Leitsatz (amtlich)

Der Übergang des Anspruchs auf Rente auf die KK (RVO § 183 Abs 3 S 2) setzt voraus, daß das Krankengeld - abgesehen von den besonderen Erlöschensgründen nach RVO § 183 Abs 3 S 1, Abs 4 - zu Recht gezahlt worden ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des RVO § 183 Abs 4 gilt auch dann als erfüllt, wenn das Krankengeld gemäß § 189 RVO ruht.

2. Der Übergang des Rentenanspruches auf die KK gemäß RVO § 183 Abs 3 S 2 geht einer Abtretung des Versicherten an den Arbeitgeber wegen Zahlung eines Rentenvorschusses vor.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1961-07-12, S. 2 Fassung: 1961-07-12, Abs. 4 Fassung: 1961-07-12, § 189 Fassung: 1930-07-26

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Nachzahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, die dem Versicherten G (G.), einem freiwilligen Mitglied der beigeladenen Ersatzkasse, von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zugebilligt worden ist, der beigeladenen Ersatzkasse oder der Klägerin, der Arbeitgeberin des Versicherten, zusteht.

Der Lokomotivführer G. war bei der Klägerin angestellt. Vom 8. November 1963 an war er arbeitsunfähig krank. Die Klägerin zahlte ihm für die ersten sechs Wochen bis zum 19. Dezember 1963 das volle Gehalt. In der nachfolgenden Zeit vom 20. Dezember 1963 bis zum 7. Mai 1964 leistete sie ihm 90 % seines Gehaltes. Der Versicherte gab der Klägerin am 25. Februar 1964 folgendes "Anerkenntnis":

"Gemäß § 21 (9) ETV erlischt der Anspruch auf Krankenbezüge von dem Zeitpunkt an, von dem der Bedienstete Bezüge aus einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung erhält.

Ich erkenne daher gemäß § 21 (11) des Eisenbahntarifvertrags, abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr an, daß die von der Kreis A Eisenbahn über die ihr obliegenden Leistungen hinaus gezahlten Krankenbezüge als Vorschußleistungen auf die Versicherungsleistungen gelten. Die Kreis A Eisenbahn hat in Höhe ihrer Mehrleistungen Anspruch auf die zur Zeit der Geltendmachung noch nicht gezahlten Versicherungsleistungen."

Die beigeladene Ersatzkasse leistete G. vom 20. Dezember 1963 bis zum 7. Mai 1964 ein tägliches Krankengeld in Höhe von 20,- DM, insgesamt 2.800,- DM. Die Beklagte gewährte dem Versicherten mit Bescheid vom 11. Mai 1964 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. November 1963 in Höhe von monatlich 468,30 DM. Die Rentennachzahlung betraf die Rente für die Monate November 1963 bis Juni 1964. Die Beigeladene und die Klägerin verlangten von der Beklagten den auf den genannten Zeitraum (20. Dezember 1963 bis zum 7. Mai 1964) entfallenden Teil der Rentennachzahlung in Höhe von 2.160,20 DM. Dabei stützte die Beigeladene ihren Anspruch auf § 183 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die Klägerin auf das "Anerkenntnis" des G. Die Beklagte überwies die Rentennachzahlung für den genannten Zeitraum (20. Dezember 1963 bis zum 7. Mai 1964) an die Beigeladene, weiterhin an die Klägerin die Rentennachzahlung betreffend den Zeitraum vom 8. November bis 19. Dezember 1963 und den Rest der Rentennachzahlung an den Versicherten. Sie lehnte es durch "Bescheid" vom 19. Februar 1965 ab, die Rentennachzahlung für den Zeitraum vom 20. Dezember 1963 bis zum 7. Mai 1964 an die Klägerin auszuzahlen.

Die Klägerin hat daraufhin Klage auf Zahlung von 2.160,80 DM erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladene auf die Rentennachzahlung gemäß § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO Anspruch gehabt hätte; die Leistungen der Klägerin in dem streitigen Zeitraum an den Versicherten seien nicht Arbeitsentgelt, sondern ein Vorschuß auf die zu gewährende Rente gewesen; deshalb habe der Anspruch des G. auf Krankengeld nicht nach § 189 RVO geruht.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Nach dem hier anwendbaren § 183 Abs. 4 RVO habe der Versicherte Anspruch auf Krankengeld für höchstens sechs Wochen gehabt. Da Krankengeld aber über diesen Zeitraum hinaus gezahlt worden sei, sei nach dem hier entsprechend anwendbaren § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO der Anspruch auf Rente auf die Beigeladene übergegangen. § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO stelle eine die Krankenkasse begünstigende Sonderregelung dar; deshalb müsse die Klägerin mit ihren Ansprüchen aus dem "Anerkenntnis" des Versicherten zurücktreten, so daß die Beklagte mit Recht die Rentennachzahlung der Beigeladenen überwiesen habe. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sie trägt vor: Das LSG sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Anspruch auf Rente gemäß § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO auch dann auf die Krankenkasse übergehe, wenn das Krankengeld aus anderen Gründen als denen des § 183 Abs. 4 RVO zu Unrecht gezahlt worden sei, sofern es nur auch nach § 183 Abs. 4 RVO nicht hätte gezahlt werden dürfen. Sinn dieser Vorschriften sei es jedoch sicherzustellen, daß den Versicherten Leistungen mit Lohnersatzfunktion sowohl aus der Krankenversicherung wie auch aus der Rentenversicherung nicht nebeneinander gewährt würden. Die Vorschrift regele somit nur die Fälle einer zu Unrecht erfolgten Krankengeldzahlung, die nur aus der Unkenntnis der späteren Rentenbewilligung heraus ihren Unrechtscharakter herleite. Diese Vorschrift wolle aber nicht auch solche Fälle behandeln, bei denen das Krankengeld auf Grund anderer Tatbestände nicht habe gezahlt werden dürfen. Hier sei das Krankengeld nicht deshalb zu Unrecht gewährt worden, weil nach § 183 Abs. 4 RVO kein Anspruch auf Krankengeld bestanden habe. Vielmehr sei die Krankengeldzahlung von vornherein nicht rechtmäßig gewesen, weil der Anspruch auf Krankengeld wegen der Fortzahlung des Arbeitsentgeltes gemäß § 189 RVO geruht habe. Wenn § 183 Abs. 3 RVO von dem Ende des Anspruchs auf Krankengeld spreche, so könne auch nur das Krankengeld gemeint sein, auf das zunächst einmal Anspruch bestanden hätte. Bei richtiger Auslegung des § 183 RVO sei daher kein Anspruch auf das Krankengeld übergegangen, vielmehr habe die Klägerin auf Grund des Anerkenntnisses einen Anspruch auf die Rente.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 1967 und des SG Dortmund vom 10. Mai 1966 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. Februar 1965 zu verurteilen, an die Klägerin 2.039,23 DM zu zahlen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Ein Vorverfahren ist hier zwischen den Beteiligten nicht erforderlich. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Auszahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten. Die Rente aus der Angestelltenversicherung für G. ist durch Bescheid vom 11. Mai 1964 bindend bewilligt. Streit besteht nur darüber, an wen sie zu zahlen ist. Darüber ist kein Bescheid der BfA erforderlich. Es handelt sich zwar um einen Anspruch aus der Rentenversicherung. Aber dieser ist festgestellt. Die Klägerin meint nur, auf Grund des "Anerkenntnisses" des G. forderungsberechtigt zu sein. Es handelt sich daher um eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), bei der ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte und deshalb auch ein Vorverfahren entfällt (vgl. § 78 SGG).

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Oktober 1968 (3 RK 66/67) ausgesprochen hat, geht der Übergang der Rente auf die Krankenkasse nach § 183 Abs. 3 und 4 RVO einer Abtretung der Rente durch den Versicherten vor (als eine solche Abtretung ist das "Anerkenntnis" des G. aufzufassen). Diese Vorschriften sind hier anzuwenden, auch wenn G. bei der beigeladenen Ersatzkasse freiwillig versichert war und für die freiwillig versicherten in erster Linie die Vorschriften der Satzung gelten (§ 4 Abs. 2 der 12. Aufbau-Verordnung vom 24. Dezember 1935 i. d. F. vom 1. April 1937 - RGBl. I, 439). Denn nach § 2 Abs. 1 Buchst. i. V. m. § 15 Abs. 2 der Versicherungsbedingungen gelten für die freiwillig versicherten die gleichen Vorschriften, wie sie § 183 RVO enthält. Die nach § 76 des Angestelltenversicherungsgesetzes i. V. m. § 119 Abs. 1 Nr. 1 RVO zulässige Abtretung ergreift nur den bereits mit dem Übergang nach § 183 Abs. 3 und 4 RVO belasteten Rentenanspruch. Der Senat hat in dem genannten Urteil ausgeführt, daß nur auf diese Weise die Krankenkasse zum teilweisen Ersatz des über den Beginn der Rente bzw. über sechs Wochen nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit hinaus gezahlten Krankengeldes kommen könne, weil nach § 183 Abs. 3 Satz 3 RVO - der auch für Absatz 4 gilt (Urteil des Senats vom 18. März 1960, SozR RVO § 183 Nr. 13) - die Krankenkasse keine weiteren Ersatzansprüche gegen den Versicherten habe; dagegen könne sich ein Arbeitgeber, der vor Rentenbewilligung Vorschüsse zahle, auf andere Weise für seine etwaige Rückforderung sichern.

Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 4 RVO sind hier gegeben. G. hatte im vorliegenden Falle einen Anspruch auf Krankengeld für insgesamt sechs Wochen, nämlich vom 8. November bis zum 19. Dezember 1964. Unerheblich ist dabei, daß für diese Zeit Krankengeld nicht gezahlt wurde, weil der Anspruch auf Krankengeld wegen der Fortzahlung des Gehalts nach § 189 RVO ruhte. Zeiten des Ruhens des Krankengeldes sind aber nach dem obengenannten Urteil des Senats vom 15. Oktober 1968 (3 RK 66/67) Zeiten des Bezuges gleichzusetzen, weil der Anspruch auf Krankengeld an sich besteht, aber aus anderen Gründen nicht zu erfüllen ist.

Für die Zeit vom 20. Dezember 1964 an (also nach Ablauf der sechs Wochen) ist daher der Anspruch auf Krankengeld nach § 183 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVO auf die beigeladene Ersatzkasse übergegangen. Dieser Übergang setzt allerdings voraus, daß das Krankengeld (ohne Anwendung der Vorschriften des § 183 Abs. 3 und 4 RVO) zu Recht gezahlt worden ist. Dies war aber hier entgegen der Ansicht der Klägerin der Fall. Denn der Krankengeldanspruch hat hier nicht nach § 189 RVO geruht, weil die Klägerin dem Versicherten für die streitige Zeit kein Gehalt gezahlt hat. Vielmehr waren die Zahlungen der Klägerin an G. nach dem Inhalt des Anerkenntnisses vom 25. Februar 1964 "Vorschußleistungen auf die Versicherungsleistungen". Eine solche Zahlung hat aber nicht das Ruhen des Krankengeldanspruchs zur Folge.

Da somit der Anspruch des G. auf Rente für die streitige Zeit auf die beigeladene Ersatzkasse übergegangen ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung dieser Beträge gegen die Beklagte. Ihre Revision muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324401

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