Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung - Krankengeldkürzung - Bezug - Invalidenrente - ärztliches Versorgungswerk - Aufhebung - Krankengeldbewilligung - Rechtsfortbildung durch Richterrecht - planwidrige Regelungslücke - Prüfung - Verfassungsmäßigkeit - Gesetzesvorschrift
Leitsatz (redaktionell)
Das Krankengeld darf nicht wegen des Bezuges einer Invalidenrente aus einem ärztlichen Versorgungswerk gekürzt werden.
Orientierungssatz
1. Die Zuerkennung der Invalidenrente durch eine ärztliche Versorgungseinrichtung hat auf den Krankengeldanspruch keinen Einfluß, so daß insoweit weder eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (vgl BSG vom 3.10.1989 - 10 RKg 7/89 = BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr 60) noch eine später ausgesprochene Krankengeldbewilligung als anfänglich rechtswidrig iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 angesehen werden kann.
2. Daß der Gesetzgeber der Rechtsprechung die Lösung der Probleme überlassen wollte, die sich aus dem Zusammentreffen von Krankengeld mit Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken ergeben, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls finden sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Hinweise für eine derartige Absicht des Gesetzgebers. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß ein Versehen des Gesetzgebers, also eine planwidrige Regelungslücke, vorliegen könnte.
3. Stellt sich in einem Rechtsstreit heraus, daß eine bestimmte gesetzgeberische Maßnahme nicht die Rechte des Klägers einschränkt, weil die Vorschrift nicht anwendbar ist, dann kommt es auch auf ihre Verfassungsmäßigkeit nicht an, so daß eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG unzulässig wäre (vgl BVerfG vom 24.1.1984 - 1 BvL 7/82 = BVerfGE 66, 100, 105 f).
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1; RVO § 183 Abs. 5; SGB V § 50 Abs. 2 Nrn. 2, 4-5; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; SGB I § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war als Krankenhausarzt (Radiologie-Oberarzt) in Idar-Oberstein im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Er bezieht von der Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz nach § 22 Abs 2 der Satzung als Invalidenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 1. Oktober 1993 Versorgungsbezüge. Sie betrugen zunächst monatlich 6.873,20 DM und ab 1. Januar 1994 monatlich 7.034,40 DM. Daneben erhält der Kläger von der Rheinischen Zusatzversorgungskasse eine weitere Rentenleistung in Höhe von monatlich 602,73 DM.
Die Beklagte gewährte dem Kläger wegen einer ab 19. Februar 1993 bestehenden Arbeitsunfähigkeit im Anschluß an die Gehaltsfortzahlung ab 20. August 1993 Krankengeld. Mit Bescheid vom 14. Januar 1994 (Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1994) stellte die Beklagte diese Krankengeldzahlung zum 24. Januar 1994 mit der Begründung ein, wegen der dem Kläger gewährten Invalidenrente wegen BU bestehe gemäß § 50 Abs 2 Nr 2 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) kein Krankengeldanspruch mehr.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil des SG Mainz vom 3. August 1994). Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz ≪LSG≫ vom 19. Juli 1995). In den Entscheidungsgründen des LSG wird ua ausgeführt: Die dem Kläger gewährte Invalidenrente setze eine BU voraus. Sie liege dann vor, wenn das Mitglied aus gesundheitlichen Gründen seinen Arztberuf nicht mehr ausüben oder mit ihm nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielen könne. Somit sei die Invalidenrente nach dem Umfang der sozialen Absicherung zumindest mit der BU-Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 43 Abs 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) vergleichbar. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der berufsständischen Versorgungseinrichtung bezwecke die gleiche öffentlich-rechtliche Daseinsvorsorge wie eine Mitgliedschaft in der Angestelltenversicherung. Es könne daher nur als eine ungewollte Regelungslücke angesehen werden, daß der Gesetzgeber die Alters- und Invalidenversorgung aus derartigen berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in § 50 SGB V nicht ausdrücklich erwähnt habe. Diese Lücke sei, wie bereits das Bundessozialgericht ≪BSG≫ in seinem Urteil vom 10. Dezember 1991 - 1/3 RK 16/90 - angedeutet habe, durch eine entsprechende Anwendung des § 50 Abs 2 Nr 2 SGB V zu schließen. Da die Invalidenrente das Krankengeld im vorliegenden Falle übersteige, habe die Beklagte dem Kläger für die streitige Zeit kein Krankengeld mehr zu zahlen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 50 SGB V sowie der Art 3 und 20 des Grundgesetzes (GG) und macht ua geltend: Eine analoge Anwendung des § 50 Abs 2 SGB V sei im vorliegenden Fall schon wegen des unmißverständlichen Wortlauts dieser Vorschrift ausgeschlossen. Eine richterliche Rechtsfortbildung, die sich vom Gesetzeswortlaut entferne, sei nur zulässig, wenn sich dafür besonders schwerwiegende Gründe ergäben und der Gesetzeswortlaut die Möglichkeit offenlasse, daß der Gesetzgeber den problematischen Fall nicht genügend bedacht und ungeregelt gelassen habe. Es müßte eine Wertungslücke vorliegen, deren Schließung im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zwingend notwendig sei. Die Gesetzessystematik und der rechtliche Kontext sprächen jedoch gegen die von der Beklagten und den Vorinstanzen vertretene Rechtsauffassung. § 50 SGB V enthalte im übrigen eine abschließende Aufzählung und sei schon deshalb nicht analogiefähig.
Der Kläger beantragt,
den Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 1995,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3. August 1994 und den Bescheid
der Beklagten vom 14. Januar 1994 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1994 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Nachdem sich der Rechtsstreit durch den in der Revisionsverhandlung geschlossenen Vergleich zum Teil erledigt hat, streiten die Beteiligten nur noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger mit den angefochtenen Bescheiden das Krankengeld entziehen durfte. Das ist zu verneinen. Es liegen weder die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) noch des § 45 Abs 1 SGB X vor, weil die Invalidenrente aus der Ärzteversorgung den Krankengeldanspruch nicht berührt.
Nach den Tatsachenfeststellungen des LSG geht der Senat davon aus, daß die Beklagte dem Kläger im Anschluß an die Gehaltsfortzahlung Krankengeld bewilligt hat (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 103); darin liegt sowohl ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung iS des § 48 SGB X als auch ein begünstigender Verwaltungsakt iS des § 45 SGB X. Die Zuerkennung der Invalidenrente durch die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer hat auf den Krankengeldanspruch keinen Einfluß, so daß insoweit weder eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (vgl dazu BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr 60 S 176) noch eine später ausgesprochene Krankengeldbewilligung als anfänglich rechtswidrig angesehen werden kann. Deshalb kommt es nicht darauf an, daß dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen ist, ob das Krankengeld von Anfang an in einem einzigen Verwaltungsakt bis zum Ende des 78-Wochen-Zeitraums (hier wegen Vorbezugs bis zum 17. Juli 1994) oder entsprechend den etwa vierzehntägigen Krankengeldzahlungen in mehreren Abschnitten jeweils zeitlich beschränkt und daher - teilweise - auch noch später als die am 1. Oktober 1993 zuerkannte Invalidenrente bewilligt wurde.
Das dem Kläger bewilligte Krankengeld ist nicht nach Abs 2 des § 50 SGB V idF vor Änderung durch das Dritte SGB V-Änderungsgesetz (3. SGB V-ÄndG) vom 10. Mai 1995 (BGBl I S 678) zu kürzen.
Nach § 50 Abs 2 Nr 2 SGB V wird das Krankengeld um den Zahlbetrag der Rente wegen BU oder der Teilrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt, wenn die Leistung von einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung an zuerkannt wird. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die dem Kläger von der ärztlichen Versorgungseinrichtung bewilligte Invalidenrente eine Rente wegen BU ist, kann die genannte Vorschrift hier nicht unmittelbar angewendet werden, weil es sich dabei nicht um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung handelt. Das ergibt sich aus § 23 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach werden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung - auch Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - in der Rentenversicherung der Arbeiter von den Landesversicherungsanstalten, der Seekasse und der Bahnversicherungsanstalt, in der Rentenversicherung der Angestellten von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, in der knappschaftlichen Rentenversicherung von der Bundesknappschaft und in der Alterssicherung der Landwirte von den Landwirtschaftlichen Alterskassen gewährt (zu den Trägern der Rentenversicherung s auch § 127, § 132 und § 136 SGB VI). BU-Renten, die eine ärztliche Versorgungseinrichtung bewilligt, gehören damit nicht zu den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Auch die Vorschriften des § 50 Abs 2 Nr 4 und Nr 5 SGB V können nicht auf Leistungen der Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz angewendet werden. Die Regelung des § 50 Abs 2 Nr 4 bezieht sich lediglich auf vergleichbare Leistungen, die von einem Träger oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt wird. Bei der Kürzungsvorschrift des § 50 Abs 2 Nr 5 SGB V muß es sich um Leistungen handeln, die nach den ausschließlich für das im Beitrittsgebiet geltenden Bestimmungen gezahlt werden.
Aber auch eine analoge Anwendung der Vorschriften des § 50 Abs 2 SGB V auf BU-Renten ärztlicher Versorgungseinrichtungen kommt nicht in Betracht. Zwar sollen Leistungen, wie sie der Kläger von dem ärztlichen Versorgungswerk bezieht, das bisher als Arzt erzielte Arbeitseinkommen ersetzen, also den wegen gesundheitsbedingter Leistungsminderung verursachten Einkommensausfall ausgleichen. Insoweit stimmt der Zweck der Leistungen, die berufsständische Versorgungswerke im Falle der BU gewähren, mit dem Zweck der Renten wegen BU aus der gesetzlichen Rentenversicherung überein. Dies würde für eine analoge Anwendung des § 50 Abs 2 SGB V sprechen, weil die Vorschrift darauf abzielt, Doppelleistungen mit "Lohnersatzfunktion" zu vermeiden (vgl dazu Kummer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherungsrecht, § 23 RdNr 162; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Komm, § 50 RdNr 3; vgl auch BT-Drucks 13/340 S 9 zu Art 1 Nr 2 ≪§ 50≫ des Entwurfs eines 3. SGB V-ÄndG).
Der Senat sieht sich aber gleichwohl an einer analogen Anwendung des § 50 SGB V gehindert. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, daß sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlaß des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (so BSGE 39, 143, 136 = SozR 2200 § 1251 Nr 11; BSGE 60, 176, 178 = SozR 2600 § 57 Nr 3; vgl ferner BSGE 58, 110, 114 f = SozR 5755 Art 2 § 1 Nr 6). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.
Daß der Gesetzgeber der Rechtsprechung die Lösung der Probleme überlassen wollte, die sich aus dem Zusammentreffen von Krankengeld mit Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken ergeben, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls finden sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Hinweise für eine derartige Absicht des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 11/2237, S 181 f zu § 49 des Regierungsentwurfs).
Es kann aber auch keine Rede davon sein, daß es sich bei dem Zusammentreffen von Krankengeld mit Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken um einen Tatbestand handelte, der sich erst nach Erlaß des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hätte. Die Gründung berufsständischer Versorgungswerke begann bereits vor Jahrzehnten (s dazu Söllner, Zur Theorie und Praxis der sozialen Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Dissertation, Erlangen-Nürnberg 1962, S 156 ff). Im übrigen sind die Vorschriften des § 50 SGB V seit Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 mehrfach geändert worden, zuletzt durch das 3. SGB V-ÄndG vom 10. Mai 1995 (BGBl I S 678). Der Gesetzgeber hatte daher mehrfach die Möglichkeit, auch die Leistungen der genannten Versorgungseinrichtungen in den Tatbestand des § 50 SGB V aufzunehmen. Von dieser Möglichkeit hat er im Rahmen der erfolgten Gesetzesänderungen jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Der Senat sieht aber auch keine Anhaltspunkte dafür, daß ein Versehen des Gesetzgebers, also eine planwidrige Regelungslücke, vorliegen könnte. Zwar muß in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, daß die berufsständischen Versorgungswerke für bestimmte Berufe geschaffen worden sind, die überwiegend nicht im Beschäftigungsverhältnis, sondern frei ausgeübt werden. Dem Gesetzgeber war aber bekannt, daß neben selbständig Tätigen auch Angestellte Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken beziehen können. Dafür ist insbesondere die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI ein Beleg. Danach werden von der Versicherungspflicht ua Angestellte befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf dem Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden. Ferner macht § 229 Abs 1 Nr 3 SGB V deutlich, daß der Gesetzgeber bei der Neugestaltung des Krankenversicherungsrechts die Leistungen der berufsständischen Versorgungswerke nicht versehentlich unbeachtet gelassen hat. Denn in dieser Vorschrift hat er ausdrücklich geregelt, daß die Renten dieser Versorgungseinrichtungen zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehören.
Gegen die Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke läßt sich schließlich anführen: Die Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke sind häufig mit Anspruch auf Krankentagegeld bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert. Soweit sie als freiwillige Mitglieder gesetzlichen Krankenkassen angehören können die Krankenkassen gemäß § 44 Abs 2 SGB V den Anspruch auf Krankengeld bei ihnen durch eine Satzungsregelung ausschließen. Es ist denkbar, daß der Gesetzgeber schon aus diesem Grunde keine Notwendigkeit gesehen hat, in § 50 SGB V auch eine Vorschrift über das Zusammentreffen von Krankengeld mit Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken aufzunehmen.
Läßt sich somit nicht feststellen, daß eine planwidrige Gesetzeslücke gegeben ist, fehlen die speziellen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 50 Abs 2 SGB V auf die BU-Renten berufsständischer Versorgungseinrichtungen. Eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - ist deshalb ausgeschlossen. Das gilt ebenso für eine Analogie zu § 50 Abs 1 SGB V, denn auch dort liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Regelungslücke nicht vor.
Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf das Urteil vom 15. November 1979 (BSGE 49, 136, 139 f). In dieser Entscheidung ist es für rechtlich zulässig angesehen worden, § 183 Reichsversicherungsordnung (RVO) auf das vorzeitige Altersgeld, das Altersgeld oder die Landabgaberente nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) entsprechend anzuwenden. Das BSG hat dies mit dem Zweck der Regelung des § 183 Abs 3 und 4 RVO begründet, Doppelleistungen mit jeweils voller Lohnersatzfunktion zu verhindern. Dieser Gesichtspunkt kann aber hier - bei der genauen Formulierung der Einzeltatbestände des § 50 SGB V - für eine Analogie nicht allein maßgebend sein.
Auch der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des BSG vom 10. Dezember 1991 - 1/3 RK 16/90 - (EzS 90/177) geht fehl. Der erkennende Senat hat seinerzeit nicht entschieden, daß § 50 SGB X auf BU-Renten aus ärztlichen Versorgungswerken analog angewendet werden muß, sondern in dem zurückverweisenden Urteil dem LSG lediglich aufgegeben, zu prüfen, ob eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt.
Ob die Ablehnung einer analogen Anwendung des § 50 SGB V zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Bezieher von BU-Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung führt, ist im vorliegenden Falle nicht zu prüfen. Stellt sich in einem Rechtsstreit - wie hier - heraus, daß eine bestimmte gesetzgeberische Maßnahme nicht die Rechte des Klägers einschränkt, weil die Vorschrift nicht anwendbar ist, dann kommt es auch auf ihre Verfassungsmäßigkeit nicht an, so daß eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG unzulässig wäre (BVerfGE 66, 100, 105 f). Das bedeutet aber: Auf eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des § 50 SGB V können sich nur diejenigen berufen, bei denen die Anwendung der Vorschrift zu einer Kürzung des Krankengeldes führt und nur aufgrund einer von ihnen erhobenen Klage ist die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift zu prüfen.
Nach alledem waren auf die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) die vorinstanzlichen Entscheidungen und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543273 |
BSGE 78, 149-153 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BSGE, 149 |
RegNr, 22461 (BSG-Intern) |
DOK 1996, 446 (Gründe) |
WzS 1996, 379-380 (Kurzwiedergabe) |
ZAP, EN-Nr 416/96 (red. Leitsatz) |
BKK 1996, 547-549 (Gründe) |
Breith 1996, 895-899 (Leitsatz 1 und Gründe, red. Leitsatz 1-3 und Gründe) |
HVBG-INFO 1997, 34-37 (Leitsatz 1 und Gründe, red. Leitsatz 1-3 und Gründe) |
NZS 1996, 523-524 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SozR 3-2500 § 50, Nr 4 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SozSich 1996, 437 (Kurzwiedergabe) |
Breith. 1996, 895 |