Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 25.09.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. September 1990 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung der Kosten in Höhe von 20.285,80 DM, die er für die Unterbringung der Beigeladenen zu 3) in der Übergangseinrichtung für psychisch Kranke, Haus R. …, in E. … -B. … vom 16. Juli 1984 bis 11. Februar 1985 aufgebracht hat.
Die im August 1961 geborene Versicherte C. … N. … – die Beigeladene zu 3) – wurde am 7. Mai 1984 aus dem Bezirkskrankenhaus E. …, in dem sie nach rund 18monatiger Ausbildung als Schreinerlehrling ab Anfang November 1983 stationär behandelt worden war, in die Übergangseinrichtung für psychisch Kranke, Haus R. …, in E. … -B. … verlegt. Für die ersten 10 Wochen der dortigen Behandlung (7. Mai bis 15. Juli 1984) übernahm die Beigeladene zu 2) die Kosten der Unterbringung. Als vorläufig verpflichteter Sozialhilfeträger zahlte der Kläger für die Zeit danach die Kosten der bis zum 11. Februar 1985 dauernden Unterbringung.
Die Beklagte lehnte der Versicherten gegenüber die Kostenübernahme mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 4. Oktober 1984 und 14. Februar 1985 ab. Der Antrag der Versicherten vom 6./15. Juni 1984 auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen, bei der Beklagten am 18. Juni 1984 eingegangen, sei verspätet, nämlich erst nach Beginn der Maßnahme, gestellt worden. Es fehle auch an einer Zuständigkeit der Beklagten, da es sich bei der Maßnahme weniger um eine medizinische als um eine soziale Rehabilitation handele. Zudem bestehe kein Rechtsanspruch auf eine solche Behandlung, weil Maßnahmen nach §§ 1236 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) Ermessensleistungen seien.
Aus denselben Gründen und mit Hinweis auf ihre bestandskräftige Ablehnung der Leistung gegenüber der Beigeladenen zu 3) lehnte die Beklagte auch den auf § 104 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) gestützten Erstattungsanspruch des Klägers ab.
Mit Urteil vom 7. November 1985 wies das Sozialgericht (SG) die auf Zahlung von 20.285,80 DM gerichtete Klage ab. Nach Beiladung der Beigeladenen zu 1) und 2), die sich beide für nicht zuständig erklärten, die streitigen Kosten zu tragen, hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 25. Oktober 1988 das Urteil des SG auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger die Unterbringungskosten in Höhe des eingeklagten Betrages zu erstatten.
Auf die vom LSG zugelassene Revision hob das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 15. November 1989 – 5 RJ 78/88 – das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück, da mit Rücksicht auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X auch die Beigeladene zu 3) als Versicherte hätte notwendig beigeladen werden müssen.
Durch Urteil vom 25. September 1990 hob das LSG das Urteil des SG vom 7. November 1985 wiederum auf und verurteilte die Beklagte erneut antragsgemäß. Dem aus § 104 SGB X abzuleitenden Erstattungsanspruch stehe nicht entgegen, daß die Beklagte die Maßnahme gegenüber der Beigeladenen zu 3) rechtsverbindlich abgelehnt habe. Ebenfalls nicht ausgeschlossen sei der Anspruch wegen verspäteter Antragstellung, da diese nicht willkürlich erfolgt sei, sondern situationsbedingt nicht hätte vermieden werden können; die Beklagte könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, daß sie wegen der verspäteten Antragstellung keine Möglichkeit gehabt habe, die Maßnahme in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Es habe sich bei der Rehabilitationsmaßnahme auch um eine Maßnahme iS des § 1237 RVO gehandelt. Das Haus R. … stelle eine ärztlich betreute Spezialeinrichtung iS des § 184a RVO dar; es genüge auch den Anforderungen, die in der Rechtsprechung des BSG an solche Einrichtungen gestellt würden. Die Art der Behandlung entspreche dem Anforderungsprofil, das in der „Empfehlungsvereinbarung” vom 17. November 1986 aufgestellt sei. Dort seien unter Ziffer 1.4.3 der Anlage 1 ausdrücklich „Übergangsheime als Rehabilitationseinrichtungen” erwähnt. Den Beweisanträgen der Beklagten auf Augenscheinseinnahme im Haus R. … und Vernehmung verschiedener Zeugen brauche das Gericht nicht nachzugehen, da sie einer rechtsirrigen Auffassung der Beklagten über die Finanzierung einer Therapie durch Träger der Rentenversicherung entsprängen. Das Erfordernis der Erfolgsaussicht einer Rehabilitationsmaßnahme sei nach Auskunft der Ärzte, die die Beigeladene zu 3) vorher behandelt hätten, sowie auch des Medizinalreferenten der Beklagten gegeben. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß die berufliche Rehabilitation bei Schizophreniekranken so gut wie aussichtslos erscheine und eine vollständige Heilung des Leidens ohnehin nie vorkomme. Mit derartigen Maßnahmen werde eine vollständige Heilung ohnehin nicht bezweckt, sondern lediglich eine Wiedereingliederung in das Berufsleben angestrebt. Wenn auch richtig sei, daß sich nicht alle Erkrankten für eine solche Maßnahme eigneten, sei aber für die Beigeladene zu 3) maßgebend, daß die Erkrankung noch kein sehr schweres Ausmaß angenommen habe und sich in Remission befinde. Daß die ergriffene Maßnahme letztlich nicht zu dem erhofften Erfolg geführt habe, wirke sich nicht zu Gunsten der Beklagten aus. Der Erfolg habe sich nämlich nur deshalb nicht eingestellt, weil bei der Beigeladenen zu 3) eine schwere Krankheit hinzugekommen sei, aufgrund derer sie jetzt absolut erwerbsunfähig sei. Bei Beginn der Maßnahme sei aber diese Erkrankung noch nicht vorhersehbar gewesen. Die Leistungspflicht der Beklagten sei schließlich auch vorrangig gegenüber der Leistung des Trägers der Krankenversicherung. Die Tatsache, daß die Beigeladene zu 2) für die ersten 10 Wochen der Maßnahme die Kosten getragen habe, spreche nicht hiergegen, weil diese Kostentragung aufgrund einer Vereinbarung ohne Rücksicht auf eine gesetzlich normierte Zuständigkeit erfolgt sei. Die Maßnahme im Haus R. … stelle auch keine berufliche Rehabilitation iS des § 56 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) dar, für die die Beigeladene zu 1) zuständig gewesen wäre.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 104 SGB X iVm §§ 1236, 1237 RVO sowie mangelnde Sachaufklärung gemäß § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zur Begründung trägt sie im wesentlichen ihre schon in den Vorinstanzen vertretene Rechtsauffassung erneut vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. September 1990 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. November 1985 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und tritt der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte und auch zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Gericht wird weitere Ermittlungen zur vorausschauenden Beurteilung (Prognose) der Erfolgsaussicht der Rehabilitation der Beigeladenen zu 3) iS von § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO durch die Unterbringung im Haus R. … anzustellen haben, und zwar erstreckt auf den gesamten Zeitraum der streitigen Unterbringung vom 16. Juli 1984 bis 11. Februar 1985.
Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht darin, daß Grundlage für einen Erstattungsanspruch des Klägers § 104 SGB X ist (s BSG SozR 3-2200 § 184a Nr 1, SozR 2200 § 1237 Nr 21, SozR 3-2200 § 1237 Nr 1). Nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X muß ein Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erbrachte Sozialleistungen erstatten, sofern nicht die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X (nachträglicher Wegfall einer Leistungspflicht) vorliegen oder der Leistungsträger bereits selbst ohne Kenntnis von der Leistung des anderen Leistungsträgers geleistet hat. Als Träger der Sozialhilfe war der Kläger gemäß § 2 Abs 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) lediglich nachrangig verpflichtet, der Beigeladenen zu 3) Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 BSHG in Form der Unterbringung im Haus R. … zu gewähren. Ein Fall des Wegfalles der Leistungsverpflichtung oder der eigenen Leistung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers liegt nicht vor.
Aufgrund des engen Zusammenhanges zwischen Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers und Sozialleistungsanspruch des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger ist weiterhin erforderlich (s BSG SozR 1300 § 104 Nr 6 und SozR 2200 § 1237 Nr 21), daß die wesentlichen Voraussetzungen eines Anspruchs der Beigeladenen zu 3) gegen die Beklagte auf gleichartige Sozialleistung erfüllt waren. Rechtsgrundlage für die Erbringung einer Maßnahme der streitigen Art durch einen Träger der Rentenversicherung ist § 1236 Abs 1 und 1a RVO iVm §§ 1237 bis 1237b RVO. Nach § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO kann der Träger der Rentenversicherung in dem Fall, daß die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, Leistungen zur Rehabilitation erbringen, wenn die Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen der Eintritt von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann. Gemäß § 1236 Abs 1 Sätze 4 und 5 RVO richtet sich der Umfang der Leistungen zur Rehabilitation nach den §§ 1237 bis 1237b RVO, bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation sowie die Rehabilitationseinrichtung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO und § 4 Abs 1 Satz 1 Rehabilitations-Angleichungsgesetz (RehaAnglG) bedürfen die Leistungen eines Antrages und der Zustimmung des Versicherten/Behinderten. Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs der Beigeladenen zu 3) gegen die Beklagte bis auf die Frage der Erfolgsaussicht der Maßnahme erfüllt, die noch im Tatsächlichen offen ist und weiterer Ermittlungen bedarf. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Grundfrage, ob die Krankheit der Klägerin überhaupt in dem Sinne beeinflußt werden kann, daß die Erwerbsfähigkeit gebessert wird, als auch hinsichtlich der Eignung der konkreten Maßnahme für diesen Zweck.
Die allgemeine Leistungsvoraussetzung, daß es sich bei der Beigeladenen zu 3) um eine Versicherte iS von § 1236 Abs 1a RVO handelt, lag nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG vor, ebenso eine Beeinträchtigung des Befindens der Beigeladenen zu 3), wie sie § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO als Ausgangssituation für eine Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger vorsieht.
Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht den Erstattungsanspruch des Klägers auch nicht am Erfordernis eines Rehabilitationsantrages gemäß §§ 1236, 1545 Abs 1 Nr 2 RVO scheitern lassen. Der Antrag der Beigeladenen zu 3) vom 6./15. Juni 1984 ging bei der Beklagten am 18. Juni 1984 ein. Er lag somit bei der Beklagten bereits rund 4 Wochen vor Beginn des Zeitabschnitts vor, für den der Kläger in Nachfolge der Beigeladenen zu 2) die Kosten der Unterbringung der Beigeladenen zu 3) übernahm und für den allein die Beklagte jetzt die Kosten erstatten soll. Bezogen auf die im Streit stehende Zuständigkeit der Beklagten zur Rehabilitation war der Antrag somit nicht verspätet. Der Umstand, daß er in bezug auf die Rehabilitationsmaßnahme als solche erst nach deren Beginn gestellt wurde, steht dem nicht entgegen. Wie schon vom Berufungsgericht vermerkt, hat das BSG wiederholt entschieden, daß ein nach Beginn der Rehabilitationsmaßnahme gestellter Antrag die Erstattungsfähigkeit der Leistungen zumindest für die ab Antragstellung erbrachte Leistung nicht ausschließe (BSGE 57, 157 = SozR 2200 § 1236 Nr 45 und BSGE 58, 263 = SozR 2200 § 1237 Nr 20). Diesen Entscheidungen liegt der Gedanke zugrunde, daß die faktische Einheit der Rehabilitationsmaßnahme als solcher nicht notwendig zur Schlußfolgerung führt, die Pflicht des Rentenversicherungsträgers zur Vornahme dieser Leistung könne ebenfalls nur einheitlich verstanden werden, dh lediglich für die Maßnahme insgesamt bejaht oder verneint werden. In den Entscheidungen des BSG wird vielmehr auch eine bloß abschnittsweise Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für eine bestimmte Rehabilitationsmaßnahme als möglich angesehen. Ist damit aber der Sache nach der nachträgliche Eintritt eines Rentenversicherungsträgers in ein bereits laufendes Rehabilitationsverfahren grundsätzlich zugelassen, so kann dies für die einzelnen Voraussetzungen der Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers nur heißen, daß sie auch bezogen auf diesen Zeitpunkt des Eintritts zu prüfen sind und vorliegen müssen. Für die Rechtzeitigkeit des Rehabilitationsantrages im vorliegenden Fall war dementsprechend nicht der Zeitpunkt des Beginns der Unterbringung der Beigeladenen zu 3) im Haus R. … am 7. Mai 1984 entscheidend, sondern der 10 Wochen danach liegende Termin der Beendung der Kostenübernahme durch die Beigeladene zu 2).
Der Antrag vom 6./15. Juni 1984 enthielt sachlich zugleich die nach § 4 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG erforderliche Zustimmung der Beigeladenen zu 3) zur konkreten Rehabilitationseinzelmaßnahme. Zwar ist dieses Einverständnis gehaltlich nicht identisch mit dem durch einen Antrag gemäß § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO zum Ausdruck gebrachten Willen, ein Rehabilitations-(gesamt)verfahren als solches, das je nach Lage des konkreten Falles aus bloß einer Maßnahme oder einem Maßnahmebündel bestehen kann, überhaupt erst einmal „dem Grunde nach”) in Gang zu setzen. Der erkennende Senat hat die Eigenart von Rehabilitationsantrag und Zustimmung zur einzelnen Rehabilitationsmaßnahme sowie ihr Verhältnis zueinander bereits in seinem Urteil vom 23. April 1992 im Verfahren 13/5 RJ 12/90 näher dargelegt. Hierauf wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen verwiesen. Bei einem Sachverhalt wie hier, wo der allgemeine Antrag auf Rehabilitation schon eine spezifische Art von Einzelleistung zur Rehabilitation nennt, ist aber in aller Regel davon auszugehen, daß die Stellung des Antrags nach § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO und die Kundgabe der Zustimmung gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG, die beide empfangsbedürftige Willenserklärungen sind und dem Träger der Rentenversicherung als Empfänger auch zugehen müssen, in einem äußeren Akt zusammenfallen und in diesem Sinne sich gegenseitig ergänzen.
Die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 3) mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 4. Oktober 1984 und 14. Februar 1985 steht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Annahme eines Erstattungsanspruchs des Klägers ebenfalls nicht entgegen. § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X gibt dem nachrangig verpflichteten Leistungsträger einen Anspruch, der selbständig und unabhängig vom Anspruch des Berechtigten – hier der Beigeladenen zu 3) – gegen den vorrangig verpflichteten Träger – hier die Beklagte – entsteht (BSG SozR 1300 § 104 Nr 6; Urteil vom 5. Dezember 1989 – 5 RJ 76/88 –).
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch bejaht, daß eine Behandlung von der Art, wie sie der Beigeladenen zu 3) im Haus R. … zuteil wurde, überhaupt als Sachleistung in die von § 1236 Abs 1 RVO normierte Zuständigkeit des Trägers der Rentenversicherung fällt. Allerdings ist hierfür nicht maßgebend, ob das Haus R. … eine „Spezialeinrichtung” iS von § 1237 RVO ist oder nicht. Die darauf gegründete Argumentation der Beklagten gegen den geltend gemachten Erstattungsanspruch kommt dementsprechend schon vom Ansatz her nicht zum Tragen; denn der Begriff der medizinischen Leistungen zur Rehabilitation wird nicht durch einen Leistungskatalog, sondern durch das Ziel bestimmt, körperlich-geistig-seelische Behinderungen zu behandeln, um einer dadurch bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken. Dazu gehören demnach alle Maßnahmen, die im Rahmen eines Gesamtkonzepts erforderlich sind, um eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit zu erreichen. Eine im wesentlichen auf die ärztliche Beteiligung an der Maßnahme (Anordnung, Leitung oder wenigstens Überwachung) orientierte Auslegung des Leistungskatalogs des § 1237 RVO, wie sie die Beklagte offensichtlich vertritt, ist weder aus dem Gesetzeswortlaut abzuleiten noch mit dem Zweck zu vereinbaren, der mit den §§ 1237 bis 1237b RVO als Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Rehabilitation (s § 1236 Abs 1 Satz 4 RVO) verfolgt wird.
Zum einen ist aus dem Umstand, daß das Gesetz von „medizinischen” Leistungen spricht, keine Prägung des Katalogs insgesamt abzuleiten, die die ärztliche Funktion bei diesen Leistungen als unerläßlich vorschreibt. Versteht man unter Medizin oder – in Verdeutschung – unter Heilkunde die Wissenschaft von gesunden und kranken Lebewesen, von Ursachen, Erscheinungen, Auswirkungen ihrer Krankheiten, deren Heilung und Verhütung (s Brockhaus 1971 Bd 12 S 322), so ist diese thematische Bezeichnung der Leistungen in § 1237 RVO inhaltlich so weit, daß sie auch andere der Gesundheit eines Menschen dienende Maßnahmen umfaßt, als sie ausschließlich von Ärzten oder unter Leitung oder Überwachung durch Ärzte erbracht werden können.
Zum anderen führt das Gesetz in § 1237 RVO die „ärztliche Behandlung” lediglich als eine unter fünf Arten von medizinischen Leistungen auf; die vier anderen daneben genannten Leistungsarten sind aber keineswegs alle so gestaltet, daß sie begriffsnotwendig eine ärztliche Beteiligung im dargelegten Sinn erforderten (s insbesondere § 1237 Nr 5 RVO „Belastungserprobung und Arbeitstherapie”).
Zum dritten schließlich ist die Aufzählung der fünf konkret genannten Leistungsarten kein geschlossener Katalog ausschließlich möglicher Leistungen, sondern nur, wie die Worte „insbesondere” und „vor allem” im Gesetzestext deutlich machen, eine beispielhafte Auflistung von bloß typischerweise in Betracht kommenden Maßnahmen (in diesem Sinn bereits wiederholt das BSG, s SozR 2200 § 184a Nr 5; BSGE 66, 84 = SozR 2200 § 1237 Nr 22; BSGE 66, 87 = SozR 2200 § 1237 Nr 23; Urteil vom 5. Dezember 1989, 5 RJ 19/88; Urteil vom 12. September 1990, 5 RJ 42/89; BSGE 68, 17 = SozR 3-2200 § 184a Nr 1; SozR 3-2200 § 1237 Nr 1). Dieselbe Weite des Leistungsumfanges wird durch § 10 RehaAnglG bezeichnet, wenn einleitend vor dem wortgleichen Fünf-Punkte-Katalog davon gesprochen wird, daß die medizinischen Leistungen zur Rehabilitation „alle Hilfen” umfassen sollen, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, eine Behinderung zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten.
Das in dieser Weise vom Gesetzeswortlaut nahegelegte weite Verständnis des Leistungskatalogs entspricht auch dem Zweck der in § 1237 RVO getroffenen Normierung. Aus § 1236 Abs 1 Satz 4 RVO ergibt sich, daß der Leistungskatalog in §§ 1237 bis 1237b RVO die Konkretisierung dessen darstellt, was in § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO nur global mit dem Oberbegriff „Leistungen zur Rehabilitation” angesprochen ist. Diese rechtsinstrumentale Verknüpfung des Leistungskatalogs der §§ 1237 bis 1237b RVO mit der grundsätzlichen Aufgabenbestimmung in § 1236 Abs 1 RVO hat für die Auslegung des Leistungskatalogs zwingend zur Folge, daß der sachliche Gehalt dieser Vorschriften auch nur in Übereinstimmung mit der allgemeinen Aufgabensetzung bestimmt werden kann. Was als Einzelmaßnahme im Rahmen eines Rehabilitationsgesamtverfahrens funktionell angebracht und somit auch sachlich gerechtfertigt ist, leitet sich also aus Zweck und Erfolgsaussicht der jeweils aktuell in Betracht kommenden Rehabilitation ab.
Bezogen speziell auf geistig-seelische Beeinträchtigungen, wie sie bei Schizophreniekranken typisch sind, heißt das, daß der Katalog rechtlich zugelassener Einzelmaßnahmen auch entsprechende geistig-seelische Therapien zu umfassen hat, soll nicht für eine Art der Beeinträchtigungen, die das Gesetz selbst als auslösende Tatbestände für eine Rehabilitation betrachtet, im praktischen Ergebnis die gesamte Normierung der Rehabilitation durch § 1236 RVO leerlaufen.
Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob sich aus der Überschneidung der Aufgabenfelder von Rehabilitation und Krankenhilfe im Einzelfall Einschränkungen ergeben könnten; denn im vorliegenden Fall ist diese Behandlung Teil eines zusammenhängenden Behandlungskonzepts, das sinnvollerweise in einer Hand liegen muß und einheitlich zu organisieren ist.
Im Gesetz ist dieser „Grundsatz der Einheit des Rehabilitationsträgers und des Rehabilitationsverfahrens” (Jung/Preuß, Rehabilitation 2. Aufl 1975, S 216) durch § 5 Abs 2 Satz 1 RehaAnglG ausformuliert, wonach jeder Träger im Rahmen seiner Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die nach Lage des Einzelfalles erforderlichen Leistungen so vollständig und so umfassend zu erbringen hat, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden. Entsprechend der eine Rehabilitation nach § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO auslösenden Situation des Versicherten können daher in der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers einerseits Verfahren genügen, bei denen sich der Gesamterfolg der Erhaltung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten bereits mit bloß einer Einzelmaßnahme aus dem Gesamtkatalog der §§ 1237 bis 1237b RVO erreichen läßt, andererseits aber auch Verfahren notwendig sein, die aus einer Kombination (einem „Bündel”) von Einzelmaßnahmen bestehen. In einem Fall wie dem der Beigeladenen ist ohne eine Mehrheit von Einzelmaßnahmen im zweiten Sinne nicht auszukommen.
Nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts läßt sich aber noch nicht abschließend beurteilen, ob von den übrigen Anspruchsvor-aussetzungen speziell das Merkmal der Erfolgsaussicht einer Rehabilitation der Beigeladenen zu 3) sowohl generell im Sinne der Beeinflußbarkeit der Krankheit im Sinne einer Besserung der Erwerbsfähigkeit als auch bezogen auf die Eignung der Behandlung im Haus R. … erfüllt war. Das LSG hat sich insofern nur auf die ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. L. … und die formularmäßige Beurteilung des Leiters der vertrauensärztlichen Dienststelle der Beklagten Dr. W. … gestützt. Die von der Beklagten hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist zulässig und begründet. Um die Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG ausreichend zu erfüllen, hätte im vorliegenden Fall angesichts des Sachumfanges und Schwierigkeitsgrades der zu entscheidenden Rehabilitationsproblematik bei Schizophrenieerkrankten ein nach Methode und Gegenstand detailliertes Gutachten eines fachspezifisch entsprechend ausgewiesenen Sachverständigen zu den Fragen der objektiven und subjektiven Eignung der streitigen Rehabilitationsmaßnahme, wie sie der erkennende Senat im Urteil aufgezeigt hat, eingeholt werden müssen. Dies wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
Bei der erneuten Prüfung der Erfolgsaussicht wird allerdings der von der Beklagten an erster Stelle dagegen vorgebrachte Einwand, der weitere berufliche Werdegang der Beigeladenen zu 3) nach dem Therapieende im Haus R. … zeige, daß die Maßnahme keinen Erfolg iS von § 1236 RVO gehabt habe, schon mangels Schlüssigkeit nicht zum Zuge kommen können. Denn für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist, wie der 8. Senat des BSG bereits im sachlichen Ansatz mit Urteil vom 24. März 1983 – 8 RK 2/82, SozR 2200 § 184a Nr 5 -entschieden hat, in zeitlicher Beziehung der Vorgang der Leistungsgewährung maßgebend. Allein auf ihn bezogen ist in vorausschauender Beurteilung (Prognose) und „begleitender Kontrolle” (dazu sogleich unten) zu prüfen, ob die Maßnahme nach den bisherigen Erfahrungen in gleichgelagerten Fällen den gewünschten Erfolg der Wiederherstellung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten herbeiführen wird. Nur so ist auch die Erklärung des 5. Senats des BSG in seinen Urteilen vom 12. September 1990 – 5 RJ 42/89, SozSich 1991, 286 – und vom 27. Februar 1991 – 5 RJ 51/90, SozR 3-2200 § 1237 Nr 1 -zu verstehen, die Prognose, daß durch die Maßnahme der Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne, gehöre zu den Voraussetzungen, unter denen allein die Rehabilitationsmaßnahme zu rechtfertigen sei.
Die hiernach notwendigen ergänzenden Ermittlungen des Berufungsgerichts werden sich nicht auf den Beginn des Behandlungsstadiums beschränken dürfen, für das eine Kostenerstattung durch die Beklagte überhaupt nur in Frage kommt, hier also die Zeit um den 16. Juli 1984. Denn Rehabilitation als Verfahren, das zur Rehabilitation im Sinne des erwünschten Endzustandes führen soll, ist – wie der Begriff Verfahren schon impliziert – regelmäßig ein über die Zeit erstreckter Vorgang. Für ihn als rechtlich geordneten Geschehensablauf versteht es sich daher von selbst, daß die auf ihn anwendbaren normativen Voraussetzungen und Merkmale in jeder seiner Phasen vorliegen und in ihrer jeweiligen Aktualität auch festgestellt werden. Zu einer auf den Beginn des Rehabilitationsverfahrens bezogenen vorausschauenden Prüfung (Prognose), ob die gesetzlich normierten Erfordernisse erfüllt sind, die geplante Rehabilitation also voraussichtlich erfolgreich sein wird, hat demzufolge eine über das gesamte nachfolgende Verfahren fortdauernde Kontrolle zu treten, ob die anfangs bejahten Erfordernisse auch weiterhin vorliegen. Freilich braucht diese begleitende Prüfung, sofern nicht besondere Umstände Anlaß zu anderem Vorgehen geben, nur in angemessenen Zeitabständen vorgenommen zu werden. Bei einer länger als ein halbes Jahr dauernden Einzelmaßnahme zur Rehabilitation wie im Streitfall wird es aber nicht bei einer bloßen Eingangs- und Abschlußüberprüfung sein Bewenden haben können.
Nicht zum Tragen kommt dagegen der weitere Einwand der Beklagten gegen die Erfolgsaussicht, das Berufungsgericht hätte zumindest Beweis darüber erheben müssen, ab wann der Anteil der beruflichen Rehabilitation überwogen und deswegen die Zuständigkeit des Trägers der beruflichen Rehabilitation begonnen habe. Eine derart quantitative Ausrichtung von Leistungen zur Rehabilitation ist der Regelung des § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO weder nach Wortlaut noch nach Normgehalt zu entnehmen. Es liegt vielmehr im Wesen vieler spezifischer Rehabilitationsmaßnahmen iS von §§ 1237 bis 1237b RVO, daß sie multifunktional wirken, dh außer dem Sacherfolg, auf den sie ihrer Bezeichnung und inhaltlichen Gestaltung nach zunächst ausgerichtet sind, noch weitere Erfolge bewirken, die anderen Fachrichtungen zugehören, etwa als Maßnahme „beruflicher Rehabilitation” zugleich auch der gesundheitlichen oder gesellschaftlichen Rehabilitation oder als Maßnahme „gesundheitlicher Rehabilitation” zugleich der beruflichen oder gesellschaftlichen Rehabilitation dienlich sind. In seinem Urteil vom 23. April 1992 im Verfahren 13 RJ 25/91 hat der erkennende Senat dazu Näheres ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.
Sollten die Ermittlungen ergeben, daß das Leiden der Klägerin einer Rehabilitation in dem Sinne zugänglich war, daß die Erwerbsfähigkeit günstig beeinflußt werden konnte und somit eine Zuständigkeit der Beklagten gegeben ist, scheitert der Erstattungsanspruch nicht bereits daran, daß der Rentenversicherungsträger in einem Fall wie dem vorliegenden keinen Einfluß mehr auf das konkrete „Wie” der Behandlung iS von § 1236 Abs 1 Satz 5 RVO nehmen kann, weil bereits der Sozialhilfeträger eine konkrete Bestimmung darüber getroffen und realisiert, dh die grundsätzlich dem Rehabilitationsträger zustehende Auswahl schon faktisch vorweggenommen hat. Eine solche faktische Vorwegnahme von Sozialleistungen ist für die Rechtsfigur des Erstattungsanspruchs gerade der Anlaß zur vorhandenen gesetzlichen Regelung und insofern unabdingbare Voraussetzung des Anspruchs. Sie kann demzufolge nicht allein für sich dazu verwendet werden, um generell einen Leistungsanspruch des Versicherten gegen den Rehabilitationsträger zu verneinen und hieran anknüpfend auch einen Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Rehabilitationsträger bei derartigen Vor-Leistungen auszuschließen.
Die vom Kläger durchgeführte Maßnahme muß allerdings – wie dargelegt – für das Erreichen des angestrebten und erreichbaren Ziels geeignet gewesen sein. Die Behandlung muß in ihrer Ausgestaltung so angelegt gewesen sein, daß ein günstiger Einfluß auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten zu erwarten war. Sie muß ferner dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Sinn des § 1236 Abs 1 Satz 5 RVO genügt haben.
Auch die Eignung muß während der gesamten Maßnahme vorliegen und – bei längerdauernden Maßnahmen – sowohl bei deren Beginn als auch in angemessenen Abständen überprüft werden.
Diese Feststellungen sind ebenfalls noch nachzuholen.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen