Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung von Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid, der die Feststellung einer zurückzuerstattenden Überzahlung und zugleich die Ablehnung des Verzichts auf Rückerstattung enthält.
2. Wird die Versorgungsbehörde verurteilt, die Leistungsvoraussetzungen des Schadensausgleichs erneut festzustellen und dabei ein höheres Vergleichseinkommen in Ansatz zu bringen, so ist dieses Urteil vorläufig auszuführen (SGG § 154 Abs 2), gleichviel - ob hierin ein Grundurteil (SGG § 130 S 1) oder ein Verpflichtungsurteil (SGG § 131 Abs 2) zu erblicken ist.
3. Die Pflicht zur Rückerstattung von Leistungen, die ein Kläger aufgrund eines nicht rechtskräftigen Urteils nach SGG § 154 Abs 2 erhalten hat, besteht bei Aufhebung oder Änderung dieses Urteils auch dann, wenn die Versorgungsbehörde ein nicht rechtskräftiges Grundurteil (SGG § 130 S 1) vorläufig ausgeführt hat (Fortführung von BSG 1971-08-26 9 RV 16/70 = BSGE 33, 118).
4. Nach Treu und Glauben darf der Empfänger einer "Urteilsrente" der Versorgungsbehörde nicht entgegenhalten, diese hätte von der vorläufigen Ausführung des Urteils absehen können (Fortführung von BSG 1975-01-29 5 RKnU 12/74).
Normenkette
SGG § 130 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 131 Abs. 2 Fassung: 1967-08-03, § 154 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 47 Abs. 4
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 1973 wird aufgehoben, soweit es die Höhe des ab 1. Oktober 1970 zu zahlenden Schadensausgleichs sowie die Rückforderung von überzahltem Schadensausgleich im Betrag von 3.013,80 DM betrifft.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin bezieht Witwenrente und Schadensausgleich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe II der technischen Angestellten, Wirtschaftsbereich Investitionsgüterindustrie, Wirtschaftsgruppe Maschinenbau (Bescheid vom 17. Januar 1966).
Das Sozialgericht (SG) Duisburg "verurteilte" am 23. Januar 1968 den Beklagten, "unter Abänderung des Bescheides vom 17. Januar 1966 die Leistungsvoraussetzungen des Berufsschadensausgleichs" (gemeint war: Schadensausgleich) "der Klägerin erneut festzustellen und dabei von einem Einkommen... in Höhe des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 14 ... in Ansatz zu bringen". Dieses Urteil wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 27. März 1968 nach § 154 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab Urteilsverkündung vorläufig ausgeführt, sodann aber vom Landessozialgericht (LSG) am 17. März 1970 unter Klagabweisung aufgehoben. Die Revision der Klägerin wurde im Oktober 1970 als unzulässig verworfen. - Inzwischen hatte der Beklagte mit Bescheid vom 2. April 1970 die Höhe des Schadensausgleichs für die Zeit ab 1. Mai 1970 unter erneuter Zugrundelegung des im Bescheid vom 17. Januar 1966 herangezogenen Vergleichseinkommens festgesetzt. Mit Bescheid vom 27. Juli 1970 stellte der Beklagte eine Überzahlung in Höhe von DM 3.068,80 fest, die er gemäß § 47 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zurückforderte, indem er die Einbehaltung eines Betrages von DM 80,- monatlich aus den laufenden Bezügen anordnete, weil darin keine besondere Härte zu erblicken sei. Auf den Widerspruch der Klägerin, worin diese geltend machte, die Rückforderung stelle für sie eine besondere Härte dar, erteilte der Beklagte den Abhilfebescheid vom 26. März 1971, mit dem er die Rückforderung bis 30. September 1971 stundete, und ab 1. Oktober 1971 die einzubehaltenden Beträge auf monatlich DM 50,- ermäßigte; der weitergehende Widerspruch wurde am 5. Mai 1971 zurückgewiesen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 29. November 1972 ab. Das LSG hob die Bescheide vom 27. Juli 1970 und 26. März 1971 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1971 auf und ließ die Revision zu: Die angefochtenen Bescheide seien nicht etwa insoweit rechtskräftig geworden, als der Betrag von DM 3.068,80 zurückgefordert werde. Denn mit dem Widerspruch vom 4. August 1970 sei der Bescheid vom 27. Juli 1970 in vollem Umfang angefochten und seine Aufhebung begehrt worden, wenngleich sich die Begründung durchweg auf § 47 Abs. 4 VerwVG bezogen habe. Dies werde auch durch den Klageantrag bestätigt.
Die Berufung sei zum einen begründet soweit sie die Rückforderung eines Betrages von DM 55,- für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 1970 betreffe; der Schadensausgleich für diese Zeit in Höhe von DM 16,- monatlich (statt DM 5,-) sei nämlich nicht in Ausführung des Urteils vom 23. Januar 1968, sondern aufgrund des rechtsverbindlichen Bescheides vom 2. April 1970 gezahlt worden, so daß insoweit der Rückforderungsanspruch nur auf § 47 Abs. 1-3 VerwVG gestützt werden könnte, dessen Voraussetzungen aber nicht gegeben seien. Deshalb sei auch der Bescheid vom 27. Juli 1970 insoweit unrichtig, als dort ausgeführt worden sei, ab 1. Oktober 1970 gelange ein Schadensausgleich von monatlich nur DM 5,- zur Auszahlung.
Die Berufung sei aber auch begründet, soweit für die Zeit bis 30. April 1970 ein Betrag von DM 3.013,80 zurückgefordert werde. Voraussetzung für die Rückforderung einer Urteilsrente sei die Vollstreckbarkeit des Urteils, woran es hier fehle. Bei dem Urteil des SG vom 23. Januar 1968 habe es sich um ein sog. Grundurteil i. S. von § 130 SGG gehandelt, dessen Tenor nicht ganz eindeutig sei. Hierfür spreche vor allem der Gebrauch des Wortes "verurteilt" statt "verpflichtet". Grundurteile seien aber - jedenfalls soweit keine vorläufige Leistung angeordnet worden sei - nicht vollstreckbar, wofür auf die Begründung zum LSG-Beschluß vom 30. Januar 1969 - L 6 V 151/68 - verwiesen werde. Deshalb könne der Rückforderungsanspruch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (SozR Nr. 22 zu § 47 VerwVG) nur nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 und 3 VerwVG beurteilt werden. Dabei könne dahinstehen, ob sich die Anwendung dieser Vorschrift schon deshalb verbiete, weil nicht aufgrund eines verbindlichen Bescheides, sondern eines nicht rechtskräftigen Urteils geleistet worden sei. Denn die Überzahlung beruhe nicht auf einer wesentlichen Änderung des Verhältnisses oder auf einem der in § 47 Abs. 2 VerwVG aufgeführten Tatbestände. Unter Berücksichtigung der vom BSG vertretenen Auffassung (BSG 27, 102), daß es einen allgemeingültigen Grundsatz der Erstattung zu Unrecht empfangener Leistungen nicht gebe, und des Umstandes, daß aufgrund des Urteils vom 23. Januar 1968 eine Leistungsverpflichtung nicht bestanden habe, sei das gefundene Ergebnis nicht unbillig.
Mit der zugelassenen Revision räumt der Beklagte vorweg ein, daß der Auffassung des LSG, die Voraussetzungen für die Rückforderung des Betrages von DM 55,- seien nicht erfüllt, zuzustimmen sei; insoweit werde der Rückerstattungsanspruch im Revisionsverfahren nicht weiterverfolgt. Dagegen sei die auf BSG 33, 118 ff gestützte Rechtsauffassung des LSG unzutreffend, weil es den dort zugrunde liegenden Sachverhalt nicht richtig erfaßt und ausgewertet habe. Das LSG habe übersehen, daß das SG dort den Beklagten zur Gewährung von Hinterbliebenenrente verurteilt habe, es sich mithin also nicht um ein Verpflichtungsurteil, sondern um ein nicht vollstreckbares Grundurteil im Sinne von § 130 SGG gehandelt habe. Dies bedeute, daß es für die Rückforderung von Leistungen, die nach § 154 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erfolgt seien, nicht auf die Vollstreckbarkeit des später aufgehobenen Urteils ankomme, maßgebend sei vielmehr der Hinweis im Ausführungsbescheid. Im übrigen habe es hier an der Vollstreckbarkeit des SG-Urteils vom 23. Januar 1968 nicht gefehlt. Der Gebrauch des Wortes "verurteilt" sei für die Beurteilung der ausgesprochenen Verpflichtung ohne Bedeutung, weil sich das Urteil jedenfalls im Ergebnis als Verpflichtungsurteil darstelle.
Der Beklagte beantragt,
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1) |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4.12.1973 dahingehend abzuändern, daß es bei der vom Landessozialgericht ausgesprochenen Aufhebung des Bescheides vom 27.7.1970 nur insoweit verbleibt, als dieser von der Klägerin die Rückerstattung eines für die Zeit vom 1.5.1970 bis 30.9.1970 gezahlten Betrages von insgesamt 55,- DM verlangt, |
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2) |
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die Berufung zurückzuweisen, soweit die Klägerin mit ihr mehr begehrt als eine die Rückerstattung der 55,- DM betreffende teilweise Aufhebung des Bescheides vom 27.7.1970. |
Die Klägerin beantragt,
Die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Rechtsauffassung des LSG im Hinblick auf dessen Beschluß vom 30. Januar 1969 - L 6 V 151/68 -, auf den sich der Beklagte berufen habe, für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Beklagten ist durch Zulassung statthaft (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung, vgl. Art. III, VI des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 30. Juli 1974 (BGBl I 1625)). Sie führt im Rahmen des Revisionsantrages unter Aufhebung des Urteils des LSG zur Zurückverweisung der Sache.
Wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils (S. 9 letzter Absatz) ergibt, hat das LSG den Bescheid vom 27. Juli 1970 auch insoweit als unrichtig erachtet, als in ihm für die Zeit ab 1. Oktober 1970 ein Schadensausgleich von monatlich 5,- DM (statt 16,- DM gemäß Bescheid vom 2. April 1970) festgesetzt wurde. Dies gibt zu verfahrensrechtlichen Bedenken Anlaß; denn die Klägerin hat zwar in ihrem Berufungsantrag den Bescheid vom 27. Juli 1970 in vollem Umfang angefochten, in ihrem Klage- Berufungs- und Revisionsvorbringen jedoch stets nur zu der gegen sie geltend gemachten Rückforderung Stellung genommen. Da sie die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung des Schadenausgleichs ab 1. Oktober 1970 - soweit aus den Prozeßakten ersichtlich - niemals bestritten hat, hätte das LSG gemäß § 106 Abs. 1 SGG auf eine Erläuterung des bezüglich seiner Tragweite unklaren Berufungsantrags hinwirken müssen. Da es dies unterlassen hat, konnte das angefochtene Urteil insoweit keinen Bestand haben.
Nachdem der Beklagte erklärt hat, er verfolge hinsichtlich des auf die Zeit vom 1. Mai 1970 bis zum 30. September 1970 entfallenden Überzahlungsbetrages von 55,- DM den Rückerstattungsanspruch im Revisionsverfahren nicht mehr weiter - hierin liegt eine zulässige teilweise Revisionsrücknahme (vgl. BSG 21, 13 ff) -, ist zwischen den Beteiligten allein noch streitig, ob dem Beklagten gegen die Klägerin ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 3.013,80 DM wegen der sog. "Urteilsrente" (§ 154 Abs. 2 SGG) zusteht, welche der Klägerin für die Zeit vom 23. Januar 1968 bis zum 30. April 1970 gezahlt wurde, und ob der Beklagte diesen Betrag von der Klägerin einziehen darf oder hierauf gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG verzichten muß. Mit Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin die Rückforderung des überzahlten Schadensausgleichs unter beiden rechtlichen Aspekten im Vorverfahren und mit der Klage angefochten hat, obschon zur Begründung des Antrags auf Bescheidaufhebung zunächst nur Argumente aus dem Anwendungsbereich des § 47 Abs. 4 VerwVG vorgetragen wurden. Gegen eine einschränkende Auslegung des Widerspruchs- und Klagebegehrens würde auch der Umstand sprechen, daß in dem Verwaltungsakt vom 27. Juli 1970 die Feststellung der zurückgeforderten Überzahlung sowie - unter Verneinung einer besonderen Härte - die Ankündigung von sofortigen Einziehungsmaßnahmen zusammengefaßt waren. Ein solches einphasiges Vorgehen verdeckt, ungeachtet seiner Zulässigkeit, immerhin doch die rechtssystematischen Zusammenhänge (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 1966 - BVBl 1966, 138 Nr. 38; Urteil vom 16. Juli 1968, BVBl 1968, 147 Nr. 21 - insoweit nicht abgedruckt in SozR Nr. 23 zu § 47 VerwVG; s. auch Vorberg/van Nuis, Das Verwaltungsverfahren in der KOV, Stand November 1973, S. 385 Anm. IX 1 zu § 47; Schönleiter/Hennig, VerwVG, 2. Aufl. Randnote 11 zu § 47) und kann praktisch in Fällen dieser Art sehr leicht dazu führen, daß der Bescheidempfänger den angedrohten Einziehungsmaßnahmen das Hauptgewicht beimißt, die Frage hingegen, ob er überhaupt zur Rückerstattung verpflichtet sei, zunächst hintanstellt; die naheliegende Konsequenz, daß demgemäß das Widerspruchs- und Klagevorbringen vorwiegend oder sogar allein einen Verzicht der Versorgungsbehörden auf die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs anstrebt, darf dann aber in aller Regel - von klar erkennbaren Ausnahmen abgesehen - dem Kläger nicht zum prozessualen Nachteil gereichen.
Nach Auffassung des LSG setzt der Anspruch der Versorgungsbehörde auf Rückerstattung einer gemäß § 154 Abs. 2 SGG gewährten Leistung stets - einerlei ob die Anspruchsgrundlage in § 47 Abs. 1 VerwVG, in § 717 Abs. 2 ZPO oder in einem ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu erblicken ist - die Vollstreckbarkeit des später aufgehobenen Urteils voraus; hier habe es aber an der Vollstreckbarkeit des vom SG Duisburg gefällten "Grundurteils" vom 23. Januar 1968 gefehlt. Dieser Auffassung ist die Revision mit Recht entgegengetreten.
Die Entscheidung dieses Rechtsstreits bietet dem erkennenden Senat keinen Anlaß, zu der vor langer Zeit erörterten Streitfrage (vgl. Menger VerwArch Bd 51/1960), 149, 159 ff.) Stellung zu beziehen, ob es sich bei den Fällen der hier gegebenen Art grundsätzlich um zusammengefaßte Aufhebungs- und Verpflichtungsklagen nach § 54 Abs. 1 SGG (so BSG 5, 60 ff; Hauck, Sgb 1959, 154) oder um zusammengefaßte Aufhebungs- und Leistungsklagen nach § 54 Abs. 4 SGG (so BSG 8, 3; Bettermann NJW 1959, 66) handelt; eine dogmatische Betrachtungsweise erscheint hierbei unangebracht, vielmehr kommt es für die verfahrensrechtliche Einordnung der Klage und des auf sie ergangenen Urteils maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles an. Dies hat im vorliegenden Fall auch das LSG nicht verkannt, denn es hat wenigstens versucht, den auch nach seiner Ansicht "nicht ganz eindeutigen" Tenor des SG-Urteils vom 23. Januar 1968 zu interpretieren. Wenn es freilich zu dem Ergebnis gelangt ist, schon der Gebrauch des Wortes "verurteilt" statt des Wortes "verpflichtet" zeige, daß es sich um ein Grundurteil i. S. von § 130 SGG und nicht um ein Verpflichtungsurteil i. S. von § 131 Abs. 2 SGG handele, so kann das nicht überzeugen. Zunächst ist hierbei unbeachtet geblieben, daß im früheren Verfahren über die Berufung des Beklagten der 5. Senat des LSG (Urteil vom 17. März 1970 - L 5 b - 1-V 60/68) feststellte, das SG Duisburg habe am 23. Januar 1968 "den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den gefallenen Ehemann der Klägerin für die Gewährung von Schadensausgleich in die Besoldungsgruppe A 14 einzustufen und hierüber einen neuen Bescheid zu erteilen". Ferner ist in den Gründen des jetzt angefochtenen Berufungsurteils nicht hinreichend gewürdigt worden, daß sich aus dem Text des Urteilsspruchs vom 23. Januar 1968 als ein noch einigermaßen verständlicher Kernsatz die Wendung heraushebt, das beklagte Land habe "die Leistungsvoraussetzungen des ... Schadensausgleichs der Klägerin erneut festzustellen und dabei ... Besoldungsgruppe A 14... in Ansatz zu bringen"; angesichts der Verworrenheit des gesamten Textes schon in rein sprachlicher Beziehung muß aber diesem immerhin noch erkennbar von bestimmten rechtlichen Erwägungen geformten Teilstück eine weitaus größere Bedeutung beigemessen werden, als dem Gebrauch des Ausdrucks "verurteilt" in der ersten Zeile, was bei dieser Sachlage überhaupt kein brauchbares Indiz darstellen kann. Schon eine Textanalyse spricht also mehr für die Auffassung, die der 5. Senat des LSG im Urteil vom 17. März 1970 vertreten hatte, als für das vom Vorderrichter gefundene Ergebnis. Gegen die Annahme, das SG Duisburg habe am 23. Januar 1968 ein Grundurteil gefällt, spricht ferner, daß im Tenor der Gesetzeswortlaut (§ 130 Satz 1 SGG: "dem Grunde nach") nicht zitiert wurde (vgl. LSG Niedersachsen, Breithaupt 1962, 943, 944) und daß im damaligen Klagantrag die begehrte Leistung der Höhe nach nicht beziffert worden war (vgl. BSG 7, 46, 50; Zeihe, Sgb 1970, 10). Hiernach erweist sich der Ausgangspunkt des LSG als unzutreffend. Entgegen seiner Ansicht muß in der - von der Versorgungsbehörde gemäß § 154 Abs. 2 SGG befolgten - SG-Entscheidung ein Verpflichtungsurteil erblickt werden. Dann ist aber der Ausführungsbescheid vom 27. März 1968 geeignet gewesen, Erzwingungsmaßnahmen (§ 201 i. V. m. § 131 Abs. 2 SGG) abzuwenden; für die Begründetheit des Rückerstattungsanspruchs kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin seinerzeit zu erkennen gegeben hat, solche Maßnahmen in die Wege leiten zu wollen.
Das angefochtene Urteil läßt sich aber auch nicht halten, wenn man mit dem LSG vom Vorliegen eines Grundurteils i. S. des § 130 Satz 1 SGG ausgeht. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 26. August 1971 (BSG 33, 118) die Auffassung vertreten, daß Versorgungsleistungen, die aufgrund eines nicht rechtskräftigen Urteils nach § 154 Abs. 2 SGG gezahlt wurden, vom Empfänger nach der Aufhebung dieses Urteils gemäß einem ungeschriebenen, auch im Recht der KOV geltenden Rechtsgrundsatz zurückzuerstatten sind. In den Gründen dieser Entscheidung findet sich zwar die Bemerkung (aaO S. 120): "Diese Renten hatte der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung zahlen müssen"; daß aber hierbei nicht an eine "Vollstreckbarkeit" im üblichen Sinne gedacht war, erweist sich an den späteren Ausführungen (aaO S. 123), wonach die vorläufige Ausführung eines SG-Urteils "jedenfalls in der praktischen Wirkung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach der ZPO" gleichkomme. Ein Verständnis des Vollstreckbarkeitsbegriffs in der vom LSG gemeinten technischen Bedeutung kam übrigens für den Senat in seinem Urteil vom 26. August 1971 schon deswegen gar nicht in Betracht, weil auch damals das nach § 154 Abs. 2 SGG ausgeführte SG-Urteil eine Bezifferung der zu gewährenden. "Hinterbliebenenversorgung" nicht enthielt. Die Verurteilung zur Gewährung einer Geldleistung dem Grunde nach stellt kein Zwischenurteil, sondern ein Endurteil dar (vgl. BSG 27, 81 ff). Folgerichtig ergibt sich aus einem solchen Urteil - unbeschadet dessen "Vollstreckbarkeit" - i. V. m. § 154 Abs. 2 SGG eine rechtliche Verpflichtung des Versorgungs- oder Versicherungsträgers, für die Zeit ab Urteilsverkündung vorläufig zu leisten (BSG, Urteil vom 7. Dezember 1961 - 8 RV 93/60 -). Auch wenn man mit dem 10. BSG-Senat die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rückerstattung einer Urteils-Rente allein in § 717 Abs. 2 ZPO erblickt, zwingt dies nicht zu den vom LSG gezogenen Schlußfolgerungen; denn in seiner Rechtsprechung hat der 10. Senat hervorgehoben, § 717 Abs. 2 ZPO sei nur "entsprechend" anwendbar (vgl. BSG 27, 102; Urteil vom 16. September 1970, KOV 1971, 60, 62). Schließlich erscheint es überhaupt grundsätzlich unangebracht, die im rein technischen Sinne aufgefaßte "Vollstreckbarkeit" eines Gerichtsurteils, die im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit eine völlig untergeordnete Rolle spielt (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 2 zu § 130 S. II/171; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, I/2 S. 240 s; Wertenbruch, Sozialgerichtsbarkeit 1969, 138, 139), zum maßgebenden Kriterium für die Beurteilung der Frage zu erheben, ob ein in der Vorinstanz erfolgreicher Kläger die Geldleistung, die ihm nach § 154 Abs. 2 SGG unter ausdrücklichem Rückforderungsvorbehalt eine Zeitlang gewährt wurde, nach dem letztlich ungünstigen Prozeßausgang wieder zurückerstatten muß. Die Erwägung, daß in solchen Fällen der nur vorläufig zu befriedigende Kläger mit einer Aufhebung des für ihn günstigen Urteils rechnen muß und das Risiko trägt, ob es endgültig bei der Ausführung des Urteils bleibt (vgl. BSG 33. 122), rechtfertigt den Grundsatz, daß er alles, was er "in Ausführung" des zuerkennenden Urteils erlangt hat, wieder zurückerstatten muß, einerlei mit welchen Sanktionen dieses Urteil ausgestattet gewesen ist, ob also daraus formal nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG eine Vollstreckung hätte erfolgen können oder nicht. Selbstverständlich gilt dieser Grundsatz ausschließlich für diejenigen Leistungen, deren Feststellung und Gewährung direkt auf dem Urteilsspruch beruht, nicht dagegen für andere Leistungen, die nur in mittelbarem Zusammenhang damit erbracht worden (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 14. November 1968, BVBl 1970, 3).
Die Bezugnahme des LSG auf die in seinem Beschluß vom 30. Januar 1969 (L 6 V 151/68) vertretene Auffassung ist nicht geeignet, das angefochtene Urteil zu rechtfertigen. Soweit sich die Klägerin in der Revisionserwiderung auf diesen Beschluß bezieht, muß sie sich entgegenhalten lassen, daß ihre Argumentation mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht übereinstimmt. Dieser Grundsatz verbietet es hier, daß die Klägerin den Versorgungsträger darauf verweist, er hätte - gestützt auf den LSG-Beschluß vom 30. Januar 1969 - von der Ausführung des SG-Urteils vom 23. Januar 1968 absehen können, obwohl sie zuvor die ausdrücklich als vorläufig gekennzeichneten monatlichen Zahlungen der "Urteilsrente" angenommen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1975 - 5 RKNU 12/74 -). Wenn die Klägerin ernstlich der Meinung war, das Versorgungsamt habe aufgrund der erstinstanzlichen Verurteilung den Ausführungsbescheid vom 27. März 1968 nicht zu erteilen brauchen, so hätte sie nach Treu und Glauben die auf jenem Bescheid beruhenden Zahlungen gerade nicht als ihr endgültig zustehend ansehen dürfen. Ihr tatsächliches Verhalten in damaliger Zeit steht zu ihrem jetzigen rechtlichen Vorbringen in einem unlösbaren Widerspruch (venire contra factum proprium).
Der vom Beklagten erhobene Rückerstattungsanspruch besteht somit zu Recht. Auf die begründete Revision des Beklagten ist hiernach das angefochtene Urteil aufzuheben. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat nicht möglich. Gegenstand des Verfahrens ist nämlich auch die Frage, ob eine Rückerstattung der überzahlten 3.013,80 DM für die Klägerin eine besondere Härte bedeuten würde und deshalb von der Rückforderung - ganz oder zum Teil - abzusehen ist (§ 47 Abs. 4 VerwVG). Hierzu hat das LSG - von seiner abweichenden Rechtsauffassung aus zutreffend - keine Feststellungen getroffen. Die Sache muß deshalb nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens überlassen bleibt.
Fundstellen