Leitsatz (redaktionell)
1. Um "neue" Erkenntnisse iS des RVO § 551 Abs 2 nF handelt es sich dann nicht mehr, wenn diese Erkenntnisse den Verordnungsgeber bereits veranlaßt haben, eine Krankheit in die Berufskrankheitenliste aufzunehmen oder auch die Bezeichnung der Krankheit richtigstellend oder erweiternd zu ändern oder den Kreis der Unternehmen zu erweitern, in denen die Versicherten gegen den Eintritt einer bestimmten Erkrankung Versicherungsschutz genießen sollen.
Zu den unter 5. BKVO Nr 36 der Anl aufgeführten Unternehmen gehört nicht ein Walzwerk, das fertiges Eisen weiterverarbeitet, ohne dabei das Metall bis zum Schmelzgrad zu erhitzen.
2. Die Beschränkung der Rückwirkung der BKVO 6 auf Versicherungsfälle seit dem 1952-01-01 verstößt nicht gegen GG Art 3 Abs 1.
Normenkette
BKVO 5 Anl 1 Nr. 36 Fassung: 1952-07-26; BKVO 3 Anl 1 Nr. 36 Fassung: 1952-07-26; BKVO 6 Anl 1 Nr. 28 Fassung: 1961-04-28; BKVO 3 Anl 1 Nr. 28 Fassung: 1961-04-28; RVO § 551 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30; BKVO 6 § 4 Fassung: 1961-04-28; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1969-05-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. April 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, der am 31. Oktober 1904 geboren ist, war, nachdem er vorher schon von 1921 bis 1930 bei einer anderen Firma als Vorwalzer gearbeitet hatte, von 1934 bis 1951 bei der Firma W. Ernst H & S bei S (D) im Walzwerk als Vorwalzer an der Walzstraße beschäftigt. Im Juli 1951 wurden bei ihm ein grauer Star am linken Auge und Trübungen der hinteren Linsenschale des rechten Auges festgestellt. Er wurde vom 4. August 1951 bis zum 28. Januar 1952 stationär in der Universitäts-Augenklinik in G behandelt. Das von dem Oberarzt Dr. C mit Einverständnisvermerk des Prof. Dr. R erstattete Gutachten dieser Klinik vom 14. Juni 1952 kam zu dem Ergebnis, daß es sich um einen durch die berufliche Beschäftigung im Walzwerk verursachten Feuerstar handele. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde in diesem Gutachten für die Zeit vom 3. August 1951 bis zum 25. Januar 1952 auf 100 v. H., vom 26. Januar 1952 an auf 40 v. H. geschätzt.
Die Beklagte lehnte nach eingehenden Ermittlungen über die Art des Unternehmens der N.-hütte durch Bescheid vom 19. Mai 1954 die Entschädigungsansprüche ab und führte zur Begründung aus: Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch für die Folgen eines grauen Stars sei, daß der Erkrankte in einem in der Anlage zur 5. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) bei Nr. 36 in der Spalte III aufgeführten Unternehmen beschäftigt gewesen sei; der Kläger sei aber in einem Walzwerk beschäftigt gewesen, und ein solches Unternehmen gehöre weder zu den Eisenhütten noch zu den Metallschmelzereien.
Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte durch einen weiteren Bescheid vom 30. September 1961 festgestellt, daß der Kläger auch keine Ansprüche aufgrund der 6. BKVO habe, weil Voraussetzung für eine rückwirkende Anwendung der Nr. 28 der Anlage zu dieser BKVO sei, daß der Versicherungsfall seit dem 1. Januar 1952 eingetreten sei. Aus dem Gutachten vom 14. Juni 1952 gehe jedoch hervor, daß beim Kläger der Versicherungsfall bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten gewesen sei.
Gegen den Bescheid vom 19. Mai 1954 hat der Kläger Berufung beim Sozialgericht (SG) Gießen eingelegt. Dieses hat das Gewerbeaufsichtsamt in Limburg über die Art des Betriebes der Neuhoffnungshütte gutachtlich gehört und über den Fall auch dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung berichtet. Dieser hat mit Schreiben vom 12. Dezember 1956 mitgeteilt, nach neueren Forschungsergebnissen treffe die frühere Ansicht, daß der sogenannte Feuerstar seiner Entstehung nach als Ultrarotstar zu beurteilen sei, nicht mehr zu. Vielmehr handele es sich um Schädigungen durch Überhitzung, so daß man jetzt von einem "Wärmestar" sprechen müsse. Die staatlichen Gewerbeärzte seien deshalb in Übereinstimmung mit dem Ministerium zu dem Ergebnis gekommen, daß in der in Vorbereitung befindlichen Berufskrankheiten-Novelle für die Nr. 36 die Fassung "Grauer Star (Wärmestar)" und die Ausdehnung der Spalte III auf alle Unternehmen vorzuschlagen seien.
Das SG hat durch Urteil vom 21. November 1960 die Klage abgewiesen und mit eingehender Begründung ausgeführt: Ein Walzwerk, wie das der Firma H sei weder als Eisenhütte noch als Metallschmelzerei im Sinne der Nr. 36 der Anlage der 5. BKVO anzusehen, deshalb bestehe nach der 5. BKVO kein Entschädigungsanspruch. Diese Verordnung könne auch nicht entgegen dem klaren Wortlaut ausdehnend ausgelegt werden. Eine Anerkennung der Augenkrankheit des Klägers als Berufskrankheit müsse vielmehr der zukünftigen Rechtsgestaltung vorbehalten bleiben.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Dieses hat durch Urteil vom 10. April 1962 die Berufung zurückgewiesen und den inzwischen ergangenen Bescheid der Beklagten vom 30. September 1961 "bestätigt". Die Revision ist vom LSG zugelassen worden. Es hat sich der vom SG eingehend begründeten Auffassung angeschlossen, daß das Walzwerk, in dem der Kläger beschäftigt war, nicht als Eisenhütte angesehen werden könne, weil es nicht der Gewinnung von Roheisen aus Erz diene, sondern der Weiterverarbeitung von fertigen Eisen und weil dabei auch im Gegensatz zu einer Metallschmelzerei der Schmelzgrad nicht erreicht werde. Weiterhin hat das LSG ausgeführt, auch der Bescheid der Beklagten vom 30. September 1961 sei nicht rechtswidrig. Durch die 6. BKVO sei zwar in Nr. 28 der Anlage der Versicherungsschutz gegen grauen Star durch Wärmestrahlung auf die Tätigkeit in allen Unternehmen ausgedehnt worden. Die Rückwirkung dieser Verordnung beschränke sich jedoch auf Versicherungsfälle, die seit dem 1. Januar 1952 eingetreten seien. Bei Berufskrankheiten bestimme sich der Zeitpunkt des Versicherungsfalles nach § 3 Abs. 2 der 3. BKVO. Danach gelte als Zeitpunkt der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung oder der Beginn der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Unfallversicherung. Wie sich aus dem Gutachten der Augenklinik vom 14. Juni 1952 ergebe, sei im Falle des Klägers der Versicherungsfall, gleichgültig welchen Zeitpunkt man wähle, bereits im Jahre 1951 eingetreten. Die Rückwirkungsvorschrift des § 4 Abs. 2 der 6. BKVO verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (GG).
Das Urteil des LSG ist der Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 2. Mai 1962 zugestellt worden. Der Kläger hat gegen das Urteil durch seine Prozeßbevollmächtigten am 19. Mai 1962 Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheide vom 19. Mai 1954 und 30. September 1961 die Beklagte zu verurteilen, die Augenkrankheit des Klägers als Berufskrankheit zu entschädigen
Am 6. Juni 1962 haben die Prozeßbevollmächtigten die Revision begründet. Sie haben ausführlich ihre Auffassung dargelegt, daß die ungleichmäßige Anwendung des neuen Rechts der 6. BKVO je nach dem Zeitpunkt der Erkrankung gegen Art. 3 des GG verstoße. Außerdem haben sie um Auslegung des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit in § 3 Abs. 2 der 3. BKVO gebeten und darauf hingewiesen, daß der Kläger nach dem 28. Januar 1952 nur um 40 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist also zulässig. Jedoch hatte sie keinen Erfolg.
Für die Entscheidung darüber, ob die Augenerkrankung des Klägers, die nach den Feststellungen des LSG durch die berufliche Beschäftigung im Unternehmen der N.-hütte verursacht ist, Entschädigungsansprüche nach dem 3. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) begründet, war im Jahre 1951, als die Erkrankung des Klägers stationäre Behandlung in der Universitätsaugenklinik in G notwendig machte, Nr. 23 der Anlage zur 3. BKVO (vom 16. Dezember 1936 - Reichsgesetzblatt - RGBl - I 1117) maßgebend, die durch die 4. BKVO (vom 29. Januar 1943 - RGBl I 85) nicht verändert worden war. Nach dieser Nr. i. V. mit § 1 der 3. BKVO bestanden für eine Erkrankung an grauen Star nur dann Entschädigungsansprüche, wenn die Erkrankung durch Beschäftigung in Betrieben zur Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung von Glas, in Eisenhütten oder Metallschmelzereien verursacht war. Für die Auslegung dieser Vorschrift ergeben sich gewichtige Hinweise aus der Entwicklung der Entschädigungsvorschriften für Erkrankungen an grauem Star. In der ersten BKVO (vom 12. Mai 1925 RGBl I S. 69) war unter Nr. 8 lediglich aufgeführt "Grauer Star bei Glasmachern", in der Spalte III der Anlage waren bei dieser Nr. nur die Glashütten aufgeführt. Aus den vom Reichsarbeitsministerium herausgegebenen Richtlinien vom 6. August 1925 (Reichsarbeitsblatt S. 326) ergibt sich, daß man als Ursache der zu entschädigenden Erkrankung die Beschäftigung an den Schmelzöfen von Glashütten ansah. In der 2. BKVO (vom 11. Februar 1929 - RGBl. I S. 27) wurde die Entschädigungspflicht für Erkrankungen am grauen Star dadurch erweitert, daß in der Spalte III bei Nr. 19 nunmehr aufgeführt wurden: "Glas- und Eisenhütten, Metallschmelzereien". Aus den Ausführungen in Heft 12 der Schriftenreihe "Arbeit und Gesundheit", (Die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten, erläutert von Bauer, Engel, Koelsch , Krohn, 1929) ergibt sich, daß man die Ursache des "Feuerstars" in der Einwirkung der von den glühenden Schmelzmassen und den Wänden der Schmelzöfen ausgehenden Strahlen sah, jedoch bereits daran zweifelte, ob die ursprüngliche Auffassung, daß allein Ultraviolettstrahlen die Ursache seien, zutreffe und weitere Forschungen zu der Frage für erforderlich hielt, welche Rolle neben der strahlenden Energie die Einzelstrahlungen des Spektrums spielen (aaO S. 239). Durch die 3. BKVO wurde die Spalte III der neuen Nr. 23 wie folgt gefaßt: "Betriebe zur Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung von Glas; Eisenhütten, Metallschmelzereien". Aus den Ausführungen in Heft 29 der Schriftenreihe Arbeit und Gesundheit (3. BKVO, erläutert von Bauer, Engel, Koelsch , Krohn, Lauterbach, 1937) ergibt sich, daß man nach wie vor die Einwirkung kurzwelliger Ultrarotstrahlen für die entscheidende Ursache hielt, aber in Erwägung zog, daß auch langwellige Ultrarotstrahlen (Hitze) begünstigend mitwirken. Hinsichtlich der versicherten Betriebe ist ausgeführt, daß Eisenhütten die Betriebe mit Metallöfen und andere Strahlenöfen seien, bei denen die Eisen- und Stahlmassen bis zum Schmelzgrad erhitzt werden, während ein Weiß- und Feinblechwalzwerk keine Eisenhütte sei (aaO S. 397, 399). Die 4. BKVO hat die Nr. 23 der Anlage in der Fassung der 3. BKVO unverändert gelassen. Auch die 5. BKVO vom (26. Juli 1952 - BGBl I 395) hat gegenüber dem bisherigen Wortlaut in der neuen Nr. 36 keine sachliche Veränderung gebracht. Es heißt in Spalte III nunmehr "Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung von Glas, Eisenhütten, Metallschmelzereien". In dem Merkblatt zu Nr. 36 der Anlage zur 5. BKVO, das vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung unter Mitwirkung der staatlichen Gewerbeärzte neu aufgestellt worden ist (Arbeit und Gesundheit neue Folge Heft 50, 1953, Seite 121) ist nunmehr ausgeführt: Der graue Star, auch Feuerstar oder Wärmestar und Glasbläserstar genannt, komme als Berufskrankheit in Betrieben vor, in denen Arbeiter der Einwirkung von Ultrarotstrahlen ausgesetzt sind. Das seien längere unsichtbare Strahlen, die sich als Wärmestrahlen äußern. Betriebe, in denen die Gefahr der Erkrankung erwiesen sei, seien solche zur Herstellung und Bearbeitung von Glas in glühendem Zustand, Eisenhütten und Metallschmelzereien. Ob auch andere Werke der Eisenindustrie in Frage kämen, müsse noch untersucht werden. Diese Entwicklung zeigt, daß der Verordnungsgeber wegen der Schwierigkeiten, den durch berufliche Beschäftigung verursachten Star vom Altersstar abzugrenzen den Kreis der in den Versicherungsschutz einbezogenen Unternehmen nur sehr vorsichtig und allmählich erweitert hat. Vor allem aber ergibt sich aus dem Merkblatt zu Nr. 36 der 5. BKVO, daß der Verordnungsgeber dieser Verordnung bewußt davon abgesehen hat, den Kreis der in den Versicherungsschutz einbezogenen Unternehmen der Eisenindustrie zu erweitern, und diese Entschließung von dem Ergebnis weiterer Forschungen abhängig machen wollte. Schon aus diesem Grunde ist es nicht möglich, die Nr. 23 der 3. BKVO oder auch die Nr. 36 der 5. BKVO entgegen ihrem Wortlaut und entgegen dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers über den Kreis der Eisenhütten und Metallschmelzereien hinaus entsprechend auf metallverarbeitende Unternehmen auszudehnen, in denen das Metall nicht bis zum Schmelzpunkt erhitzt wird.
Das LSG hat deshalb mit Recht entscheidendes Gewicht darauf gelegt, daß die N.-hütte trotz ihres Namens weder eine Eisenhütte noch eine Metallschmelzerei ist, d. h. ein Unternehmen, das der Gewinnung von Roheisen aus Erz dient, sondern vielmehr ein Walzwerk, das fertiges Eisen weiterverarbeitet und das Metall dabei nicht bis zum Schmelzgrad erhitzt. Das LSG hat somit ohne Rechtsirrtum die Anwendbarkeit der Nr. 36 der Anlage zur 5. BKVO, die inhaltlich mit der Nr. 23 der Anlage zur 3. BKVO übereinstimmt, verneint.
Wie das LSG nicht verkannt hat, würde allerdings die Erkrankung des Klägers nach Nr. 28 der Anlage der 6. BKVO (vom 28. April 1961 - BGBl S. 505) zu entschädigen sein, da nunmehr die Krankheitsbezeichnung "Grauer Star durch Wärmestrahlung" lautet und in Spalte III der Anlage die Bezeichnung "Alle Unternehmen" aufgenommen ist. Die Anwendung dieser neuen Vorschrift auf die Erkrankung des Klägers scheitert jedoch, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, daran, daß die neuen Vorschriften nach § 4 Abs. 2 der 6. BKVO nur dann auf bereits bestehende Erkrankungen angewandt werden können, wenn der Versicherungsfall seit dem 1. Januar 1952 eingetreten ist. Für den Begriff des Versicherungsfalles hat das LSG zutreffend § 3 Abs. 2 der 3. BKVO angewendet. Nach dieser Vorschrift gilt als "Zeitpunkt des Unfalls" der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, der Beginn der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Unfallversicherung. Der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung liegt nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen im Falle des Klägers zweifellos bereits im Jahre 1951. Aber auch eine "Erwerbsunfähigkeit" im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung lag nach den Feststellungen des LSG bereits im Jahre 1951 vor. Es kann in diesem Fall dahingestellt bleiben, von welchem Grad der MdE an eine Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 3 der 3. BKVO vorliegt. Denn jedenfalls ist diese Voraussetzung gegeben, wenn die MdE einen Grad erreicht hat, der einen Anspruch auf Rente begründet. Im vorliegenden Fall hat aber nach den gleichfalls nicht angegriffenen Feststellungen vom Beginn der stationären Behandlung in der G Augenklinik an sogar volle Erwerbsunfähigkeit bestanden, und nach Abschluß dieser Behandlung war die Erwerbsfähigkeit des Klägers weiterhin um 40 v. H. gemindert.
Die Bundesregierung war auch aufgrund der Ermächtigung in § 545 RVO aF berechtigt, durch Verordnung bestimmte Krankheiten mit der Wirkung als Berufskrankheiten zu bezeichnen, daß auf sie nunmehr die Vorschriften der Unfallversicherung Anwendung zu finden hatten. Der Begriff der Berufskrankheit ist zwar in § 545 RVO aF im Gegensatz zu § 551 RVO nF nicht näher definiert. Hieraus ergeben sich jedoch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 80 GG, da diese Vorschrift für Ermächtigungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des GG nicht gilt (BVerfG 2, 307). Auch aus Art. 129 Abs. 3 GG ergeben sich keine ausreichenden Bedenken gegen die allgemein gehaltene Ermächtigung in § 545 RVO aF (vgl. auch Holtkotten in Bonner Komm. zum GG, § 129 D 2 b und die neue Ermächtigung in § 551 RVO nF). Diese Ermächtigung umfaßt nach der Auffassung des erkennenden Senats auch das Recht, Vorschriften darüber zu erlassen, von welchem Zeitpunkt an das neue Recht gegebenenfalls rückwirkend anzuwenden ist. Die Revision verkennt, daß beim Fehlen derartiger Bestimmungen das neue günstigere Recht jeweils nur auf Versicherungsfälle angewendet werden könnte, die nach seinem Inkrafttreten eingetreten sind. Im einzelnen wird hierzu auf das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Juni 1965 (BSG 23, 139) Bezug genommen.
Das LSG hat auch zutreffend die Frage verneint, ob die Beschränkung der Rückwirkung der 6. BKVO auf die Versicherungsfälle seit dem 1. Januar 1952 gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt. Der Gesetzgeber ist durch den Grundsatz der Gleichbehandlungspflicht nicht verpflichtet, neues günstigeres Recht ohne jede Einschränkung auf alle Versicherungsfälle anzuwenden, aus denen beim Inkrafttreten des neuen Rechts noch Ansprüche hergeleitet werden könnten. Er kann vielmehr die Anwendung des neuen Rechts auf die nach dem Inkrafttreten eingetretenen Versicherungsfälle beschränken oder auch eine mehr oder weniger beschränkte Rückwirkung anordnen, ohne daß die sich daraus ergebenden Unterschiede als willkürlich angesehen werden könnten. Im einzelnen wird hierzu auf das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1964 (BSG 22, 63) verwiesen, das sich mit der Frage befaßt, ob es gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, daß in § 4 Abs. 2 der 6. BKVO die Nr. 26 der Anlage zur BKVO von jeder Rückwirkung ausgenommen worden ist, sowie auf BSG 14, 95, 97.
Im Urteil vom 30. Oktober 1964 ist auch bereits mit weiteren Nachweisungen dargelegt, daß § 551 Abs. 2 RVO nF (i. V. m. der Rückwirkungsvorschrift des Art. 4 § 2 Abs. 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - UVNG -) seinem Sinngehalt nach nicht dazu führen kann, daß der Versicherungsträger diese Vorschrift in Fällen anwendet, in denen keine neuen Erkenntnisse vorliegen, der Gesetzgeber vielmehr eine bestimmte Erkrankung bereits in das Berufskrankheitenverzeichnis aufgenommen, die Gewährung einer Entschädigung für weiter zurückliegende Versicherungsfälle aber durch Beschränkung der Rückwirkung ausdrücklich ausgeschlossen hat (vgl. auch BSG 21, 296). Das trifft auch für den vorliegenden Fall zu. § 551 Abs. 2 RVO nF ist zwar nach Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG auch anzuwenden, wenn der Versicherungsfall bereits vor dem Inkrafttreten des UVNG eingetreten war. Voraussetzung ist jedoch, daß die Erkenntnisse, nach denen es sich um eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs. 1 RVO nF handelt, beim Inkrafttreten des UVNG noch als "neu" angesehen werden können oder erst später ausreichende Anerkennung finden. Im einzelnen bedarf es hierzu im vorliegenden Fall keiner näheren Ausführungen. Denn um "neue" Erkenntnisse im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO nF handelt es sich jedenfalls dann nicht mehr, wenn diese Erkenntnisse den Verordnungsgeber bereits veranlaßt haben, eine Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen oder auch die Bezeichnung der Krankheit richtigstellend oder erweiternd zu ändern oder den Kreis der Unternehmen zu erweitern, in denen die Versicherten gegen den Eintritt einer bestimmten Erkrankung Versicherungsschutz genießen sollen. Die Frage, ob nur die Strahlen, die von im Schmelzzustand befindlichen Massen ausgehen, oder vielmehr auch Wärmestrahlen einen grauen Star verursachen, ist, wie dargelegt, bereits seit langer Zeit Gegenstand von Forschungen gewesen. Beim Inkrafttreten des UVNG hatte der Verordnungsgeber die Ergebnisse dieser Forschungen schon durch die Fassung der Nr. 28 der Anlage zur 6. BKVO berücksichtigt. Eine Anwendung des § 551 Abs. 2 RVO nF scheidet somit bereits aus diesem Grunde aus. Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, die von der Revision aufgeworfene Frage näher zu erörtern, ob der Verordnungsgeber, wenn er eine Krankheit, bei der die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO nF gegeben waren, in eine neue BKVO aufnimmt, die Entschädigungspflicht durch eine Rückwirkungsvorschrift begrenzen kann.
Da hiernach dem Kläger keine Entschädigungsansprüche für die Folgen des bei ihm bestehenden grauen Stars zustehen, hat das LSG ohne Rechtsirrtum die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.
Die Revision ist unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens ergeht aufgrund des § 193 SGG.
Fundstellen