Leitsatz (redaktionell)

Bei einer umgewandelten Erwerbsunfähigkeitsrente in ein Altersruhegeld kann hierauf die Zeit dauernder Erwerbsunfähigkeit als Ausfallzeit iS des RVO § 1259 Abs 1 Nr 1 nicht in Anrechnung kommen.

 

Normenkette

RVO § 1259 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1965-06-09

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. November 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der am 20. August 1901 geborene Kläger war bis zum 12. Februar 1963 als Fabrikarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war er arbeitsunfähig krank. Ab 1. August 1963 erhielt er Rente wegen Berufsunfähigkeit. Diese Rente wandelte die Beklagte ab 1. April 1964 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 5. Juli 1965) und letztere ab 1. August 1966 in ein Altersruhegeld um (Bescheid vom 12. September 1966).

Der Kläger begehrte mit der Klage gegen den Bescheid vom 5. Juli 1965 die Anrechnung der Zeit vom Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bis zum Beginn der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als Ausfallzeit. Das Sozialgericht (SG) wies durch Urteil vom 21. Februar 1966 die Klage ab. Im Berufungsverfahren erkannte die Beklagte die Zeit der Berufsunfähigkeit des Klägers von März 1963 bis 31. März 1964 für die Berechnung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und des Altersruhegeldes als Ausfallzeit an; die daran anschließende Zeit der Erwerbsunfähigkeit rechnete sie dagegen in dem während des Berufungsverfahrens ergangenen Altersruhegeldbescheid vom 12. September 1966 nicht als Ausfallzeit an. Der Kläger nahm das Teilanerkenntnis der Beklagten an und begehrte nunmehr, ihm die Zeit der mit der Erwerbsunfähigkeit zusammenfallenden Arbeitsunfähigkeit von April 1964 bis 31. Juli 1966 auf das Altersruhegeld als Ausfallzeit anzurechnen.

Das Landessozialgericht (LSG) wies die Klage gegen den Altersruhegeldbescheid ab (Urteil vom 7. November 1967). Es hielt die Voraussetzungen des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) jedenfalls dann nicht für gegeben, wenn die Erwerbsunfähigkeit bis zum Tode oder - wie hier - bis zum Versicherungsfall des Alters bestanden habe; in diesem Fall sei die versicherungspflichtige Beschäftigung spätestens mit Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit "abgebrochen", nicht aber "unterbrochen" worden.

Mit der zugelassenen Revision beantragte der Kläger,

die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 12. September 1966 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Berücksichtigung einer Ausfallzeit vom 1. April 1964 bis zum 31. Juli 1966 ein höheres Altersruhegeld zu gewähren.

Er rügte die unrichtige Anwendung des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO.

Die Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten über die Gewährung des Altersruhegeldes vom 12. September 1966. Hinsichtlich des Bescheides vom 5. Juli 1965 hat sich der Rechtsstreit während des Berufungsverfahrens erledigt. Der Bescheid vom 12. September 1966, der während des Berufungsverfahrens ergangen ist, ist nach den §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG kraft Klage (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 30. Januar 1963, SozR Nr. 17 zu § 96 SGG) Gegenstand des Verfahrens des LSG geworden; mit diesem Bescheid ist die Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit von der Vollendung des 65. Lebensjahres an in das Altersruhegeld umgewandelt worden (§ 1254 Abs. 2 RVO), dieser Bescheid hat für die Zeit vom 1. August 1966 an den Rentenbescheid vom 5. Juli 1965 "ersetzt" (vgl. auch Urteil des BSG vom 25. September 1962, BSG 18, 31, 33).

Das LSG hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf die Anrechnung der Zeit vom 1. April 1964 bis zum 31. Juli 1966 als Ausfallzeit verneint; die streitige Zeit erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Ausfallzeit im Sinne des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Deshalb kommt es hier auch nicht auf die vom LSG erörterte Frage an, ob Zeiten, die mit dem Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zusammentreffen, überhaupt als Ausfallzeiten angerechnet werden dürfen.

Nach § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO idF vor und nach dem Inkrafttreten des Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 sind - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift - Ausfallzeiten Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden ist. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitsunfähigkeit die versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers nicht unterbrochen, sondern beendet.

Der Kläger hat sich für seine gegenteilige Ansicht zu Unrecht auf die Entscheidungen des 4. Senats des BSG vom 13. Mai 1966 (BSG 25, 16) und vom 23. August 1966 - 4 RJ 481/64 - (Die Rentenversicherung, 1967, 20) berufen. Der 4. Senat hat dort zwar ausgesprochen (BSG 25, 18), daß eine "Unterbrechung" der versicherungspflichtigen Beschäftigung auch dann zu bejahen sei, wenn bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die "Möglichkeit" oder "Aussicht" bestehe, daß der Versicherte nach Fortfall der Arbeitsunfähigkeit die versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetze. Ähnlich hat zuvor schon der 1. Senat im Urteil vom 18. Januar 1962 (BSG 16, 120, 122) für den Begriff der Unterbrechung in § 36 Abs. 1 Nr. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (= § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO) nicht als erforderlich angesehen, daß stets die versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit später wieder aufgenommen werde; von einer Unterbrechung könne auch noch gesprochen werden, wenn die Absicht der Wiederaufnahme nach dem Wegfall des Hindernisses bestanden habe und diese sich wider Erwarten nicht habe verwirklichen lassen.

Den genannten Urteilen haben jedoch allein Fälle der Arbeitslosigkeit und Berufsunfähigkeit zugrunde gelegen; es ist nicht zu entscheiden gewesen, ob Zeiten, in denen der Versicherte als erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO anzusehen ist, als Ausfallzeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO in Betracht kommen. Mit einem solchen Fall hat sich erstmals der 1. Senat des BSG in dem Urteil vom 3. Mai 1968 (SozR Nr. 20 zu § 1259 RVO = Breithaupt 1968, 847) befaßt. In Übereinstimmung mit dem 1. Senat vertritt auch der erkennende Senat die Auffassung, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung eines Versicherten, der aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht und bis zum Versicherungsfall des Alters (oder des Todes) seine Erwerbsfähigkeit nicht wiedererlangt, mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, spätestens jedoch mit dem Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit, beendet wird. Von einer bloßen "Unterbrechung" der versicherungspflichtigen Beschäftigung kann in diesem Fall nicht mehr gesprochen werden.

Es kann hierbei dahinstehen, ob Fälle denkbar sind, in denen Empfänger von Renten wegen Erwerbsunfähigkeit überhaupt versicherungspflichtig beschäftigt oder tätig sein können. In aller Regel können sie jedenfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr ausüben, so daß bereits mit Eintritt ihrer dauernden Erwerbsunfähigkeit auch keine Aussicht oder Möglichkeit (BSG 25, 18) mehr besteht, daß sie jemals in die Gemeinschaft der in der Rentenversicherung pflichtversicherten Erwerbstätigen zurückkehren. Von dieser Vorstellung geht, wie schon die unterschiedliche Bemessung der Rentenhöhe bei Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit zeit, auch der Gesetzgeber aus: Während die Berufsunfähigkeitsrente nur mit einem Steigerungssatz von 1 v. H. berechnet wird, ist die Erwerbsunfähigkeitsrente mit einem Steigerungssatz von 1,5 v. H. dem Altersruhegeld gleichgestellt. Dem Gesetz liegt also der Gedanke zugrunde, daß die EU-Rentner im Gegensatz zu den Empfängern einer BU-Rente keine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit auszuüben vermögen. Sie gehören - außer vielleicht die Empfänger von Renten wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit - nicht mehr dem Kreis derer an, die einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nachzugehen pflegen. Ihre versicherungspflichtige Beschäftigung ist, wenn sie fortlaufend bis zum Bezug des Altersruhegeldes Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhalten haben, im Falle des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO deshalb durch die Arbeitsunfähigkeit nicht nur unterbrochen, sondern beendet worden.

Die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers von April 1964 bis Juli 1966 kann somit keine Ausfallzeit sein. Die Revision des Klägers muß daher ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284975

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