Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung. Berufungsausschließungsgründe
Orientierungssatz
In § 177 Abs 1 S 2 AVAVG aF hat der Erstattungsanspruch als öffentlichrechtlicher Anspruch eigener Art ohne Unterscheidung, ob die Rückforderung einen einzigen Betrag ausmacht oder summenmäßig mehrere Einzelbeträge umfaßt, seine besondere Rechtsgrundlage. Nach Wortlaut und Inhalt wird er nicht von den Berufungsausschließungsgründen des § 144 SGG erfaßt, ebensowenig wie die Entziehung nach § 177 Abs 1 S 1 AVAVG aF.
Normenkette
SGG § 143 Fassung: 1953-09-03, § 144 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; AVAVG § 177 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1927-07-16, S. 2 Fassung: 1927-07-16
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.05.1956) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 24.05.1955) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Mai 1956 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der 1906 geborene Kläger, von Beruf Kaufmann, bezog zuletzt seit 3. April 1951 Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu) beim Arbeitsamt Memmingen. Am 11. Juni 1951 beantragte er nachträglich Befreiung von der Meldekontrolle für die Zeit vom 30. Mai bis zum 9. Juni 1951, da er Muster von Heizbriketts aus Abfallstoffen anfertigen müsse, um eine Anstellung bei der Firma Sch... in L. zu erlangen. Diese bescheinigte dem Kläger, daß er für längere Zeit mit dem Aufbau ihres Betriebes und mit der Herstellung von Proben beschäftigt sei; hierfür erhalte er bis zum Anlaufen des Betriebs kein Entgelt. Das Arbeitsamt entsprach dem Antrag und zahlte Unterstützung für diese Zeit.
In einem Antrag vom 11. Juni 1951 auf Befreiung von der Meldekontrolle für die Zeit vom 4. bis zum 18. Juli 1951 erklärte der Kläger, daß er für die Firma Sch... einen Betrieb für die Erzeugung von Heizbriketts eingerichtet habe, der in den nächsten Tagen anlaufen solle. Darauf befreite das Arbeitsamt ihn unter Fortzahlung der Unterstützung von der Meldekontrolle unter der Bedingung, daß er ab 18. Juli 1951 aus der Unterstützung ausscheide. Die Firma Sch... bescheinigte dem Kläger, daß er ab 18. Juli 1951 bei ihr beschäftigt sei. Mit Schreiben vom 20. Juli 1951 teilte sie dem Arbeitsamt mit, daß der Kläger ab 20. Juli 1951 bei ihr als freier Mitarbeiter tätig und mit einer "Anteilquote" am Betrieb beteiligt sei, aber weder in ein Arbeits- noch Angestelltenverhältnis übernommen werde.
Am 31. August 1951 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Unterstützung. Er habe vom 18. Juli bis zum 31. August 1951 bei der Firma Sch... gearbeitet. Nach deren Arbeitsbescheinigung vom 15. September 1951 war der Kläger vom 1. Juli bis zum 10. August 1951 bei ihr als Mitarbeiter gegen freie Wohnung und Kost beschäftigt. Sie enthält den Vermerk, daß bei Produktion vertragsgemäß Teilhaberschaft vorgesehen sei. Das Arbeitsamt bewilligte daraufhin die Weiterzahlung der Unterstützung ab 31. August 1951, die mit Unterbrechungen bis zum 31. Oktober 1951 einschließlich gewährt wurde.
Am 1. November 1951 meldete sich der Kläger in Arbeit ab. Mit Bescheid vom 28. September 1951 entzog; das Arbeitsamt dem Kläger die Unterstützung für die Zeit vom 2. bis zum 17. Juli 1951 und forderte 75,60 DM zurück, weil er bereits seit dem 1. Juli 1951 bei der Firma Sch... in Arbeit gestanden habe. Der Kläger erhob Einspruch "gegen einen Abzug wegen zuviel bezahlter Arbeitslosenfürsorge", wurde aber damit durch Entscheidung des Spruchausschusses des Arbeitsamts Memmingen vom 2. November 1951 zurückgewiesen. Hiergegen legte er Berufung bei der Spruchkammer des Landesarbeitsamts Süd-Bayern ein.
Im Verlaufe weiterer Ermittlungen durch das Arbeitsamt ergab sich, daß der Kläger unter dem 15. Juni 1951 mit dem Bevollmächtigten der Firma Sch... einen Vertrag geschlossen hatte, in dem er beauftragt war, Briketts aus Abfallstoffen in dem Betrieb der Firma herzustellen. Der Kläger sollte als freier Mitarbeiter tätig sein und an der laufenden Produktion mit einem Anteil von 1/2 Dpfg. je Kilogramm beteiligt werden.
Der Inhaber der Firma Sch... erklärte in einem Schreiben vom 8. August 1952 dem Arbeitsamt hierzu, der Kläger sei am 28. Mai 1951 in den Betrieb nach L. gekommen. Der Vertrag vom 15. Juni 1951 sei geschlossen worden, als der Kläger mit seiner Tätigkeit angefangen habe. Er habe vom 28. Mai bis zum 15. Oktober 1951 mit einer Unterbrechung von etwa zwei Monaten in der Firma gearbeitet. In dieser Zeit seien ihm DM 420,-- gezahlt worden.
Ferner bescheinigte die ... GmbH. Worms/Rhein unter dem 20. Oktober 1952, der Kläger sei vom 27. Oktober 1951 bis zum 23. Februar 1952 als "freiberuflicher Berater" bei ihr tätig gewesen und habe in dieser Zeit als Entschädigung insgesamt 2.130,-- DM erhalten. In diesem Betrag seien an Reisekosten und Auslagen etwa 1.278,-- DM enthalten. Am 27. Oktober 1951 seien ihm 150,-- DM und am 28. Oktober 100,-- DM ausgezahlt worden.
Mit Verfügung vom 10. Dezember 1952 entzog danach das Arbeitsamt dem Kläger die Alfu samt Teuerungszulage für die Zeit vom 28. Mai bis zum 30. Juni 1951, vom 31. August bis zum 18. Oktober 1951 sowie vom 27. bis zum 31. Oktober 1951 und forderte insgesamt 432,60 DM zurück. Da in diesen Zeitabschnitten der Kläger nicht arbeitslos gewesen sei, habe er die Unterstützungsbeträge zu Unrecht erhalten. Der Einspruch des Klägers wurde durch Entscheidung des Spruchausschusses des Arbeitsamts Memmingen vom 29. Januar 1953 als unbegründet zurückgewiesen, wogegen der Kläger Berufung beim Oberversicherungsamt München einlegte.
Überdies verhängte das Arbeitsamt mit Ordnungsstrafbescheid vom 17. Februar 1953 gegen den Kläger eine Ordnungsstrafe von 40,-- DM, weil er die gesetzliche Verpflichtung, dem Arbeitsamt ohne Aufforderung unverzüglich jede übernommene Lohnarbeit anzuzeigen, nicht erfüllt habe. Die Entscheidung über die Beschwerde des Klägers hiergegen wurde durch Beschluß des Vorsitzenden des Spruchausschusses beim Arbeitsamt vom 12. März 1953 bis zur Entscheidung über die Berufung in den Unterstützungssachen ausgesetzt.
Mit einem Schreiben vom 9. Mai 1953 teilte die B... Worms dem Arbeitsamt mit, daß der Kläger vom 1. Januar bis zum 23. Februar 1952 bei ihr als freiberuflicher Berater tätig gewesen sei; sie stellte insoweit ihre früheren Angaben richtig.
II.
Mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gingen die Berufungen des Klägers gegen die Entscheidungen des Spruchausschusses als Klagen auf das Sozialgericht München über. Dieses erklärte dich durch Beschluß vom 9. Juni 1954 für örtlich unzuständig und verwies "den Rechtsstreit" an das Sozialgericht Karlsruhe, da der Kläger seinen Wohnsitz dorthin verlegt hatte.
In der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 1955 vor dem Sozialgericht Karlsruhe erging folgender Beschluß: "Das Beschwerdeverfahren wegen Verhängung einer Ordnungsstrafe wird gemäß § 113 SGG mit dem Verfahren über die Rückforderung überzahlter Arbeitslosenfürsorgeunterstützung verbunden".
Der Kläger beantragte, die Entscheidungen des Arbeitsamts vom 28. September 1951 und 10. Dezember 1952, die Bescheide des Spruchausschusses vom 2. November 1951 und 29. Januar 1953 sowie den Ordnungsstrafbescheid vom 17. Februar 1953 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung.
Das Sozialgericht Karlsruhe wies durch Urteil vom 24. Mai 1955 die Klage ab. Es erachtete die Verbindung des Verfahrens über die Verhängung der Ordnungsstrafe mit der Klage auf Aufhebung der Rückforderungsbescheide für geboten, "weil beide Verfahren im Zusammenhang stehen und von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können". Es wurde ausgeführt, daß der Kläger nicht bestreiten könne, in der Zeit vom 28. Mai bis zum 15. Oktober 1951 und dann wieder ab 27. Oktober 1951 für die Firma Sch... bzw. die neugegründete B... GmbH. Worms freiberuflich tätig gewesen zu sein. Als selbständiger Gewerbetreibender sei er nicht als arbeitslos anzusehen. Während seiner Mitarbeitertätigkeit sei er zudem persönlich und vertraglich gebunden, mithin nicht arbeitslos und nicht unterstützungsberechtigt gewesen. Nach Sachlage sei ferner der Ordnungsstrafbescheid zu Recht ergangen, da der Kläger verpflichtet gewesen wäre, dem Arbeitsamt gegenüber seine Tätigkeit bei der Firma Sch... und der B... GmbH. zu offenbaren.
Die Rechtsmittelbelehrung erteilte das Sozialgericht Karlsruhe dahin, daß gegen das Urteil Berufung eingelegt werden könne.
III.
Der Kläger legte Berufung ein und machte geltend, daß er mit sachlich zutreffenden Angaben jeweils Befreiung von der Meldekontrolle beantragt habe, und daß diese ihm vom. Arbeitsamt auch genehmigt worden sei. Wenn er dementgegen Unterstützungen nicht hätte erhalten dürfen, so seinen ihm diese durch Rechtsirrtum des Arbeitsamts, nicht aber infolge eigenen schuldhaften Verhaltens bewilligt worden. Deshalb seien Erstattungsansprüche nicht gegeben.
Das Landessozialgericht verwarf durch Urteil vom 11. Mai 1956 - ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG - die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe als unzulässig, soweit das Urteil die Bescheide des Arbeitsamts vom 28. September 1951 und 10. Dezember 1952 betrifft. Nach seiner Auffassung mache der Kläger Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dadurch geltend, daß er jeweils gegen den Bescheid, der die Erstattung verfügte, Klage erhob". Jeder der beiden Bescheide der Beklagten betreffe aber Unterstützungsleistungen nur für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen. Demzufolge sei die Berufung nicht statthaft. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß das Sozialgericht über beide Klagen in einem Urteil entschieden habe. Der Bescheid über die Ordnungsstrafe sei nicht Gegenstand der Berufung, da er mit der Klage erst angefochten werden könne, wenn über den Widerspruch hiergegen im Verwaltungswege entschieden oder die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 SGG erfüllt seien.
Revision wurde vom Landessozialgericht zugelassen, weil es sich bei der Frage, ob die Berufung zulässig ist, wenn sie zwei Klagen betreffe, die sich zusammen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen beziehen, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handele.
IV.
Gegen das am 6. August 1956 zugestellte Urteil legte der Kläger mit Schriftsatz vom 31. August 1956, beim Bundessozialgericht eingegangen am 3. September, Revision ein. Mit Telegramm vom 3. September 1956, beim Bundessozialgericht eingegangen am 4. September, beantragte er, das Urteil des Landessozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 1956 aufzuheben und seiner Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Mai 1955 stattzugeben. In der am 29. September eingegangenen Revisionsbegründung vom 28. September 1956 stellte er ferner den Hilfsantrag, der Berufung stattzugeben und dem Landessozialgericht Stuttgart aufzutragen, in der Sache selbst zu entscheiden. Er rügte, daß das Landessozialgericht die Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Das Sozialgericht habe über beide Klagen in einem Verfahren verhandelt und mit einem Urteil entschieden. Damit sei insgesamt auch eine Berufung zulässig. Beide Ansprüche seien zusammenzurechnen.
Die Beklagte beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Sie hält die Entscheidung des Landessozialgerichts für zutreffend und machte geltend, im Verfahren seien zwei Ansprüche im Streit, die selbstständig nebeneinander liefen; jeder einzelne davon betreffe einen Zeitraum von weniger als 13. Wochen. Daher sei die Berufung unzulässig.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
V.
Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 164, § 166 Abs. 1 SGG). Sie ist daher zulässig.
Die Revision ist auch begründet. Der Kläger hat zu Recht bemängelt, daß das Landessozialgericht die Zulässigkeit der Berufung verkannt hat.
Nach dem Grundsatz des § 143 SGG findet gegen die Urteile der Sozialgerichte regelmäßig die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den §§ 144 bis 149 (und 206) SGG nichts anderes ergibt. Hiernach ist die Rechtsmittelfähigkeit allein nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils, nicht aber nach dem Beschwerdegegenstand im Berufungsverfahren zu beurteilen (vgl. hierzu BSG. 3 S. 217).
Das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts betraf keinen der in den vorbezeichneten Vorschriften aufgezählten Falle. Der Kläger hatte mit der Klage - die ausschließlich Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung im weiteren Sinne, nämlich einschließlich der Arbeitslosenfürsorge betrifft - weder einmalige noch wiederkehrende Leistungen (§ 144 SGG) beansprucht noch auch Beginn oder Höhe seiner Unterstützungen angegriffen (§ 147 SGG). Ebensowenig hatte er sich gegen die Feststellung von Überzahlungen an sich und deren Höhe gewendet. Vielmehr hat er lediglich seine Verpflichtung zur Rückzahlung der in einzelnen Zeitabschnitten bezogenen Unterstützungsbeträge bestritten und insoweit geltend gemacht, daß er sie nicht zu Unrecht erhalten habe. Das Landessozialgericht selbst ist sich dieser Sach- und Rechtslage offensichtlich auch bewußt gewesen, wenn es in den Entscheidungsgründen seines Urteils darlegte, daß der Kläger "dem Anspruch der Beklagten auf Erstattung durch Klagerhebung widersprochen" habe. Dann ist es aber nicht gerechtfertigt, für die Prüfung und Beurteilung der Berufungsfähigkeit "von umgekehrten Leistungen" auszugehen, worauf die Auffassung des Berufungsgerichts im Ergebnis hinausläuft.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Mai 1956 (BSG. 3 S. 106 f.), das dem Landessozialgericht bei der Abfassung des Berufungsurteils noch nicht bekannt war, sowie im Urteil vom 15. Mai 1957 (7 RAr 90/55), mit dem in einem Parallelfall auch ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg aufgehoben werden mußte, festgestellt hat, bewirkt § 177 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) a.F. eine dem Recht der Arbeitslosenversicherung eigentümliche Regelung des Rückforderungs- oder Rückerstattungsanspruchs. Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift enthält nämlich für die Arbeitsverwaltung die gesetzliche Verpflichtung zur Rücknahme sowohl der von Anfang an fehlerhaften wie der in der Zwischenzeit fehlerhaft gewordenen Verwaltungsakte und Satz 2 die Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch hinsichtlich aller jener Beträge, die infolge der Aufhebung des Verwaltungsakts zu Unrecht gezahlt worden sind. Diese besondere Regelung nach dem AVAVG hat gesetzestechnisch ihren Platz nicht im "Dritten Abschnitt" = Arbeitslosenversicherung, Unterabschnitt "Versicherungsleistungen" (§§ 87 ff. AVAVG a.F.), sondern vielmehr im "Sechsten Abschnitt" = Verfahren, Unterabschnitt "Unterstützungsverfahren" (§§ 168 ff. AVAVG a.F.) erhalten. Dieser Umstand allein schon läßt erkennen, daß jedenfalls im Bereich der Arbeitslosenversicherung die Rückforderungsrechte nicht als "Leistungen" im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG angesehen werden können. Darüber hinaus ist in Rechtsprechung wie Schrifttum schon seit langem anerkannt, daß auch allgemein im Recht der Sozialversicherung vom Gesetzgeber der Begriff "Leistung" nur dann verwendet wird, wenn es sich um Ansprüche des Versicherten gegen den Versicherungsträger oder sonstiger Berechtigter gegen den Staat bzw. gegen öffentliche Körperschaften oder Anstalten handelt (vgl. BSG. 3 S. 234 f. [236] und die dortigen Zitate).
In § 177 Abs. 1 Satz 2 AVAVG a.F. hat der Erstattungsanspruch als öffentlich-rechtlicher Anspruch eigener Art ohne Unterscheidung, ob die Rückforderung einen einzigen Betrag ausmacht oder summenmäßig mehrere Einzelbeträge umfaßt, seine besondere Rechtsgrundlage. Nach Wortlaut und Inhalt wird er nicht von den Berufungsausschließungsgründen des § 144 SGG erfaßt, ebensowenig wie die Entziehung nach § 177 Abs. 1 Satz 1 AVAVG a.F.
Gegenstand der seitens des Klägers bei dem Sozialgericht anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten wegen Erstattung, deren förmliche Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (§ 113 SGG) als eine Klage der Erstrichter, wie das Landessozialgericht zutreffend erörtert hat, unterließ, waren zunächst die Verfügungen (Verwaltungsakte) des Arbeitsamts Memmingen vom 28. September 1951 sowie vom 10. Dezember 1952. Unzweifelhaft begehrte der Kläger deren Aufhebung im vollen Umfange. Die Untersuchung und Entscheidung darüber, ob und für welche Zeiträume der Kläger Alfu überhaupt beanspruchen konnte, betrifft in diesem Zusammenhang daher nur eine Vorfrage; hieraus war eine Berufungsausschließung über § 144 SGG nicht herzuleiten. Deshalb findet die Berufung nach § 143 SGG statt. Das Landessozialgericht durfte also dieses Rechtsmittel nicht als unzulässig verwerfen, sondern mußte eine Sachentscheidung treffen.
Aus diesen Gründen war das angefochtene Urteil aufzuheben. Das Bundessozialgericht Konnte jedoch in der Sache nicht selbst entscheiden, sondern mußte sie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG). Es fehlen ausreichende Feststellungen über den für eine Rückerstattungspflicht des Klägers rechtlich erheblichen Sachverhalt. Der vom Erstrichter ermittelte und vom Berufungsgericht in großen Zügen übernommene Tatbestand ist widerspruchsvoll. Er machte bislang nicht erweislich, in welchen Zeitabschnitten der Kläger wirklich arbeitslos im Sinne des AVAVG war, in welchen anderen er aber etwa als selbständiger Gewerbetreibender tätig gewesen oder durch persönliche oder vertragliche Bindungen nicht verfügbar gewesen ist.
VI.
Das Landessozialgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob und bejahendenfalls für welche Zeitabschnitte der Kläger überhaupt Anspruch auf Alfu hatte. Es wird bei diesen Untersuchungen die Grundsätze zu beachten haben, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 21. März 1956 (BSG. 2 S. 67 f.) zur Frage der Arbeitslosigkeit als einer der Unterstützungsvoraussetzungen entwickelt hat. Nach Klärung dieser Vorfragen wird das Landessozialgericht feststellen müssen, ob und welche Unterstützungsbeträge der Kläger gegebenenfalls zu Unrecht erhalten hat sowie ob und inwieweit Erstattungsansprüche daraus begründet sind. Bei diesen Prüfungen wird auch Satz 3 des § 177 Abs. 1 AVAVG a.F. einzubeziehen sein, um zu beurteilen, ob die Arbeitsverwaltung die gesetzlichen Grenzen des ihr nach § 177 Abs. 1 Satz 2 AVAVG a.F. obliegenden Ermessens etwa überschritten hat oder ob vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
In diesem Zusammenhang wird das Landessozialgericht weiterhin auch zu entscheiden haben, ob unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles auf die Rückforderungen der Beklagten nunmehr bereits § 185 AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 322) anzuwenden ist. In einem ähnlich gelagerten Fall aus der Kriegsopferversorgung hatte das Bundessozialgericht (BSG. 3 S. 237) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ. 9 S. 101) dahin erkannt, daß ein nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangenes neues Gesetz, das die bisher geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften ändert, zu berücksichtigen ist, sofern dieses nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt.
VII.
Hinsichtlich der gegen den Kläger verhängten Ordnungsstrafe konnte im Revisionsverfahren keine Entscheidung ergehen, da der Ordnungsstrafbescheid nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Urteils war. Infolge der Zurückverweisung wird sich das Landessozialgericht schließlich aber auch mit der Prüfung befassen müssen, ob inzwischen über die Ordnungsstrafe im Verwaltungswege (Vorverfahren) ordnungsgemäß entschieden worden ist oder ob die Entscheidung nunmehr im Klagwege nach § 88 SGG dem Gericht zusteht.
Die vom Landessozialgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Berufung zulässig ist, wenn sie zwei Klagen betrifft, die sich zusammen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen beziehen, war vom erkennenden Senat in der vorliegenden Sache nicht zu entscheiden, weil die als Verwaltungsakte ergangenen Bescheide und die mit der Klage hiergegen anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten keine Ansprüche auf Leistungen im Sinne des § 144 SGG betreffen.
VIII.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen