J S angeboten. Durch die Heimatortskartei für Ostpreußen hätte sich ferner klären lassen können, ob noch weitere, ehemals in P wohnhaft gewesene Personen vorhanden seien, die Auskunft darüber geben könnten, ob mehrere gleichaltrige Träger des Namens A N. dort gelebt hätten. Über den Zeugen J R aus M sei eine Verbindung zu dem Landwirt T hergestellt worden. Die an ihn zu stellenden gezielten Fragen hätten sich auf Personenbeschreibung, Familienverhältnisse, Volkszugehörigkeit, Sprache, Beruf, Kriegserlebnisse des N. und auch darauf beziehen können, wann er sich bei T aufgehalten habe. Es hätte sich dann herausstellen können, ob S N. mit dem Ehemann der Klägerin identisch sein könne.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Dieses gehe zwar von der unzutreffenden Feststellung aus, daß der Beschluß des AG Witten vom 5. Oktober 1959 noch nicht rechtskräftig sei. Dies ändere aber nichts an der Richtigkeit des von dem LSG gefundenen Ergebnisses. Es sei hier nicht auf den schematischen, d. h. ohne Ermittlungen festgesetzten Todeszeitpunkt angekommen, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 38 BVG gegeben gewesen seien. Seien die Tatbestandsmerkmale des § 52 BVG erfüllt und Hinterbliebenenrente gewährt worden, so könne keine verwaltungsmäßige Überprüfung mehr vorgenommen werden, wenn später der Todeszeitpunkt schematisch festgestellt werde; denn der "wahrscheinlichste" Todeszeitpunkt lasse sich nie ermitteln.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist deshalb zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG). Sie ist auch im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 22. Dezember 1956 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1957, mit dem der Anspruch auf Verschollenheitsrente (§ 52 BVG und auf Leistungen nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen vom 13. Juni 1950 (BGBl I 204) abgelehnt worden ist. Das LSG hat die Rechtsauffassung vertreten, daß die Klägerin Anspruch auf Rente nach § 52 BVG gehabt habe, weil ihr Ehemann verschollen und sein Ableben höchstwahrscheinlich durch kriegsbedingte Umstände eingetreten sei. Diese Rechtslage sei nicht dadurch anders geworden, daß durch den Beschluß des AG Witten vom 5. Oktober 1959 der Ehemann der Klägerin für tot erklärt und - schematisch - als Zeitpunkt des Todes der 31. Dezember 1945 festgestellt worden sei. Mit diesen Ausführungen hat das LSG den Zusammenhang verkannt, der zwischen der Versorgung wegen Verschollenheit nach § 52 BVG und der Gewährung von Hinterbliebenenversorgung gemäß § 38 BVG, insbesondere nach erfolgter Todeserklärung, besteht. Nach § 52 BVG wird den Hinterbliebenen, denen eine Rente zustehen würde, diese "schon vor der Todeserklärung gewährt", wenn das Ableben des Verschollenen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Bei dem Anspruch auf Rente wegen Verschollenheit handelt es sich danach nicht um einen zeitlich unbegrenzten, von der Hinterbliebenenversorgung dauernd losgelösten selbständigen Anspruch, also nicht um eine völlig andere Art der Versorgung, sondern um die Gewährung von Hinterbliebenenrente unter erleichterten Voraussetzungen für die Zeit, in der wegen Verschollenheit des Beschädigten noch nicht von seinem Ableben ausgegangen werden kann. Anstelle des nach § 38 BVG erforderlichen Nachweises des Todes des Beschädigten durch eine Schädigung genügt hier nach § 52 BVG bis zur Feststellung des Todes oder dem Erlaß der Todeserklärung der Nachweis der Verschollenheit (als Folge einer Schädigung). Die Rente wegen Verschollenheit ist somit nur eine Unterart der Hinterbliebenenrente. Daß § 52 BVG insbesondere den Wirkungen der Todeserklärung den Vorrang vor den nur auf die Verschollenheit des Beschädigten gestützten anspruchsbegründenden Tatsachen einräumt, folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes "schon vor der Todeserklärung" und der hierbei grundsätzlich vorausgesetzten Abhängigkeit der Hinterbliebenenversorgung von dem Tode des Beschädigten durch eine Schädigung. Deshalb kann die Rente wegen Verschollenheit nicht weitergewährt werden, wenn der Tod des Angehörigen festgestellt oder eine Todeserklärung mit der sich aus ihr ergebenden Feststellung des Todeszeitpunktes erlassen wird. Es ist dann zu prüfen, ob Hinterbliebenenversorgung nach § 38 BVG zu gewähren ist. Die Rente muß in diesem Falle "umgestellt" oder gegebenenfalls auch abgelehnt werden (vgl. BSG, Beschluß des Großen Senats vom 11. Mai 1960, BSG 12, 142; Wilke, BVG, Handkommentar 3. Aufl., § 52 Anm. IV). Die Verpflichtung zur Gewährung von Hinterbliebenenversorgung nach § 38 BVG kann also nicht daraus hergeleitet werden, daß der Berechtigte bis zur Feststellung des Todeszeitpunktes Anspruch auf Rente wegen Verschollenheit gehabt hat. Welche Folgerungen sich für einen Rückforderungsanspruch der Versorgungsverwaltung gegebenenfalls daraus ergeben können, daß die Rente nach § 52 BVG bis zur Todeserklärung gewährt worden war, ist hier nicht zu entscheiden, da das VersorgA durch Bescheid vom 22. Dezember 1956 die Zahlung einer Rente nach dieser Vorschrift abgelehnt und die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens keineswegs angenommen werden kann. Das LSG hat zwar festgestellt, Stanislaus N., der sich mit Suchmeldungen vom 27. November 1946 und 23. März 1947 an das Deutsche Rote Kreuz gewandt hatte, könne nicht der Ehemann der Klägerin gewesen sein. Diese Feststellung konnte das LSG jedoch nicht ohne Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften treffen, wie noch darzulegen ist. Wenn aber Stanislaus N. identisch mit dem Ehemann der Klägerin ist, was nicht auszuschließen ist, so würde er mindestens bis März 1947, vielleicht auch im Dezember 1956, noch gelebt haben; sollte er inzwischen gestorben sein, so würde es doch an jedem Anhalt dafür fehlen, daß er durch eine Schädigung oder an Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG gestorben ist. Es würde dann - unabhängig von den Rechtswirkungen der Todeserklärung - an den Voraussetzungen fehlen, die sowohl § 52 BVG als auch § 38 BVG an den Zusammenhang zwischen der Verschollenheit und dem Tod mit einer Schädigung oder Schädigungsfolgen stellen.
Soweit das LSG den Anspruch auf Verschollenheits- bzw. Witwenrente nach §§ 38, 52 BVG bejaht hat, hat es die rechtsgestaltende Wirkung verkannt, die nach den §§ 9 Abs. 1, 10 des VerschG idF vom 15. Januar 1951 (BGBl I 63) der Todeserklärung auch dann zukommt, wenn der Zeitpunkt des Todes schematisch nach Art. 2 § 2 Abs. 3 Satz 1 VerschÄndG vom 15. Januar 1951 (BGBl I 59) auf das Ende des Jahres 1945 festgestellt ist. Nach den §§ 9 Abs. 1, 10 VerschG begründet die Todeserklärung die Vermutung, daß der Verschollene zu dem im Beschluß festgestellten Zeitpunkt gestorben ist und daß er bis zu diesem Zeitpunkt gelebt hat. Die Vermutung wirkt für und gegen jedermann; sie bindet alle Behörden, insbesondere auch die Versorgungsverwaltung, und ist weder in zeitlicher noch in persönlicher Hinsicht beschränkt. Es ist auch unerheblich, ob im Todeserklärungsverfahren Ermittlungen über den Zeitpunkt des Todes angestellt worden sind (vgl. Art. 2 § 3, 8 VerschÄndG) oder ob ohne Ermittlungen ein vom Gesetz vorgeschriebener schematischer Todeszeitpunkt festgestellt worden ist (BSG 12, 139, 142, 144). Der Gegenbeweis zur Entkräftung der Todesvermutung ist zwar zulässig, setzt jedoch die volle Gewißheit der Unrichtigkeit des in der Todeserklärung festgestellten Todeszeitpunktes voraus. Das LSG hätte somit den positiven Nachweis führen müssen, daß N. vor oder nach dem 31. Dezember 1945 gestorben sei. Hierzu reicht es nicht aus, daß Gericht oder Verwaltung dem in der Todeserklärung festgestellten Zeitpunkt eine eigene - möglicherweise mit höherem Grad der Wahrscheinlichkeit begründete - "Feststellung" entgegensetzen (BSG aaO S. 144). Gegen diese gesetzlich bestimmte Wirkung der Todeserklärung hat das LSG dadurch verstoßen, daß es angenommen hat, der Ehemann der Klägerin sei höchstwahrscheinlich in den chaotischen Zuständen der letzten Kriegstage an der Ostfront umgekommen. Der gegenüber der Todes- und Lebensvermutung der §§ 9, 10 VerschG mögliche Gegenbeweis ist auch, abgesehen von den Bedenken, die sich aus den Suchmeldungen des "Stanislaus" N. ergeben, schon deshalb nicht geführt, weil das LSG keine Tatsachen angegeben hat, aus denen zwingend auf einen Tod des N. etwa gegen Ende des Krieges geschlossen werden müßte. Auch wenn der Urheber der Suchmeldungen nicht der Ehemann der Klägerin sein sollte, ließe sich - unabhängig von der Feststellung der Todeszeit in der Todeserklärung - nur vermuten, daß er in den Kämpfen um Königsberg umgekommen ist. Der Beweis hierfür kann aber mit Rücksicht auf den sich aus der Todeserklärung ergebenden vermuteten Todeszeitpunkt nicht allein auf die Verschollenheit des N. und die Tatsache gestützt werden, daß er sich noch im Februar 1945 im Kampfgebiet bei der Truppe befand. Sollte das LSG angenommen haben, daß es an den Beschluß des AG Witten vom 5. Oktober 1959 nicht gebunden sei, weil das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, so wäre auch dies rechtsirrig; die Rechtskraft dieses Beschlusses ergab sich schon aus den Verwaltungsakten. Im übrigen setzt der Antrag des Beklagten auf Feststellung eines anderen Todeszeitpunktes nach Art. 2 § 3 VerschÄndG die Rechtskraft des Beschlusses über die Todeserklärung voraus, wie sich aus Art. 2 § 3 Abs. 1 Satz 1 VerschÄndG ergibt.
Das Urteil des LSG beruht somit auf irrtümlicher Anwendung der §§ 52, 38 BVG und einem Verstoß gegen die §§ 9, 10 VerschG, Art. 2 § 3 VerschÄndG. Es war deshalb aufzuheben. Unabhängig hiervon kann das Urteil aber auch deswegen nicht aufrechterhalten werden, weil der Beklagte zutreffend gerügt hat, das LSG habe die Grenzen des freien richterlichen Beweiswürdigungsrechts überschritten (§ 128 SGG) und seine Sachaufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es als erwiesen angesehen habe, "Stanislaus" N. könne nicht identisch mit dem Ehemann der Klägerin sein.
Zwar hatte ein Träger des Namens S N., nicht des Namens J N., Suchmeldungen an das Deutsche Rote Kreuz gerichtet. Die Suchmeldungen betrafen aber die Ehefrau des Absenders, nämlich A N. Diese Übereinstimmung mit dem Namen der Klägerin wurde ergänzt durch die zutreffenden Angaben der Heimatanschrift P Krs. L/Ostpr. (am 1. September 1939), des nur in der Schreibweise abweichenden Mädchennamens R (statt R) und des nur um zwei Tage verschiedenen Geburtsdatums (17. Februar 1904 statt 19. Februar 1904). Außerdem ließ die Angabe der Anschrift des Absenders der Suchmeldungen darauf schließen, daß er bei dem Landwirt T wahrscheinlich als Landarbeiter tätig war. Damit ergab sich auch die Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung mit dem Beruf des N. Einige der Unstimmigkeiten ließen sich dabei zwanglos mit dem Bildungsgrad des N. als eines Landarbeiters erklären. Ernstliche Zweifel an der Identität des Gesuchstellers mit N. konnten sich nur daraus ergeben, daß er statt des Vornamens J den Vornamen S und statt des Geburtsortes der Klägerin G (oder G) den Ort S Krs. L angegeben hatte. Dieser seit 1933 in D umbenannte Ort liegt, wie die Klägerin in den Akten des AG Witten am 6. Mai 1964 angegeben hat, "in einiger Entfernung von G". Es ist möglich, daß S N., wenn er der Ehemann der Klägerin ist, diesen (größeren) Ort nur angegeben hat, weil ihm der Name des wirklichen Geburtsortes entfallen war und er deswegen glaubte, als Anhaltspunkt für die Heimat der Klägerin wenigstens den nächsten größeren Ort oder die Gegend, aus der sie stammte, angeben zu sollen. Auch eine Umwandlung des Vornamens J in S könnte seine Erklärung darin finden, daß der polnische Staat den im Lande gebliebenen Deutschen eine solche Änderung gestattete und daß hierbei nicht nur die polnische Übersetzung des deutschen Vornamens gewählt werden konnte. In diesem Falle wäre es nicht ungewöhnlich gewesen, daß ein eingebürgerter polnischer Name einem nur übersetzten deutschen Namen vorgezogen wurde, um den Eindruck einer Polonisierung zu vermeiden und den Willen der Zugehörigkeit zu dem polnischen Volk deutlich herauszustellen. An eine solche Namensänderung mochten Personen die Erwartung knüpfen, nicht mehr als Personen deutscher Abstammung angesehen und behandelt zu werden. Da als Heimatanschrift der Klägerin aber P angegeben war, hing die Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei S N. um den Ehemann der Klägerin handele, entscheidend davon ab, ob eine andere Person aus Petersgrund als die Klägerin gemeint sein konnte. Für die Beantwortung dieser Frage konnte die Größe des Ortes sehr wichtig sein. Damit hat sich das LSG aber nicht auseinandergesetzt. P Krs. L, Ostpr. hatte ausweislich des auf Grund der Volkszählung 1939 herausgegebenen Amtlichen Gemeindeverzeichnisses für das Deutsche Reich 267 Einwohner (Statistik des Deutschen Reichs Bd. 550 S. 51). Bei dieser geringen Bevölkerungszahl waren Ermittlungen darüber, ob bis zur Evakuierung im Oktober 1944 noch eine andere im Jahre 1904 geborene, verheiratete Person mit dem Namen A N. geb. R (oder R) in Petersgrund gewohnt hatte, keineswegs überflüssig und im übrigen auch wohl erfolgversprechend. Die hierzu erforderlichen Auskünfte hätten wahrscheinlich von Verwandten der Klägerin, nämlich ihrer Mutter J S, ihren Brüdern M und P R, die alle im Gebiet der Bundesrepublik wohnen, gegeben werden können. Auch Anfragen bei der Frau S aus U, mit der die Klägerin nach ihrer Angabe noch in brieflicher Verbindung steht, und bei dem Zeugen J K, der sich als Trauzeuge der Klägerin bezeichnet hat, erschienen nicht aussichtslos. Das LSG hätte auch Anlaß gehabt, die Akten des AG Witten beizuziehen, da sie Aufschluß nicht nur über den Stand des Verfahrens, sondern auch über dort getroffene Feststellungen, darunter die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen, geben konnten. Über den Zeugen J R aus M, einem Bruder der jüngeren Frau T aus G, ließen sich möglicherweise nähere Angaben über etwa von S N. mitgeteilte Familienverhältnisse (er hatte eine 1934 geborene, später verstorbene Tochter I), Geburtsort und Geburtsdatum (E, 2. März 1902), seine Sprache, Kriegserlebnisse (letzte Kämpfe bei K ?) und ähnliches erlangen. Möglicherweise konnte Frau T eine genauere Personalbeschreibung geben, verfügte vielleicht auch noch über Schriftstücke ihres früheren Arbeiters, die mit den Schriftzeichen von anderen, etwa noch im Besitz der Klägerin oder ihrer Verwandten befindlichen Schriftstücken des N. verglichen werden konnten. Wenn die Klägerin am 9. Februar 1966 in den Akten des AG Witten auch angegeben hat, von N. keine Fotos zu besitzen, so könnte doch einer ihrer Verwandten ein solches Bild gehabt haben, das gegebenenfalls mit einem im Besitz der Frau T befindlichen verglichen werden oder angesichts dessen diese sich an N. erinnern konnte. Die von der Militärmission der Volksrepublik Polen erteilte Auskunft vom 22. November 1956 und die zu den Akten des AG Witten überreichte Auskunft der Sozialversicherungsanstalt P vom 30. September 1964 waren für den hier zu führenden Beweis wertlos, da sie sich nicht auf S N., sondern auf J N. bezogen. Allerdings war in der Auskunft der Militärmission vom 24. November 1961 auch S N. berücksichtigt worden.
Das LSG durfte nach alledem ohne Überschreitung des freien richterlichen Beweiswürdigungsrechts und ohne Verletzung seiner Aufklärungspflicht nicht davon ausgehen, daß Stanislaus N. mit Johann N. nicht identisch sein könne. Auch von seiner Rechtsauffassung aus hätte es - unabhängig von dem durch die Todeserklärung festgesetzten Todeszeitpunkt - weitere Ermittlungen anstellen müssen. Erst recht ergibt sich diese Notwendigkeit, wenn von der zutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen wird, daß die Unrichtigkeit des schematisch in der Todeserklärung festgestellten Todeszeitpunktes einwandfrei nachgewiesen sein muß. Da die angegebenen Verfahrensmängel von der Revision mit Erfolg geltend gemacht worden sind, bedarf es nicht der Prüfung, ob auch die weiteren Verfahrensrügen der Revision zutreffen.
Da die unangefochtenen Feststellungen des LSG allein eine Entscheidung nicht zulassen und der Senat die für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Bei der neuen Entscheidung wird das LSG zu beachten haben, daß es an die Feststellungen des im Todeserklärungsverfahren erlassenen Beschlusses gebunden ist, sofern nicht der Gegenbeweis eines anderen Todeszeitpunktes oder des Überlebens des N. gelingt. Der Beschluß des Rechtspflegers vom 13. Dezember 1963, durch den der Antrag des Beklagten auf Änderung des Todeszeitpunktes nach Art. 2 § 3 VerschÄndG abgelehnt wurde, ist durch Beschluß des AG Witten vom 24. Januar 1966 aufgehoben worden. Da von dem AG Witten nunmehr weitere Ermittlungen über die Todeszeit anzustellen sind und erst danach unter Berücksichtigung des Art. 2 § 3 VerschÄndG i. V. m. § 33 a Abs. 3 VerschG erneut zu entscheiden ist, erscheint eine Aussetzung des Verfahrens des LSG nach § 114 Abs. 2 SGG geboten, da das Ergebnis des bei dem AG Witten anhängigen Verfahrens unmittelbare Rückwirkungen auf die Ansprüche der Klägerin äußern kann (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur SGb, 4. Aufl., § 114 SGG Anm. 3 - II/78-6 --). Bei der Entscheidung des AG Witten über den gemäß Art. 2 § 3 Abs. 2 VerschÄndG wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt kommt auch das Ende des Krieges, also etwa der 9. Mai 1945 als der innerhalb gewisser Grenzen wahrscheinlichste Todeszeitpunkt in Betracht (BGH 9, 135, 137). Wenn hiernach das LSG auch keinen unmittelbaren Einfluß auf eine andere Feststellung des Todeszeitpunktes des N. hat, so ist es doch nicht gehindert, durch eigene Ermittlungen das andere Verfahren zu fördern oder solche Ermittlungen anzustellen, durch die die in den §§ 9, 10 VerschG enthaltenen Vermutungen widerlegt werden können.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen