Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit der Berufung. Beurteilung nach dem Recht zZt der Einlegung. selbständige prozessuale Ansprüche. Schwerbehindertenausweis als selbständiger Anspruch. Solidaritätsgrundsatz. Vollstreckung eines unrichtigen Urteils
Orientierungssatz
1. Die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels bestimmt sich stets nach dem zZt der Einlegung geltenden Recht (vgl BSG vom 22.5.1962 9 RV 126/59 = SozR Nr 9 zu § 149 SGG). Eine nachträgliche günstigere Regelung kann sich mit Rücksicht auf die Rechtsstellung des Gegners nicht auswirken.
2. Über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist grundsätzlich für jeden selbständigen prozessualen Anspruch gesondert zu befinden (ständige Rechtsprechung des BSG, zB BSG vom 8.10.1981 7 RAr 72/80 = SozR 1500 § 144 Nr 18). Die Anfechtung des eine Voraussetzung iS des § 3 Abs 4 SchwbG aF betreffenden Bescheides (1. Alternative des § 54 Abs 1 S 1 SGG) war ebenso ein selbständiger Anspruch in diesem Sinn wie die Verurteilung, einen Ausweis mit einem entsprechenden Inhalt auszustellen oder zu verlängern (2. Alternative des § 54 Abs 1 S 1 SGG)*
3. Solidaritätsgrundsatz im Schwerbehindertenrecht und Vollstreckung eines unrichtigen Urteils.
Normenkette
SchwbG § 3 Abs 6 S 4 Halbs 1 Fassung: 1979-10-08; SchwbG § 3 Abs 4 Fassung: 1979-10-08; SGG § 54 Abs 1 S 1 Alt 1 Fassung: 1979-10-08, § 54 Abs 1 S 1 Alt 2, §§ 143-144, 148, 150
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.10.1985; Aktenzeichen L 6 V 3/85) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 12.11.1984; Aktenzeichen S 19 V 156/84) |
Tatbestand
Das Versorgungsamt stellte 1982 beim Kläger verschiedene Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH fest und außerdem eine erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - Merkzeichen "G" - (Bescheid vom 27. Dezember 1982). Mit Bescheid vom 4. Juni 1984 bezeichnete es die Behinderungen neu (Teilverlust des Dickdarms, Arthrose beider Kniegelenke, chronische Bronchitis, inaktive Lungen-Tbc) und verneinte die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkmal "G". Das Sozialgericht (SG) hat diesen Verwaltungsakt aufgehoben, soweit darin das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung verneint worden ist, und den Beklagten verurteilt, dem Kläger einen Ausweis mit Beiblatt auszustellen, der zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr berechtigt, oder den bisherigen Ausweis des Klägers entsprechend zu verlängern; dem Beklagten hat das Gericht einen Anteil von 1.000,-- DM an den Gerichtskosten wegen Mutwilligkeit auferlegt (Urteil vom 12. November 1984). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten, die das SG nicht zugelassen hatte, als unzulässig verworfen (Urteil vom 8. Oktober 1985). Das Rechtsmittel, so das LSG, sei nach § 3 Abs 6 Satz 4 SchwbG ausgeschlossen, weil das angefochtene Urteil mit der Teilaufhebung des Bescheides vom 4. Juni 1984 die Feststellung eines besonderen Merkmals nach Abs 4 betreffe. Die Verurteilung zum Ausstellen eines entsprechenden Ausweises beziehe sich nur auf die Konsequenz aus dieser Entscheidung über das Vergünstigungsmerkmal und nicht auf einen selbständigen Streitgegenstand.
Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung der §§ 143, 144 Abs 3, des § 158 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie des § 3 Abs 6 Satz 4 Halbs 1 SchwbG. Das SG habe nicht geprüft und entschieden, ob der Kläger iS des § 3 Abs 4 iVm § 58 Abs 1 Satz 1 SchwbG im Straßenverkehr erheblich bewegungsbehindert sei, sondern eine Fortgeltung der früheren rechtsverbindlichen Feststellung aus Rechtsgründen angenommen. Damit sei die Berufung nach § 143 SGG statthaft gewesen. Die selbständige Verurteilung zum Erteilen eines bestimmten Ausweises falle nicht unter § 3 Abs 4 iVm Abs 6 Satz 4 Halbs 1 SchwbG. Weil das Rechtsmittel nicht ausschließlich die Kostenentscheidung betreffe, sei es bezüglich der Mutwillenskosten nicht nach § 144 Abs 3 SGG ausgeschlossen.
Der Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung bleibt das Urteil des SG von der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unberührt und deshalb vollstreckbar. Im übrigen beruft sich der Kläger auf das Berufungsurteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat Erfolg, soweit sie das Ausstellen oder Verlängern eines Schwerbehinderten-Ausweises (2) und die Verurteilung zu Mutwillenskosten (3) betrifft, ist jedoch erfolglos bezüglich der zugrundeliegenden Aufhebung eines Feststellungsbescheides (1).
1.
Die Berufung, die sich gegen die Aufhebung des eine erhebliche Bewegungseinschränkung verneinenden Bescheides richtete, hat das LSG mit Recht als unzulässig verworfen (§ 158 Abs 1 SGG). Dieses Rechtsmittel war nach § 3 Abs 6 Satz 4 Halbs 1 SchwbG in der zur Zeit seiner Einlegung geltenden Fassung vom 8. Oktober 1979 (-BGBl I 1649-/Haushaltsbegleitgesetz -HBegleitG- 1984 vom 22. Dezember 1983 -BGBl I 1532-) deshalb nicht zulässig, weil das mit ihr angefochtene Urteil des SG eine Feststellung nach § 3 Abs 4 SchwbG betraf. Die spätere Aufhebung des § 3 Abs 6 Satz 4 SchwbG durch das Erste Gesetz zur Änderung des SchwbG vom 24. Juli 1986 (BGBl I 1110) hat die Berufung nicht rückwirkend statthaft gemacht; denn die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels bestimmt sich stets nach dem zur Zeit der Einlegung geltenden Recht (BSG SozR Nr 9 zu § 149 SGG; vgl auch §§ 2 und 4 ZPO). Eine nachträgliche günstigere Regelung kann sich mit Rücksicht auf die Rechtsstellung des Gegners nicht auswirken. Eine Feststellung iS des § 3 Abs 4 SchwbG aF ist ua die in einem Verwaltungsakt getroffene Entscheidung, ob ein Schwerbehinderter infolge seiner Behinderungen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wodurch er berechtigt wird, von öffentlichen Personenverkehrsunternehmen gegen Vorzeigen eines entsprechenden Ausweises mit dem Merkmal "G" unentgeltlich befördert zu werden (§ 3 Abs 5 Satz 1 und 2, § 57 Abs 1 Satz 1, § 58 Abs 1 SchwbG aF; für andere Vergünstigungen - neuerdings: Nachteilsausgleiche - vgl SchwbG idF vom 26. August 1986 - BGBl I 1421 -: BSG SozR 3870 § 3 Nr 13 S 30; 3870 § 3 Nr 14 S 36; BSGE 56, 238 = SozR 3870 § 3 Nr 17). Das SG hat eine derartige Entscheidung aufgehoben. Für die Unzulässigkeit der Berufung ist es nach § 3 Abs 6 Satz 4 Halbs 1 SchwbG aF unerheblich, daß das SG nicht selbst entschieden hat, ob der Kläger tatsächlich besonders bewegungsbeschränkt iS des § 58 Abs 1 SchwbG aF ist. Was das angefochtene Urteil iS des § 3 Abs 6 Satz 4 Halbs 1 SchwbG aF betrifft, bestimmt sich - ebenso wie für ähnlich formulierte Berufungsausschlußgründe der §§ 145 ff SGG idF vor dem 2. Änderungsgesetz vom 25. Juni 1958 (BGBl I 409) - nach der genannten Entscheidungsformel und - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nach dem Rechtsgrund, auf dem das Urteil beruht (st Rspr des BSG, zB BSGE 3, 124, 126 f = SozR Nr 5 zu § 148 SGG; BSGE 4, 70, 72 = SozR Nr 9 zu § 148 SGG; BSGE 4, 261, 262 = SozR Nr 4 zu § 146 SGG; BSGE 12, 134, 136 = SozR Nr 6 zu § 30 BVG; BSG 7. Februar 1985 - 9a RV 45/83 -). Gerade wenn der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit (BSG 8. September 1986 - 11b RAr 20/85 -) und die Regel, die Ausschlußgründe streng begrenzt zu verstehen (st Rspr des BSG, BSGE 4, 70, 72; BSGE 5, 222, 225 ff; SozR Nr 31 zu § 148 SGG; BSG 24. April 1980 - 9 RVs 2/79 -; SozR 3200 § 85 Nr 59), beachtet werden, ist auf den aufhebenden Teil des Urteils § 3 Abs 6 Satz 4 Halbs 1 SchwbG aF anzuwenden. Schließlich war die Berufung insoweit auch nicht deshalb zulässig, weil dieser Anspruch von dem Anspruch auf einen bestimmten Ausweis, für den der zweite Rechtszug eröffnet war (2), abhängig wäre (BSG SozR Nr 14 zu § 149 SGG; BSG 9. Juli 1980 - 9 RV 10/79 -). Das Verhältnis ist gerade umgekehrt, wie noch darzulegen ist.
Eine der Ausnahmen der § 150 SGG, worauf § 3 Abs 6 Satz 4 Halbs 2 SchwbG 1983 verwies, war nicht gegeben. Insbesondere war die Ablehnung einer Berufungszulassung (§ 150 Nr 1 SGG) nach der erkennbaren Begründung nicht willkürlich mit der Folge, daß das Urteil berufungsfähig wäre (vgl Urteil des Senats vom 18. Dezember 1985 - 9a RVs 8/85 -).
Falls diese Berufung als solche, die eine Neufeststellung wegen Änderung der Verhältnisse iS des § 148 Nr 3 SGG iVm § 3 Abs 6 Satz 2 SchwbG aF betraf, verstanden werden könnte, wäre sie ebenfalls nach diesen Vorschriften unzulässig; denn einer der in § 148 Nr 3 SGG aufgeführten Ausnahmetatbestände - Schwerbehinderteneigenschaft oder Gewährung der Grundrente - kommt hier nicht in Betracht.
2.
Das LSG hätte dagegen nicht die Berufung des Beklagten als unzulässig verwerfen dürfen, soweit sie die Verpflichtung zum Ausstellen oder Verlängern eines Schwerbehinderten-Ausweises mit dem Merkmal "G" betraf. Insoweit war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist grundsätzlich für jeden selbständigen prozessualen Anspruch gesondert zu befinden (st Rspr des BSG, zB BSGE 8, 228, 231 f; SozR 1500 § 144 Nrn 4 und 18 mN). Die Anfechtung des eine Voraussetzung iS des § 3 Abs 4 SchwbG aF betreffenden Bescheides (1. Alternative des § 54 Abs 1 SGG) war ebenso ein selbständiger Anspruch in diesem Sinn wie die Verurteilung, einen Ausweis mit einem entsprechenden Inhalt auszustellen oder zu verlängern (2. Alternative des § 54 Abs 1 SGG).
Die auf den zweiten Anspruch bezogene Teilberufung war nach § 143 SGG zulässig. Diese Vorschrift ist auch in Schwerbehindertensachen wie der gegenwärtigen anwendbar; denn § 3 Abs 6 Satz 1 SchwbG (in der zur Zeit der Berufungseinlegung geltenden Fassung) eröffnete ua für Ausweisstreitigkeiten den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und verwies damit auf das SGG, soweit die Sätze 2 ff keine Sonderregelungen enthielten. Diese Bestimmungen schrieben Beschränkungen der Berufung allein für Streitsachen vor, die den Grad der MdE (§ 3 Abs 1 bis 3, Abs 6 Satz 3 SchwbG aF) und die Voraussetzungen für besondere Vergünstigungen (§ 3 Abs 4 und 6 Satz 4 SchwbG aF) betrafen. Davon blieb der Streit um einen Ausweis (nach § 3 Abs 5 SchwbG aF) unberührt, während er in § 3 Abs 6 Satz 1 SchwbG aF ausdrücklich neben den Fällen genannt wurde, die von jenen Ausnahmevorschriften erfaßt wurden (vgl auch Urteile des Senats vom 23. Oktober 1985 - 9a RVs 1/84 - und vom 27. Januar 1987 - 9a RV 2/85 -). Für beide Beteiligte besteht hier ein rechtliches Interesse, in diesem Rechtsstreit - und nicht erst in einem Vollstreckungsverfahren - darüber entscheiden zu lassen, ob die Voraussetzungen des Merkmals "G" iS des § 3 Abs 4 und 5 Satz 1 SchwbG aF rechtsverbindlich festgestellt sind und ob, falls dies zutrifft, dennoch der Beklagte einen entsprechenden Ausweis nicht auszustellen hat.
Die den Ausweis betreffende Berufung ist begründet.
Eine unanfechtbar gewordene Feststellung für das Merkmal "G" besteht ab 1. April 1984 nicht mehr. Die Feststellung, die 1982 aufgrund der MdE um 80 vH kraft gesetzlicher Vermutung (§ 58 Abs 1 Satz 2 SchwbG idF der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1979) getroffen worden war, daß der Kläger erheblich bewegungsbehindert iS des § 58 SchwbG aF sei, ist durch Art 20 Nr 2 HBegleitG 1984, mithin unmittelbar durch einen Gesetzeseingriff mit dem 31. März 1984 unwirksam geworden. Das hat der Senat in ständiger Rechtsprechung für Fälle dieser Art seit dem Urteil vom 24. April 1985 (BSGE 58, 72, 73 ff = SozR 3870 § 58 Nr 1) entschieden. Diese Gesetzeswirkung ist auch dann eingetreten, wenn - wie im Fall des Klägers - der Bescheid nicht ausdrücklich jene Rechtsvermutung als Rechtsgrundlage aufgeführt hatte (BSGE 58, 75 f).
Das SG hat nicht durch den rechtskräftig gewordenen Teil seines Urteils gemäß § 3 Abs 4 SchwbG aF selbst entschieden, daß der Kläger erheblich bewegungsbehindert iS des § 58 SchwbG aF sei. Die Rechtskraft verschafft dem Kläger auch kein von der allgemeinen Rechtslage abweichendes Recht aus dem Bescheid von 1982 über den 31. März 1984 hinaus. Sie beschränkt sich auf die Urteilsformel, durch die über das Klagebegehren entschieden worden ist (§ 136 Abs 1 Nr 4, §§ 123, 54 Abs 1 und 2 Satz 1 SGG). Ergänzend wird bei dem den Verwaltungsakt des Beklagten aufhebenden Teil des Urteils (1) der Umfang dieser Bindung (§ 141 Abs 1 SGG) durch die tragenden Entscheidungsgründe (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG) bestimmt; sie sind aber nur insoweit für den Geltungsbereich der Rechtskraft bedeutsam, als sie von der Urteilsformel erfaßt werden (st Rspr des BSG, zB BSGE 14, 99, 101 ff = SozR Nr 8 zu § 141 SGG; SozR 3100 § 62 Nr 5; BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr 4; hM in den Prozeßrechtskommentaren). Diese Gründe erstrecken sich ausschließlich auf die Begründung dafür, daß das Gericht den aufgehobenen Bescheid für rechtswidrig im Verhältnis zum Kläger hält (BSGE 8, 185, 189 f). Das war hier die Rechtsauffassung, die Verwaltung hätte den 1982 erlassenen Bescheid nicht nach § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) aufheben und für die Zukunft durch die gegenteilige Feststellung ersetzen dürfen und können, weil sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht nachträglich entsprechend verändert hätten. Die zugrundeliegende Rechtsansicht, § 58 SchwbG idF des HBegleitG 1984 enthalte keine Rechtsänderung, die die Verwaltung zu einer solchen Gestaltung ermächtigte, deckt sich mit der zitierten Rechtsprechung des Senats. Wenn das SG abweichend vom BSG vorausgesetzt hat, der Bescheid von 1982 sei über den 31. März 1984 hinaus formal wirksam, so ist dies nicht - als tragende Urteilsbegründung im zuvor bezeichneten Sinn - selbständig in Rechtskraft erwachsen.
Erst als Rechtsfolge seiner berufungsfähigen Entscheidung hat das SG im berufungsfähigen und angefochtenen Teil des Urteils angenommen, die frühere Feststellung gemäß § 3 Abs 4 iVm § 58 SchwbG aF, der Inhalt des Bescheides, sei über den 31. März 1984 hinaus bestandskräftig; damit hat es den Anspruch auf den begehrten Ausweis begründet. Diese Rechtsauffassung trifft aber, wie dargelegt, nicht zu.
Doch selbst wenn aus dem aufhebenden Teil des SG-Urteils der Anschein hergeleitet werden könnte, mit der Rechtskraft stehe auch fest, daß der Bescheid von 1982 mit Wirkung über den 31. März 1984 hinaus die Voraussetzung für das Merkmal "G" iS des § 3 Abs 5 Satz 1 SchwbG aF feststelle, hätte der Beklagte nicht verpflichtet werden dürfen, einen entsprechenden Ausweis auszustellen.
Ähnlich wie bei einem unzulässigen Begehren einer Vollstreckung aus einem unrichtigen Urteil (BSG 26. September 1986 - 2 RU 45/85 mN) würde der Kläger unter den besonderen Umständen dieses Falles vor allem wegen der durch Gesetz vorgenommenen Aufhebung des früheren Bescheides, von dessen Fortbestand das SG ausgegangen ist, gegen den sozialstaatlichen Grundsatz der Solidarität, der zur sozialen Verantwortung für die Mitmenschen verpflichtet (Maihofer in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S 199 ff, 225 ff, 1395; Benda, aaO, S 530, 545; Dürig in: Maunz/Dürig ua, Grundgesetz, Stand: 1986, Art 3 Rz 159 ff; Naendrup, ZSR 1984, 122 ff, bs 125, 128, 135 f, 138 f; § 1 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - vom 11. Dezember 1985 - BGBl I 3015), verstoßen, wenn er im offenkundigen Widerspruch zur Rechtslage rechtsmißbräuchlich den Vollzug des Bescheides von 1982 verlangte und auf einen Ausweis entsprechend dem kraft Gesetzes wirkungslos gewordenen Verwaltungsakt bestände. Der Solidargrundsatz, der dem Schwerbehinderten mancherlei Nachteilsausgleiche ohne eigene "Vorleistungen" verschafft, verpflichtet ihn selbst umgekehrt zu solidarischem Verhalten gegenüber der Allgemeinheit, die die Mittel aufbringt, und gegenüber den zahllosen Behinderten in gleicher Lage, die nicht mehr wegen einer MdE um mindestens 80 vH als erheblich bewegungsbehindert gelten.
3.
Die Entscheidung über die Mutwillenskosten (§ 192 SGG) war nach § 143 SGG im Zusammenhang mit der zulässigen Berufung in der Hauptsache (Ausweisstreit) anfechtbar. Das Rechtsmittel war nicht nach § 144 Abs 3 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung nicht zulässig, "wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt". Das gilt aber nur dann, wenn ausschließlich die Kostenentscheidung angegriffen wird oder wenn eine Berufung gegen die Entscheidung in der Hauptsache unzulässig ist (Stein/Jonas/Leipold, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl 1984, § 99 Rz 5; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl 1980, § 158 Rz 1; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl 1986, § 158 Rz 1). So war es hier nicht, weil der Ausgleichsstreit berufungsfähig war.
Dem Beklagten durfte das SG keinen Anteil an den Gerichtskosten nach § 192 SGG auferlegen; denn er hat dem Gericht nicht durch mutwillige Prozeßführung Kosten verursacht (vgl zur Mutwilligkeit: BSG SozR Nr 4 zu § 192 SGG).
4.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen