Leitsatz (redaktionell)
Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse, die innerhalb der Frist des RVO § 1418 Abs 1 entrichtet worden sind, gelten als bei Fälligkeit entrichtet, so daß in solchen Fällen ein Anspruch auf Altersgeld nicht erst von dem Zeitpunkt an besteht, in dem die Beiträge gezahlt worden sind, sondern schon von dem Zeitpunkt an, in dem die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
Normenkette
RVO § 1418 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Februar 1964 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die beklagte landwirtschaftliche Alterskasse lehnte durch bindend gewordenen Bescheid vom 26. Juli 1961 den Antrag der Klägerin auf Altersgeld ab, weil das Unternehmen keine dauerhafte Existenzgrundlage dargestellt habe. Im Juli 1962 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Altersgeld. Die Beklagte nahm nunmehr die Klägerin in das Mitgliederverzeichnis auf und veranlagte sie mit Bescheid vom 16. Mai 1963 für die Zeit vom 1. Oktober 1957 bis zum 24. März 1960 zu Beiträgen. Nach Eingang dieser Beiträge in Höhe von DM 318,- gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 9. September 1963 Altersgeld vom 1. Juli 1963 an.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage auf Gewährung des Altersgeldes vom 1. Juli 1962 an erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beitragspflicht entstehe kraft Gesetzes, so daß eine Beitragsnachentrichtung einer Beitragsentrichtung gleichstehe. Im Falle der Nachentrichtung der Beiträge müßten diese als rechtzeitig entrichtet gelten, so daß auch schon von einem vor der Nachentrichtung liegenden Zeitpunkt Altersgeld gewährt werden könne. Art. 2 § 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 - GAL nF - (BGBl I 845) sei nicht anwendbar, weil der Altersgeldanspruch nicht erst durch dieses Gesetz entstanden sei, sondern auf Grund einer nochmaligen Prüfung, ob das landwirtschaftliche Unternehmen trotz der früheren Ablehnung eine Existenzgrundlage darstelle. Insoweit handle es sich um einen Zugunstenbescheid, den die Beklagte hinsichtlich ihres Leistungsbeginns durch den Antrag vom Juli 1962 "begrenzt wissen wolle".
Die Beklagte hat gegen das Urteil mit Einwilligung der Klägerin Sprungrevision eingelegt. Sie trägt vor: Die Klägerin falle unter den Personenkreis des § 27 Abs. 1 GAL nF, der seit dem 1. Oktober 1957 beitragspflichtig gewesen sei, nicht aber unter den des Art. 2 § 7 dieses Gesetzes. Sie müsse daher die Beiträge zu den durch Gesetz und Satzung festgelegten Terminen entrichten. Im Zeitpunkt der Erfüllung aller übrigen Leistungsvoraussetzungen müßten auch die Beiträge entrichtet sein, es dürfte keine Beitragsschuld mehr bestehen. Bestehe noch eine solche, dann habe der Betreffende für die Zeit nach dem 1. Oktober 1957 nicht Beiträge entrichtet. Es könne daher Altersgeld erst vom 1. Juli 1963 an gewährt werden, also vom Zeitpunkt der Erfüllung aller Leistungsvoraussetzungen an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Februar 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Sprungrevision ist nicht begründet.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. April 1965 (BSG 23, 37) ausgesprochen hat, gelten bei der Anwendung des § 27 Abs. 1 Buchst. c GAL nF Beiträge, die bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Schluß des Kalenderjahres entrichtet werden, für das sie gelten sollen, als in dem Monat entrichtet, für den sie bestimmt sind; § 1418 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist entsprechend anzuwenden. Zur Begründung ist in diesem Urteil ausgeführt, daß diese Vorschrift aus dem Recht der Rentenversicherung auch für das GAL anzuwenden ist, weil die landwirtschaftliche Altersversorgung eine gewisse Verbindung und Ähnlichkeit mit der Rentenversicherung habe; denn auch sie stelle eine Art Alterssicherung dar. Auch wenn im GAL keine ausdrückliche Verweisung auf § 1418 RVO enthalten sei, so müsse doch diese Vorschrift entsprechend angewendet werden.
An dieser Auffassung muß trotz der Ausführungen der Beklagten festgehalten werden. In den Versicherungszweigen, bei denen die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis ausreicht, um Leistungen zu gewähren (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung), kommt es nicht darauf an, ob und wann die entsprechenden Beiträge entrichtet worden sind. Anders ist es in der Rentenversicherung, in der durch Entrichtung einer bestimmten Mindestzahl von Beiträgen eine Wartezeit erfüllt sein muß, um die vorgesehenen Leistungen zu erhalten. Hier wird nicht verlangt, daß die Beiträge jeweils genau in dem Zeitpunkt entrichtet werden, für den sie gelten sollen. Vielmehr bestimmt hier das Gesetz in § 1418 RVO ausdrücklich, innerhalb welcher Frist die Beiträge noch entrichtet werden können, um als für den betreffenden Zeitraum entrichtet angesehen werden zu können. Das GAL enthält keine entgegenstehende Vorschrift, auch nicht eine solche wie § 39 des Versicherungsvertragsgesetzes, nach der die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung entfällt, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang einer eingeschriebenen Mahnung die Prämie entrichtet worden ist und wonach der Versicherungsschutz erst nach Zahlung wieder auflebt. Wegen Fehlens einer entsprechenden Vorschrift im Gesetz wäre es nun unbillig, einen Beitrag, der für eine zurückliegende Zeit bestimmt ist, stets erst dann als wirksam entrichtet anzusehen, wenn er auch tatsächlich gezahlt worden ist. Auf der anderen Seite ist es nicht vertretbar, zu lange Beitragsrückstände aufkommen zu lassen, ohne daß dies auf die Gewährung des Altersgeldes Einfluß haben könnte. Deshalb hat der Senat mangels einer ausdrücklichen Vorschrift im GAL es für angemessen und sinnvoll erachtet, hier die Vorschrift des § 1418 Abs. 1 RVO, und zwar nur diesen Teil dieses Paragraphen, entsprechend anzuwenden, weil eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Rentenversicherung und der Altershilfe für Landwirte besteht.
Zwar regelt die Satzung der Beklagten die Fälligkeit. Die Beklagte kann auch nach Fälligkeit Vollstreckungsmaßnahmen veranlassen, um so auf einen Eingang der Beiträge innerhalb angemessener Frist hinzuwirken. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß nicht bei Fälligkeit entrichtete Beiträge erst mit dem Zeitpunkt der Zahlung als wirksam entrichtet anzusehen sind. Bei der Bedeutung, die das GAL für landwirtschaftliche Unternehmer hat, ist auch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber eine so weitgehende Wirkung verspäteter Beitragsentrichtung statuieren wollte, wie es die Beklagte annimmt. Zwar wird eine tatsächliche Entrichtung der Beiträge verlangt, und es genügt nicht schon das Bestehen einer Beitragspflicht, wie sich aus einem Vergleich des Wortlauts des § 27 GAL nF mit § 25 GAL aF ergibt. Es wird aber für die Wirksamkeit der Beiträge nicht gefordert, daß sie jeweils bei Fälligkeit gezahlt werden. Deshalb ist es mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im Interesse der Beteiligten geboten, die entsprechenden Vorschriften der Rentenversicherung heranzuziehen, die die Entrichtung innerhalb einer angemessenen Frist sicherstellen sollen. Es genügt daher eine Entrichtung im Rahmen der Fristen des § 1418 Abs. 1 RVO; ob auch § 1418 Abs. 2 RVO anwendbar ist, braucht hier nicht geprüft zu werden.
Da die Klägerin die Beiträge noch innerhalb der Frist des § 1418 Abs. 1 RVO entrichtet hat, besteht ihr Anspruch auf Altersgeld jedenfalls vom 1. Juli 1962 an. Die Revision der Beklagten muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Fundstellen