Leitsatz (amtlich)
1. Ein Versicherter, der erstmals in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des AnVNG (1957-01-01) und dessen Verkündung (1957-02-23) freiwillige Beiträge für Zeiten vor dem 1957-01-01 entrichtet hat, ist nicht nach AnVNG Art 2 § 5 Abs 1 S 1 zur Weiterversicherung berechtigt. Der Ausschluß von der Weiterversicherung verstößt nicht gegen einen Grundsatz des Verfassungsrechts (Fortführung von BSG 1966-08-30 1 RA 301/61 = SozR Nr 5 zu Art 2 S 4 ArVNG und BSGE 25, 170).
2. Die in der Zeit zwischen 1957-01-01 und 1957-02-23 für Zeiten nach dem 1954-12-31 bis 1957-02-28 entrichteten freiwilligen Beiträge sind nicht unwirksam.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 5 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 4 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 190 Fassung: 1934-05-17; RVO § 1442 Abs. 1 Fassung: 1937-12-21; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 1963 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 1959 wird aufgehoben, soweit die Beklagte die vom Kläger im Januar 1957 entrichteten Beiträge beanstandet hat. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Kosten sind dem Kläger auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger (geboren 8. Oktober 1917) war vom 1. April 1938 bis zum 31. März 1941 und vom 25. Februar 1952 bis zum 31. Dezember 1955 in der Angestelltenversicherung (AnV) pflichtversichert; anschließend war er wegen der Höhe seines Einkommens versicherungsfrei. Im Januar 1957 entrichtete er zur AnV sechs freiwillige Beiträge für das Jahr 1956 und einen freiwilligen Beitrag für Februar 1957, später zwölf weitere freiwillige Beiträge für die Monate März 1957 bis Februar 1958. Auf Anfrage des Klägers verneinte die Beklagte im März 1959 die Berechtigung des Klägers zur Weiterversicherung, weil der Kläger die Voraussetzungen des § 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und auch des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) nicht erfülle; die in den Jahren 1957 und 1958 von dem Kläger für 1956 und die folgenden Jahre entrichteten Beiträge beanstandete sie, weil die Beitragsmarken zu Unrecht verwendet worden seien. Am 30. Oktober 1959 erteilte sie dem Kläger hierüber einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Der Kläger begehrte die Aufhebung dieses Bescheides. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Bayerische Landessozialgericht - LSG - (Urteil vom 5. Februar 1963) hielt Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG, soweit er die Weiterversicherung ausschließt, wenn von dem Recht der Weiterversicherung nach § 21 AVG aF nicht durch Entrichtung eines Beitrags bis zum Inkrafttreten des AnVNG (1. Januar 1957) Gebrauch gemacht worden ist, nicht für verfassungswidrig; es folgte dabei im wesentlichen den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in den Beschlüssen vom 11. Oktober 1962 - I BvL 14/58 und I BvL 22/59 -, in denen das BVerfG Art. 2 § 5 Satz 1 AnVNG und Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG), soweit diese Vorschriften die Fortführung der nach dem 31. Dezember 1955 in der Angestelltenversicherung bzw. Arbeiterrentenversicherung begonnenen Selbstversicherung ausschließen, als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar angesehen hat; es hielt ferner für erheblich, daß - soweit die Weiterversicherung ab 1. Januar 1957 ausgeschlossen sei - bereits bestehende "Ansprüche" auf Grund der früheren Pflichtversicherung selbst bei Nichterfüllung der Wartezeit unberührt blieben (insbesondere die Gewährung von Maßnahmen nach den §§ 13, 16 AVG nF, die Gewährung von Rente im Falle des § 29 AVG nF), daß durch spätere Pflichtbeiträge die Wartezeit noch erfüllt bzw. - wenn wie im Falle des Klägers die Wartezeit bereits erfüllt sei - noch ein Anspruch auf höhere Leistungen bei Eintritt des Versicherungsfalles erworben werden könne und daß gegebenenfalls nach weiterer Entrichtung von Pflichtbeiträgen später unter den Voraussetzungen des § 10 AVG erneut die Möglichkeit zur (freiwilligen) Weiterversicherung bestehe. Das LSG ließ die Revision zu.
Der Kläger legte frist- und formgerecht Revision ein. Er beantragte, für Recht zu erkennen:
1. Auf die Revision wird das Urteil des Bayerischen LSG vom 5. Februar 1963 aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, daß der Kläger zu der im Januar 1957 begonnenen freiwilligen Weiterversicherung in der Rentenversicherung der Angestellten und damit zur Entrichtung der Beiträge für die Zeit ab 28. Februar 1956 berechtigt ist.
3. Die Beklagte hat die Kosten sämtlicher Rechtszüge zu tragen.
Ferner beantragte er hilfsweise die Vorlage an das BVerfG.
Zur Begründung trug er vor: Nach § 21 AVG aF sei er zur Weiterversicherung berechtigt gewesen; er habe im Januar 1957 noch freiwillige Beiträge für das Jahr 1956 nachentrichten dürfen und auch nachentrichtet. Dadurch, daß in Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG die Berechtigung zur Weiterversicherung von der Entrichtung eines freiwilligen Beitrags vor dem Inkrafttreten des AnVNG abhängig gemacht und das am 21. Januar 1957 im Bundestag beschlossene und am 23. Februar 1957 verkündete AnVNG rückwirkend ab 1. Januar 1957 in Kraft gesetzt worden sei, sei er in seinem Vertrauen auf den Fortbestand des im Zeitpunkt der Beitragsentrichtung noch maßgebenden Rechts enttäuscht worden. Das verstoße gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip des GG und auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Der Zweck der Neuregelung der Weiterversicherung habe auch ohne die Rückwirkung erreicht werden können. Die Erwägungen des BVerfG in den Beschlüssen vom 11. Oktober 1962 träfen für die rückwirkende Beseitigung des Rechts zur Weiterversicherung nicht zu.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Der Kläger ist weder nach § 10 AVG (idF vor dem Inkrafttreten des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes - RVÄndG - vom 9. Juni 1965) noch nach Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG zur Weiterversicherung berechtigt. Der Senat hält diese Vorschriften, soweit sie das Recht zur Weiterversicherung rückwirkend ab 1. Januar 1957 ausschließen, auch nicht für verfassungswidrig. Die Beklagte ist jedoch nicht berechtigt gewesen, die Beiträge, die der Kläger im Januar 1957 entrichtet hat, zu beanstanden. Nach § 10 AVG idF des am 1. Januar 1957 in Kraft getretenen AnVNG kann die Versicherung freiwillig fortsetzen (Weiterversicherung), wer nicht versicherungspflichtig ist und innerhalb von 10 Jahren während mindestens 60 Kalendermonaten Pflichtbeiträge entrichtet hat. Der Kläger hat zwar für mindestens 60 Kalendermonate (insgesamt für 83 Kalendermonate) Pflichtbeiträge zur AnV entrichtet, jedoch sind nicht mindestens 60 Pflichtbeiträge innerhalb von 10 Jahren entrichtet. Die Voraussetzungen des § 10 AVG in der bei Erlaß des Bescheids vom 30. Oktober 1959 maßgebenden Fassung liegen bei dem Kläger nicht vor. Zwar ist § 10 AVG durch Art. 1 § 2 Nr. 9 des RVÄndG vom 9. Juni 1965 insoweit geändert worden, als bei der Ermittlung des Zehnjahreszeitraums Ersatzzeiten, Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AVG und Rentenbezugszeiten, soweit nicht für diese Zeit Beiträge entrichtet sind, unberücksichtigt bleiben. Die Neufassung ist jedoch erst am 1. Juli 1965 in Kraft getreten (§ 10 Abs. 1 Buchst. e RVÄndG). Sie ist daher für die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 30. Oktober 1959, soweit er die Berechtigung zur Weiterversicherung betrifft, ohne Bedeutung; der Senat hat nicht zu prüfen, ob der Kläger auf Grund dieser Änderung ab 1. Juli 1965 zur Weiterversicherung berechtigt ist.
Auch nach der Regelung des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG kann sich der Kläger nicht mehr weiterversichern. Nach dieser Vorschrift - soweit sie nicht die Selbstversicherung regelt - kann die Versicherung (freiwillig) fortsetzen, wer durch Entrichtung eines Beitrags bis zum Inkrafttreten des AnVNG (1. Januar 1957) "von dem Recht zur Weiterversicherung (§ 21 AVG aF) Gebrauch gemacht hat". Nach der Rechtsauffassung des 1. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 30. August 1966, SozR Nr. 5 zu Art. 2 § 4 Abs. 1 ArVNG = Art. 2 § 5 Abs. 1 AnVNG) bedeuten die Worte "Gebrauch gemacht hat", daß das Recht zur Fortsetzung der Versicherung, wenn es nach den früheren Vorschriften bestanden hat, vor dem Inkrafttreten des AnVNG durch Entrichtung wenigstens eines freiwilligen Beitrags genutzt worden sein muß, daß also eine Beitragsentrichtung nach dem Inkrafttreten des AnVNG für Zeiten vor dem 1. Januar 1957 für die Erhaltung des Rechts zur Weiterversicherung nicht genügt; der erkennende Senat ist, wie er bereits in seinem Urteil vom 19. Januar 1966 - 11 RA 58/65 - zu dem Begriff der "Entrichtung" eines Beitrags vor dem 1. Januar 1956 (für die Erhaltung des Rechts zur Selbstversicherung nach der gleichen Vorschrift) zum Ausdruck gebracht hat, der gleichen Ansicht. Der Kläger hat unstreitig nach seinem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung am 31. Dezember 1955 bis zum Inkrafttreten des AnVNG am 1. Januar 1957 keinen freiwilligen Beitrag zur AnV entrichtet; er ist deshalb nach Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG zur Weiterversicherung nicht berechtigt.
Der Ausschluß des Klägers von der Weiterversicherung ab 1. Januar 1957 verstößt nach der Überzeugung des Senats auch nicht gegen einen Grundsatz des Verfassungsrechts.
Soweit Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG die Fortführung der nach dem 31. Dezember 1955 in der AnV begonnenen Selbstversicherung ausschließt, hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 1962 - 1 BvL 14/58 (BVerfG 14. 306 ff = SozR Nr. 9 zu Art. 14 GG) - unter Bezugnahme auf die Entscheidung zu Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 ArVNG (BVerfG 14. 288 ff) die Vereinbarkeit mit dem GG bejaht. Soweit Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG ausschließt, daß ein Versicherter das ihm bis zum 31. Dezember 1956 zustehende, aber nicht genutzte Recht der Weiterversicherung auch durch die bis dahin zulässige Nachentrichtung freiwilliger Beiträge (§ 190 AVG aF iVm § 1442 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF) nicht mehr ausüben kann, hat der 1. Senat des BSG in dem Urteil vom 30. August 1966 (SozR Nr. 5 zu Art. 2 § 4 ArVNG = Art. 2 § 5 AnVNG) die Vereinbarkeit mit dem GG bejaht. Dieses Urteil hat allerdings einen Fall betroffen, in dem erstmals im Dezember 1958 freiwillige Beiträge zur AnV für Zeiten vor dem 1. Januar 1957 nachentrichtet und deshalb von der Beklagten beanstandet worden sind; der 1. Senat hat die Frage offengelassen, ob der Ausschluß von der Weiterversicherung auch in den Fällen mit dem GG vereinbar ist, in denen - wie hier - freiwillige Beiträge für Zeiten vor dem 1. Januar 1957 noch vor der Verkündung des AnVNG, aber nach dessen Inkrafttreten, d. h. in der Zeit zwischen dem 1. Januar und dem 23. Februar 1957, entrichtet worden sind. Auch dies ist zu bejahen.
Eine Verletzung des im GG gewährleisteten Eigentums (Art. 14 GG) liegt nicht vor, weil das rückwirkend beseitigte Recht zur Weiterversicherung nicht als "Eigentum" anzusehen ist. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des BVerfG in den Beschlüssen vom 11. Oktober 1962 und des 1. Senats des BSG in dem schon zitierten Urteil vom 30. August 1966. Als "Eigentum" ist eine öffentlich-rechtliche Position, mag sie auch von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein, nur dann anzusehen, wenn sie "Äquivalent und Ausdruck eigener Leistung" ist. Der Schwerpunkt der Beeinträchtigung liegt auch in Fällen der vorliegenden Art, ähnlich wie bei der rückwirkenden Beseitigung des Rechts zur Selbstversicherung durch Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG, in der Erschwerung der "Erwerbsberechtigung", nämlich in der Verringerung, u. U. sogar der Beseitigung der Chance, durch Entrichtung weiterer Beiträge die Voraussetzungen für künftige Rentenansprüche oder jedenfalls für höhere Rentenansprüche zu schaffen. Diese Erwerbsberechtigung beruht auch insoweit, als sie von Vorleistungen des Versicherten abhängt - nach altem Recht war für das Recht zur Weiterversicherung erforderlich, daß mindestens für sechs Monate Pflichtbeiträge entrichtet waren -, nicht auf eigener Leistung des Versicherten, sondern auf staatlicher Gewährung. "Äquivalent" der bis 31. Dezember 1956 wirksam geleisteten Pflichtbeiträge ist damit nicht das Recht zur Weiterversicherung gewesen, sondern das Versicherungsverhältnis insgesamt, das durch die Neuregelung nur in seinem Inhalt verändert, aber nicht in seinem Kern angegriffen oder entwertet wird.
Auch der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Zwar werden nach Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG frühere Pflichtversicherte, die bei sonst gleichen Voraussetzungen bis 31. Dezember 1956 auch nur einen freiwilligen Beitrag entrichtet haben, anders behandelt als frühere Pflichtversicherte, die - wie der Kläger - einen Beitrag (oder mehrere Beiträge) erst zu Anfang des Jahres 1957 nachentrichtet haben. Es verstößt aber nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn Personen, die eine ihnen gebotene Rechtsposition bereits "realisiert", eine rechtliche Chance bereits genutzt haben, von einem gesetzlich bestimmten Stichtag an anders behandelt werden als Personen, welche die ihnen gleichermaßen gebotene Chance bis dahin nicht verwirklicht haben (vgl. BSG aaO mit weiteren Hinweisen) Der Senat hat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG auch keine Bedenken dagegen, daß hier für die "Differenzierung" ein bereits in der Vergangenheit liegender Stichtag gewählt worden ist; wenn die Neuregelungsgesetze überhaupt das Recht zur Weiterversicherung begrenzt haben, so hat sich aus den gleichen beitragstechnischen Erwägungen, auf die das BVerfG in den Beschlüssen vom 11. Oktober 1962 hinsichtlich des Stichtags (1. Januar 1956) für den Ausschluß des Rechts zur Selbstversicherung hingewiesen hat, der mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze zusammenfallende Jahresbeginn (1. Januar 1957) als sachgerecht angeboten.
Entscheidend bleibt auch für Fälle der vorliegenden Art die Frage, ob die rückwirkende Beseitigung des Rechts zur Weiterversicherung mit dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip des GG vereinbar ist. Auch dies ist zu bejahen. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit; Rechtssicherheit bedeutet für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz (vgl. z. B. BVerfG 13, 261, 271; 13, 215, 224; 14, 297, 298). "Der Bürger muß grundsätzlich darauf vertrauen können, daß sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Folgen anerkannt bleibt" (BVerfG 13, 261, 271), Im vorliegenden Fall ist der Kläger ebenso wie die gleichermaßen Betroffenen in seinem Vertrauen darauf enttäuscht worden, daß ihm das Recht zur Weiterversicherung, das er nach altem Recht gehabt und genutzt hat, nicht entzogen werde. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht aber - insbesondere wenn die beeinträchtigte Rechtsposition auf staatlicher Gewährung beruht - nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Schmälerung seiner Rechte zu bewahren. "Der Staatsbürger kann sich auf den Vertrauensschutz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Hierfür ist einerseits das Ausmaß des Vertrauensschutzes, andererseits die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit maßgeblich. Sie sind gegeneinander abzuwägen" (BVerfG 14, 288, 300). Dies gilt in besonderem Maße für das Sozialrecht, das ständig im Fluß ist und der Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung unterliegt (vgl. hierzu Werner Weber in "Rechtsschutz im Sozialrecht", Beiträge zum ersten Jahrzehnt der Rechtsprechung des BSG, 1965, 279, 286/287).
Das Interesse der Allgemeinheit - insbesondere der Versichertengemeinschaft - an der Neuregelung der Weiterversicherung ist darin gesehen worden, die Weiterversicherung auf solche Arbeitnehmer zu beschränken, die innerhalb von 10 Jahren eine Pflichtbeitragszeit von 60 Monaten zurückgelegt haben, weil ein Versicherter erst nach einer Beitragszeit, die der Erfüllung der Wartezeit entspricht, als echtes Mitglied der Versichertengemeinschaft gelten konnte. Die Begrenzung auf "echte" Mitglieder der Versichertengemeinschaft wiederum ist dem Gesetzgeber geboten erschienen, weil durch die Neuregelungsgesetze das gesamte Leistungsrecht grundlegend verbessert worden ist (zu vergl. im einzelnen die Hinweise in dem Urteil des BSG vom 30. August 1966), diese Verbesserungen aber im wesentlichen aus den entgeltabhängigen Beiträgen der Pflichtversicherten finanziert werden müssen. Die freiwillig Versicherten dagegen wählen die Beitragsklasse nach ihrem Belieben; sie können u. U. durch verhältnismäßig wenig höhere Beiträge die Bewertung der Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten erhöhen, während Pflichtversicherte von dieser freien Gestaltung ausgeschlossen sind (vgl. Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2./3. Aufl., Bd. III zu § 10 AVG V 127). Bei der Beratung des Regierungsentwurfs im Ausschuß für Sozialpolitik des Bundestags ist aber auch Wert darauf gelegt worden, daß Versicherte, die die weniger strengen Voraussetzungen des alten Rechts erfüllt haben, nicht aber die strengeren Voraussetzungen des neuen Rechts erfüllen, ihr Interesse an einer weiteren Versicherung schon vor dem Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze - mindestens durch Entrichtung eines freiwilligen Beitrags - bewiesen haben (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, zu Drucks. 3080, 22). Soweit dabei als Stichtag nicht der Zeitpunkt der Verkündung der Neuregelungsgesetze oder ein noch späterer Zeitpunkt, sondern das Inkrafttreten der Gesetze, also eine um etwa siebeneinhalb Wochen zurückliegende Zeit gewählt worden ist, ist - ebenso wie bei der rückwirkenden Beseitigung der Selbstversicherung - wohl auch hier das Bestreben maßgebend gewesen, einen Zustrom von Weiterversicherten "kurz vor Toresschluß" auszuschließen. Dieses Bestreben muß ebenso als auf "verständigen Erwägungen" beruhend angesehen werden, wie dies vom BVerfG hinsichtlich des Ausschlusses der Selbstversicherten bejaht worden ist (BVerfG 14, 288, 301/303). Der Senat verkennt dabei nicht die Unterschiede der rückwirkenden Neuregelung für die Selbstversicherten und für die Weiterversicherten hinsichtlich des Ausmaßes des "Vertrauensschadens" der Betroffenen. Selbstversicherte, die die Versicherung erst nach dem 31. Dezember 1955 begonnen haben, sind durch die Neuregelung in zeitlicher Hinsicht im Höchstfalle mit Rückwirkung von knapp 14 Monaten, meist für eine erheblich kürzere Zeitspanne, betroffen worden; im Hinblick darauf, daß sie die Selbstversicherung nur bis zum vollendeten vierzigsten Lebensjahr haben aufnehmen dürfen, ist der "Vertrauensschaden", der ihnen möglicherweise dadurch entstanden ist, daß sie andere ihnen zur Zeit des Eintritts in die Sozialversicherung offenstehende Möglichkeiten der Selbstvorsorge (insbesondere den Abschluß einer Privatversicherung) nicht mehr oder nur unter finanziell unzumutbaren erhöhten Opfern haben nutzen können, nur als unbeträchtlich angesehen, das Bedürfnis nach Vertrauensschutz nur gering bewertet worden. Bei den nach früherem Recht zur Weiterversicherung Berechtigten, die durch das neue Recht von der Weiterversicherung ausgeschlossen worden sind, kann der "Vertrauensschaden" im einzelnen Fall erheblich sein, nämlich dann, wenn sie durch Pflichtbeiträge innerhalb der Zehnjahresfrist des § 10 AVG bei Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze die Wartezeit (60 Monate) in erheblichem Umfange, aber noch nicht voll erfüllt und wegen ihres die Versicherungspflichtgrenze übersteigenden Einkommens nun nicht mehr die Möglichkeit haben, die Wartezeit durch freiwillige Beiträge noch zu erfüllen oder, falls die Wartezeit erfüllt ist, ihren künftigen Rentenanspruch durch die Entrichtung weiterer Beiträge der Höhe nach zu verbessern. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung verringert sich jedoch dadurch, daß - wie noch auszuführen ist - die in der Zeit vom 1. Januar bis zum 23. Februar 1957 nach altem Recht wirksam entrichteten freiwilligen Beiträge wirksam bleiben und damit auch ihre Wirksamkeit für die "Erwerbsberechtigung" behalten. Es darf ferner nicht übersehen werden, daß auch bei den von der Weiterversicherung Ausgeschlossenen einerseits selbst bei Nichterfüllung der Wartezeit weiterhin die Möglichkeit zur Gewährung von Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (§§ 13, 14, 16 AVG) erhalten bleibt und daß ihnen unter den Voraussetzungen des § 29 AVG sogar ein Anspruch auf Rente zusteht. Die gesetzliche Neuregelung kann weiter auch die Folge haben, daß erst mit ihrem Inkrafttreten die Wartezeit erfüllt und damit bei Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ein bisher nicht bestehender Rentenanspruch begründet ist. So ist es z. B. auch im vorliegenden Fall: Der Kläger hat am 1. Januar 1957 nach altem Recht die Wartezeit nicht erfüllt gehabt, weil die Anwartschaft aus den in den Jahren 1938 bis 1941 entrichteten Beiträgen nicht aufrechterhalten gewesen ist; vom Inkrafttreten des AnVNG an sind jedoch auch die Jahre 1938 bis 1941 auf die Wartezeit anzurechnen, so daß die Wartezeit zusammen mit den 1952 bis 1955 entrichteten Beiträgen erfüllt ist (§ 26 AVG idF vor dem Inkrafttreten des RVÄndG). Der Beeinträchtigung der Rechtsposition der nach früherem Recht zur Weiterversicherung Berechtigten durch Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG sind auch die Verbesserungen durch die Neuregelungsgesetze gegenüberzustellen. Zu ihnen gehört auch der den von der Neuregelung betroffenen Versicherten eingeräumte Anspruch auf Erstattung der Hälfte der nach dem 20. Juni 1948 entrichteten Beiträge und der vollen Höherversicherungsbeiträge unter den Voraussetzungen des § 82 AVG. Auch wenn die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse bei den Betroffenen im einzelnen Falle verschieden liegen und das Ausmaß der Beeinträchtigung ihres "Vertrauensschadens" nicht gleich ist, muß bei der im Recht der Rentenversicherung gebotenen generellen Betrachtungsweise auch in Fällen der hier vorliegenden Art das Schutzinteresse des einzelnen am Fortbestand der früheren Weiterversicherungsberechtigung gegenüber der neuen und umfassenden Gesamtregelung des AnVNG zurücktreten. Das Rechtsstaatsprinzip ist durch die Neuregelung nach Ansicht des Senats auch in diesen Fällen nicht verletzt.
Eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips verneint der Senat aus den gleichen Erwägungen, wie sie in dem Urteil des BSG vom 30. August 1966 dargetan sind. Gerade die Versicherten, die aus der Pflichtversicherung wegen der Höhe ihres Einkommens ausgeschieden sind, gehören in aller Regel nicht zu dem "sozial schwachen Personenkreis", dessen Existenzsicherung dem Gesetzgeber unter dem Verfassungsgrundsatz der Sozialstaatlichkeit obliegt. "Wo Möglichkeit und Fähigkeit zu eigener privater Vorsorge bestehen, ist weder eine Verpflichtung zur Einbeziehung in die Sozialversicherung noch eine solche zur Aufrechterhaltung bisher nicht genutzter Versicherungsmöglichkeiten anzuerkennen" (Urteil des BSG vom 30. August 1966). Da sich die Regelung der Weiterversicherung in Fällen der vorliegenden Art im Rahmen der Verfassung hält und die als deren Bestandteil in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit in zulässiger Weise begrenzt, ist schließlich auch der Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht verletzt (BSG aaO).
Die Beklagte hat daher in dem Bescheid vom 30. Oktober 1959 die Berechtigung des Klägers zur Weiterversicherung zu Recht verneint. Die Revision des Klägers ist insoweit unbegründet und zurückzuweisen.
Die Verfassungsmäßigkeit der Weiterversicherungsregelung in Art. 2 § 5 Abs. 1 AnVNG und der auf dieser Regelung beruhende Ausschluß des Klägers von der Weiterversicherung haben aber nicht zur Folge, daß die vom Kläger im Januar 1957 entrichteten Beiträge als unwirksam von der Beklagten beanstandet werden dürften. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beiträge - durch den Erwerb und das Einkleben der Beitragsmarken in die Versicherungskarte - vor dem Tag, an dem das AnVNG vom Bundestag beschlossen worden ist (also vor dem 21. Januar 1957), entrichtet worden sind oder erst in der Zeit zwischen der Beschlußfassung des Bundestags und der Verkündung des Neuregelungsgesetzes (sonach zwischen dem 21. Januar und dem 23. Februar 1957); im vorliegenden Fall, in dem nach der Feststellung des LSG die Beiträge "im Januar 1957" entrichtet worden sind, ist beides möglich; der Kläger hat zwar mit der Revision geltend gemacht, er habe die Beitragsmarken bereits vor dem 21. Januar 1957 erworben und verwertet, Tatsachen und Beweismittel, die das LSG zu einer dahingehenden Feststellung hätten veranlassen müssen, hat er jedoch nicht vorgetragen. Hierauf kann es aber auch nicht ankommen. Dadurch, daß das AnVNG rückwirkend am 1 Januar 1957 in Kraft getreten ist und daß in der Übergangsregelung des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG das Recht zur Weiterversicherung an die Entrichtung mindestens eines Beitrags vor dem Inkrafttreten des AnVNG geknüpft worden ist, ist in eine Rechtsposition eingegriffen worden, die dem Kläger und anderen in gleicher Weise Betroffenen ohne diese Rückwirkung nach bisherigem Recht zugestanden hat. Der Eingriff hat darin bestanden, daß diesem Personenkreis das Recht zur freiwilligen Fortsetzung der Versicherung rückwirkend vom 1. Januar 1957 an entzogen worden ist. Die Wirksamkeit der entrichteten Beiträge ist von diesem Eingriff jedoch nicht berührt worden. Die Beiträge, die nach dem 31. Dezember 1956 für Zeiten bis Februar 1957 entrichtet worden sind, bleiben wirksam, sofern im Zeitpunkt der Beitragsentrichtung die Versicherten überhaupt noch zu dem Personenkreis gehört haben, der freiwillig Beiträge hat entrichten dürfen. Der Kläger ist, ebenso wie andere Versicherte, im Januar 1957 bis zur Verkündung des AnVNG zur Weiterversicherung berechtigt gewesen, er hat damals nach altem Recht (§ 190 AVG aF iVm § 1442 Abs. 1 RVO aF) freiwillige Beiträge für 1956 nachentrichten dürfen; der für Februar 1957 im voraus entrichtete Beitrag war nach dem bei Beginn des Februar geltenden Recht ebenfalls wirksam. Durch Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG ist die vom alten Recht den nachentrichteten Beiträgen beigelegte Wirkung nicht berührt worden, die Beitragsnachentrichtung ist vielmehr nur bei der Regelung einer neu aufgetauchten Frage (hier der Neuregelung des Rechts zur Weiterversicherung) nicht in den Tatbestand der Gesetzesvorschrift mit aufgenommen worden (BVerfG 14, 288, 297), das Recht zur Weiterversicherung ist an einen die Beitragsnachentrichtung außer acht lassenden, bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt "rückangeknüpft" worden. Zwar sind grundsätzlich freiwillige Weiterversicherungsbeiträge, die erst unter der Herrschaft des neuen Rechts für Zeiten vor dem 1. Januar 1957 nachentrichtet worden sind, nicht wirksam, weil das Recht zur Weiterversicherung nach § 10 AVG, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG im Zeitpunkt der Beitragsnachentrichtung nicht mehr bestanden hat; der 1. Senat hat daher zutreffend in dem von ihm am 30. August 1966 entschiedenen Falle, in dem Beiträge für 1956 erst im Jahre 1958, also lange nach der Verkündung der Neuregelungsgesetze, nachentrichtet worden sind, diese Beiträge als unwirksam angesehen und die Beanstandung dieser Beiträge durch die Beklagte für rechtmäßig gehalten. Das gleiche muß jedoch nicht auch dann gelten, wenn - wie in Fällen der hier vorliegenden Art - der Zeitpunkt der Nachentrichtung vor der Verkündung der Neuregelungsgesetze, möglicherweise sogar vor der Beschlußfassung des Bundestags liegt-Diese Beiträge sind nach dem im Zeitpunkt ihrer Entrichtung geltenden Recht wirksam gewesen. Würden diese Beiträge als "zu Unrecht entrichtet" beanstandet, so würde damit zwar - entgegen der Meinung des Klägers - nicht in eine für die Berechtigung zur künftigen Weiterversicherung erhebliche Rechtsposition eingegriffen, wohl aber würde die Wirksamkeit dieser Beiträge rückwirkend für das Versicherungsverhältnis im ganzen beseitigt. Das wäre eine sogenannte "echte Rückwirkung" im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG 11, 139, 145/146; 14, 288, 296/297; vgl hierzu aber Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Band II, 1967 unter Nr. 23, 24), weil insoweit in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen wird. Wenn das Gesetz sich eine solche "Rückwirkung" beilegen würde, so würden in der Tat verfassungsrechtliche Bedenken bestehen; das Vertrauen des Versicherten, daß die nach altem Recht wirksam entrichteten Beiträge ihre Wirksamkeit für das bereits bestehende Versicherungsverhältnis und für einen künftigen Versicherungsanspruch behalten, würde zerstört werden. Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG zwingt jedoch zu dieser Auslegung in den hier in Betracht kommenden Fällen nicht. Ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift hinsichtlich der nach dem 31. Dezember 1956 bis zur Verkündung des AnVNG entrichteten Beiträge eine (mittelbare) Regelung nur insoweit, als sie die Berücksichtigung dieser Beiträge für die Berechtigung zu einer künftigen Weiterversicherung ausschließt. Ihrem Sinn und Zweck nach ist sie eine Übergangsregelung, die Versicherten, die nach altem Recht zur Weiterversicherung berechtigt gewesen sind, diese Berechtigung nach den strengeren Vorschriften des neuen Rechts aber nicht mehr haben, die Weiterversicherung ab 1. Januar 1957 unter weniger strengen Voraussetzungen als nach § 10 AVG ermöglicht. Die Vorschrift legt also dem Zeitpunkt der Beitragsentrichtung nur für einen Teilbereich des Versicherungsverhältnisses und nur für die Zukunft Bedeutung bei. Dies rechtfertigt die Auslegung, daß eine weitergehende Beeinträchtigung der Wirksamkeit der vor der Verkündung des AnVNG entrichteten Beiträge nicht beabsichtigt gewesen ist, weil sie weder im alten noch im neuen Recht eine Stütze findet. Damit sind die bis zur Verkündung des AnVNG wirksam entrichteten freiwilligen Beiträge wirksam geblieben; sie behalten ihre Bedeutung für einen künftigen Rentenanspruch nach Grund und Höhe, insbesondere auch hinsichtlich der Erfüllung der Wartezeit. Dafür spricht auch die Regelung in Art. 2 § 5 Abs. 2 AnVNG für die nach dem 31. Dezember 1955 entrichteten Selbstversicherungsbeiträge. An sich wäre bei ihnen zu unterscheiden zwischen den im Jahre 1956 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes (1. Januar 1957) entrichteten Beiträgen, die ohne Zweifel wirksam geblieben sind (vgl. Art. 2 § 5 Abs. 2), und den danach noch bis zur Verkündung des Gesetzes (im Januar und Februar 1957) entrichteten Beiträgen. Die letzteren müßten eigentlich infolge des rückwirkenden Inkrafttretens des AnVNG zum 1. Januar 1957 nachträglich unwirksam geworden sein. Diese Folgerung zieht das Gesetz aber offenbar nicht; es behandelt in Art. 2 § 5 Abs. 2 AnVNG die im Jahre 1956 und die im Januar und Februar 1957 entrichteten Selbstversicherungsbeiträge gleich, d. h. es sieht sie alle weiterhin als wirksam entrichtet an (mit der Möglichkeit der Zurückzahlung auf Antrag des Versicherten). Aus dieser Regelung für die im Januar und Februar 1957 entrichteten Selbstversicherungsbeiträge darf man schließen, daß die im Januar und Februar 1957 entrichteten Weiterversicherungsbeiträge, wenn sie nach dem bei ihrer Entrichtung noch geltenden alten Recht wirksam entrichtet bzw. nachentrichtet waren, gleichfalls wirksam geblieben sind, auch wenn das Recht zur Weiterversicherung nachträglich für den Zeitpunkt der Entrichtung entzogen worden ist. Ob Versicherten, die an den in der Zeit vom 1. Januar bis 23. Februar 1957 nachentrichteten Beiträgen deshalb nicht mehr interessiert sind, weil eine Weiterversicherung ausgeschlossen ist, möglicherweise diese Beiträge auf Antrag ebenso zu erstatten sind, wie dies in Art. 2 § 5 Abs. 2 AnVNG für die Fälle vorgesehen ist, in denen nach dem 31. Dezember 1955 eine Selbstversicherung begonnen worden ist, kann dahingestellt bleiben, weil ein Erstattungsantrag vom Kläger nicht gestellt worden ist. Grundsätze des Verfassungsrechts werden durch diese Auslegung nicht berührt. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 1959 ist jedenfalls insoweit nicht rechtmäßig, als darin die vom Kläger im Januar 1957 entrichteten Beiträge beanstandet worden sind; insoweit ist auf die Revision des Klägers der Bescheid aufzuheben.
Der Senat sieht damit keinen Anlaß zu der vom Kläger hilfsweise beantragten Aussetzung des Verfahrens und zur Einholung einer Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 GG. Die Bedenken anderer Gerichte, die das BVerfG in gleichgelagerten Fällen zur Entscheidung darüber angerufen haben, ob die Vorschriften des § 10 AVG, Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG, soweit sie die Fortführung der Weiterversicherung nicht zulassen, mit dem GG vereinbar sind, hält der Senat nach erneuter Prüfung nicht für begründet. Hinzu kommt aber auch, daß die Vorlage nach der Überzeugung des Senats überhaupt nicht zulässig wäre. Dem Begehren des Klägers könnte nämlich auch dann nicht entsprochen werden, wenn Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG in seinem die Weiterversicherung betreffenden Teil etwa gegen Art. 3 GG verstieße, weil er Versicherte, die bis zum 31. Dezember 1956 von dem Recht zur Weiterversicherung nach § 21 AVG aF Gebrauch gemacht haben, günstiger stellt als Versicherte, die dies erst nach diesem Zeitpunkt getan haben. "Das Bundesverfassungsgericht kann, wenn der Gesetzgeber unter Verletzung des Art. 3 GG bestimmte Gruppen begünstigt, entweder die begünstigende Vorschrift für nichtig erklären oder feststellen, daß die Nichtberücksichtigung einzelner Gruppen verfassungswidrig ist. Es darf jedoch die Begünstigung nicht auf die ausgeschlossenen Gruppen erstrecken, wenn nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber bei Beachtung des Art. 3 GG eine solche Regelung getroffen hätte" (BVerfG 14, 308, 311/312). Wenn Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG in seinem die Weiterversicherung regelnden Teil nichtig wäre, so würde sich die Nichtigkeit nicht nur auf die Worte "bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes" beschränken; da die Vorschrift am 1. Januar 1957 in Kraft getreten ist und durch die Worte "Gebrauch gemacht hat" sowie durch die Anknüpfung an eine Vorschrift alten Rechts (§ 21 AVG) auf einen vor dem 1. Januar 1957 liegenden Tag verweist, könnte die Nichtigkeit nur die Übergangsregelung insgesamt ergreifen; dann würde es aber an einer Übergangsregelung für Versicherte, die nach altem Recht zur Weiterversicherung berechtigt gewesen sind, die Vorschriften des neuen Rechts (§ 10 AVG) jedoch nicht erfüllen, überhaupt fehlen. Das Recht des Klägers zur Weiterversicherung würde entfallen, weil er im Zeitpunkt der Beitragsentrichtung die Voraussetzungen des § 10 AVG nicht erfüllt. Dem Begehren des Klägers könnte nur dann entsprochen werden, wenn das Gesetz eine andere Übergangsregelung getroffen hätte; sie hätte etwa darin bestehen können, daß anstelle der Worte "bis zum Inkrafttreten des AnVNG" die Worte "bis zum 28. Februar 1957" in den Tatbestand aufgenommen worden wären (vgl. hierzu Art. 2 § 41 Satz 2 AnVNG idF des RVÄndG); der Gesetzgeber hätte aber auch einen anderen Stichtag wählen oder er hätte - wie dies in § 16 des Regierungsentwurfs vorgesehen gewesen ist (vgl. Bundestags-Drucks. 2437, 46) - das Recht zur Fortsetzung der Versicherung allen Versicherten einräumen können, die bis zum Inkrafttreten des AnVNG "zur Weiterversicherung berechtigt" gewesen sind. In die Entschließungsfreiheit, die der Gesetzgeber insoweit zu beanspruchen hat, könnte das BVerfG nicht eingreifen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2380229 |
BSGE, 255 |